Wave-Gotik-Treffen
26 Jahre WGT in Leipzig
Konzertbericht
Freitag, 02. Juni 2017
Das WGT beginnt man am besten mit einem gepflegten Frühschoppen – idealerweise in der Getränkefeinkost Leipzig, weil dort die Bierauswahl so klasse ist. Mit deutschen und internationalen Craftbieren sowie bayerischen und regionalen Spezialitäten kann man hier fröhlich in den Tag starten. Offenbar hat sich die Adresse auch bis nach Übersee herumgesprochen, da sogar zwei kanadische WGT-Besucher vorbeikamen, um sich für die nächsten Tage einzudecken.
Für uns ging es nach der “Ankunft“ zunächst zum Agra-Gelände um den Presseausweis abzuholen. Doch bevor es dazu kommen kann, gab es erstmal eine Fotomöglichkeit der ganz besonderen Art. Die Einheimischen (“Locals“) sind ein illustres Völkchen und boten neben ausgefallen Fotomotiven auch einen Likör für unterwegs. Nette Menschen, diese Leipziger!
Nachdem wir die Presseausweise abgeholt hatten, machten wir es uns im Agra-Park gemütlich. Obwohl zum WGT ganz Leipzig von Schwarzen bevölkert wird, ist das Agra-Gelände nach wie vor der Dreh- und Angelpunkt des Treffens – nicht zuletzt durch den angrenzenden Zeltplatz mit bis zu 10.000 Campern. Wie gewohnt bekommt man hier fast alles an Festivalverpflegung – von Rostbratwurst, Döner und Pizza über Handbrot und Fischbrötchen bis hin zu Gummibärchen und WGT-Zigaretten. Bier, Met und Cider dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Galerie mit 4 Bildern: WGT Impressionen - Agra GeländeDie WGT-Szenemesse in der AGRA-Markthalle hatte zwar über all die Jahre immer eine große Auswahl an Klamotten, CDs und Accessoires zu bieten, kämpfte aber zwischenzeitlich auch mit einer gewissen Eintönigkeit. Doch seit zwei Jahren lässt sich ein positiver Trend hin zu größerer Vielfalt feststellen, für die vor allem die Stände junger Künstler und Designer verantwortlich sind. Dieses Jahr erreichte diese Entwicklung ihren vorläufigen Höhepunkt mit unzähligen Handmade-Kunststückchen – von Schmuck über Klamotten bis hin zu Bildern und Skulpturen.
Galerie mit 12 Bildern: WGT Impressionen - Agra MarkthalleNach gepflegtem Schlendern über das Agra-Gelände zog es uns zu den ersten Konzerten des Festivals: UMBRA ET IMAGO in der Agra-Halle und TROBAR DE MORTE im nicht weit davon entfernten Heidnischen Dorf. In letzterem gab es neben erstklassiger Musik auch jede Menge Köstlichkeiten in fester und flüssiger Form, sowie viele Händler, die ihre Wahre feilbieten. Wir entschieden uns zunächst für eine Schupfnudelpfanne mit Pfifferlingen und stellten uns voller Freude über diese gute Entscheidung vor die Heidenbühne, um das Treiben darauf zu bewundern.
TROBAR DE MORTE
Die spanische Band TROBAR DE MORTE lieferte den perfekten Soundtrack zum Einstieg in das WGT. Irgendwo zwischen mystischem Pagan-Folk und mittelalterlichen Klängen mit einer nicht zu leugnenden Nähe zu alten FAUN-Stücken überzeugte ihre Musik durch schöne Melodien, ein sphärisches Klangbild und Lady Mortes zauberhafter Stimme. Auch wenn der Gesamtsound insgesamt wenig abwechslungsreich gestaltet ist, so lockten TROBAR DE MORTE viele Fans vor die Bühne, die ausgelassen zur Musik tanzten. Im Anschluss an das Konzert wurde sich noch eine leckere Waffel organisiert, damit man auch ausreichend gestärkt zum Auftritt von TANZWUT gehen kann. Das stellte sich als Fehlentscheidung heraus.
(Matthias Weise)
TANZWUT
Da haben wir doch glatt die Anziehungskraft der Berliner Mittelalterrocker TANZWUT unterschätzt. Der Platz vor der Bühne war übervoll, denn der Teufel hatte zum Tanze gebeten. So verfolgten wir den Auftritt von der Seite aus. Doch auch da bekam man mit, wie sehr TANZWUT die Meute zum Kochen bringen. Neue Songs vom Album “Schreib Es Mit Blut“, wie der energische Titelsong als Intro oder “Bruder Leichtsinn“, packten ebenso wie der geleibte Klassiker “Meer“ oder die Hymne “Brüder Im Geiste“. Mit der Zeit schlich sich jedoch eine gewisse Monotonie ein. Auch wenn die Fans feierten als gäbe es kein Morgen, so fehlte uns ein wenig die Abwechslung. Ein kurzer Festival-Gig von TANZWUT ist stets zu empfehlen, doch nach über einer Stunde ähnelten sich die einzelnen Songs zu stark. Da TANZWUT bereits mit rund 20 Minuten Verspätung anfingen und wir für den Auftritt von AMANDA PALMER in der Agra-Halle gute Plätze haben wollten, verließen wir frühzeitig das Konzert.
(Matthias Weise)
UMBRA ET IMAGO
In der AGRA-Halle enterten währenddessen UMBRA ET IMAGO die Bühne. Das Szene-Urgestein trat bereits zum neunten Mal auf dem WGT auf und man muss leider hoffen, dass nicht mehr allzu viele Konzerte folgen. Bereits in den vergangenen Jahren litt die Performance zunehmend unter den Aussetzern von Frontmann und Kopf der Band Mozart. Bei einem vergangenen WGT-Auftritt wollte er über den Fotograben auf die Bühne klettern und musste sich von den Fotografen hochschieben lassen, weil er hilflos über der Kante baumelte. Mittlerweile geht man eigentlich nur noch hin um zu schauen, wie schlimm es diesmal wird. Wir wurden nicht enttäuscht. Mozart liest mittlerweile seine Texte ab und schafft es trotzdem, sie zu versemmeln und bei Klassikern der Band seinen Einsatz zu verpassen. Stimmlich war er ja noch nie der große Tenor, aber auch der Gesang nimmt langsam ungeahnt schauerliche Ausmaße an. Dementsprechend herrschte Durchgangsverkehr in der Halle – die meisten kamen rein, blieben kurz als Schaulustige stehen und verschwanden dann wieder nach draußen. Dass bei Mozarts gepfefferten Wasserflaschenwürfen in die Menge niemand verletzt wurde, ist eigentlich das einzig Positive an diesem Auftritt gewesen.
(Felix Wisotzki)
Galerie mit 16 Bildern: Umbra Et Imago - WGT 2017DEVILMENT
DANI FILTH ist schon ein umtriebiger Typ. In beachtlicher Regelmäßigkeit haut er mit CRADLE OF FILTH seit über 20 Jahren Album um Album raus und scheint dennoch genug Ideen übrig zu haben, um mit DEVILMENT eine zweite Band groß rauszubringen. Nimmt man den WGT-Auftritt als Erfolgs-Indikator, stehen die Chancen aber mal richtig gut. Mit groovigen Riffs, markanten Hooks und Dani als gruseligen Springteufelchen zogen DEVILMENT eine schaurig-schöne Show ab, sodass sich trotz des vergleichsweise geringen Bekanntheitsgrads der Band die Halle zunehmend füllte. Passend zur Musik setzt Dani bei DEVILMENT verstärkt auf tiefe Growls, fieses Flüstern und angepisstes Gekeife. In Verbindung mit seinem Markenzeichen, den hohen Schreien, bot er hier seine ganze imposante Stimmvielfalt, die er bei CRADLE OF FILTH nicht in diesem Ausmaß zur Schau stellt. Ein starker Auftritt!
(Felix Wisotzki)
Galerie mit 13 Bildern: Devilment - WGT 2017AMANDA PALMER & EDWARD KA-SPEL
Banges Warten in der Agra. Kommt jetzt tatsächlich AMANDA FUCKING PALMER? Die AMANDA PALMER, die jahrelang nicht der Gothic-Szene zugeordnet werden wollte, spielt als Headliner auf dem weltweit größten Gothic-Festival? Ja genau so ist es, doch der Auftritt stand im Vorfeld unter keinem guten Stern. Die Sängerin dazu auf Facebook:
“into the emergency room in leipzig at 6pm, needles and blood, out at 11pm, on stage worlds biggest goth festival at 12:30am until 2am with a broken fucking keyboard (we fixed it), left my bleeding heart up there.
now YOU tell me who’s goth as fuck
(nothing serious, mystery infection, many antibiotics)“
Nun ja den Krankheitszustand merkte man AMANDA PALMER nicht an. Souverän betrat sie unter tosendem Applaus mit EDWARD KA-SPEL von THE LEGENDARY PINK DOTS und dem Violinisten Patrick Q. Wright die Bühne. Doch auf Musik musste man leider noch etwas warten. Das bereits erwähnte Keyboard schien kein funktionierendes Pedal zu haben – es musste ausgetauscht werden. Währenddessen scherzte vor allem Patrick Wright mit dem Publikum, der aus welchem Grund auch immer keine zündende Idee für ein Geigensolo hatte:
“I’ve never played this shit in front of so many people.“
Das Publikum nahm es gelassen, denn nach etwa 15 Minuten konnte es mit der Ansage “Ladies and Gentlemen – Music!“ losgehen. Präsentiert wurden vornehmlich Songs aus dem gemeinsamen Album von AMANDA PALMER und EDWARD KA-SPEL “I Can Spin A Rainbow“, einer düsteren und sphärischen Melange elektronischer Klänge. Mit “Pulp Fiction“ wurde der Abend musikalisch eingeläutet und versetzte die wartenden Fans in dankbare und verträumte Tanzbewegungen. Auch “The Shock Of Kontakt“ und “Rainbow’s End“ überzeugten live auf ganzer Linie. Der Gesang kam mal von der routinierten AMANDA PALMER und mal von EDWARD KA-SPEL, dessen Stimme nicht minder faszinierend ist. Gelegentlich entstand dabei der Eindruck, dass der kauzige Onkel den Nichten und Neffen gruselige kleine Märchen vorträgt – großartig! Durch dieses Wechselspiel aus den beiden charakteristischen Stimmen entstand ein gänsehauterregender Gesamtsound.
Auch wenn die Fans auf Hits wie “Coin-Operated Boy“ von THE DRESDEN DOLLS vergeblich warten, so gab es mit “Mrs. O“ und “Half Jack“ immerhin zwei kleine Schmankerl aus PALMERs ehemaliger Band. Insgesamt lieferte das Trio düstere elektronische Musik, die mit tragenden Klavier- und Geigenelementen zum perfekten WGT-Soundtrack avancierte und eines der absoluten Highlights von 2017 sein dürfte. Leider viel zu früh wurde der Auftritt beendet, und die anfangs verstrichene Zeit nicht nachgeholt. Frenetischen Beifall für einen einzigartigen Abend gab es dennoch zu Recht und Genüge.
(Matthias Weise)
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