Wave-Gotik-Treffen
26 Jahre WGT in Leipzig
Konzertbericht
Sonntag, 04. Juni 2017
FREIRAUM SYNDIKAT und MORITZ EGGERT
Das umfangreiche Rahmenprogramm des Wave-Gotik-Treffens bot am Sonntag ein weiteres Schmankerl. Die WGT Musik Kammer, bestehend aus den vier klassischen Musikern von FREIRAUM SYNDIKAT Lukas Dreyer, Markus Fleischer, Miako Klein und Friederike Vollert und dem Musikdozenten MORITZ EGGERT, lud zum Programm “Von Huren und Heiligen“ und versprach unter anderem Lieder von DAVID BOWIE und THE CURE in klassischem Gewand.
Doch bereits vor Beginn fiel ein Ärgernis ins Auge, welches den potentiellen Konzertgenuss deutlich schmälerte. Rund um die Bühne in der Alten Börse wurden Kameras positioniert, die den kompletten Auftritt filmten. Aus zahlreichen Positionen im Auditorium ergab sich so eine unerfreulich eingeschränkte Sichtweise.
Mit einem auf diese Art leicht verärgerten Publikum begann jedoch ein musikalisch ansprechendes Konzert. Zunächst präsentierten FREIRAUM SYNDIKAT eine Auswahl an rumänischen Tänzen, bevor mit MORITZ EGGERT gemeinsam ein Einblick in die bald in Berlin stattfindenden Aufführungen einer modernen Version der “Beggar’s Opera“ gegeben wurde. Es folgten die versprochenen neu arrangierten Lieder bekannter Gothic- und Rockgrößen, allesamt dargeboten in dem für FREIRAUM SYNDIKAT typischen Instrumentarium, das heißt Cello, Gitarre und allerlei skurriler Blockflöten. Musikalisch packend und hochwertig, nicht zuletzt durch den famosen Gastauftritt von Mezzosopranistin CAROLIN MASUR, verlor jedoch die Darbietung ein wenig an Wirkung durch die störenden Kameras.
Im Anschluss daran konnte noch nicht an das nächste Konzert gedacht werden, denn es plagte uns der Hunger. Bei der Suche nach einer geeigneten Magenbefüllungseinrichtung stießen wir auf ein besonderes Angebot des PRIME BURGER Restaurants: einen speziellen schwarzen Burger exklusiv für das WGT! Dieser ist nicht etwa verbrannt, sondern vielmehr schwarz eingefärbt, sodass sich das Burgerbrötchen prima in das Ambiente in Leipzig einfügte. Sollte es diese Köstlichkeit auch 2018 wieder geben, wissen wir, wo wir essen werden. Ein absoluter Tipp für jeden WGT-Besucher!
(Matthias Weise)
Das Schöne am WGT ist, dass insbesondere beim Rahmenprogramm jedes Jahr neue Locations und Angebote dazukommen – manchmal sogar in unmittelbarer Nachbarschaft. Das Monopol Leipzig ist ein Zusammenschluss von Kreativschaffenden und gleichzeitig Treffpunkt und Arbeitsplatz. Die Räumlichkeiten im Leipziger Norden versprühten einen ursprünglichen industriellen Charme und man hatte beim Betreten schon das Gefühl, hier willkommen und gut aufgehoben zu sein. In der Galerie fanden sich etliche eindrucksvolle Kunstwerke, vor allem das drei Meter große Porträt von RAMMSTEIN-Sänger TILL LINDEMANN sorgte für staunende Gesichter. Außerdem konnten sich Besucher vor einer liebevoll gestalteten Friedhofskulisse professionell ablichten lassen und ein schönes Andenken mit nach Hause nehmen. An einen kleinen Kreativmarkt mit handgefertigten Schmuckstücken grenzte sogar ein improvisiertes Tattoostudio an. Heimlicher Star war allerdings Galeriehund Oskar, der unbeeindruckt vom WGT-Trubel seine Streicheleinheiten einforderte.
(Felix Wisotzki)
Galerie mit 9 Bildern: WGT Impressionen - Monopol LeipzigHEXPEROS
Im Anschluss ging es erneut in das Schauspielhaus, diesmal um den Klängen von HEXPEROS zu lauschen. Die Folk-Band stammt, wie sollte es bei diesem WGT auch anders sein, aus Italien und zeichnet sich durch besonders atmosphärische und dennoch melodische und eingängige Lieder aus. Im Fokus des Konzertes standen jedoch die virtuosen Musiker höchst selbst. Sängerin Alessandra Santovito überzeugte durch ihre klassisch ausgebildete Stimme, Perkussionist Francesco Savoretti ist ein Spielkind vor dem Herrn und erzeugte mit seinen gefühlt 10.000 Instrumenten ein abenteuerliches, aber stets passendes Klangbild und Francesco Forgione will sich offenbar ebenfalls nicht auf ein Instrument festlegen und spielte daher in nahezu jedem Song ein anderes: Harfe, Hackbrett, Bouzouki, Cello und vieles mehr. Ergänzt durch Geige und Gitarre entstand so ein perfekter Gesamtsound, der in der Titelmelodie zur Serie GAME OF THRONES gipfelte, die den Auftritt auf treffende Weise abrundete.
(Matthias Weise)
Das Alte Rathaus in Leipzig wird schon seit über 100 Jahren nicht mehr als Sitz der Stadtverwaltung genutzt, sondern beherbergt seit 1909 das Stadtgeschichtliche Museum. Hier hat man sich viele Gedanken gemacht, wie man eine Reise durch die Geschichte der Stadt auch zu einer Erlebnistour für den Besucher gestalten kann. Mit einem ansprechenden Beleuchtungskonzept, durchdachter Wegeführung und intermedialen Exponaten wird es hier alles andere als langweilig. Qualitativ nicht mithalten konnte leider die Sonderausstellung, „Salon der Erinnerungen – Aus den Anfängen der Leipziger Szene“. Diese beschränkte sich weitgehend auf altes Filmmaterial, das man sich in Dauerschleife anschauen konnte. Nicht schlecht, aber verzichtbar.
(Felix Wisotzki)
Galerie mit 6 Bildern: WGT Impressionen - Stadtgeschichtliches MuseumSOFT KILL
Für mich ist es bereits das sechste WGT und stets gibt es Neues zu entdecken. So habe ich es in all den Jahren nicht geschafft die Kuppelhalle für ein Konzert aufzusuchen. Welch fataler Fehler, wie sich herausstellen sollte. Nun lockten uns die Amerikaner SOFT KILL in diese einzigartige Location, die durch ihre runde Architektur nicht nur akustisch ein Topqualität liefert, sondern auch eine gewisse Nähe zur auftretenden Band herstellt. Dies war vor allem beim Post-Punk-Sound von SOFT KILL vorteilhaft und versetzte das Publikum bereits nach den ersten Tönen in verträumte Tanzbewegungen.
SOFT KILL gaben sich dabei passend zu ihrer Musik melancholisch. Nahezu keine Ansagen, kein großes “Hallo“ oder “Auf Wiedersehen“, stets ein trauriger Blick auf die eigene Gitarre – dies passte auf eigenartige Weise perfekt zur ruhigen und eindringlichen Musik. Der Abwechslungsreichtum der Band hielt sich zwar aufgrund der Ähnlichkeit vieler Songs zueinander etwas in Grenzen, was jedoch die anwesenden Fans herzlich wenig störte. SOFT KILL spielten in ihrem etwa eine Stunde andauernden Set eine gute Mischung ihrer zwei bislang erschienenen und von der Presse gefeierten Alben und überzeugten auf diese Weise auch Post-Punk-Neulinge wie mich.
(Matthias Weise)
Düsterer Metal im Felsenkeller
UNLIGHT
Im Felsenkeller gaben UNLIGHT am frühen Nachmittag ihr WGT-Debüt. Mit seinem letzten Album “Antihelion“ hat das deutsch-schweizerische Gespann einen schönen Brocken Black Metal ins Rennen geschickt, der über weite Phasen Erinnerungen an die schwedischen Vertreter aus den 90ern aufleben lässt, ohne jedoch in einen Copy-Paste-Modus zu verfallen. Live hatten UNLIGHT das Problem, dass die stilprägende Lead-Gitarre soundtechnisch ein Schattendasein fristete. So konnten die Songs leider nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen, wenngleich die Jungs eine gute Performance lieferten.
Galerie mit 13 Bildern: Unlight - WGT 2017Der Biergarten vom Felsenkeller ist so gemütlich, dass man hier regelrecht versacken kann. Die tollen Burger und eine riesige Getränkeauswahl tun ihr Übriges. Manchmal sitzen am Nachbartisch NACHTBLUT, machen sich über UNLIGHT lustig (“Die haben nur 3.000 Facebook-Likes, haha!“) und rotzen grölend auf den Boden. Das ist dann nicht so idyllisch, passiert aber zum Glück nicht oft.
(Felix Wisotzki)
THE VISION BLEAK
Weiter ging es mit den Horror-Metallern von THE VISION BLEAK, deren aktuelles Album “The Unknown“ das wohl abwechslungsreichste in der Bandgeschichte sein dürfte. Der rasende Opener “From Wolf To Peacock” machte auch live als erstes Stück eine ganz hervorragende Figur, ebenso wie die Hymne “Into The Unknown“. Frontmann Ulf Theodor Schwadorf hat mittlerweile keine Matte mehr, aber die braucht er auch nicht, um die Show an sich zu reißen und nicht mehr aus den Fingern zu geben. Gebührend gefeiert wurden selbstredend insbesondere die Klassiker “Night of the Living Dead“, “Carpathia“ und “Kutulu“.
(Felix Wisotzki)
Galerie mit 13 Bildern: The Vision Bleak - WGT 2017ARCTURUS
Dass ARCTURUS im Anschluss deutlich abgefahrener werden würden zeigte sich bereits, als die Musiker auf die Bühne kamen. Gitarrist Knut Magne Valle trug ein knallrotes mittelalterliches Gewand zur Schau, das optisch nicht so ganz zu den dunklen Klamotten seiner Kollegen passen wollte. Besucher, die ARCTURUS noch nicht kannten, dürften die Band auch musikalisch eher als anstrengend empfunden haben. Denn leichte Kost ist der Stil beileibe nicht, den die Norweger im Laufe der Jahre perfektioniert haben. Und so wurde auch der Auftritt eine avantgardistische Reise durch ein pompöses Klangbild zwischen Gefrickel und Geknüppel sowie Elektronik und Gitarren. Große Theatralik, die live aber nicht zu hundert Prozent zünden wollte.
(Felix Wisotzki)
Galerie mit 14 Bildern: Arcturus - WGT 2017ALCEST
Den Headliner im Felsenkeller WEDNESDAY 13 bekamen wir nicht mehr mit, da wir uns stattdessen auf dem Weg zum Volkspalast und ALCEST machten. Der Volkspalast ist mit seiner römisch angelehnten Architektur zweifelsohne die WGT-Konzertlocation mit dem schönsten Ambiente und bot den perfekten Rahmen für die Franzosen. Bereits nach dem ersten Song, dem Titeltrack des aktuellen Albums “Kodama“, waren Band, Location und Publikum zu einer Einheit verschmolzen. Ohne große Showeinlagen gingen ALCEST vollkommen in ihrem schwelgenden Post Metal mit gelegentlichen Ausbrüchen auf und dieser Intensität konnte man sich nur schwer entziehen. Definitiv eines der Highlights auf dem diesjährigen WGT.
(Felix Wisotzki)
Galerie mit 12 Bildern: Alcest - WGT 2017PETER HEPPNER
Es folgt der wohl ungewöhnlichste Beitrag dieses Festivals für eine Seite wie metal.de. PETER HEPPNER gab sich die Ehre und trat als Headliner im Kohlrabizirkus auf. Ursprünglich mit der Band WOLFSHEIM unterwegs führten ihn seine Wege später tatsächlich in die Charts und zu Kollaborationen mit SCHILLER, PAUL VAN DYK und JOACHIM WITT sowie zu einer erfolgreichen Solokarriere.
Eröffnet wurde der Auftritt durch “I Won’t Give Up“ und “Alleinesein“, die klar machten, dass der Live-Sound von PETER HEPPNER deutlicher in Future-Pop-Gefilde geht als es die Platten hergeben. Es folgte ein Best Of seiner Karriere, welches nahezu keinen Fanwunsch unerfüllt ließ. “Meine Welt“, “God Smoked“ und die WOLFSHEIM-Klassiker “Kein Zurück“ samt grandiosem Fanchor und “The Sparrows And The Nightingales“ führten in regelmäßigen Abständen zu Freudenschreien und euphorischem Beifall.
Die geballte Ladung Hits gab es dann jedoch zur Zugabe. “Leben … I Feel You“, “Wir Sind Wir“, “Dream Of You“ und “Die Flut“ brachten den Kohlrabizirkus ordentlich zum Kochen. Der leider an diesem Abend sehr wortkarge Herr HEPPNER und seine Band hatten zum WGT sichtlich Spaß am perfekten Sound und einem feierwütigen Publikum. Auch wir hatten definitiv unsere Freude bei melodischen Future-Pop-Songs.
(Matthias Weise)
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