Znich
Nach meiner Kandidatur wurde ich verfolgt von Geheimdienstlern

Interview

Ihr singt auf weißrussisch. Früher während Transitreisen durch Belarus dachte ich, dass alle in Belarus nur Russisch sprechen. In den letzten Monaten während Interviews habe ich festgestellt, dass jeder zweiter auf einmal das Weißrussisch als Hauptsprache benutzt. Ist das Weißrussisch ein Mittel zum Protest?

‚Mehr als das. Die Sprache und die historische Symbolik wie die weißrotweiße Fahne sind ein Markenzeichen der Revolte geworden. Diese hat es natürlich schon immer gegeben, sie waren und sind nur beim Regime verpönt. Unter Jugendlichen ist es in den letzten Monaten recht cool geworden im Alltag weißrussisch zu reden. Das ist schon ein wenig gekünstelt.‘

Euer erstes Album heißt „Jazytsjnik ja“ (Ich bin Heide). Wie ernst stehst du zu diesem Thema?

Auf dem Lande in Belarus besteht immer noch eine starke heidnische Tradition. Während der alte Glauben sich in Nord- und Westeuropa auf Mythologie basiert, wird das Heidentum hier noch gelebt. In Festtagen, Bräuchen und vor allem Lieder. Die Dörfer in Belarus bieten eine wahre Schatzkammer an alten Liedern, deren Ursprung im Heidentum liegen.

Wie sie auf dem letzten Album zu hören sind?

Genau, auf „Ruch Sontsa“ sind allesamt traditionelle Lieder. Sie beschreiben den Zyklus der Natur. Von Kupalle (Mittsommerfest) bis Kolyady (Wintersonnewendefest). Es sind keine alltäglichen Lieder, sondern welche die zu bestimmten Bräuchen gehören.

Ein anderes Thema. Wenn es dir peinlich ist, können wir es auch weglassen… Wieso habt ihr 2016 teilgenommen an den Vorrunden für das Eurovision Songfestival?

Das war zum Lachen. Wir wussten von Anfang an, dass wir da nicht durchkommen. Ich wollte einfach zeigen, dass wir nicht nur diese schreckliche Popmusik bringen die überall läuft. Sondern richtige alternative Musik. Die Idee ist mir natürlich gekommen, als ich die Finnen von LORDI gesehen hatte. Es gab am Anfang etwa 100 Künstler oder Bands, oder wie man die nennen will… und wir kamen zum nationalen Halbfinale durch. Für den Auftritt dachten wir, dass wir live spielen sollten. Keiner hat uns gesagt, dass es Playback wird. Das war kompletter Quatsch. Eine richtige Enttäuschung. Ich würde diese Playbackscheiße komplett verbieten. Aber es war im Endeffekt ein guter Scherz für unsere Fans.

Letztendlich bestimmt aber Lukaschenko wer Belarus vertritt bei der Eurovision?

Bestimmt (lacht). Ohne ihn wird hier keine einzige Entscheidung getroffen…

Du hast einen Tattoo-Laden in Minsk. Wie läuft es?

Nee, es ist nicht mein Laden. Ich arbeite als Tätowierer für das älteste Studio im Land „U lisitsy“ (Zur Füchsin). Ich bin dort schon seit dreizehn Jahren. Meine Spezialität, sind traditionelle Weißrussische Tattoos, Ornament-Tattoos die ich teilweise selber entworfen habe. Ich habe auch Tattoo-Festivals bei uns organisiert. In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Läden bei uns sich um das Sechsfache gesteigert. In Grodno, eine mittelgroße Stadt an der polnischen Grenze, zum Beispiel, gab es 2010 genau drei Studios, mittlerweile aber fünfzehn. Leider haben wir uns selber sehr viel Konkurrenz geschaffen, aber es sind sehr begabte Künstler dazugekommen…

Die Pandemie hat euch keinen Strich durch die Rechnung gemacht?

Es geht, wir arbeiten weiter. Nur soll der Kunde sich vorher anmelden. Und wir arbeiten jetzt mit Masken.

Wann kommt ihr nach Deutschland?

Ich wäre sehr glücklich bei einem Festival in Deutschland mitmachen zu können. Wir waren oft in Lettland und Litauen, in Polen. In Frankreich hatten wir ein Paar Auftritte, aber in Deutschland waren wir noch nie. Bei euch gibt es sehr viel Bier Folk Metal, wie ich es nenne. Ich würde daher liebend gerne unsere weißrussische Art von Folk Metal auf der Bühne zeigen. Wir hatten hier zu Lande sogar ein einzigartiges Projekt mit einem Symphonieorchester, einem Chor von alten Omas, unserer Band mit Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug und traditionellen weißrussischen Instrumenten. Das war richtig klasse. Ich bin mir sicher so etwas würde auch in Deutschland ankommen. Das einzige Problem bei uns ist, dass wir, trotz großer Bekanntheit, alles alleine machen. Aber wer möchte, darf uns gerne einladen.

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Quelle: Ardy Beld
02.01.2021

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2 Kommentare zu Znich - Nach meiner Kandidatur wurde ich verfolgt von Geheimdienstlern

  1. Headfloccer sagt:

    ZNICH & RUTVICA klingt richtig gut. Gibt’s diese Scheibe auch irgendwo als CD? Ich finde die Scheibe nur als ganz unromantischen Download. 😉

  2. PerunsAxe sagt:

    Ich bin selbst Halbbelarusse und Halbukrainer, ebenfalls in der Szene der beiden Länder aktiv und, wie das hier in der BRD auch so ist – kennst du einen, kennst du alle.
    Mit dem Herrn hatte ich selbst mehr als genug zu tun. Deshalb musste ich bei dem Interview ordentlich schmunzeln.
    Vorab: die Situation in Belarus ist mehr als heftig.

    Aber dass dieser Herr behauptet, nie mit Rechten zu tun gehabt zu haben, ist schon witzig. Er lud M8l8th nach Minsk (hat aber am Ende nicht stattgefunden) ein und war als Gast auf dem Kiewer Asgardsrei-Festival. Mehr muss man dazu nicht sagen. Der Herr ist wie eine Fahne im Wind.
    Bei den Protesten war er nur 2mal kurz für ein Instagram-Video, sonst saß er jedes Mal still auf einer Bank.
    Und jetzt erntet er die Erfolge der Proteste für seine Band.