Alcest
Spiritual Instinct European Tour 2020 Berlin, Hannover & Stuttgart
Konzertbericht
Hannover, 14.02.2020 – Capitol
Nachdem ALCEST sich als Aufwärmprogramm am Vorabend in Berlin hervorgetan haben, steht der große Auftritt in Hannover auf dem Programm. Und dieser ist in zweierlei Hinsicht besonders: Erstens treten die Franzosen zum ersten Mal in der Leinestadt auf (endlich!) und zum Zweiten fällt das Konzert auf den Valentinstag. Nun kann man von diesem kommerziellen Herzchen-Großereignis (besonders für die Schokoladen- und Parfümindustrie) halten was man will, aber entgehen kann man dem medialen Hype kaum.
Leider konnte im Vorfeld des Konzertes keine repräsentative Umfrage gestartet werden, wie viele verliebte Paare sich gegenseitig mit Tickets für einen Auftritt von ALCEST mit ihrem Verträumt-Post-Black-Shoegaze-Metal entschieden haben. Daher wollen wir nun auch nicht unwissenschaftlich werden und einfach raten, wie viele Paare es gewesen sein könnten, sondern halten fest, dass Konzerttickets für ALCEST ein super Valentinstagsgeschenk gewesen wären.
Aberwieauchimmer: Bevor ALCEST die Anwesenden verzaubern können, gilt es das Vorprogramm der Band zu absolvieren. Und das fällt mit KÆLAN MIKLA und BIRDS IN ROW ziemlich abwechslungsreich und wenig verträumt aus.
Die 1980er lassen grüßen: KÆLAN MIKLA
Pünktlichst um 19:30 Uhr eröffnen die isländischen KÆLAN MIKLA – zu diesem Zeitpunkt noch vor einer halbleeren Halle. Aber wie das so ist: Die Reihen füllen sich ja oft erst im Laufe der ersten Vorband. Und dass die meisten Zuschauenden nach Ankunft auch bleiben spricht zunächst durchaus für das Trio auf der Bühne, denn der Darkwave-EBM-ANNE CLARKE-Gedächtnis-Elektro ist überaus kurzweilig und bühnentauglich: So mancher Alt-Gothic oder altgedienter Darkwave-Fan dürfte ein kleines Déjà-vu gehabt haben und verzückt gelauscht haben. Die Performance, die einen wiederholt eingesetzten, leuchtenden Zauberstab-Klöppel in den Händen von Sängerin Laufey Soffía zum Starten der Beats beinhaltet, ist zwar minimalistisch und der Musik angepasst, aber nicht ohne Reiz. Allerdings erschöpft sich der Aha-Effekt und die Faszination an dem überraschend unmetallischen Material recht schnell, sodass mehr als die dargebotenen dreißig Minuten auch nicht unbedingt nötig gewesen wären – letztlich fehlt dann doch ein wenig Variation in Musik und Darbietung.
Deftiges aus der Hardcore-Küche: BIRDS IN A ROW
Genau diese Variation bieten die folgenden BIRDS IN A ROW hingegen zur Genüge: Zwischen Post-Hardcore und Hardcore-Punk anzusiedeln, ballern die drei Herren aus Frankreich erstmal alle Gehörgänge ordentlich durch. Und die technisch einwandfreie Darbietung erntet sogar überraschend viel Zuspruch vom hannoveraner Publikum – schön zu sehen, wie genreoffen sich die Zuschauenden und -hörenden am heutigen Abend zeigen. Vielleicht liegt es an den kleinen, überaus melodischen Zwischenparts, die BIRDS IN A ROW immer wieder einbauen, vielleicht auch an der Energie, die die drei Musiker auf die Bühne bringen. Und dass BIRDS IN A ROW eine überaus sympathische Band sind, durften sie auch schon auf dem letztjährigen Roadburn Festival beweisen, auch Tourneen mit NEUROSIS, AMENRA und CONVERGE stehen in der Vita der Band – nicht schlecht. Leider ist nur die Lautstärke bei diesem Auftritt ein wenig zu hoch, da knallt es doch schon ziemlich im Trommelfell – allerdings trotzdem immer noch ausreichend differenziert. Und hinhören sollte man schon gut, hat es das Trio instrumental echt drauf, und Ohrenstöpsel verschaffen ja Linderung.
Zu recht gefeiert: ALCEST
Der Sound ist ein Faktor, der zu dem folgenden Auftritt von ALCEST nur positiv hervorgehoben werden kann: Jedes Detail ist hörbar und das tut der Musik richtig gut. Die Setlist jedenfalls unterscheidet sich nicht von der in Berlin – und ebenso wenig das TYPE O NEGATIVE-Shirt. Auch im CAPITOL trägt Frontmann Neige seine Liebe zur „Bloody Kisses“ im übergroßen Bandmerchandise zur Schau: Haufenweise extra Sympathie-Punkte hierfür. Auch wenn der sympathische Frontmann etwas zurückhaltender mit Ansagen ist als in Berlin, so ist die Qualität des Auftritts doch ebenbürtig. Wie im Fluge vergeht die Zeit, knapp neunzig Minuten Spielzeit stehen am Ende auf der Uhr. Was an diesem Abend jedoch anders ist als in der Bundeshauptstadt: Um 22:45 Uhr ist schon Schluss. Was aber auch durchaus daran liegen könnte, dass man am folgenden Samstag bereits in Kopenhagen gespielt haben möchte – da bietet sich eine frühe Abreise an. Und so lange die Netto-Spielzeit stimmt, ist ja alles im Lot und der Freitagabend noch jung.
Aber es ist schon spannend, wie viele Anhänger ALCEST mittlerweile gewonnen haben: Vor der Bühne ist das CAPITOL durchgehend gut gefüllt (wenn auch sicherlich nicht ausverkauft), und das obwohl seit den Auftritten im nahen Hamburg und Berlin doch erst kurze Zeit vergangen ist. Verdient hat die Band diese Aufmerksamkeit und Fanzuneigung allemal. In Hannover werden ALCEST mit einem starken Applaus von der Bühne gelassen – und Neige verabschiedet sich nochmal allein und sichtlich erfreut vom Publikum. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch das reichhaltige und geschmackvolle Merchandiseangebot: Vom schicken Tourshirt über Artprints ist alles vertreten – und das zu einem überaus fairen Preis. Schön, dass man sich als Fan hier auch gut fühlen kann. Au revoir und bis hoffentlich bald!
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