Zeal & Ardor
"Der Gedanke der Auflehnung passt zu uns"
Interview
Das neue Album „Greif“ der Avantgarde-Metaller ZEAL & ARDOR steht in den Startlöchern. Wir trafen Gründer und Mastermind Manuel Gagneux kurz vor dem Gig beim Baden Im Blut-Festival in Weil am Rhein und sprachen mit ihm über das neue Album und seine Band.
Hallo Manuel, danke, dass du dir vor eurem Auftritt die Zeit nimmst. Ihr seid in gut zwei Stunden als Headliner dran. Bist du schon aufgeregt?
Im Moment geht es noch. Wir werden normal ungefähr eine Stunde vor dem Auftritt nervös. Zehn Minuten vorher dann so richtig. Aber momentan ist noch alles entspannt.
Für eure neue Platte „Greif“, die demnächst veröffentlicht wird, wart ihr zum ersten Mal zusammen als Band im Studio. Warum hast du oder habt ihr euch jetzt beim vierten Album dazu entschieden?
Das ist so entstanden, weil wir live einfach die beste Version von uns sind, weil wir da alle gemeinsam spielen. Da dachte ich, es macht Sinn, dass die Band auch mit auf der Platte ist.
Wie war diese Erfahrung?
Das war recht reibungslos. Zuerst befürchtete ich, es könnte für mich seltsam sein, weil mein Ego nicht damit klarkommen könnte (lacht), aber es war super. Ich mag die Leute und es war eine gute Erfahrung, sie mit mir im Raum zu haben.
Hab ihr euch denn vorher schon gekannt?
Ja, wir kannten uns schon. Wir waren zwar nicht richtig eng befreundet, aber da Basel nicht gerade eine Metropole ist, gibt es dort nicht allzu viele Leute, die härtere Musik machen. Da kreuzen sich die Wege man kennt sich untereinander.
Sind Marco Obrist und Denix Wagner noch stärker in den Gesang eingebunden als vorher?
Ja, vorher waren sie eher im Background. Dieses Mal habe ich mehr für sie komponiert. Ich kenne ihre Stärken und wollte, dass sie ihre Fahnen so richtig fliegen lassen können.
Sprechen wir nochmal über das bevorstehende Album. Warum habt ihr als Titel ausgerechnet den Vogel Greif, eine mythische Figur, thematisiert?
Der Vogel Greif ist eine alte Tradition aus Basel, bei der ein Mischwesen aus Vogel, Löwe und Schlange durch die Straßen zieht und den Reichen den Rücken zukehrt, sie verspottet. Wenn man das als Kind schon immer toll gefunden hat, dann später die Bedeutung nachliest und einem plötzlich auffällt, dass es um Klassenkrieg geht, ist das schon beeindruckend. Das ist der eine Grund. Der andere ist, dass der Greif ein Mischwesen von verschiedenen Tieren ist und auch wir auf der Platte eine Mischung von verschiedenen Menschen sind, fand ich das eine schöne Metapher.
Was daran auffällt, ist, dass es dabei auch wieder um Auflehnung geht, sprich, die arbeitende Bevölkerung richtet sich gegen das Establishment. Bei der Sklaventhematik ging es auch schon um das Thema Auflehnung. Hat das auch eine Rolle gespielt?
Absolut. Wir werden diese Absicht unserer Band auch nie los und das finde ich auch wichtig und schön so. Wenn es dann vor der eigenen Haustüre eine 800 Jahre alte Tradition stattfindend, die genau das macht, wäre ich ja blöd, das nicht zu nutzen. Der Gedanke der Auflehnung passt zu uns – wir sind aggressiv freundlich (lacht).
„Greif“ unterscheidet sich teilweise recht stark von den Vorgängern. War es euch wichtig, anders zu klingen als vorher?
Das nicht, aber wir schreiben so ein Album und spielen es dann zwei Jahre lang live. Da kommt man schon auf die Idee hier und da noch etwas Neues hinzuzufügen oder merkt, dass noch etwas fehlt. Wir haben uns erlaubt, mehrere Elemente reinzubringen. Es war nicht die Absicht wieder ganz anders zu sein, wir haben nur unseren Spielplatz erweitert. Man hat schon die Erwartung von uns, dass wir die Leute ein Stück weit überraschen, aber das ist unmöglich, denn, wenn es die Erwartung ist, überrascht zu werden, ist man ja am Ende gar nicht überrascht (lacht). Deshalb können wir eigentlich machen, was wir wollen, und dazu neigen wir auch.
Und was ist deiner Meinung nach dann doch anders als bei den Vorgängern?
Es ist definitiv eine weniger harte Platte. Deshalb haben wir auch als erste Single „To My Ilk“ gewählt, den softesten Song, den wir je geschrieben haben. Der zweite Song, den wir rausgebracht haben, war „Clawing Out“, der wiederum der härteste Song ist, den wir je gemacht haben. So können wir zeigen „von hier bis hier kann alles passieren auf der Platte“. Somit zeigen wir den ganzen Spielraum des Albums. Außerdem ist es persönlicher und melodischer als die Vorgänger.
Einer der Songs, der als besonders melodisch hervorsticht ist „Are You The Only One Now?“.
Bei dem Song merkt man auch, dass wir auf dem Album in verschiedene Richtungen gehen. Er hätte eine richtige Schnulze mit Radiopotential werden können, aber ich war hier schon sehr bedacht den Black Metal tröpfchenweise einfließen zu lassen. Der Track war auch einer der Songs, an dem wir am längsten gearbeitet haben, da waren wir schon sehr penibel.
Auch inhaltlich geht das Album teils neue Wege. Du sagst selbst, dass frühere Alben eher ein Aufruf zum Handeln für die Gesellschaft waren. Und dieses Album mehr eine persönliche Suche ist. Kannst du das näher erklären?
Richtig, bei den andern Alben war ich zum Beispiel immer darauf bedacht, dass es nicht „I“ oder „You“ heißt, sondern „We“ oder „Them“, damit es nicht persönlich ist oder um ein Individuum geht, was bei dieser Platte jetzt nicht der Fall ist. Der Rahmen ist thematisch kleiner, es geht eher um persönliche Dinge, aber eben nicht, was mich persönlich betrifft, sondern was jeden persönlich betreffen könnte. Bei mir ist es tatsächlich eher so, dass ich Texte schreibe und dann zwei Jahre später merke, weshalb ich das überhaupt so geschrieben habe. In dem eigentlichen Prozess des Schreibens ist das mit oft gar nicht so bewusst.
Du hattest anfangs schon deine eigens komponiert Musik und hast dir die Band dann quasi zusammengesucht. Trotzdem erlebt man euch bei Live-Auftritten als eine Einheit, die gemeinsam viel Energie rüberbringt. Wie lange hat es gedauert, bis ihr euch so richtig gefunden habt?
Ich denke, weil wir von Anfang an viel zu große Auftritte für uns hatten, wir ins kalte Wasser geworfen wurden, hatten wir eine Art „Drama Bonding“. Wir waren sehr nervös und wollten uns unbedingt beweisen. Da mussten wir einfach als Einheit zusammenhalten. Das hatte eine Art Schlüsseleffekt für uns. In jedem anderen Paralleluniversum hätte das nicht funktioniert (lacht), aber hier irgendwie schon. Wir haben uns von Anfang an richtig zusammengerauft.
Und hast du dich langsam an den Hype um die Band und um deine Person gewöhnt?
Der Hype ist nicht mehr so groß wie anfangs, wir sind ja mittlerweile eine gestandene Band. Der Kontrast von damals als wir „aus dem Nichts“ kamen zu heute ist nicht mehr so groß. Wir mausern uns auch immer zu noch größeren Bühnen, heute sind wir Headliner, das ist crazy, aber es ist nichts im Vergleich, als wenn plötzlich ein Magazin über dich schreibt. Natürlich war das zu Beginn überfordernd, aber auch aufregend. Man kann das mit gar nichts vergleichen. Ich bin sehr froh um das alles und das Schönste daran, ist, dass ich mit Freunden um die Welt reisen darf und Leute anschreien darf, die uns dann zujubeln (lacht).
Erzähle uns zum Schluss noch etwas über deinen musikalischen Background? Mit welcher Musik bist du aufgewachsen? Wie sehr warst du im Metal-Bereich verankert und hat sich das mit dem Projekt noch vertieft?
Meine Mutter ist Amerikanerin und Jazzsängerin, mein Vater Schweizer und Funk-und Salsamusiker. Als Teenager wollte ich dann nicht dieselbe Musik hören, wie meine Eltern und habe Metal entdeckt und „komische“ Musik. Somit war ich bereits vorher im Metalbereich verankert, ich habe viel Grindcore gehört, Bands wie JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE, meine große Teenie-Liebe. Black Metal war auch ein riesengroßes Thema in meiner Teenagerzeit. Nun kommen wir in den Genuss Gröẞen der Szene auf Touren und Festival live zu genießen Wir haben zum Beispiel MESHUGGAH und OPETH supported, das ist schon sehr schön.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg beim Auftritt!
Bandfoto: Ottilia Szabo
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