Wolves In The Throne Room
Interview mit SPIEGEL Online Autor Jan Wigger zum "Phänomen" WOLVES IN THE THRONE ROOM
Interview
Mit WOLVES IN THE THRONE ROOM geistert in letzter Zeit eine Band durch die Medien, die sich trotz ihrer Verwurzelung im Black Metal Underground mit jedem Release eines wachsenden Bekanntheitsgrads auch jenseits des Tellerrands der Szene erfreut. Dabei stellt sich die Frage: Trotz? Oder vielleicht gerade wegen? Was fasziniert etablierte Mainstream-Magazine wie Visions oder gar SPIEGEL Online an einer Band, die sowohl mit ihrer Musik als auch mit ihrem Auftreten und Handeln eine so konsequente, extreme Linie fährt? Der Verdacht einer gut durch kalkulierten Imagekampagne, wie sie im Musikbusiness heute zum Vermarktungskanon gehört, drängt sich schnell auf.
Doch wäre die Sache so einfach, könnte auch jede x-beliebige andere Band Zentrum des öffentlichen Interesses sein. Was macht aber gerade WOLVES IN THE THRONE ROOM so besonders? Zum einen gibt es da die Faszination an ihrer Musik, die mit Reminiszenzen an frühe EMPEROR, ULVER oder IN THE WOODS… genügend Anlass zum Jubel gibt. Zum anderen hat sich die Band durch ihren Lebenswandel und ihre radikale Einstellung zum modernen Leben selbst einen mythischen Nimbus erschaffen, der – ob beabsichtigt oder nicht – einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an der Faszination zu haben scheint, die sie auf Underground-Black-Metaller und gestandene Musikjournalisten gleichermaßen ausübt.
Und das führt zu der paradoxen Situation, dass diese Band, die im Grunde alle Credibility-Voraussetzungen für eine Alpharolle im schwarzmetallischen Untergrund erfüllt, in einem Massenmedium wie SPIEGEL Online stattfindet. In der dort ansässigen (und nebenbei erwähnt sehr lesenswerten) Kolumne „Abgehört“ seziert SPIEGEL Online Autor Jan Wigger regelmäßig Platten aller möglichen Genres und geht mit den meisten nicht gerade zimperlich um. Dass WOLVES IN THE THRONE ROOM mit ihren letzten beiden Alben „Two Hunters“ und „Black Cascade“ bei ihm stattfanden und sogar die seltenen Weihen von 9 bzw. 8 von 10 möglichen Punkten erfahren haben, lässt aufhorchen. Vor dem Hintergrund des „Phänomens“ WOLVES IN THE THRONE ROOM habe ich mich mit Jan über seine Arbeit unterhalten und dabei versucht, den Gründen für die Faszination an dieser Band etwas näher zu kommen.
Die Stilbandbreite von „Abgehört“ ist ziemlich breit. Wie werdet Ihr bemustert?
Es gibt etwa acht bis zehn Plattenfirmen, von denen ich so gut wie alles bekomme, da die oft Themen haben, von denen sie wissen, dass sie mir gefallen könnten und ich sie bei SPIEGEL Online besprechen könnte. Ich bekomme aber keinesfalls alles geschickt. Black Music oder Reggae zum Beispiel eher nicht. Was ich dagegen fast immer bekomme, ist Indie-Rock oder Britpop usw. Es gibt sicherlich Promoter, die glauben, dass das meine Lieblingsmusik ist und ich den ganzen Tag BRIGHT EYES oder FRANZ FERDINAND höre. Das tue ich aber so gut wie nie.
Und dann gibt es eben noch die kleinen Labels, wie z.B. Southern Lord, die natürlich ein begrenztes Promo-Budget haben und ziemlich darauf achten müssen, wen sie bemustern. Wenn mich eine Platte aber konkret interessiert und ich beim Label anfrage, bekomme ich die auch in 99 von hundert Fällen zum Besprechen. Vor zehn Jahren hat man mehr automatisch zugeschickt bekommen – heute muss man sich schon auch selbst darum bemühen. Und immer öfter bekommt man vor dem VÖ ja keine richtige CD mehr, sondern wird digital bemustert. Solche Angebote ignoriere ich aber in der Regel und verschiebe die Rezension im Zweifel, bis es richtige CDs gibt, die ich zur Besprechung auch in einen echten CD-Player legen kann.
Der Indie-Rock- oder auch Elektro-Einschlag in Deiner Kolumne ist natürlich nicht zu übersehen. Da stechen Themen wie WOLVES IN THE THRONE ROOM oder auch die letzte KREATOR natürlich heraus. Sind das eher Steckenpferde von Dir oder tatsächlich Beiträge, die Dir wichtig sind und die Du ernst nimmst?
Ich hoffe, dass man an den CDs und an den Bewertungen, die sie bekommen, erkennen kann, dass ich sie wirklich ernst nehme. Das würde sonst dem Kern der Kolumne widersprechen, die in den ganzen Jahren darauf aufgebaut war, dass streng und möglichst exakt bewertet wird und die Platten möglichst oft gehört werden, bevor man darüber schreibt. Dem würde es total widersprechen, wenn ich es plötzlich „witzig“ fände, CANNIBAL CORPSE zu besprechen, obwohl ich die Musik total scheiße finde. KREATOR hat ja eine sehr gute Wertung bekommen [8 von 10 Möglichen, bei „Abgehört“ fast schon eine Ausnahmewertung – Anm. d. Red.] Ich hatte in der Woche davor ein Interview mit Mille gemacht, nach dem ich die Platte noch einmal ganz neu entdeckt habe. Daraufhin war völlig klar, dass ich die neue KREATOR bespreche. Da geht es immerhin um die wichtigste Thrash-Band Deutschlands. Warum soll man den SPIEGEL-Lesern nicht auch mal so was zumuten?
Das kann ich natürlich nicht jede Woche machen, da ich schließlich nicht für Metal Hammer schreibe sondern für SPIEGEL Online. Bei WOLVES IN THRONE ROOM bin ich mir aber ziemlich sicher, dass die Platte keine Chance gehabt hätte besprochen zu werden, wenn die Kolumne jemand anderes schreiben würde. Ich denke nicht, dass bei SPIEGEL Online jemand gern Black Metal hört. [Skandal! – Anm. d. Red.] Ich schlage solche Themen eben vor und in fast allen Fällen sagt die Redaktion dann „OK, wenn Du meinst, das ist gut, dann mach das…“.
Hast Du selber denn einen Metal Background?
Es gibt keine Musikrichtung, die mich in meinem Leben länger begleitet hat, als Metal. Wann kam „Somewhere In Time“ raus? Das war meine erste richtige härtere Platte, die ich mir damals gekauft habe. Mit zehn oder elf Jahren habe ich mit schlechtem Hard Rock angefangen. Ich komme ja vom Dorf, aus der Nähe von Düsseldorf und dort hat man eben Zeug gehört wie WARLOCK, ACCEPT oder U.D.O., weil die halt aus Solingen kommen. RUNNING WILD, VICTORY, HELLOWEEN – den ganzen schönen Fönmatten-Metal eben. MAIDEN waren dann mein Einstieg in die härtere Musik und in den internationalen Metal, damals war ich 13 oder so. Eine der nächsten Platten war „Conspiracy“ von KING DIAMOND, danach kamen ziemlich schnell METALLICA, SLAYER usw. MANOWAR habe ich auch im Schrank – und die sind mir auch heute nicht peinlich.
Danach habe ich den Metal allerdings einige Jahre aus den Augen verloren und ihn nicht mehr gehört. Für eine längere Flugreise habe ich mir vor drei oder vier Jahren dann mal wieder eine Rock Hard gekauft und festgestellt, dass es mir viel mehr Spaß macht, die Rock Hard zu lesen als jetzt die Spex oder so. Ich lese die Spex nicht und ich lese auch den NME nicht. All die Blätter, von denen man immer vermutet, dass ich sie lese, die lese ich überhaupt nicht. Die finde ich viel zu deprimierend. Das ist so eine Bleiwüste und mir macht es keinen Spaß, das zu lesen. Ich lese aber total gerne Metal Magazine und auch Fanzines. Dort finden eben auch Bands statt, die zu meinen Faves gehören. Wenn ich etwas über die neue SUNN O))) lesen will, steht das halt nicht im Rolling Stone. Da gehe ich eben ins Internet und suche nach einem aktuellen Interview mit Attila, zum Beispiel.
Wobei gerade WOLVES IN THE THRONE ROOM ja auch in Blättern wie der Visions stattfinden. Und deshalb die Frage: Warum ausgerechnet WOLVES IN THE THRONE ROOM?
Warum WOLVES IN THE THRONE ROOM? … Ich bin immer schlecht darin, gesellschaftliche Entwicklungen in der Musikszene zu bewerten. Ich kann höchstens sagen, wie es mir ergangen ist. Als ich vor ungefähr drei Jahren wieder angefangen habe, mich mit Metal zu beschäftigen, habe ich auch nochmal „Lords Of Chaos“ und ein paar andere Bücher gelesen. Das hat in mir die Faszination für die ganzen skandinavischen Frühneunziger-Bands wieder geweckt. Im Zuge dessen habe ich mich informiert, welche außergewöhnlichen Bands es heute gibt, die daran anschließen. Ich war dann in New York in einem winzigen Plattenladen in einer Art Kellerverlies, in dem nur ein Tresen, eine Kasse und eng gestapelte Platten standen. Ultra underground eben. WOLVES IN THE THRONE ROOM waren dem Typen hinterm Tresen auch eigentlich schon zu mainstreamig und wimpy, sodass er sie mir erst gar nicht verkaufen wollte. Ich habe sie mir dann doch mehr oder weniger blind dort gekauft. Ein Bekannter, der bei der Intro arbeitet, hatte mir die Platte vorher als besonders gut empfohlen. Daraufhin hatte ich mir die myspace-Songs angehört und fand die großartig.
Mich fasziniert an der ganzen Sache diese Radikalität gepaart mit dem Sinfonischen. WOLVES IN THE THRONE ROOM fassen ja mehrere Musikstile zusammen. Deshalb wundert es mich immer, wenn gesagt wird, die Musik sei nur etwas für Metalhörer. Es steckt auch viel Klassisches und viele Post-Rock-Elemente in der Musik. Die Nähe zu GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR oder MOGWAI ist für mich da sehr spürbar. Und das gepaart mit dieser Brachialität und dem Gekeife, das nicht stumpf oder prollig wirkt, hat etwas Majestätisches wie etwa auch EMPEROR. „Two Hunters“ ist für mich die beste Metal-Platte, die ich in den letzten Jahren gehört habe, und deshalb war es mir völlig egal, ob das jetzt Black Metal oder sonst was ist. Warum sollte man die nicht einfach vorstellen? Es kann ja nicht schaden.
Natürlich ist es im Nachhinein genau so gekommen, wie man es befürchten musste. Einige Leute haben prompt geschrieben „Das sind doch Nazis“ und „Wissen Sie, dass Ihr Autor Jan Wigger hier eine Nazi-Band bespricht?“ Was natürlich absoluter Blödsinn ist, weil WOLVES IN THE THRONE ROOM nicht im Entferntesten etwas mit NSBM zu tun haben. Ganz im Gegenteil. Aber mit solchen Leuten muss man sich eben auseinandersetzen. Auch wenn es anstrengend ist. Natürlich wäre es bequemer, solche Themen einfach wegzulassen.
Was schade wäre, da die Leser dann noch weniger von der Welt jenseits ihres eigenen Tellerrandes mitbekommen würden.
In der Kritik stand ja auch noch drin, dass ich BURZUMs „Filosofem“ immer gern gehört habe und die toll finde. Dann wird natürlich erst recht gesagt, dass hier Nazibands propagiert werden. Dann überlegt man sich beim nächsten Mal genau, ob man die eine oder andere Platte jetzt bespricht oder nicht. Ich denke alles, was ich in den letzten neun, zehn Jahren im Rolling Stone oder Musikexpress geschrieben habe, war auch davon geprägt, dass ich aus einem eher linken Umfeld komme.
Wenn ich jetzt bei jedem Künstler überlegen müsste, was der nicht schon alles gesagt und getan hat, dann müsste ich ja wegen Jeff Hannemans Blödheit oder Tom Arayas Äußerungen zum Pinochet-Regime in Chile auch all meine SLAYER-Platten verkaufen. Lemmy sammelt irgendwelche Kriegs-Memorabilia und ein betrunkener Elvis Costello hat mal Ray Charles und James Brown als „Nigger“ bezeichnet. Alles unverzeihlich, aber bei Varg Vikernes erreicht das natürlich eine neue Dimension: Der hat wahrscheinlich die Fantoft-Kirche angezündet und ist auch sonst wirr im Kopf. Aber während andere Leute das nicht können, kann ich das für mich von der Musik trennen. Ich muss mich ja nicht mit Varg auf ein Bier treffen. Andere Leute sehen das rigoroser und sagen sich „ich gebe mein Geld doch nicht aus, um damit einen Nazi und Rassisten zu unterstützen“. Was ebenso nachvollziehbar ist.
Wir haben diese Diskussion auch sehr oft in der Redaktion. Auch der Pagan Metal spielt ja gerne mit heidnischen Symbolen, wo man – ehe man sich’s versieht – in manchen Fällen ganz schnell beim Sonnenrad und dann beim Hakenkreuz angelangt ist. Der Grat zwischen „wird besprochen“ und „das ist zu grenzwertig“ ist manchmal sehr schmal und schwammig. Im Grunde bleibt man in diesem Punkt immer angreifbar. Man darf es sich nur nicht einfach machen, sondern muss sehr genau hinschauen, was man aus welchem Grund bespricht oder es auch lässt. Aber zurück zum Thema. Hat sich nach Deinen Rezensionen denn eigentlich auch die Szenepolizei zu Wort gemeldet?
Ja klar. Es kamen Mails und mir wurden Links zu Foren weitergeleitet, wo gesagt wurde, es sei ja wohl unmöglich, dass so was wie WOLVES IN THE THRONE ROOM jetzt im SPIEGEL stattfindet. So von wegen: Black Metal hat im Untergrund zu bleiben und darf nicht bei Massenmedien besprochen werden. Das sind dann eben so verklemmte Typen, die es im Indie-Rock genau so gibt. Wenn ich jetzt zum Beispiel im SLAYER-Shirt aufs Haldern Open Air gehen würde, wo im Grunde nur Singer/Songwriter- und Indie-Sachen spielen, würde ich vielleicht auch blöd angeguckt werden. Da würde ich sicher drauf angesprochen werden, so von wegen „das meinst Du jetzt aber irgendwie ironisch gebrochen, oder?…“. Und genauso gibt es im Black Metal eben die Hardliner, die sagen, dass das beim SPIEGEL nichts zu suchen hat. Und vielleicht nicht einmal was in der Rock Hard zu suchen hat, sondern nur in Black Metal Zines oder so.
Dabei bin ich mir sicher, dass das die Bands – wie jetzt eben WOLVES IN THE THRONE ROOM – absolut albern finden würden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihr erklärtes Ziel ist, möglichst erfolglos zu bleiben. Gut, ich weiß es nicht. Sie sind ja sehr radikal, machen ihr eigenes Essen, sind total öko und leben weit draußen auf einer abgelegenen Farm. Wenn sie tatsächlich erfolglos sein wollten, könnten sie die Interviews mit Massenmedien ja einfach absagen. Mit der Visions haben sie aber gesprochen und ich bin mir sicher, dass sie auch mit der Spex sprechen würden.
Demselben Vorwurf mussten wir uns auch aussetzen. Unter dem Review zu „Diadem Of 12 Stars“ steht zu lesen, metal.de möge bitte die Finger von solchen Underground-Dingen lassen, wir seien ihrer nicht würdig.
Aber Ihr macht ja nicht nur Mainstream Metal, oder?
Natürlich nicht. WOLVES IN THE THRONE ROOM sind von ihrer ganzen Einstellung und ihrer Musik her aber so extrem, dass es konsequent undergroundiger kaum geht. Dadurch, dass sie jetzt aber im SPIEGEL und der Visions stattfinden, sind sie ein absolutes Mainstream-Thema geworden. Mittlerweile dürfte es sogar eher underground sein, die Band NICHT zu kennen.
Die meisten Leute, mit denen ich zu tun habe, kennen die Band nicht. Die hören aber auch keinen Metal (mehr) und sagen sich, dass Metal mal ein Begleiter war, als man noch jung war und jetzt für sie längst erledigt sei. Ich sehe aber keinen Grund, warum ich mit Mitte dreißig sagen sollte, dass ich jetzt zu alt bin um Metal zu hören. Zu sagen, „Metal ist kindisch und ich höre jetzt nur noch Bob Dylan“ ist ja völlig bescheuert. Andererseits gibt es genug Metalhörer, die wirklich nur Metal hören und für die Sachen wie FRANZ FERDINAND, OASIS oder MGMT alle gleich klingen. Gerade im Metal- und EBM/Darkwave-Bereich gibt es teilweise eine große Engstirnigkeit. Die gibt es aber auch im Indie-Bereich. Und deshalb bin ich froh darüber, dass nicht wenige Leute denken, dass ich das höre und mich den ganzen Tag mit irgendwelchen Indie-Leuten treffe, um zusammen Indie-Platten zu hören. Im Gegenteil: das fände ich total gruselig.
Dass Monokulturen ungesund sind, hat man ja auch schon in der Schule gelernt.
In der Schule hat man aber auch gelernt, dass es teilweise ungesund sein kann, mehrere Musikstile nebeneinander zu hören.
Hast Du denn keine Skrupel, den Leuten den Spaß an der Band zu verderben, weil Du ihr durch Deine Artikel zu viel Öffentlichkeit bescherst?
Ich mache das ja nicht, weil ich sie bewerbe oder ihr Promoter bin, der ein Interesse daran hätte, die Band groß zu machen. Ich bin schon lange davon weg, Leuten zeigen zu wollen, dass das, was ich höre, „besser“ ist als das was sie hören. So etwas hört auf, wenn man 18 oder 19 ist. Die „Abgehört“-Kolumne ist brutal subjektiv. Ich wähle die Platten aus, die ich für am interessantesten halte. Und wenn mir WOLVES IN THE THRONE ROOM so wichtig sind, dass sie am Ende des Jahres in meinen Top 5 stehen, ist klar, dass ich sie auch auswähle und die zehnte oder zwölfte Gitarrenband aus England weglasse. Die werden ohnehin überall besprochen und brauchen nicht auch noch SPIEGEL Online. Auch METALLICA oder AC/DC wären natürlich in keinster Weise darauf angewiesen, auf SPIEGEL Online stattzufinden, da sie sowieso mit jedem Album auf Eins gehen. Ich wähle einfach aus, was mir am relevantesten erscheint. Und ich finde Bands wie WOLVES IN THE THRONE ROOM oder SUNN O))) einfach interessant, auch mit dem was sie so erzählen, was das für Typen sind und welche Projekte sie noch am Start haben. Das finde ich hundertmal spannender als über noch eine Band zu berichten, die klingt wie THE KOOKS, die Anfang 20 sind und in Interviews nichts erzählen, was mich irgendwie interessiert.
Ich habe 2008 zufällig Hellhammer getroffen, der mit Varg und Euronymus ja zusammen in einer WG gelebt hat. Was er zu erzählen hatte, war viel interessanter als das, was diese anderen Bands zu sagen haben. Auch vom Konzept her geben diese Bands viel mehr her als eine Indie-Band. Eine Indie-Band stellt sich auf die Bühne und nach dem Konzert kann man mit denen noch ein Bier trinken. Naja, wer’s mag. SUNN O))) dagegen stellen sich auf die Bühne in Mönchskutten, alles ist vernebelt und verraucht und die Band tritt mit zehnmal so vielen Verstärkern auf und ist zehnmal lauter als jede Band, die man je gesehen hat. Das geht Dir durch den Magen. Nach einer Stunde ist Schluss und es war einfach ein Erlebnis.
Ich habe im letzten Jahr für SPIEGEL Online vom Øya-Festival berichtet. Dort treten viele angesagte Indie-Bands auf. THE NATIONAL und Nick Caves GRINDERMAN zum Beispiel. Wirklich viele. Ich habe dann aber versucht, mich im Indie-Bereich auf die Bands zu konzentrieren, die ich wirklich überragend finde, was dann eben meist ältere waren, wie z.B. MY BLOODY VALENTINE oder SONIC YOUTH. Mindestens die Hälfte des Artikels habe ich aber dafür verwendet, um über die Auftritte von MAYHEM und SUNN O))) zu schreiben. Ich finde es absolut spannend, faszinierend, absurd und albern zugleich, wenn eine Band wie MAYHEM auf die Bühne geht und der Sänger sich sechs Koteletts an Fleischerhaken um den Hals hängt, in einem Müllsack auftritt und eine Fischmaske trägt. Wenn dann bei „Freezing Moon“ ein OP-Tisch auf die Bühne geschoben wird und ein Teufelsbaby aus seinem Bauch geschnitten wird, macht das doch viel mehr Spaß als sich eine Band anzuschauen, die einfach nur dasteht.
Wobei sich der Black Metal in letzter Zeit ja auch selbst zu demontieren scheint. Wie jetzt eben MAYHEM mit dieser Aktion oder DARKTHRONE, die seit ein paar Alben auf Punk machen…
Genau, aber das interessiert mich gar nicht. DARKTHRONE sind für mich seit Mitte der Neunziger irrelevant. Genauso wenig interessieren mich CRADLE OF FILTH oder DIMMU BORGIR. Das ist für mich dann eher Kinderkram. Ich kaufe mir eigentlich alles, von dem Götz Kühnemund sagt, dass es gut ist. (lacht) Nee, Quatsch. Aber Götz war immer ein großer Einfluss für mich. In letzter Zeit haben mich THE DEVIL’S BLOOD und eine Band aus Amerika namens NACHTMYSTIUM ziemlich begeistert.
Was aber beispielsweise gar nicht mehr geht sind so Sachen wie DORO und dieser ganze Eierkneif-Metal. Ich habe zum Beispiel auch nie GRAVE DIGGER gehört und auch die neue BLIND GUARDIAN würde ich mir nicht kaufen. Ich bin großer QUEEN-Fan, insbesondere von den Sachen aus den Siebzigern. Wenn man danach BLIND GUARDIAN hört, ist es schon sehr auffällig, wie stark die bei QUEEN geklaut haben. Für alle Sachen, die mit Chören und großer Theatralik arbeiten, waren QUEEN ein wichtiger Einfluss.
Vielen Dank für den Einblick in Deine Arbeit und noch viel Spaß und Erfolg mit „Abgehört“!