Anthrax
Death Angel, Hellyeah, Anthrax Live in Bangkok
Konzertbericht
Der böse Blick im Land des Lächelns
Der Thailänder an sich ist ein ausgeglichener Zeitgenosse. Die buddhistische Lebensphilosophie im Herzen und stets ein breites Grinsen im Gesicht. „Sanuk“, das heißt auf Thai soviel wie Spaß und Lebensfreude – Sanuk, das ist im Land des Lächelns Programm! Und musikalisch? Da hält man sich lieber an die einheimischen Schlager, die manch einem „Farang“, so werden Ausländer bezeichnet, eine mittelschwere Gänsehaut auf das Trommelfell treibt. Abendländisches Liedgut wird eher in Form von elektrolastigem House- Trance- oder Goagestampfe rezipiert… in Sachen Metal gehört Siam ohne Zweifel zu den Entwicklungsländern. Im Gegensatz zu Japan verirren sich auch wenig namhafte Bands dieses Genres nach Thailand, was die kürzliche „Sonic Attack“ von DEATH ANGEL, HELLYEH und ANTHRAX auf einem Parkplatz mitten in Bangkok nur umso interessanter zu gestalten wusste. Stellte sich zunächst also die Frage, gibt es dort eine Zielgruppe für diese Art von Musik und wenn, wie sieht der typische Thai-Metalhead denn überhaupt aus? In der Auswahl der Garderobe unterscheidet er sich nicht viel von seinem europäischen Pendant. Im Gesicht ist derweil jedoch um einiges mehr los – düstere Tattoos als hätte sie der Belzebub persönlich in die Epidermis gestochen und vor allem zentnerschwere Killernieten, welche das Mienenspiel schon allein auf Grund des Gewichts gen Boden ziehen, sorgen im Land des Lächelns für einen dem Event angemessenen bösen Blick. Die optischen Rahmenbedingungen was das Publikum anbelangt stimmten also auf jeden Fall schon einmal. Klimatisch sollte es sich jedoch zu einer Herausforderung für alle Anwesenden vor und auf der Bühne entwickeln. 37 abendliche Grade, extrem hohe Luftfeuchtigkeit und das unter der Smogglocke des südostasiatischen Millionenmolochs… Bedingungen, welche selbst den Thais arg zusetzten.
Und die musikalischen Hauptprotagonisten des Abends? Nun, die Bay-Area-Thrascher von DEATH ANGEL aus San Francisco sollten Bedingungen dieser Art ja wenigstens ansatzweise gewohnt sein. Und das waren sie auch – zumindest merkte man es ihnen nicht im Geringsten an, mal abgesehen von den übergroßen Transpirationsflecken auf den Klamotten. DEATH ANGEL legten enorm los und servierten zunächst ein krachendes Potpourri ihrer ersten drei Longplayer vor dem Split 1991. Bereits mit „Thrashers“ als Opener wusste der Funke zum zunächst noch verhalten agierenden Publikum schnell überzuspringen. Obwohl die Herren Osegueda & Co. in Thailand alles andere als bekannt sind, entwickelte sich der Gig quasi zu einer Art Heimspiel. Was es auch im weitesten – zumindest geographisch verwurzelten – Sinne war, stammen doch so gut wie alle Mitglieder von den Philippinen, was Frontmann Mark Osegueda an diesem Abend nicht müde wurde zu betonen. Und da man dem Asiaten an sich ja stets schwerlich sein wahres Alter ansieht, wirkte das Quintett sowohl für Ohr als auch Auge recht jung geblieben, als ob die 1982 gegründete Band ihre zehnjährige Kreativpause bis 2001 komplett im Kälteschlaf verbracht hätte. Und auch wenn, geschadet hat es ihnen in Sachen hörbarer Qualität nicht im Ansatz, denn auch die Stücke – allen voran „Thrown To The Wolves“ – der drei neuen, nach der Wiederauferstehung der Band veröffentlichten Alben, wussten durchweg zu gefallen. Fazit: Lediglich auf die Rolle für’s leichte Publikums-Warm-Up reduziert zu werden, kam für DEATH ANGEL offensichtlich nicht in Frage. Sie lieferten einen handwerklich mehr als soliden Auftritt ab und agierten schon fast wie Headliner – Thrash Metal vom Feinsten inmitten der Smoghölle Bangkoks, doch es sollte noch besser werden…
Bühne frei für HELLYEAH, der texanischen Supergroup von Ex-PANTERA-Schlagzeuger Vinnie Paul Abbott. Dabei konnte er namhafte Könner ihres Fachs für sein Projekt gewinnen, was sie im Kollektiv auch in der südostasiatischen Metropole beeindruckend unter Beweis stellen sollten. HELLYEAH hatte die anwesende Meute schnell im Griff. Die Südstaaten-Metal-Cowboys boten fettesten Dicke-Hose-Heavy-Metal der Extraklasse und knüppelten, als ob die Sonne über Bangkok niemals wieder aufgehen würde. Chad Grey – seines Zeichens auch Shouter bei MUDVAYNE – brüllte sich die Seele aus dem Leib, die Gitarrenfront Tom Maxwell (NOTHINGFACE) und Greg Tribbett (ebenfalls MUDVAYNE) knallte sich die Riffs gegenseitig nur so um die Ohren, während Bob Zilla (DAMAGEPLAN) am Viersaiter mit rustikalem Groove bei dem brachialen V-8er aus Texas für ordentlich Umdrehungen sorgte. Mr. Paul himself feuerte derweil hinter seiner Schießbude eine Double-Bass-Kanonade nach der anderen auf die mittlerweile tobende Menge ab… mit seinem Repertoire aus gerade einmal zwei Alben verstand es der Fünfer auf beeindruckende Weise zu beweisen, wer denn musikalisch gesehen an diesem Abend die größten Löcher in den nicht vorhandenen Schnee Bangkoks pinkelte. Songs wie „Cowboy Way“, „Matter Of Time“ oder „Stampede“ schlugen in die Gehörgänge das Publikums ein, wie einst Schrapnellgeschosse in die Schützengräben vor Verdun. Es wäre schon fast verständlich gewesen, hätte sich der eine oder andere nach dem furiosen Finale mit HELLYEAHs „Hellyeah“ zufrieden nach Hause verabschiedet… dem war aber nicht so!
Es fehlte ja noch das mit Spannung erwartete Stelldichein des Headliners ANTHRAX. Als ob es mit Doc. Browns De Lorean zweieinhalb Dekaden zurück ging – bereits mit dem Opener „Among The Living“ war das Ziel der Zeitreise klar definiert: die guten alten 80er! Und das sollte sich mit zwei Ausnahmen auch nicht ändern. Ob nun „Madhouse“, „Indians“ (Belladonas Häuptlingsschmuck aus der 80er-Mottenkiste inklusive), „Medusa“ oder „Metal Thrashing Mad“ – die New Yorker um Gitarrenfrontsau Scot Ian lieferten eine Art Greatest Hits ihrer ersten Jahre ab. Als hätte es die Ära John Bush niemals gegeben, fehlte jeglicher Track aus den Jahren 1993 bis 2005… schade eigentlich! Aber auch nicht wirklich schlimm, denn an sich war alles, was Anthrax zu einem Teil der „Big Four“ des Thrash-Metals machte, an diesem Abend auf der Setlist vertreten. Obwohl der Kopfnickerklassiker schlechthin, „Caught In A Mosh“, bereits als vierter Song zu Gehör gebracht wurde, war das Pulver noch lang nicht verschossen. Selbst BLACK SABBATHs „Heaven And Hell“ – das auch gleich als Tribut der verstorbenen Musikerkollegen Ronnie James Dio, Clive Burton und Vinnie Pauls Bruder Dimebag Darrell herhalten musste – sowie ein neuer, unveröffentlichter Track namens „Fight ‚Em Till You Can“ (neu ist hier eher relativ, stand dieser Song schon bereits vor zwei Jahren zu Zeiten eines gewissen Dan Nelson am Mikrofon im Programm der Band) sorgten für frenetische Beifallsbekundungen… ANTHRAX erstes Thailand-Gastspiel überhaupt konnte durchaus als Erfolg auf ganzer Linie in den Bandanalen verbucht werden. Gut, das Publikum erwies sich bisweilen als nicht ganz so textsicher – vor allem, als Joey Belladonna gedachte, dieses bei „A.I.R“ zum Mitsingen zu animieren und zur Antwort aus dem Großteil der Kehlen „I Am The Law“ bekam, was jedoch eher für Schmunzler auf Seiten der New Yorker als für Brüskiertheit dekadenter Rockstars sorgte. Charlie Benante unterstrich durch sein virtuoses Gedresche auf die Felle, dass er zu den Meistern seines Fachs gehörte, Rob Caggiano und Scot Ian harmonierten wie eh und je und Frank Bello sprang mit seinem Bass wie ein Derwisch um die Mitte Zwanzig, der schwülen Hitze trotzend, von einem Bühnenrand zum anderen, als ob er Meilengeld kassieren würde. Lediglich Belladonna wirkte mit seinen nunmehr fünf Dekaden in den Knochen ein wenig behäbig und sein Bühnenhabitus glich eher dem der SCORPIONS oder WHITESNAKE. Der werten Zuhörer- und Zuschauerschaft war das so ziemlich egal und als zur Zugabe dann endlich „I Am The Law“ das nächtliche Bangkok erfüllte, klappte es auch mit dem Mitsingen…
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