Cellar Darling
Ein Herbstabend

So richtig besinnliche Herbststimmung will sich heute in Bremen nur begrenzt einstellen, als wir uns auf den Weg zum Herbstabend von und mit CELLAR DARLING machen. Das Wetter spielt mit seinem Grau-in-Grau-Farbenmuster und gelegentlichen Regenfällen zwar mit, aber wenn der Fußweg vom Zuhause einen schnurstracks über den Bremer Freimarkt führt, dann muss man sich die grellen, blinkenden Lichter und allgegenwärtig wummernden Technobeats erst einmal wieder aus dem Hirn schütteln, bevor es in den Tower hinein geht.

Dort ist die Bühne herbstlich geschmückt, das Backdrop besteht aus einem Sternenhimmel von lauter kleinen LED-Lichtern und pünktlich, als wir eintreffen, legt mit IAMTHEMORNING schon die Vorband los. Zu diesem Zeitpunkt ist der Laden nicht voll, aber gefüllt genug für eine schöne, intime Atmosphäre.

Bericht aus Bremen: Jannik Kleemann

Fotos aus Köln: Siegfried Peeters

IAMTHEMORNING starten den Herbstabend in buntem Schwarz

IAMTHEMORNING nennen sich ein Chamber Progressive Duo, sind heute allerdings in Bandbesetzung zu viert auf der Bühne. Die russische Gruppe, die derzeit in Großbritannien residiert, macht nach ein paar Songs in der ersten Ansage direkt unmissverständlich klar: „We fucking hate our president“. Gut so! Die Tour stand für sie zeitweilig auf der Kippe, weil die Kombination aus russischem Pass und Wohnort im Brexit-Gebiet die Visa-Situation schwer gemacht haben. Es hat dank der Hilfe von CELLAR DARLING allerdings geklappt und die Mischung aus Folk, Ambient und Kammermusik kommt bei den Anwesenden gut an.

Als Sängerin Marjana Semkina fragt, wer die Band denn vorher schonmal live gesehen hat, heben sich ein paar Hände und ein Besucher ruft sogar rein, dass er sie bereits fünf Mal sah. Dafür soll er nach der Show einen Schlüsselanhänger als Dank erhalten. Generell lockern die sympathischen Ansagen die düsteren Klänge sehr angenehm auf und die Songs sind abwechslungsreich genug, um einen bei Stange zu halten. Musikalisch passen IAMTHEMORNING auf jeden Fall sehr gut zum Hauptact, sie klingen wie eine ruhigere Version von CELLAR DARLING. Als nach gut fünfzig Minuten ihr Set zu Ende geht, verschwinden die Musiker und Musikerin aber nicht gleich von der Bühne.

Galerie mit 14 Bildern: IAMTHEMORNING - An Autumn Evening With Cellar Darling Tour 2023 in Köln

Ein kleines Dark Ambient Intermezzo – MAER

Denn dann werden CELLAR DARLING mit auf die Bühne gerufen, denn aus Anna Murphy und Marjana Semkina besteht das seit kurzer Zeit aktive Duo MAER, welches sehr ruhige Stücke aus dem Dark Ambient Bereich darbietet. Drei Songs hören wir, darunter „Sister“ und „Poisoned Waters“. Das Konzept ist cool, musikalisch passt auch hier alles zusammen und die beiden den Takt vorgebenden Musikerinnen haben offensichtlich viel Spaß bei der Sache. Sehr sympathisch auch, dass sie nach ihrem ersten Song sagen: „They don’t know who we are.“, weil sie sich nicht vorgestellt haben. Anna Murphy klärt jedoch die Lage auf und MAER sind offensichtlich nicht bei jedem Anwesenden hier unbekannt, denn der Applaus geht nach dem Abschied des Duos über die Höflichkeitsmenge hinaus.

Galerie mit 13 Bildern: Maer - An Autumn Evening With Cellar Darling Tour 2023 in Köln

CELLAR DARLING entführen einen in ihre Welt

Nachdem alle Beteiligten recht kurz von der Bühne verschwanden, kehren CELLAR DARLING auf sie zurück und legen mit ihrer 2021er-Single „Dance“ los. Die metallische Komponente ist hier höher als bei den beiden Vorbands, sodass der Sound auch mehr drückt und einen mehr vereinnahmt. Die erste Hälfte des Sets wird vom noch aktuellen Album „The Spell“ aus dem Jahr 2019 dominiert. Murphys Ansagen sind ähnlich leichtfüßig und sympathisch wie die von IAMTHEMORNING, sie spricht wegen Fans, die extra aus Norwegen und Polen angereist sind auf Englisch. Sie betont noch einmal, wie gut der Abend musikalisch zusammenpasst (stimmt!), insbesondere auf Grund der gleichwertige miserablen Themen in den Songs. Eine passende Ansage, bevor sie „Death“ spielen.

Nach „Love“ und dem Titelsong „The Spell“ wird die rhetorische Frage gestellt, ob die Fans nicht auch Lust auf einen neuen Song hätten. Was für eine Frage, schließlich ist „The Spell“ schon vier Jahre alt und es wird sehnsüchtig auf Album Nummer drei gewartet. Der Song wurde bisher noch nicht einmal aufgenommen, existiert also bisher nur live auf dieser Tour und hört auf den Namen „Drone“. Er fügt sich nahtlos in die restlichen Lieder mit ein, sodass wir uns auf den nächsten Output der Schweizer Progressive-Folk-Band freuen dürfen.

Anschließend geht CELLAR DARLING zu ihrem Debütalbum „This Is The Sound“ über, von welchem sie vier Songs, namentlich „Avalanche“, „Black Moon“, „Hullaballoo“ und „Redemption“ darbieten. Diese stehen ihren jüngeren Kameraden nichts nach und sorgen teilweise („Avalanche“) auch für sehr nachhaltige Ohrwürmer. Mit der Ansage, dass CELLAR DARLING zu cool für Zugaben sind, wird der letzte Song „Freeze“ angekündigt. Zum Schluss stehen noch mal alle beteiligten Musiker und Musikerinnen des Abends auf der Bühne und verbeugen sich gemeinsam. Insgesamt wirkt der ganze Abend sehr kohärent und in sich geschlossen, ein sehr ansprechendes Konzerterlebnis neigt sich seinem Ende.

Doch kaum ist die Band von der Bühne verschwunden, findet sie sich schon am Merchstand ein, um für ein kleines Gespräch, ein schickes Tourshirt oder allerlei andere Devotionalien zur Verfügung zu stehen. Sehr fannah und freundlich! Damit geht ein gelungener Herbstabend mit CELLAR DARLING zu Ende und der Heimweg muss angetreten werden. Hätten wir doch nur einen Umweg über den blinkenden Freimarkt gemacht, denn dieser wollte in die Stimmung so gar nicht reinpassen.

Galerie mit 16 Bildern: Cellar Darling - An Autumn Evening With Cellar Darling Tour 2023 in Köln