Zeal & Ardor
Geht die Revolution weiter?
Interview
ZEAL & ARDOR sind mit ihrem Debüt mächtig eingeschlagen. Der Ansatz, Sklavenmusik mit Black Metal zu vermischen und das in ein passendes Narrativ einzubetten, hat enorme Wellen geschlagen, sodass „Stranger Fruit“, die neue Platte von ZEAL & ARDOR, natürlich mit enormen Erwartungshaltungen klarkommen muss. Wir haben uns Manuel Gagneux geschnappt und mit ihm ein bisschen darüber geredet, was dahinter steckt.
Die Herausforderung des ZEAL & ARDOR-Stilmixes
Das ist die Herausforderung, der ich mich stellen wollte. Welche Stile, die man so in der Form noch nicht miteinander verwoben hat, kann ich zusammenführen? Schließlich machte jemand bei einer entsprechenden 4chan-Umfrage den Vorschlag, Black Metal mit Sklavenmusik zu kombinieren. Und anstatt das als absurd abzutun, habe ich den Vorschlag ernst genommen und meine Vision heraus gebracht. Dank neuer Medien – Bandcamp im Besonderen – war das überhaupt kein Problem.
Der Sinn hinter den Interludes
Die haben eigentlich mehr einen praktischen denn einen narrativen Sinn. Natürlich stehen sie nicht isoliert da, „The Fool“ und „The Hermit“ sind zwei Tarot-Karten, die man als entgegengesetzt betrachten kann. Hier stehen quasi Narrentum und Vorsicht gegenüber. Doch der eigentliche Sinn der Interludes ist es, das Album als solches aufzulockern. Ich denke, dass ich so eine interessante Textur in die Platte hineinarbeiten konnte. Man stolpert unweigerlich über diese Songs, die allein durch atmosphärische Synthesizer und nicht durch den Metal geprägt sind, und wird praktisch mit der Frage konfrontiert: „Was soll das hier jetzt?“ Das ist der Hintergrund, den Hörer nicht in diesen Trott verfallen zu lassen, sondern ihn bei der Stange zu halten.
Eine professionellere Herangehensweise?
Beim Debüt habe ich vergleichsweise wenig Zeit investiert, weswegen sich die Platte auch entsprechend wie zusammengewürfelt anhört. Jetzt beim neuen Album ist deutlich mehr Zeit und Arbeit hineingeflossen, besonders nachdem die erste Scheibe ja so dermaßen eingeschlagen ist. Ich habe natürlich auch durch diesen Prozess dazugelernt und wollte das Debüt nicht einfach stupide wiederholen. Ich gebe gern zu, dass ich nicht der beste im Aufnehmen bin, aber gerade was den Sound angeht, hat hier Kurt Ballou für uns das Maximum aus der Platte heraus geholt. Alles in Allem ist „Stranger Fruit“ deutlich metallischer als der Vorgänger. Und das liegt sicher auch am voluminöseren Sound.
„Stranger Fruit“?
Der Begriff „Strange Fruit“ entstammt einem gleichnamigen Lied, das von Billie Holiday gesungen worden ist und eines der frühesten Beispiele der Bürgerrechtsbewegung in den Staaten darstellt. Die „seltsamen Früchte“ in diesem Lied entsprechen den an Bäumen aufgehängten Körpern der Schwarzen, die vor allem in den Südstaaten oftmals Lynchmorden zum Opfer fielen.
Die Geschichte einer Revolution?
Eigentlich gab es erst einmal nur auf dem Debüt eine klare Geschichte, die natürlich darin bestand, dass sich die Sklaven in den Staaten in ihrer Verzweiflung von Gott ab- und dem Teufel zugewandt haben. Hier bestand die Rebellion im Satanismus drin. Das neue Album gestaltet sich da offener. In gewisser Weise wird natürlich der Faden weiter gesponnen und so Assoziationen wie eben die Rebellion der Schwarzen auf dem Schiff gehören dazu. Doch letzten Endes kann und soll man den Faden als Hörer noch weiter spinnen und das ganze auch für sich selbst in einen Kontext setzen.
Eine weitere, wichtige Assoziation ist natürlich das Aufbegehren der Arbeiterklasse. Es bedarf natürlich immer einem „Einpeitscher“ und das spiegelt sich mehr oder weniger im lyrischen Ich wieder, aber einen richtigen Hauptcharakter gibt es nicht. Ich betrachte eher das große Ganze. Das zentrale Thema, das hinter dem Album steckt, ist eher abstrakt zu verstehen. Es soll ein Gefühl von Aufbruch vermittelt werden. Man schreit sich gegenseitig an, um sich hoch zu pushen. Eine unterdrückte Gesellschaft gerät in Wallung. Stell dir nur mal vor, was diese Menge an Menschen alles leisten kann. Und genau um dieses Gefühl des Aufbruchs und des gegenseitigen Motivierens und Anfeuerns soll es hier gehen. Und da ist das Bild der Revolution auf dem Sklavenschiff doch ein guter Anhaltspunkt, um sich dem zu nähern.