Amon Amarth
European Tour
Konzertbericht
So, tolle Show, das war ja schon lange im Vorfeld klar. Das Kesselhaus ewig ausverkauft, was so etwa auf 1.750 zahlende Gäste hinausläuft. Leiderleider wird natürlich das Topspiel BVB vs. FCB genau an diesem Samstag um 18.30 Uhr ausgetragen. Na ja, vielleicht klappt ja beides… also Kneipe gesucht, bis Minute 60 ein durchaus ansehnliches Spiel verfolgt und beim Stand von 0:0 dann unruhig die Bar verlassen. Fünf Minuten später brüllt das ganze Viertel, das war dann wohl das 1:0 na ja… dafür sind wir dann hoffentlich pünktlich bei der Show.
Doch weit gefehlt, die U-Bahn fährt aus nicht ersichtlichen Gründen im Schneckentempo (checkt vermutlich den Liveticker) und als wir schließlich um 20.20 Uhr das Kesselhaus erreichen, hören wir schon „Mortal Coil“ von CARCASS. Na prima.
Aber es kommt natürlich noch besser: Der Ordner kennt sich mit der Gästeliste nicht aus, alles dauert ewig, dann wieder mal die leidliche Kameradiskussion, denn es ist schon Song Vier wie wir erfahren (Grrrrrr…. Samstags… Co-Headliner… 20.20 Uhr… vierter Song!). Also die doch recht kostenintensive Ausrüstung unversichert in irgendeine Ecke gelegt (das hat mit Hirn und Logik alles nichts zu tun, aber hat sich nun mal leider so durchgesetzt bei größeren Shows…) und wenigstens noch das restliche CARCASS-Set reingezogen. Der Sound ist prima, wenn auch sehr, sehr leise. Man kann sich wirklich ohne Problem während der Songs unterhalten. Das Display auf dem Mischpult zeigt permanent knapp unter 100DB an (wenn man online mal einen Lärmpegelvergleich sucht, werden einem da vorbeifahrende Lastwagen, Motorsägen, Winkelschleifer, sowie Ghettoblaster (!!!) angeboten), da AMON AMARTH später in ordentlicher Lautstärke spielen und in Kesselhausnähe eh keine Anwohnerbeschwerden zu erwarten sind, vermutlich eine Vorgabe von oben. Schade und überflüssig.
Die Setlist lässt nichts zu wünschen übrig: „Buried Dreams“ und „Incarnated Solvent Abuse“ haben wir zwar leider verpasst, wie sich später herausstellen sollte, aber wir erleben noch Perlen wie das neue „Captive Bolt Pistol“, „Exhume To Consume“ (gottgleich!), „Heartwork“ und „Corporal Jigsore Quandary“ (bei dem sich einige Anwesende nicht entblöden und den Beginn über Kopf im Takt mitklatschen! Meine Fresse… da spielen CARCASS!!!).
Die Band präsentiert sich in guter Form, die Jungs haben scheinbar Bock auf die Show und spielen fehlerfrei. Edel.
Im der Umbaupause läuft dann übrigens mehr oder weniger die komplette „Consuming Impulse“ von PESTILENCE. Sehr cool. Da hat jemand Geschmack!
Und dann also AMON AMARTH. Die Jungs, für die ein Großteil der Halle heute Abend hier ist. Zumindest falls man den Bandshirts glauben darf. Apropos Bandshirts: Es ist ein wahre Freude. Eine der wichtigen Regeln im Tragen ebendieser lautet ja: Ziehe nie ein Shirt der Band an, die am besagten Abend spielt! Am besten ein Shirt einer genreverwandten unglaublich kredibilen Undergroundgruppe. Hmm, davon hat der gemeine AMON AMARTH-Jünger aber wohl noch nichts mitbekommen und so quillt das Kesselhaus an diesem Abend schier über vor AMON AMARTH Shirts in allen Formen und Farben, wahlweise versehen mit Tourdaten und nur ab und an aufgelockert durch das ein oder andere WACKEN- oder – ganz aufregend – SEPULTURA-Shirt. Es ist ein Fest.
Doch zur Sache: AMON AMARTH! Viking Death Metal! Johann Hegg! Alles mit Ausrufezeichen. Los geht’s mit einem Doppelpack vom aktuellen Album: „Deceiver Of The Gods“ und „Father Of The Wolf“. Herr Hegg beweist, dass er sein Organ auch live genauso eindrucksvoll zur Geltung bringen kann wie auf Platte. Dem Mann könnte man tatsächlich abnehmen, der letzte Nachfahre der Wikinger zu sein. Zwei Meter Bart und Trinkhorn. Der Rest der Band ist da leider (mal abgesehen von spielerischer Klasse) völlig austauschbar. 4 mal lange glatte Haare, gleiche Länge, gleiche Farbe, alles gleich. Tight aufspielende Statisten um den Wikingerkönig quasi.
Den Fans ists egal. Jeder Song wird frenetisch gefeiert. Dabei konzentriert sich die Band hauptsächlich auf Songs der letzten, fast schon (man möge mir das Wort verzeihen) poppigeren vier Alben und manchmal vergisst man schon mal, dass man hier tatsächlich auf einer (Death) Metal Show ist. Zitat Johann Hegg: „Are you ready to parrrrrrrrty?“ Öööööööh, nööööö, eigentlich nicht, aber egal. Der Rest der Wikinger im Publikum sieht das wohl wie der Meister und so ist die Show tatsächlich ein gutes Fest. Kitschig wird’s dann, als bei „Runes To My Memory“ zwei große, hinterleuchtete Runensteine auf die Bühne gekarrt werden. Herr Hegg schwingt natürlich irgendwann auch noch Thors Hammer. Na ob es so viel Plakativität braucht, sei mal dahingestellt.
Man muss aber natürlich auch zugeben, dass man sich einfach bewusst sein muss, man hier auf einem AMON AMARTH Konzert und nicht auf irgendeiner Crust-Underground-Show zu sein. „That’s Entertainment“ und das beherrschen die Schweden schon gut. Die Songs geben das natürlich auch her, gerade weil die Band an diesem Abend verstärkt die Hymnen raushaut (leider zulasten der schnelleren Brecher, die eher Mangelware sind, vielleicht abgesehen von „Destroyer Of The Universe“). Da macht live sogar ein „Warriors Of The North“, das auf Platte schon fast ein bisschen zu viel des Guten ist, alles richtig. Der für viele beste und doch etwas seltsame Moment ist dann wohl „The Pursuit Of Vikings“ kurz vor Schluss. 2000 Kehlen brüllen den Refrain – von Herrn Hegg angestachelt – immer lauter mit und das sorgt schon für eine kurze Gänsehaut. Aber natürlich muss man sich schon fragen, ob man Zeilen wie „Oden! Guide our ships, our axes, spears and swords, guide us through storms that whip and in brutal war“ als deutscher Bankangeteller wirklich voller Inbrunst heraushämmern kann, ohne innerlich rot zu werden. Naja, aber an diesem Abend sind eben alle „The Last With Pagan Blood“. Also hoch die Schilde.
Nach zwei Zugaben segeln die Mannen umjubelt gen Norden und man kann abschließend festhalten, dass man heute Abend schon eine Menge für sein Geld bekommen hat. Von manchem vielleicht etwas zu viel, aber wir wollen mal nicht kleinlich sein.
text: haslauer (carcass) / struch (amon amarth)
fotos: haslauer
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