Wolfheart
"Wir wollten kreativer sein, die Messlatte immer ein wenig höher setzen"
Interview
Passend zur düsteren Jahreszeit haben WOLFHEART ein neues Album für uns am Start. „Constellation Of The Black Light“ heißt die Scheibe, die ab 28.09.2018 zu haben ist. Die Band um Mastermind Tuomas Saukkonen kratzt auch mit diesem Album wieder an der Höchstnote, wie schon mit all ihren bisherigen Veröffentlichungen. Im Interview erzählt uns der Chef mehr über die Arbeiten am Silberling und gibt außerdem nützliche Gartentipps.
Hi Tuomas! Ich fange mal direkt am Anfang an, nämlich mit dem ersten Song, „Everlasting Fall“. Das ist ein sehr langer Song für einen Opener. Außerdem war ein Teil davon auch schon das Intro bei WOLFHEART-Auftritten. Gibt es an dem Stück was Besonderes?
Tuomas: Es hat sich zu einem besonderen Stück entwickelt. Als ich den Song geschrieben habe, war der Plan, das Intro als eigenständigen Track zu haben. Es sollte also ein dreiminütiges Intro sein und dann hätte der Song anfangen sollen. Aber je mehr ich mir das Stück angehört habe, beim Aufnehmen und besonders beim Mixen, desto mehr hat es angefangen, wie ein Ganzes zu klingen. Am Ende wollte ich die Tracks nicht mehr aufspalten. Es wäre einfach gewesen, das zu machen, aber in meinen Ohren klang es einfach wie ein komplettes Stück. Ich bin dem Label [Napalm Records, Anm. d. Red.] und dem Management sehr dankbar dafür, komplette künstlerische Freiheit gehabt zu haben.
Mir wurde schon gesagt, dass es nicht ideal sei, einen so langen Song als ersten Track zu haben. Zum Beispiel auch für digitale Plattformen wie Spotify. Was mir als idealer Song beschrieben wurde, war ein vier bis fünf Minuten-Song mit einem catchy Refrain, der recht früh im Song kommt. Das ist für die Hörer am eingängigsten. Jetzt haben wir einen 10,5-Minuten-Song mit dem ersten Refrain nach sechs Minuten (lacht). Aber ich hatte nicht geplant, einen so langen Song zu schreiben. Er hat sich einfach selbst so entwickelt.
Der Teil nach sechs Minuten, den du gerade erwähnt hast, ist mir auch sehr stark aufgefallen. Ich glaube, es ist bei 6:10, wo diese wirklich epische, emotionale Melodie anfängt. Für mich ist das fast ein zentraler Teil des Albums. Würdest du mir da zustimmen?
Tuomas: Schon irgendwie. Ich denke, der Teil ist ein gutes Beispiel für unseren Stil. Für mich ist der Song der ideale WOLFHEART-Song. Er ist fast wie ein Filmsoundtrack angelegt. Er soll beim Hörer einen visuellen Eindruck erzeugen. Zumindest hoffe ich das. Jeder hat ja seine eigenen Ohren und Ansichten. Er soll mehr als nur ein einfacher Song sein. Eine größere Kreation.
Gibt es an diesem WOLFHEART-Album etwas Besonderes, oder etwas, das anders ist als auf den letzten Alben und von dem die Leute wissen sollten?
Tuomas: Ja, es ist besser!
Das hast du letztes Mal auch gesagt!
Tuomas: Ja! Aber das ist immer das Ziel. Man versucht immer, sich zu verbessern. Und ja, ich weiß, alle Bands sagen das Gleiche. Im Interview sagt ja keiner „ja, es ist OK, aber das davor ist das Beste“. Diesmal haben wir wirklich viel Arbeit in das Album gesteckt, mehr als in die anderen. Mit dem Ziel, das Vorgängeralbum zu toppen. Es wäre ziemlich leicht gewesen, einfach das gleiche Level zu halten. Wenn man ein gewisses Tempo erreicht hat, gerade bei den Drums und den Gitarren, dann ist es wirklich anstrengend, noch einen draufzusetzen.
Wenn man seine eigenen Grenzen erreicht hat, ist es schwierig, diese noch weiter zu überwinden. Vor allem, wenn man die Stücke auch live spielen will. Ich stehe auch nicht so auf Bearbeitung im Studio, deshalb wollte ich wirklich, dass die Band die Stücke so einspielen kann, wie wir sie auch live spielen würden. Wir haben auch echt viel Preproduction für dieses Album gemacht. Bei „Tyhjyys“ hatten wir jemanden von der finnischen Band SHADE EMPIRE für die Orchestration und die Keyboard-Parts. Das war jetzt also das zweite Album, bei dem wir mit ihm zusammengearbeitet haben.
Diesmal habe ich ihn schon bei der Preproduction mit ins Boot geholt. Das hat ihm sehr geholfen, in die Songs reinzukommen, und es hat dem Endresultat sehr gut getan, denn er hat nicht nur dieTracks eingespielt, sondern war auch ab den ersten Demos an der Vorarbeit beteiligt. Das alles hatte zum Ziel, all die kleinen Dinge noch besser zu machen als letztes Mal. Ich weiß nicht, ob man es dem Album anhört, aber wenigstens weiß ich, dass wir es besser gemacht haben.
Deine Antwort überrascht mich ehrlich gesagt ein wenig. Ich hätte jetzt erwartet, dass du mir erzählst, was für neue Aspekte dieses WOLFHEART-Album hat. Ich glaube nämlich, jetzt vermehrt dieses Cineastische zu hören, das du ja auch erwähnt hast. Außerdem ein paar Unterschiede beim Drumming und den Melodien, die ich so noch nicht im WOLFHEART-Sound gehört habe. Ich kann gar nicht genau sagen, wo überall, aber in „Valkyrie“ ist es mir beispielsweise aufgefallen. Bilde ich mir das etwa alles nur ein?
Tuomas: Das ist tatsächlich ein sehr guter Hinweis. Da muss ich meine letzte Antwort ein wenig revidieren. Das war das eigentliche Ziel. Nicht, etwas anders zu machen und anders zu klingen, nur um sagen zu können, dass wir etwas geändert haben. Sondern, die kleinen Dinge besser zu machen und sehr viel mehr Augenmerk darauf zu legen. Das ist es, was du da hörst. Das sind keine riesigen Stiländerungen. Aber wir wollten kreativer sein, die Messlatte immer ein wenig höher setzen. Die Drums sind ein gutes Beispiel. Wir haben uns sehr viel Zeit mit Joonas genommen, um die Drummuster durchzugehen, sowohl beim Proben als auch im Studio. Wir waren selbstkritisch und haben neue Sachen ausprobiert.
Jeder Track und jedes Instrument soll zur Vielschichtigkeit der Songs beitragen und etwas mitbringen, statt einfach nur da zu sein. Dass du kleine Sachen hörst, die du nicht wirklich benennen kannst, ist eine gute Sache, denn darauf haben wir es angelegt. Wir wollten die Produktion und die Musik üppiger machen, weitere Schichten hinzufügen und vor allem diesen Soundtrack-Touch haben, sodass jeder Song ein wenig mehr wie ein Kunstwerk ist. Ich mag das Wort „Kunstwerk“ nicht, weil es total abgehoben klingt, das über seine eigene Musik zu sagen. Mir fällt aber gerade kein besserer Begriff dafür ein.
Wie sah das denn beim Schreiben aus? Das Album kommt ja nun schon recht schnell nach dem letzten. Sonst haben WOLFHEART immer etwas länger gebraucht. Im Interview zu „Tyhjyys“ hast du erzählt, dass du eine Wohnung in Athen gemietet hast, um dich auf das Schreiben zu konzentrieren. Hast du dieses Mal etwas Ähnliches gemacht und es ging deshalb so schnell?
Tuomas: Ich habe eigentlich vorgehabt, nach Athen zu gehen, aber es hat zeitlich nicht gepasst. Mir, oder uns als Band, kommt es eigentlich gar nicht so schnell vor. Das Zeitgefühl ist immer ein anderes, wenn man an einem Album arbeitet, als wenn man nur das Endprodukt hört. Ich hatte für dieses Album schon Ideen, bevor das davor überhaupt veröffentlicht wurde. So gesehen sind manche der Ideen 1,5 Jahre alt. Bei mir funktioniert es auch nicht so, dass ich mich hinsetze und sage „jetzt schreibe ich Musik“. Es ist ein stetiger Strom an Ideen.
Ich habe jetzt schon ein paar Sachen im Handy gespeichert, die wahrscheinlich auf dem fünften Album landen, wer weiß. Ich glaube, „Breakwater“ war schon vor einem Jahr fertiggeschrieben. Es war für uns also etwas sehr Natürliches, wieder ins Studio zu gehen. Wieso auch warten? Wenn man zu lange wartet, bis man die Songs aufnimmt, fangen sie nur an, in den eigenen Ohren nicht mehr frisch zu klingen. Zumindest geht mir das so.
Galerie mit 20 Bildern: Wolfheart – 70000 Tons Of Metal 2018 – 3. TagReden wir mal über die neuen WOLFHEART-Videos. Mir sind da ein paar Kontraste aufgefallen. „Breakwater“ ist ein ziemlich rauer, harter Track, aber das Video strahlt mit den Landschaftsaufnahmen teilweise eher Ruhe aus. „The Saw“ ist dagegen sehr melodisch, aber das Video ist recht verstörend. Das muss doch Absicht sein?
Tuomas: Ja, das war definitiv Absicht. Ich bin ein riesiger Filmfan und habe sehr großen Spaß daran, Musikvideos zu machen. Künftig würde ich gerne noch mehr Videos für andere Bands machen. Leider habe ich dafür aber wahrscheinlich nicht die Zeit. Ich habe mal ein Video für ENSIFERUM gemacht [„Way Of The Warrior“, Anm. d. Red.]. Das war sehr cool. Aber ja, der Kontrast war Absicht. In „Breakwater“ funktioniert das sehr gut mit dem langsamen Tempo. Die weite, offene Szenerie unterstreicht die Melodien im Song. Die Performance-Szenen mit dem Feuer werden aber auch dem aggressiven Part des Songs gerecht. Das Video hat viele Weitwinkelaufnahmen und Dronen-Footage, und ich wollte das zweite Video ganz anders machen. Da ist nur ein Typ, der am Tisch sitzt und sich selbst die Zähne zieht. Ich liebe Horrorfilme, und das waren übrigens echte, menschliche Zähne. Die habe ich zwei Jahre lang gesammelt.
Ähm, wo genau hattest du die her…?
Tuomas: Also ich habe die nicht selbst gesammelt. Ich habe einen sehr guten Freund, der Zahnarzt ist. Der hat sie mir immer zur Seite gelegt, wenn sie noch gut genug erhalten waren. Man zieht ja normalerweise keine intakten Zähne. Deshalb hat das schon etwas länger gedauert. Ich hatte die Idee im Hinterkopf, entweder für WOLFHEART oder für eine andere Band. Das Konzept passt gut zu „The Saw“. Der Song ist eher easy listening, aber der Text gibt ein sehr düsteres Video her. Da musste ich die Chance ergreifen. Mir gefallen die Reaktionen der Leute. Ich wollte kein Video machen, bei dem die Leute denken „OK, das war cool“ und dann vergessen sie es wieder.
Noch eine Frage zum „Breakwater“-Video. In Island steht fast alles, vor allem auch das Moos, unter Naturschutz und darauf wird sehr großer Wert gelegt. Im Video sehen wir dich im Moos graben und die Axt musstet ihr ja auch vorher darunter verstecken. Wie habt ihr das gemacht? Du hast doch nicht etwa wirklich das heilige, isländische Moos zerstört?
Tuomas: Najaaa, nur ein bisschen. Wir haben die Stelle sehr sorgfältig ausgewählt. Es hat sogar drei Stunden gedauert, bis wir die Location gefunden hatten. Da waren schon viele Fußspuren und es war schon ein wenig kaputt. Ich arbeite außerdem seit 22 Jahren als Gärtner und benutze Moos sehr oft in der Landschaftsgärtnerei. Ich kenne mich gut damit aus, wie es wächst, nachwächst, und wie man bei so was einen minimalen Schaden verursacht. Das sieht im Video viel schlimmer aus, als es eigentlich ist.
Wir haben das gut geplant und vorbereitet, denn wir wussten schon, dass es Feedback aus bestimmten Kreisen geben würde. Man sollte nicht einfach in ein anderes Land gehen und respektlos mit der Umwelt umgehen. Das war also nicht unsere Absicht. Als Musikvideo-Produzent habe ich aber viele visuelle Ideen, die ich in die Tat umsetzen möchte. Da gibt es also einen Konflikt. Ich wollte den Teil, in dem die Person den Griff der Axt aus dem Moos zieht, unbedingt machen.
Galerie mit 16 Bildern: Wolfheart - 70000 Tons Of Metal 2018 - 2. TagIch kann das eigentlich auch genau erklären. Wir haben einen kleinen Einschnitt unterhalb des Mooses gemacht. Das hat übrigens keine Wurzeln, wie andere Pflanzen. Es wächst wie ein Teppich. Deshalb kann man einen Teil des Mooses rausnehmen und wieder zurücklegen, ohne es zu beschädigen. Es sieht aus, als würde ich es herausreißen, aber es ist eigentlich schon losgeschnitten. Ich schiebe es also eigentlich nur zur Seite. Das waren insgesamt drei Hände voll Moos, die lose waren und die ich hinterher sehr vorsichtig Stück für Stück wieder zurücklegen musste. Wir haben außerdem einen Ort ausgewählt, wo es kein direktes Sonnenlicht gab, damit es nicht austrocknen kann. Das würde nämlich sonst passieren, wenn man einen Teil herausnimmt. Das war also alles sehr sorgfältig geplant und wir haben darauf geachtet, keinen Schaden anzurichten.
Es gibt in Island also keinen ausstehenden Haftbefehl auf dich.
Tuomas: Das weiß ich nicht. Es sieht ja schlimm aus und es soll ja auch so aussehen, als ob ich das Moos herausreiße. Vielleicht bekomme ich also wirklich Probleme, wenn ich das nächste Mal nach Island gehe.
Das war‘s dann zum Album. Es stehen aber auch Livetermine für WOLFHEART an. Es wird eine Tour mit OMNIUM GATHERUM geben. Was können wir erwarten? Viel neues Zeug, nehme ich mal an.
Tuomas: Wir werden viel vom neuen Album spielen. In einer Woche startet aber erst mal die US-Tour, deshalb habe ich mir ehrlich gesagt noch nicht so viele Gedanken über die Europatour gemacht. Es ist das erste Mal, dass wir in den USA spielen, und das ist alles sehr aufwendig mit den Visa und den Flügen. Viel komplizierter als eine Europatour. Deshalb konzentriere ich mich jetzt darauf. Es ist aber wirklich sehr cool, mit OMNIUM GATHERUM zu spielen. Wir haben eine lange, gemeinsame Geschichte. Vor allem Markus und ich. Die erste Show, die OMNIUM GATHERUM jemals außerhalb ihrer Heimatstadt gespielt haben, habe ich gebucht. Das ist 18 oder 20 Jahre her, um die Zeit herum, als sie ihr drittes Demo veröffentlicht haben.
Ich glaube, meine Band BEFORE THE DAWN hatte ihr zweites Demo draußen. Die erste Show, die BEFORE THE DAWN außerhalb meiner Heimatstadt gespielt haben, war zusammen mit OMNIUM GATHERUM, in deren Heimatstadt. Dieses Gig-Trading haben wir oft gemacht, als wir jünger waren. Es ist sehr cool, dass wir jetzt zusammen in Europa touren können. OMNIUM GATHERUM sind gerade in den USA, mit AMORPHIS und DARK TRANQUILLITY. Wir touren teilweise gleichzeitig in den USA. Danach vereinen wir uns dann in Europa. Es ist toll zu sehen, dass wir was auf die Reihe gekriegt haben (lacht), seit die ersten Demos rausgekommen sind.
Damit wäre ich durch. Gibt es von deiner Seite noch was hinzuzufügen? Eine Message an die WOLFHEART-Fans vielleicht?
Tuomas: Kommt und seht euch die Shows an. So sollte man die Musik genießen. Nicht nur auf Platte. Das sind zwei verschiedene Welten. Die Labels machen sich Sorgen, weil die Plattenverkäufe zurückgehen und so weiter, aber ich habe gemerkt, dass die Leute immer noch regelmäßig auf Konzerte gehen. Das hält die ganze Metalszene am Leben. So können Bands touren. Also ich hoffe, viele Gesichter im Publikum zu sehen.
Danke für das Interview!
Tuomas: Danke dir!