Wytch Hazel
"Wer sagt, dass der Ruhestand düster oder langweilig ist?"
Interview
WYTCH HAZEL sorgten mit „III: Pentecost“ für mächtig Wirbel im Underground der rockenden Musik. Der Nachfolger „IV: Sacrament“ steht in den Startlöchern. Neben den eingängigen Melodien sind die christlichen Texte ein Markenzeichen der Band. Colin Hendra, Mastermind und Texter von WYTCH HAZEL, stellte ich unter anderem unseren Fragen zur neuen Platten und erläutert uns seine Sicht auf eine Band wie WATAIN.
Hallo Colin, vielen Dank für deine Zeit. WYTCH HAZEL veröffentlichte „III: Pentecost“ während der Pandemie mit den damit verbundenen Problemen in Bezug auf Konzerte. Wie hast du und WYTCH HAZEL diese Zeit der Pandemie überstanden?
Das ist eine gute Frage. Ich denke, jeder hatte unterschiedliche Ansätze und jeder von uns fand es auf die eine oder andere Weise schwierig. Während des größten Teils des Lockdowns war mein Ansatz so zu tun, als wäre nichts passiert. Ich ignorierte, was in der Welt vor sich ging. Ich hörte auf, die Nachrichten zu schauen (das tue ich noch immer nicht) und konzentrierte mich auf die Dinge, die ich mit meinem Leben anfangen wollte. In gewisser Weise war es ein gesunder Ansatz, in anderer Hinsicht gab es ein Gefühl unterdrückter Besorgnis, über die Dinge, welche gerade außerhalb der eigenen Wände passierten. Ich bin sehr privilegiert in dem Sinne, dass ich ein großartiges Unterstützungsnetzwerk von Familie und Freunden habe und mich daher auch während der Pandemie in Ordnung fühlte.
Wann hast du angefangen, neue Songs für „IV: Sacrament“ zu schreiben?
Ziemlich genau mitten in der Pandemie. Im Nachhinein denke ich, dass viel von dieser unterdrückten Angst wahrscheinlich ihren Weg in die Songs gefunden hat. Es mag eine gute Möglichkeit gewesen sein, mit den Schreiben von Lyrics verschiedene Dinge zu verarbeiten.
Es gibt es eine Menge Instrumentalmusik, die wirklich gut kommuniziert
Wie funktioniert die Erstellung von Songs für dich? Ist zuerst der Text da oder die Melodie?
In der Regel immer erst die Melodie und die Akkorde, nur eine abstrakte musikalische Idee oder eine Art Gefühl. Dann mache ich mich daran, das Gefühl in Worte zu fassen. Wenn wir darüber nachdenken, dann gibt es eine Menge Instrumentalmusik, die wirklich gut kommuniziert, manchmal sogar besser als Musik mit Texten. Ich neige dazu, zuerst mich an dem instrumentalen Ansatz zu orientieren: Wie fühlt sich die Musik und die Melodie an? Wenn ich Texte absichtlich schreibe, gehe ich normalerweise direkt zur Bibel. Manchmal stolpere ich aber auch beim Mitsingen von Melodien über etwas, das Sinn ergibt. Solche Dinge sind aber meistens nicht beabsichtigt und Zufall. Manchmal habe ich aber auch im Voraus Ideen, worum es in einem Song gehen soll, aber in der Regel ist es ein spontaner Gedanke. Ich bevorzuge es, wenn es ein bisschen chaotischer zugeht, als dass ich alles im Voraus versuche zu planen.
Wie kommst du auf bestimmte Texte und Ideen? „Angel Of Light“ beschäftigt sich mit dem Thema Lüge und Wahrheit. Was war für Sie der Auslöser, sich diesem Thema zu widmen?
Die christliche Theologie rund um Luzifer sagt, dass er der große Jünger ist, der Vater der Lüge und der Engel des Lichts. Luzifer wird in dem Sinne beschrieben, dass er als etwas Gutes erscheint, aber in Wirklichkeit ist es eine Lüge, die täuschen soll. Wenn ich mich in meinen Texten auf „Wahrheit“ beziehe, verwende ich den Begriff oft im gleichen Kontext, dass die Wahrheit die Bibel oder Gottes Wort ist.
Ich möchte auf den letzten Satz des Liedes eingehen: Engel, sieh mich an, wende dein Gesicht mir zu, ich werde gegen dich kämpfen. Werden die Menschen immer mehr zu Lügnern und unterdrücken die Wahrheit?
In dieser Zeile geht es darum, Luzifer von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen und sich nicht hinzulegen und ihm den Sieg zu überlassen. Es geht in gewisser Weise darum, für die Wahrheit einzustehen. Ich denke, wir alle belügen uns selbst, aber Satan ist der Vater der Lüge, da kommt die Täuschung ins Spiel.
Wir befinden uns seit mehr als einem Jahr mitten in Europa im Krieg und WYTCH HAZEL singen „Future Is Gold“. Wie würdest du das Lied einem Flüchtling aus dem Kriegsgebiet erklären, der nur den Songtitel gelesen hat?
Hagai 2 Vers 9 sagt: „Dieser neue Tempel wird viel herrlicher sein als der alte“. Es ist verheerend zu sehen, was auf der ganzen Welt vor sich geht. Ich glaube, dass die einzige Hoffnung für die Welt das Evangelium Jesu ist. Es ist ein Lied des Glaubens. Ich verstehe, was du meinst: Die Welt ist ein zunehmend dunkler Ort geworden. Ich bin da nicht naiv, aber ich denke, dass die Art von Versprechen auf eine bessere Zukunft nicht das ist, was wir erwarten würden. Nicht ein physisches Ende von Krieg und Leid, sondern in Bezug auf unsere spirituellen Realitäten und unser Schicksal.
Ich würde gerne auf ein anderes Lied und seinen Text eingehen. In „Digging Deeper“ geht es um das Altern, auch um das persönliche Altern. Der Song klingt stellenweise sehr düster, als wärst du bereits im Rentenalter. Was war eure Motivation oder der Auslöser, einen zutiefst traurigen Song ans Ende des Albums zu setzen?
Wer sagt, dass der Ruhestand düster oder langweilig ist? Meine Eltern scheinen eine großartige Zeit zu haben. Meine ernste Antwort ist, dass es normal ist, die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen auszudrücken und zu erleben. Trauer, Wehklagen, Zweifel – all das gehört zu meinem christlichen Glauben. Ich habe den Song während des Lockdowns geschrieben, als das Leben hart und ziemlich unerbittlich war. Kleine Kinder zu haben bringt viel Freude, hat aber den Alterungsprozess beschleunigt. Das Lied endet mit der Hoffnung auf ein ewiges Schicksal – was viel erhebender ist. Dies spiegelt sich in meiner Verwendung von Dur-Akkorden im klavierbasierten Outtro wider.
„IV: Sacrament“ ist kein Konzeptalbum
Die drei Lieder am Ende von „IV: Sacrament“ hinterlassen einen melancholischen Eindruck. Ist es Zufall, dass „Future Is Gold“ und „Digging Deeper“ das Album abschließen oder ist es Absicht?
Die Running Order ist immer beabsichtigt, aber wir konzentrieren uns eher auf die musikalischen Aspekte als auf die lyrische Erzählung des Albums als Ganzes. Damit meine ich, dass es kein Konzeptalbum ist. Ich habe jedoch das Gefühl, dass „Digging Deeper“ auf beiden Ebenen funktioniert. Musikalisch rundet es das Album gut ab. Textlich fasst es die Reise zusammen, die ich beim Schreiben unternommen habe. Es ist wahrscheinlich der ehrlichste und nachdenklichste Track auf „IV: Sacrament“.
Kommen wir von traurigen Dingen zu fröhlichen Themen. WYTCH HAZEL spielt auf dem Muskel Rock Festival in Schweden. Gibt es die Möglichkeit, euch auch im Sommer in Deutschland zu sehen?
Ja, wir spielen im August auf dem Void Fest in Sinzendorf. Das Festival ist bereits ausverkauft und wir freuen uns darauf, dort zu spielen. Die Konzerte und Festivals in Deutschland haben wir in guter Erinnerung.
Plant WYTCH HAZEL etwas Besonderes für den Release-Tag auf dem Muskel Rock Festival?
Wir spielen an unserem Veröffentlichungstag, also einen Tag vor dem Gig auf dem Muskel Rock, in London und wir werden wieder in der Kirche spielen, was immer wieder ein besonderes Erlebnis ist.
Nach der Pandemiezeit gibt es wieder Konzerte in ganz Europa. Was hat es mit WYTCH HAZEL und Clubshows im Herbst auf sich?
Wir haben im Moment keine Tour gebucht! Wir hoffen, dass wir noch ein paar Shows für den Herbst und Winter buchen können, sobald die Platte veröffentlicht ist.
„Jede Form von Extremismus ist gefährlich“
Zum Schluss möchte ich dich noch einmal zu einem speziellen Thema befragen. WYTCH HAZEL steht für Lieder mit christlichem Inhalt. Könntest du dir vorstellen, auf einem Festival zu spielen, auf dem bekennende Satanisten, zum Beispiel die Black-Metal-Band WATAIN, spielen?
Wir würden uns freuen, wenn wir die Gelegenheit hätten, vor dem Publikum von WATAIN zu spielen. Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass WATAIN sich bereit erklären würden, mit uns zu spielen. Im Ernst, jede Form von Extremismus ist gefährlich, und ich kann den Ansatz von Erik Danielsson nicht gutheißen. Ich denke, dass Erik Danielssons Ansichten unter das Etikett Extremismus fallen, insbesondere wenn er über Kirchenverbrennungen als „sehr natürliches Ergebnis“ der besonderen Art von Satanismus spricht, mit der er sich identifiziert.
Zu guter Letzt: Was sind deine drei absoluten Lieblingsalben?
Ich kann nicht nur drei auswählen, aber das sind einige meiner meistgespielten Scheiben:
- “Argus” von WISHBONE ASH
- “Heavy Horses” von JETHRO TULL
- “Number Of The Beast” von IRON MAIDEN
Sonst laufen bei mir noch Sachen wie “Sad Wings Of Destiny” (JUDAS PRIEST), “Fire Of Unknown Origin” (BLUE OYSTER CULT) oder CHINA TOWN (THIN LIZZY)
Vielen Dank für Ihre Zeit – die berühmten letzten Worte sind bei dir.
Vielen Dank für das Interview. Wenn es Menschen gibt, welche exklusive WYTCH HAZEL Inhalte und Merchandise suchen und haben möchten, können sie den Fanclub unter www.ko-fi.com/wytchhazel antesten.
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Stile | Hard Rock, NWoBHM, Progressive Rock |
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