Anathema
Anathema live in Karlsruhe
Konzertbericht
Die letzten Jahre waren nicht gerade leicht für ANATHEMA. Seit dem Niedergang von Music For Nations, über die seinerzeit das letzte, auch noch ziemlich durchwachsene Album „A Natural Disaster“ erschienen war, tingelt der Cavanagh’sche Familienbetrieb heimatlos durch die Lande. Anders als ehemalige Labelmates wie OPETH oder PARADISE LOST war es den ewig zerstrittenen, dann wieder selig vereinten Gebrüdern Cavanagh bis heute nicht vergönnt, einen neuen Vertrag unterzeichnen zu dürfen, was mir persönlich nicht verständlich ist. Auch wenn das letzte wirklich sehr gute Album mit „Judgement“ nun schon acht Jahre zurückliegt, waren auf den beiden Nachfolgern doch auch ein paar Perlen zu finden.
Nun begab man sich also auf Tour – noch vor Veröffentlichung des bereits fertiggestellten nächsten Albums, mit dem man wieder unter die Fittiche eines Labels schlüpfen will. Deutschland wurde dabei lediglich mit einem Date in Karlsruhe bedacht, wo die Band schon die letzten Male immer mit offenen Armen empfangen worden war. Dass der Konzertraum des Substage allerdings nur bis zum FOH mit Menschen gefüllt und dahinter mit schwerem Tuch abgehängt war, wunderte dann schon etwas. Doch das passte perfekt zum intimen Rahmen des Abends: kleines Publikum, keine Vorgruppe, ANATHEMA pur. Und wie!
Mit „Balance“ und „Closer“ eröffnete die Band ihr Set und bereits bei diesen beiden Songs war klar, dass sie ihren Spaß hatte. „Closer“ wurde auch live mit Hilfe des Vocoders umgesetzt, was für meine Ohren nach wie vor befremdlich klingt, aber sei’s drum! Beide Songs wurden mit Freude lautstark aufgenommen, der Beifall, der beim folgenden „Deep“ aufbrandete, stand dazu allerdings in keinem Verhältnis mehr. Während des gesamten Abends zeigte sich, dass es hauptsächlich die Songs von „Judgement“, „Alternative 4“ und „Eternity“ waren, die das Publikum begeisterten. Ja, richtig gelesen: „Eternity“ war auch vertreten. Insgesamt wirkte die Setlist sehr ausgewogen und man konnte sich dank der Hitdichte des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hierbei um ein Bewerbungskonzert handeln musste. Optimale Situation, denn so intensiv und gut habe ich ANATHEMA seit ihrem Auftritt beim WGT anno 2000 nicht mehr erlebt!
Dieser Ansicht schien das gesamte Publikum zu sein, das Songs wie „Forgotten Hopes“, „Destiny Is Dead“, die wie die beiden Opener im nahtlosen Doppelpack geboten wurden, „Empty“, „Inner Silence“, „One Last Goodbye“ oder „Judgement“, aber auch Titel neueren Datums, wie „Leave No Trace“, „Panic“, „Flying“, „Temporary Peace“ oder „A Fine Day To Exit“, zu weiten Teilen mitsang. Natürlich wurden auch Songs des noch unveröffentlichten Albums gespielt, die sich stilistisch wieder in Richtung „A Fine Day To Exit“ entwickelt zu haben scheinen und wieder etwas mehr Ecken und Kanten zeigen als noch „A Natural Disaster“. Lee Douglas, die nunmehr zum festen Line-Up der Band gehört, bekam von alledem jedoch leider nichts mit, da sie krank im Tourbus lag. Dank dieses wirklich beeindruckenden Sets war ihre Abwesenheit aber zu verschmerzen.
Überraschender Höhepunkt des Konzerts war allerdings ein Titel, den ich ANATHEMA noch nie habe live performen sehen: „Hope“. Ein emotionaler Ritt, Bilder im Kopf und Gänsehaut pur, als das komplette Substage die Zeilen mitsang. Der Wahnsinn! Dieser eine Song entschädigte für das (zu erwartende) Fehlen eines „A Dying Wish“ oder „Restless Oblivion“ voll und ganz. Nach über anderthalb Stunden, die gefühlt aber nur ein Bruchteil waren, verließen ANATHEMA die Bühne, um danach eine Zugabe zu liefern, die mit „Fragile Dreams“ einen Abend beschloss, der den Wunsch zum Flehen werden ließ, ANATHEMA mögen zu alter Stärke zurückfinden. Dass sie es noch immer drauf haben – Tagesform hin oder her – hat dieser Abend jedenfalls mehr als deutlich gezeigt.
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