World Under Blood
Interview mit Gitarrist und Sänger Deron Miller zu "Tactical"
Interview
Auf dem ersten Album Tim Yeung am Drumkit und Nuclear Blast als Label zu haben, ist ein Privileg. Auch wenn der Gedanke, dass WORLD UNDER BLOOD mit Vitamin B zu diesem Vorrecht gekommen sind, nahe liegt – das ist Humbug. Nach ein paar Durchläufen hält „Tactical“, was Line-Up und Plattenfirma versprechen und entpuppt sich als großartiges, angriffslustiges Death Metal-Album, und das ohne corige Trendanbiederei und verkrampftes Old School-Gehabe. Deshalb ist Gitarrist und Sänger Deron Miller auch zurecht merklich überzeugt von seinem Extreme Metal-Einstand. Schauen wir mal, was hinter der betont selbstsicheren Fassade so steckt.
Nach fünf Jahren der Bastelei erscheint jetzt endlich das WORLD UNDER BLOOD-Album. Und, wie fühlt sich das für dich an?
Es ist schon eine ziemliche Erleichterung, dass wir’s endlich fertiggestellt haben. Das hat schon lange gedauert, und wir haben immer nach und nach daran gearbeitet, aber das Album-Artwork zu sehen und den finalen Mix zu hören… da habe ich erst realisiert, dass das eine der tollsten Platten ist, an denen ich je mitgearbeitet habe.
Woran lag es denn, dass sich die Fertigstellung so oft verzögert hat?
Terminprobleme, Neuaufnahmen bestimmter Parts, Touren mit anderen Bands. Wir haben 2006 angefangen, aber erst 2008 den Vertrag unterschrieben, ich hab anfangs also alles erstmal aus eigener Tasche bezahlt.
Eine Menge Bands sollen ja aus einer Trinklaune heraus gegründet worden sein, wobei die meisten dann realistisch niemals was auf die Reihe bekommen haben. Das sieht bei WORLD UNDER BLOOD ein bisschen anders aus. Wie zum Beispiel bist du an Tim Yeung gekommen?
Gerardo von Nuclear Blast America hat uns miteinander bekannt gemacht. Ich liebe Tims Spiel auf der HATE ETERNAL-Platte und er mochte meine andere Band CKY, also haben wir direkt angefangen mit unserer Idee. Wir haben Nummern ausgetauscht und uns angerufen. Es war sehr einfach, mit ihm zu arbeiten, weil er diese Musik einfach versteht.
In euren Promotexten schreibt ihr ganz amerikanisch, dass ihr “seit Jahren Fans voneinander“ seid. Worauf bezieht sich das?
Ich habe Platten mit ihm drauf gekauft, nur wegen seines Drummings. Anfangs dachte ich, die HATE ETERNAL-Scheibe sei schnell, aber dann habe ich das DECREPIT BIRTH-Album gehört und war platt. Er fand CKY, die Videos, Jackass und Bam cool. (Anm.: Bam Margera hat fünf Filme mit musikalischer Unterstützung der Band gedreht, aus denen später die Serie Jackass hervorging).
Wer sind die anderen Jungs, die du in die Band geholt hast?
Luke Jaeger ist eigentlich nur ein exzentrischer Schredderer, der fähig ist, praktisch alles zu spielen. Er lebt in Seattle, was bedeutet, dass er im Grunde dauernd deprimiert ist, aber er hat unglaubliche Fähigkeiten. Risha Eravec hatte eine enorme Bühnenpräsenz, als ich ihn live als DECREPIT BIRTHs Bassisten gesehen habe.
Als junge Band einen Deal mit Nuclear Blast zu bekommen, ist ein ziemliches Privileg. Ich nehme an, du hast einen Cousin dort?
Nein. Was meine Fähigkeiten als Rock n‘ Roll-Songwriter und -Performer angeht, bin ich ganz zuversichtlich, aber ich bin noch viel überzeugter, wenn es um Metal und aggressive Musik generell geht. Mir fällt das ziemlich leicht, und ich finde das sehr spaßig und herausfordernd. Als wir unser 3-Song-Demo gemacht haben, wusste ich schon, dass die Songs cool sind, weil ich mich selbst für einen Death Metal-Experten halte. Das Ironische ist, dass ich 80% des Metalzeugs überhaupt nichts mag, aber wenn ich mal auf etwas treffe, das ich wirklich mag, vergrabe ich mich darin. Der Deal mit Blast ist etwas, worüber ich eigentlich nie großartig nachgedacht habe.
WORLD UNDER BLOOD sind von CKY ziemlich weit entfernt, die in Deutschland übrigens so gut wie niemand kennt, wage ich mal zu behaupten. Was steckt hinter dieser Truppe und wie erklärt sich der riesige stilistische Unterschied?
CKY ist eine Rockband, die niemals eine faire Chance bekommen hat… in keinem Land, ehrlich. Einige Plattenfirmen haben mit uns Spielchen gespielt und versucht, unsere harte Arbeit auszubeuten, ohne selbst etwas dafür zu tun, uns weiter zu bringen. Wir konnten das 15 Jahre lang machen und davon leben, aber wie für alle anderen Bands wird das immer schwieriger und schwieriger. Metal ist mehr so eine Von-Mund-zu-Mund-Geschichte mit treuen Fans, was es für Bands einfacher macht, auf sich aufmerksam zu machen. Und das Schöne ist: Das basiert darauf, wie gut man klingt, nicht, wie gut man aussieht.
Was sind deine Motive, in einer Melodic Death Metal-Band zu spielen? Das ist ein Genre, das in Europa relativ groß ist, wohingegen in den USA ja im Grunde alles, was auf -core endet, weiterhin der Renner ist.
Ich hasse diesen ganzen Corekram. “Core“ bedeutet für mich ein bestimmtes Aussehen und bestimmte Einschränkungen. Wenn man sicherstellen muss, dass du bestimmte Sounds oder Ideen ausschließen musst, um Teil von diesem “Core“ zu sein, dass du Make-Up tragen musst und schwule Haare, um emo auszusehen… dass du darüber rumschreien musst, wie deine Ex-Freundin dir das Herz gebrochen hat, um Metalcore zu sein… das ist doch alles lahmarschig, sich in eine Kategorie einzusortieren, die sowieso nicht länger als fünf Jahre existieren wird. Aber das ist immer noch besser als Nu-Metal… Gott, war das eine furchtbare Zeit.
Das zieht sich bis in die Texte, die mit genau diesem selbstmitleidigen Geseiere ja auch nichts zu tun haben.
Das ist eine ziemlich persönliche Sache, ziemlich hasserfüllt, aber meist fiktional. Ich mag es, in meiner Musik Geschichten zu erzählen, habe ich immer getan. Ich weiß genug über Death Metal, um nicht das tun zu müssen, was Andere im Death Metal tun… was meistens satanisch ist oder mit Gore zu tun hat… das war mit 15 ganz spaßig, aber mit 35 wirkt das doch ein wenig tumb.
Was steckt hinter dem Bandnamen und dem Albumtitel?
Den Bandnamen mochte ich sofort, als ich ihn das erste Mal ausgesprochen habe. Bandnamen sind unwichtig, besonders wenn man sich mal anschaut, was derzeit so rumläuft. I WRESTLED A BEAR ONCE? AUTUMN TURNS TO ASHES? Ich weiß ja nicht… das ist doch alles Scheiße.
Das letzte Stück, “Revere’s Tears“, sticht aus dem Massaker der ersten 29 Albumminuten ziemlich heraus. Steht dahinter eine besondere Idee?
Die meisten Platten, die ich mache, haben einen etwas softeren Rausschmeißer. Das ist der einzige Song ohne Blast Beats. Eigentlich ist das Lied ziemlich alt, ich habe das geschrieben und als Demo mit CKY-Drummer Jess Margera aufgenommen, aber er konnte damit nicht mehr anfangen, als die Grundidee festzuhalten, damit wir sie nicht vergessen. Tim und ich haben es dann acht Jahre später fertiggestellt. Für mich ein klasse Song mit einem wirklich coolen Intro.
James Murphy hat zwei deiner Demotracks gemischt und später das gesamte Album produziert. Es gibt, gerade in den USA, eine ganze Menge sehr professioneller und fähiger Produzenten – warum James Murphy?
Tja, weil er ein absoluter Profi ist und weil ich ihn gut genug kannte um zu wissen, dass er mich nicht ausbeuten und die ganze Sache verbocken würde, wie es die meisten Typen tun.
“Tactical“ hat acht Songs und etwa 33 Minuten Spielzeit, was nach fünf Jahren Arbeit nicht gerade extrem viel Material ist. Gibt es schon neue Songs, die nicht mehr auf dem Album gelandet sind?
Jede richtig geile Death Metal-Platte hat acht Tracks und unter 32 Minuten… DEATH “Human“, CYNIC “Focus“, GORGUTS “Erosion Of Sanity“, PESTILENCE “Spheres“, DEICIDE “Legion“ und viele mehr. Heutzutage geben Bands ihren Fans und den Labels Material für fast zwei Alben in einem Rutsch, meistens auf Nachfrage des Labels… manchmal bis zu 15 Songs mit 70 Minuten. Das ist in jedem Genre langweilig für den Hörer. Die Kids haben gar nicht die Aufmerksamkeitsspanne für sowas. Ich will, dass das Album durchgespielt wird, und dann nochmal… nicht dass die Kids nur die Hälfte hören und dann gelangweilt ausschalten. Dieses Album legt los, reißt dir das Gesicht auf und hört dann auf. Ungefähr so, wie von einem Stier vergewaltigt zu werden.
Werdet ihr auch live als Stiere unterwegs sein, um hier und da Kids zu vergewaltigen? Ich frage mich, wie du gleichzeitig dieses Zeug an der Gitarre spielen und singen willst.
Da mache ich mir keine Sorge. Ich mache mir nicht mal wirklich Sorgen um Terminprobleme. Wenn das gefragt ist, mache ich einen Tourplan – wenn das Album sich gut verkauft, gehen wir dahin, wo es sich gut verkauft. Wenn es sich mies verkauft, bleiben wir einfach zu Hause. Ich liebe das Album, und ich habe es für mich gemacht, es kümmert mich also nicht allzu sehr, ob es ein Erfolg wird oder nicht. Natürlich hoffe ich, dass es gut läuft, aber wer kann das dieser Tage schon sagen. Schauen wir mal.
Etwas Persönliches, wenn das für dich in Ordnung ist: Du bist verheiratet und hast drei Kinder. Ich vermute, du kannst zumindest zum größten Teil von deiner Musik leben und musst keiner täglichen Arbeit nachgehen. Aber selbst dann, wie lassen sich Familie und Musikertum unter einen Hut kriegen?
Ich hatte seit 1999 keinen richtigen Job mehr, hahaha! Aber es wird immer schwerer, von seiner Musik zu leben, deshalb haben meine Frau und ich ein paar Projekte zusammen gestartet, an denen wir gemeinsam arbeiten. Ich fürchte, dass meine Stunden in der Musikbranche so gut wie gezählt sind, und oft sehe ich
“Tactical“ als meinen Schwanengesang. Das wäre zwar schade, aber was soll man machen… viel Geld ausgeben und sehr hart arbeiten, um Musik zu machen, die sich die Leute gratis runterladen? Kann ich nicht und werde ich nicht tun.
Dann sag doch mal unseren Lesern, warum sie deine Platte kaufen sollten. Und danke für die Zeit!
Das Ding ist verdammt sick und… anders. Das Decibel-Magazin nannte es “over-the-top“ und “lächerlich“… das ist das erste Review für die Platte, und es ist ein gutes Review. Wenn ihr Death Metal mögt und WORLD UNDER BLOOD ignoriert, seid ihr wirklich selbst schuld. Enjoy!
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