10 Jahre Prophecy Konzertnacht

Konzertbericht

Konzert vom 2006-10-21 | Kelterhaus Schorlemer, Zeltingen-Rachtig

VORWORT
Irgendwo im Niemandsland zwischen Koblenz und Trier, inmitten weitläufiger bunter Mischwälder, direkt am Moselufer, liegt das lauschige Städtchen Zeltingen-Rachtig. Eingerahmt von Weinbergen und eingebettet in malerisches Idyll lockt der Ort Jahr für Jahr Scharen von Touristen fortgeschrittenen Semesters an, die besonders im Herbst zur Weinlese die Pensionen, Weinstuben, und schmalen Gässchen bevölkern. Man sollte wirklich selber einmal dort gewesen sein. Was von der sonstigen Klientel des Städtchens aber wohl niemand weiß, ist, dass sich inmitten des putzigen Örtchens und seiner akribischen Aufgeräumtheit neben Günter Wewel noch jemand anderes um das musikalische Wohlergehen der Welt kümmert. Und das nun schon seit ganzen zehn Jahren. Die Rede ist natürlich von Prophecy Productions. Und das wurde Ende Oktober im Rahmen der Prophecy Konzertnacht gefeiert. Woran sich Wacken seit Jahren gewöhnt hat, war für Zeltingen-Rachtig vollkommen neu: statt in uniformem beige und mausgrau gekleideten Rentnerlegionen bevölkerten an diesem Tag pechschwarz gekleidete, langhaarige, junge (!) Menschen das Kopfsteinpflaster zwischen den eng stehenden Häusern. Ungläubige, teilweise skeptische Blicke waren da keine Seltenheit – irgendwelche Beschwerden seitens der Anwohner oder der Touristen gab es allerdings keine.

Obwohl die musikalische Ausrichtung mit den Sublabels Auerbach und Lupus Lounge und dem Mutterlabel eine große Bandbreite an Stilistiken unter einem Dach zusammenfasst, konnten sich Prophecy trotz ihres kommerziellen Erfolgs bis heute eine ganz eigene Reinheit und den Status eines Nischenlabels erhalten. Der Lohn dafür ist, dass das kleine Unternehmen nicht nur auf die wachsende Fanschar seiner Bands blicken kann, sondern seinerseits selbst die Menschen begeistert – bei anderen Firmen undenkbar! Der Name Prophecy stand seit Anbeginn für Qualität und in Musik gegossene Emotion. Namen wie EMPYRIUM, TENHI, AUTUMNBLAZE oder DORNENREICH haben über die Jahre geholfen, eine Erscheinung zu formen, die eigenständiger und unverwechselbarer nicht sein könnte. Bei aller bilderbuchhaften Beispielfunktion für jedes Marketing-Lehrbuch war der Inhalt im Hause Prophecy jedoch zu jeder Zeit stets über jedes äußerliche Image erhaben. Und so soll es bleiben! Wir wünschen Prophecy alles Gute für die Zukunft und uns noch viel mehr „eerie emotional music“.

Um das zehnte Wiegenfest gebührend zu begehen, hat man sich etwas ganz besonderes ausgedacht. Ein Konzertereignis, das zum Label und seinen Werten passt, wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Mit dem kulturellen Bürgersaal, dem Kelterhaus Schorlemer, hat man sich einen sehr festlichen Veranstaltungsort ausgesucht – eine für Metalkonzerte gänzlich ungekannte Umgebung mit Parkettboden und bestuhltem Auditorium, das einen schon aufgrund seiner andächtigen Atmosphäre zu ehrfurchtsvollem Flüstern ermahnte. Die musikalische Auswahl tat ein Übriges: Am Nachmittag gratulierten SUBAUDITION, NEUN WELTEN und DORNENREICH mit besinnlichen akustischen Sets vor auf Stühlen platziertem Publikum, während am Abend KLIMT 1918, DARK SUNS, SECRETS OF THE MOON und THE VISION BLEAK den ausgelassenen Teil des Tages gestalteten, nachdem die Bestuhlung gegen Wellenbrecher getauscht worden war. Mit dem Programm aus allen Label-Sparten (Auerbach, Lupus Lounge und Prophecy) bekam man damit einen repräsentativen Überblick darüber, was in Zeltingen-Rachtig in den letzten zehn Jahren so getrieben worden ist. (Thomas)

SUBAUDITION
SUBAUDITION, die bis dato wohl nur den Wenigsten der bislang erschienen Besucher ein Begriff gewesen sein werden, eröffneten den ersten, noch bestuhlten Teil der Veranstaltung und konnten sich trotz allem eines zahlreich vorhandenen und vor allem interessierten Publikums erfreuen. Die zwei Finnen, die auf der Bühne die Unterstützung von ANATHEMAs Danny Cavanagh an der Klampfe genossen, legten trotz der Tatsache, dass sie ihren ersten Auftritt fern ihres Heimatlandes absolvierten, eine absolute innere Ruhe und Gemächlichkeit an den Tag, welche mit der Ausgeglichenheit ihres Songmaterials Hand in Hand zu gehen schien. Ob das musikalisch Gebotene – sphärische Akustikgitarrenmusik, die von einer Stromgitarre und einem Keyboard begleitet wurde – allerdings wirklich auf der Bühne funktioniert, sei einmal dahingestellt. Mir persönlich kam die Band dafür etwas zu romantisch und sphärisch rüber. Die Publikumsreaktionen fielen ebenfalls eher verhalten aus, was bei dem hohen Anteil an Metalfans allerdings kaum verwunderte. Insgesamt war die Darbietung jedoch auf jeden Fall eine gelungene, passten SUBAUDITION doch perfekt in das allgemein herrschende Ambiente und den ersten Teil der Konzertnacht, was sich auch in anerkennendem Applaus niederschlug. (Hysteriis)

NEUN WELTEN
Mit den NEUN WELTEN betrat ein relativ junges Mitglied der Prophecy-Familie die Bühne, dessen Debütalbum „Vergessene Pfade“ zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal veröffentlicht war. Mit zahlreichen Instrumenten wie Gitarren, Percussions, Klarinette, Querflöte, Cello und Geige, die abwechselnd zum Einsatz kamen, bot das Quintett seinen instrumentalen Neofolk dar. Lediglich bei zwei Songs erfuhr das Ensemble Unterstützung durch einen Gastsänger, dessen beschwörendes Flüstern ich trotz seiner Unaufdringlichkeit jedoch eher als störend empfand. Vergleichbar ist die sehr ruhige Musik der NEUN WELTEN in etwa mit AUTMNBLAZE, EMPYRIUM zu „Where At Night…“-Zeiten oder TENHI, wobei sie dank ihrer Griffigkeit und den abwechslungsreichen Arrangements etwas weniger träumerisch, geerdeter und diesseitsbezogener scheint, als die der Finnen. Die Tatsache, dass man angesichts des großen Publikums noch etwas verschüchtert agierte und aufgrund der hohen Temperaturen auf der Bühne die akustischen Instrumente nach jedem Song nachgestimmt werden mussten, tat der Stimmung und der durchweg gelungenen Performance keinen Abbruch. Nach den für mein Empfinden zu ruhig und eintönig agierenden SUBAUDITION ein willkommener und vor allem überraschender Auftritt! (Thomas)

DORNENREICH
Dass der Auftritt von DORNENREICH von den meisten Besuchern heiß ersehnt wurde, war bereits im Vorfeld der Veranstaltung klar, und so wunderte es auch nicht im Geringsten, dass der Saal zu diesem Zeitpunkt absolut überfüllt und vor allem nahezu unerträglich aufgeheizt war. Als Jochen Stock und sein Mitstreiter Thomas Riesner an der Violine dann die Bühne betraten und mit „Der Hexe flammend’ Blick“ ihren ersten Song darboten, schien das Publikum bereits total von den Socken zu sein, denn mit einem Mal verstummte jedes noch so leise Gespräch im Keim und jeder der Anwesenden schien sich von einem zum anderen Mal komplett der Musik hinzugeben. Stock, der neben seiner Akustikgitarre mit einer „Raschel“, die am linken Fuß angebunden war und den Takt vorgab, bewaffnet war, legte augenscheinlich eine starke Emotionalität an den Tag, was sich in extremer, in meinen Augen übertriebener Mimik und Gestik äußerte und den meisten der Anwesenden eine Gänsehaut zu vermitteln schien. Gespielt wurde größtenteils neues Material, was im Prinzip nicht verwunderte und zu erwarten war. Die Anzahl der gespielten älteren Stücke war jedoch trotz allem relativ hoch, was sich in überschwänglichen Ovationen äußerte. Obwohl DORNENREICH bis heute nie wirklich mein Fall waren und auch dieses Konzert das wahrscheinlich nicht ändern wird, muss ich dem Duo attestieren, dass sie es geschafft haben, den Saal für den Zeitraum ihrer Darbietung zu verwandeln und die Hörer in ihre augenscheinlich absolut eigene Welt zu entführen. Da wunderten die mit einer Zugabe honorierten, endlos lang erscheinenden Applauswellen und Standing Ovations keinen. Respekt! (Hysteriis)

Den Eindrücken von Hysteriis kann ich mich größtenteils anschließen. Das Akustikkonzert, das ich damals auf der „Her von welken Nächten“-Tour erleben durfte, gehört noch heute zu den eindrucksvollsten Konzerten, die ich bislang gesehen habe. Entsprechend groß waren dieses mal Vorfreude und Erwartungshaltung. Leider konnte der Auftritt in Zeltingen-Rachtig daran nicht anknüpfen. Das liegt zum einen natürlich am weitaus weniger intimen Rahmen, zum anderen auch an der Performance an sich. Zwei akustische Gitarren stehen dem DORNENREICH-Material meiner Meinung nach besser als die Begleitung durch eine Geige, die im Laufe des Sets ziemlich penetrant wirkte. Auch der Funke wollte bei mir nicht wirklich überspringen. Evigas Emotionalität, sein manisches Keifen und Flüstern, wirkten wie ein überzogenes Theaterstück. Das Publikum, das zum überwiegenden Teil für DORNENREICH angereist zu sein schien, sah das allerdings komplett anders, sodass die langen, sehr ruhigen Songs stets in frenetischen Beifall mündeten. DORNENREICH als avantgardistische Popstars? Fast! Spätestens bei den stehenden Ovationen am Ende von „Reime faucht der Märchensarg“ und der heillos überfüllten Autogrammstunde, die gegen später folgte, erhärtete sich dieser Eindruck immens. Bei aller Wertschätzung war für den Tag nun aber auch genug Akustikmusik gelaufen. Zeit für Strom! (Thomas)

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15.11.2006

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