20 Years Of New Evil Music 2024
Der große Festivalbericht
Konzertbericht
In der Nachbetrachtung wird deutlich, das ELLENDE etwas aus dem Gesamtbilling herausfallen, ohne dass dies im Vorfeld so klar gewesen wäre. Warum? Weil das Soloprojekt von Lukas Gosch an diesem Abend durch sein letztlich doch recht generisches Setting auffällt, ohne das dies nun negativ zu betrachten wäre. Auch wenn die Österreicher etwa mit der tiefschürfenden „Ballade Auf Den Tod“ beginnen und auch im weiteren Verlauf ihren häufig depressiven Atmospheric Black Metal wirkungsvoll ins Publikum transferieren, so sind ELLENDE hier jedenfalls eine jener Bands, die am Wenigsten experimentieren und durchaus geradlinig agieren. Das aber in jedem Fall auf einem hohen Niveau.
Mit den Bayern von THE VISION BLEAK sind die Fahrwässer wieder weniger stringent und, wie von Ernie im Vorfeld angekündigt, erwartet den Zuschauer eine düstere Horror-Kellerdisco, in der ausgelassen auf den Tod getanzt wird. Erfreulicherweise kommt einiges von den ersten beiden Alben „The Deathship Has A New Captain“ und „Carpathia (A Dramatic Poem)“, deren Songs vom Publikum textsicher mitgetragen werden. Auch wenn vor der Bühne gefühlt etwas mehr Platz zu sein scheint, gelingt den beiden Festmitgliedern Konstanz und Schwadorf mit ihrem Live-Line-Up eine obskure Atmosphäre zwischen alten Horrorstreifen, Spinnweben und elektronischem Blitzlicht, die aber zu jeder Zeit speziellen Partycharakter hat.
Wenn bei Finnen eines klar ist, dann dass musikalisch nichts klar ist. Wenn noch eines klar ist, dann dass sie zumeist großen Durst haben. So hatte sich Ernie mit der einzigen nicht deutschsprachigen Band des Tages am gestrigen Freitagabend in eine Cocktailbar aufgemacht und sich dort sprichwörtlich die Hosen verrissen. Er selbst und Augenzeugen des darauffolgenden Frühstücksdesasters berichteten derweil. Einen verkaterten Eindruck machen HEXVESSEL jedenfalls auf der Bühne nicht und bringen ihren obskuren Mix aus Black Metal, Post Rock und etwas Folk solide unter. Und doch fehlt den Skandinaviern mit der wahrlich herausragenden Frontstimme von Kvohst irgendwie der letzte Funke. Die Band macht ihre Sache augenscheinlich stark, doch der Übergang zum Publikum leidet ein wenig.
Nun heißt es aber Tempo drosseln und Obacht, denn die wirklichen Lokalmatadoren AHAB sind mit ihrem Eisbrecher drauf und dran in der Halle 02 alles zu vergleichförmigen. Mit „Like Red Foam (The Great Storm)“ schieben sich bei den Doomern Langsamkeit, Schmerz und Intensität in Kombination voran. Zumeist scheinen alle Protagonisten auf ihren Plätzen gefesselt und lassen jeden Gitarrenanschlag, jeden urwüchsigen Growl und jeden martialischen Trommler doppelt und dreifach nachwirken. Die Zeit bleibt stehen und rennt doch. Die Show von AHAB baut sich wie eine bedrohliche Welle auf und findet auch im Rahmen des Publikums beim Klassiker „The Hunt“ seine vollständige Entladung.
Das hat in jedem Fall Kraft gekostet. Ob danach das bayrische Symphonic Folk/Doom-Duo EMPYRIUM das Richtige ist, haben zunächst offenbar mehrere anwesende Zuschauer in Frage gestellt, denn als das stimmungsvoll gestaltete Bühnenbild mit ein paar erleuchteten Kerzenständern vollendet erscheint und Ernie über seine Liebe zu „A Wintersunset…“ aufgeklärt hat, sind die Reihen insgesamt noch recht verhalten gefüllt, beziehungsweise etliche Zuhörer bleiben einige Meter bei den Merchandise-Ständen zurück. Das soll sich aber ändern, denn das tolle Old-School-Set, die feinen Klänge der Violinistin und die hauchzarten Arrangements, die aber genau dadurch ihre traumhaft schöne Wirkung entfalten, wirken wie ein Magnet. EMPYRIUM klingen nie aggressiv, selten stürmisch aber fast immer derart bildhaft, dass man auch mit müden Beinen nur noch in die Musik abtauchen mag.
Zu später Stunde und nach einem langen Tag haben HARAKIRI FOR THE SKY nicht die einfachste Aufgabe, aus dem müden, emotional geschwängerten Publikum noch einmal mehr Bewegung herauszukitzeln. Hüne Michael Kogler hat das jedenfalls noch drauf und ist zu den treibenden Melodien seines Gitarristen Matthias Solak und der Live-Band praktisch unermüdlich auf der Bühne unterwegs. Stücke wie „I, Pallbearer“ oder „Homecoming: Denied!“ sind zwar zweifellos ganz anders angelegt als alles, was die letzten vier Stunden durch die Heidelberger Halle 02 zog, und doch gelingt es den Österreichern, zumindest noch einen erheblichen Teil der Zuschauer zum letzten Energieausgleich zu treiben. Atmosphärisch packen HFTS im Vergleich aber nicht mehr gänzlich.
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