Wytch Hazel
Es ist einfach ein "Colin"-Ding.
Interview
Das neue Album „III: Pentecost“ der britischen NWoBHM-Band WYTCH HAZEL wurde vor einiger Zeit veröffentlicht und man kann relativ souverän sagen, dass es das bislang stärkste Werk der Herren um Goldkehlchen Colin Hendra ist. Es ist das Ergebnis eines langen Entstehungsprozesses, der für die Band mitunter sehr frustrierend gewesen ist, sich am Ende aber ausgezahlt hat. Dazu, aber auch über die Inspiration zu den Texten aus Hendras christlichem Glauben heraus konnten wir mit dem Fronter ein paar Worte wechseln.
Hallo Colin. Das neue WYTCH HAZEL-Album „III: Pentecost“ ist nun schon seit ein paar Wochen draußen. Wie war das Feedback bis hierhin?
Das Feedback größtenteils überwältigend positiv. Es ist schön, von den Fans zu erfahren, dass sie das Album so sehr herbeigesehnt haben. Denn viele haben uns die Rückmeldung gegeben, dass ihnen unsere Musik durch diese schweren Zeiten hindurch hilft. Und das denke ich ist eine der schönsten Dinge, die du über deine Arbeit als Musiker hören kannst. Es ist irgendwie seltsam, zumal mal man immer ein bisschen auf die Meinungen wartet, die einen auseinander nehmen. (lacht) Aber für „III: Pentecost“ war das Feedback wirklich positiv.
Ich wollte hier schon einmal vorab loswerden, dass die Vinyl-Edition richtig schön verarbeitet ist. Legt ihr viel Wert auf traditionelle, physische Releases in diesen Zeiten?
Ja, das ist mir sehr wichtig, speziell das Vinyl-Format. Wenn ich ein Album schreibe, dann habe ich das Format Vinyl immer so ein bisschen im Hinterkopf und versuche, mit der Struktur des jeweiligen Albums darauf hin zu arbeiten. Ich habe mit meiner Plattensammlung etwa vor zehn Jahren angefangen. Ich finde gerade das Stöbern nach Platten in einem echten Plattenladen ist eine einmalige Erfahrung. Denn wenn ich mir eine Platte anschaffe, dann fokussiere ich mich bei meiner Auswahl auf Musik, die mir wichtig ist, und filtere den Rest aus. Deshalb habe ich das Format auch immer beim Schreiben im Hinterkopf und versuche bereits im Vorfeld in Side A und B vor zu strukturieren.
Wie waren die Aufnahmen zu „III: Pentecost“, speziell in einem Jahr wie diesem?
Der Arbeitsprozess war lang und ausdauernd. Wir haben die Aufnahmen glaube ich im August 2019 abgeschlossen mit einem erstaunlich geringen Budget, wenn ich so drüber nachdenke. Wir waren glaube ich acht oder neun Tage im Studio und haben teilweise bis in die Nacht hinein gearbeitet. Aber es hat eine lange Zeit gedauert, bis wir zur Veröffentlichung kamen, da die Post-Produktion ein einziges Hin und Her gewesen ist. Wir waren diesmal irgendwie schwer zufrieden zu stellen, was unsere Vorstellungen hinsichtlich des perfekten Sounds anging. (lacht)
In Anbetracht des Ergebnisses bin ich froh, dass wir die Zeit investiert haben, aber der Prozess war schon langwierig und frustrierend. Es war harte Arbeit, das Album rauszubringen. Es hat irgendwie dadurch auch nicht so viel Spaß gemacht wie sonst, wenn ich ehrlich bin. Das kommt wohl davon, wenn man alles so perfekt wie möglich haben will.
Und ihr würdet das wieder machen?
Idealerweise bleibt uns der lange Arbeitsprozess das nächste Mal erspart, aber man weiß ja nie, was einem bei den Arbeiten an einem Album begegnet. Um deine Frage zu beantworten: Ja, wenn es die Situation erfordern würde, würde ich wieder durch diesen Prozess gehen, aber ich möchte natürlich ein vergleichbar langwieriges Unterfangen zumindest in absehbarer Zeit verhindern. Und ich bin da zuversichtlich, denn jedes Mal wenn ich an einer Platte arbeite, ist das wie ein Lernprozess. Man lernt, was man beim nächsten Mal tun und vermeiden sollte. Aber diese Erfahrungen muss man eben machen. Und man muss daraus lernen.
Und dieses neue Album „III: Pentecost“ ist auch ein Produkt aus diesen Erfahrungen, die wir wiederum beim Vorgänger „II: Sojourn“ gesammelt haben. Wir wollten sichergehen, dass alles nun genau so vorbereitet ist, wie wir es für die Aufnahmen und die Produktion brauchen würden. Dadurch wussten wir genau, was wir in welcher Reihenfolge tun würden, wenn wir ins Studio gehen würden, da wir eben mit einem beschränkten Budget gearbeitet haben.
Das Problem war wirklich die Produktion. Einige Dinge hätten verbessert werden können, wie zum Beispiel die Platzierung der Mikrofone für die Drums. Also ich hoffe, dass uns das alles das nächste Mal erspart bleibt durch die Erfahrungen, die wir wiederum hier gesammelt haben. Aber wenn wir das nächste Mal wieder ein Jahr brauchen für den Sound, dann ist das halt so. Dann müssen wir eben noch einmal die Zähne zusammenbeißen. Wir haben jedenfalls nicht vor, ein Album zu produzieren, von dem wir nicht selbst überzeugt sind, und würden dementsprechend auch wieder alle unsere Energie und Zeit hineinstecken. Aber hoffentlich haben wir hieraus gelernt, das alles effizienter zu gestalten. (lacht)
Du hast ja gesagt, dass ihr das Album schon 2019 eingetütet habt. Habt ihr da schon einige Songs live uraufführen können?
Wir haben zwei Songs aus der neuen Platte spielen können, das waren „Spirit And Fire“ und „Dry Bones“. Wir haben einige Shows in unserer Heimatstadt Lancaster spielen können. Zum Beispiel findet da jährlich das Lancaster Music Festival statt. Und 2019 zum Beispiel konnten wir gleich zwei Auftritte bestreiten, Samstags und Sonntags. Aber abgesehen davon und von einigen anderen Shows haben wir nicht die Möglichkeit gehabt, viel mehr vom Album live zu spielen. Das ist schade, wir hoffen natürlich dass sich die Situation bald ändert und wir wieder raus können, um auch die anderen, neuen Songs endlich live darbieten zu können.
Das ist ja irgendwie das, worauf es ankommt. Du willst ja das, was du im Studio gespielt hast, live vor Publikum zum Leben erwecken. Daher freuen wir uns schon, endlich raus zu kommen und wieder auftreten zu können. Immerhin haben uns die Fans ja die Rückmeldung gegeben, dass sie das Album mögen. Das möchten wir ihnen gerne durch unsere Shows zurückgeben.
Habt ihr schon über Livestream-Konzerte nachgedacht?
Ehrlich gesagt haben wir bis hierhin so viel mit der Produktion des Albums zu tun gehabt, dass wir bislang gar nicht dazu gekommen sind. Und ich habe immer noch viel zu tun mit Radioshows, Interviews und Videodrehs. Ich kann mir das aber durchaus vorstellen und habe die Idee auch schon an unser Label weitergegeben.
Zumindest denke ich wäre das eine nette Alternative, um wenigstens irgendwie mal wieder auf die Bühne zu kommen und für unser Publikum live zu spielen. Aber wie üblich würde ich das gerne so perfekt wie möglich machen. Das ganze einfach mit Smartphone aufnehmen möchte ich vermeiden. (lacht) Ton und Bild müssen dafür natürlich exzellent sein. Aber das steht auf unserer Liste, wobei wir immer noch Kontaktbeschränkungen haben. Definitiv also eher auf der Agenda für nächstes Jahr.
Lass uns doch mal über die Thematik des Albums reden. Laut Presseinfo ist das Album sehr von deinem christlichen Glauben beeinflusst. An andere Stelle, namentlich auf dem Debüt „Prelude“, hieß es jedoch, dass WYTCH HAZEL die NWoBHM klingen lassen, als sei sie im Mittelalter gegründet worden.
Ja, die Thematik beim ersten Album war, dass WYTCH HAZEL sozusagen in diesem Paralleluniversum existieren, wo die NWoBHM bereits 600 Jahre vorher entstanden ist. Ich denke das ist auch weiterhin eine relativ gute Beschreibung für unsere Musik. Ich selbst höre gerne auch Renaissance- und Mittelalter-Musik, teilweise eine sehr primitive Art von Musik. Barock und Sacred Vocal Music gehören ebenfalls zu den Dingen, die ich regelmäßig höre. Dadurch habe ich so ein grundlegendes Interesse an dieser Art Musik, die in den Schreibprozess mit einfließt. Ich mag natürlich auch Fantasy wie Herr Der Ringe und alles, was so auf der gleichen Wellenlänge schwebt, auch das findet immer wieder in den Schreibprozess hinein.
Die Sache mit WYTCH HAZEL ist, dass mein christlicher Glaube einfach in die Texte mit einfließt. Das passiert, weil ich mir beim Texten Gedanken über Dinge mache, die mir wichtig sind. Dadurch entstehen oft Lyrics, die von biblischen Passagen beeinflusst sind. Und dadurch, dass die Bibel ja mehr ein Sammelwerk von verschiedenen Texten ist – die Bibel ist sozusagen eine handliche Bibliothek – wird mir der Stoff so schnell nicht ausgehen.
Das kommt aber meistens spontan und nicht aus dem Bedürfnis, etwas Spezifisches umzusetzen, heraus. Ich setze mich hin und beginne über das zu schreiben, was mir just im Moment am Herzen liegt. Es ist einfach so ein „Colin“-Ding. (lacht) Ich glaube, dass „III: Pentecost“ insgesamt dennoch die vielleicht subtilsten Referenzen aufweist – es ist im Kern definitiv ein klassisches Heavy-Metal-Album, auch wenn wir vielleicht keine Heavy-Metal-Band im traditionellen Sinne sind. Gleichzeitig nehmen meine musikalischen Hörgewohnheiten Einfluss auf die Musik, sodass dieser folkige, altertümliche Einschlag in unserem Metal zustande kommt.
Wo bist du eher zu Hause, im Alten oder Neuen Testament?
Oje, das ist eine sehr weit gefasste Frage. (lacht) Ich denke wenn man über die Bibel spricht, dann spricht man eigentlich über beides. Man kann das nicht wirklich voneinander trennen. Aber wenn ich mich entscheiden müsste – puh, ich bin mir da gar nicht sicher. Aber das Neue Testament benötigt den Kontext des Alten Testaments.
Kann ich nachvollziehen. Ich bin nur auf die Frage gekommen, weil TROUBLE beispielsweise meines Wissens nach eine Band waren, die ihre Inspiration aus dem Alten Testament bezogen haben.
Wenn man aber nur das Alte Testament per se nimmt, dann muss das nicht unbedingt repräsentativ für das Christentum sein. Das Alte Testament prophezeit den Messias, der jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren worden ist. Aber da fehlt der konkrete Kontext, da dies nur die Prophezeiung ist. So gesehen würde ich definitiv sagen, dass ich mehr auf der Seite des Neuen Testaments zu Hause bin, da dieses den Kern des Christentums deutlicher zum Ausdruck bringt.
Aber das Alte Testament liefert definitiv den Kontext für das Neue Testament, beide voneinander zu trennen wäre demnach falsch. Jesus beispielsweise zitiert das Alte Testament, sie sind also fest ineinander verwoben. Wenn ich schreibe, beflügelt mich beides ein bisschen. Der Song „Dry Bones“ beispielsweise ist von einer Geschichte aus dem Alten Testament inspiriert. Teilweise sind die Bezüge aber auch weniger konkret, springen zwischen beiden sogar mal hin und her. So gesehen ist es eine Mischung aus beidem, zumindest was das Texten angeht.
Könntest du dir vorstellen, irgendwann einmal ein Werk oder Song über die Bergpredigt zu machen?
Ja, definitiv. So ein bisschen Erfahrung haben wir mit Konzeptwerken schon sammeln können, auch wenn „II: Sojourn“ ein Konzeptalbum im eher losen Sinne gewesen ist. Es war ein eher allgemeines Konzept über Dunkelheit und Licht. Viel mehr steckte eigentlich nicht dahinter. Es war so ein bisschen wie eine Schlacht und die unmittelbare Zeit danach zu thematisieren. Aber ich denke tatsächlich dass sich das Thema „Konzeptwerk“ sehr gut auf die Bergpredigt anwenden lassen würde. Habe ehrlich gesagt gar nicht darüber nachgedacht. (lacht) Es ist immerhin die bekannteste Predigt Jesu und vollgestopft mit Themen, über die sich schreiben lassen.
Vielleicht noch abschließend zu meinem Lieblingssong von „III: Pentecost“: Worum genau geht es beim Song „Dry Bones“?
Der Song basiert auf Hesekiel 37 im Alten Testament. Spezieller bezieht sich der Song auf eine Passage, die gemeinhin als „Tal der verdorrten Gebeine“ [englisch: „Valley of Dry Bones“, Anm. d. Red.] bekannt ist. Sie handelt von der Prophezeihung oder Vision Hesekiels, dass eine Gruppe von Leuten aus dem Tod ins Leben zurückgeholt werden. Aber es geht hier weniger um den wörtlichen Tod und mehr um eine spirituelle Metapher hierfür. Die Bildsprache von diesem Tal voller toter, trockener Knochen ist jedoch sehr einschlägig, vor allem wenn die Knochen beginnen, sich zu rühren, zu klappern und sich zu erheben.
Es gibt auch eine ganze Menge kontemporärer, christlicher Lieder, die von diesem Bildnis handeln. Ich hatte die Idee, diese Passage noch einmal zu lesen und mich inspirieren zu lassen. Normalerweise tue ich das nicht, normalerweise schreibe ich erst die Musik und dann die Texte, aber hier war das andersrum. Erst nach dem Text stand die Musik und der Refrain war das erste, was komplett fertig war. Es ist einfach ein wunderbares Bildnis, im Grunde habe ich hierzu nur die Bibel kopieren müssen. (lacht) Ich liebe diese Vision und was sie repräsentiert einfach und wollte sie eben in lyrische Form gießen.
Dann danke ich dir vielmals für dieses Interview.
Gerne.