Winterfylleth
Dungeon Synth, Isolation, Geschichte
Interview
metal.de: Es hört sich an, als ob das eine runde Geschichte ergibt: das 10-jährige Jubiläum von „The Mercian Sphere“, die Referenzen musikalisch zurück zu eurem zweiten Werk, das Cover. Wenn wir über das Cover reden, zeichnet sich wiederum Simon (Drummer, der bei den vorigen Alben meist aus seiner Fotografie-Sammlung Bilder als Albumcover auswählte – Anm. d. Red.) dafür verantwortlich?
Chris: Nein, aber dir sei verziehen, das zu denken. Leider konnte Simon, der nebenbei bemerkt fast alle unsere Albencover gemacht hat, zu der Zeit zu der wir uns um das Artwork kümmern wollten nicht raus um ein neues Foto aufzunehmen. Deshalb haben wir die reizende Kathy Medcalf gefragt, die relativ nahe zum Lake National District Park lebt. Sie hat das Foto aufgenommen. Gezeigt ist ein Hügel, der sogenannte „Haystacks“, passend zum Albumtitel bei Morgenanbruch, also kommt das Licht gerade über die Hügel. Wenn du mich fragst, schaut das Foto fast gephotoshopt aus, aber auf jedenfall verändert. Es ist aber real.
Das ist sehr surreal, es sieht unecht aus, ist aber echt. Sie hat es perfekt geschafft, diesen Moment einzufangen und setzt den „Rahmen“ für das Album sehr gut. Ich bin wirklich froh, dass wir sie dafür bekommen konnten. Normalerweise nimmt sich Simon zwei bis drei Tage Zeit zum Wandern, schiesst Fotos und wir wählen dann aus diesen aus. Dieses Mal wollten speziell ein „Dawn“-Photo haben, das den Albumtitel referenziert. Und Simon konnte das dieses mal nicht tun, er hatte auch kein Foto im Fundus, dass den Anforderungen gerecht geworden wäre. Und glücklicherweise haben wir Kathy gefunden, sie macht Landschaftsfotographie und hat ein sehr tolles Foto eingefangen.
metal.de: Ich hätte beim Foto ehrlicherweise nicht dran gedacht, dass das ein unbearbeitetes Foto ist, beeindruckend! Auch von der Farbgebung wieder ein Callback zu „The Mercian Sphere“ in gewisser Weise. Es ist ziemlich klar, wenn man sich mit euch beschäftigt, dass eure Umgebung einen grossen Einfluss auf euch hat: Die englische Kultur und Geschichte spiegelt sich in allem wieder: Artwork, Texte, Musik. Wie entscheidest du, was davon in WINTERFYLLETH kommt, wie gelangt die Inspiration in die Kunst?
Chris: Puh… das ist schwer, aber wenn du mit einem neuen Album rauskommen willst… lass mich anders anfangen. Bevor ich mit dem Komponieren der Musik anfange, habe ich gern schon einige Dinge stehen, etwa den Titel, um grob das Konzept des Albums zu haben. So hat man schon erste Anhaltspunkte für die Geschichten, die man erzählen will und weiß, wie etwa das Artwork aussehen könnte oder welche historischen Quellen man sich vornehmen kann für die Texte. Beim neuesten Album ist das wahrscheinlich am besten zu sehen, mit dem Konzept kamen Texte, die Grundstimmung des Albums und so weiter recht schnell, bei unseren älteren Alben ist das eher weniger so bzw. vielleicht nicht so sichtbar.
Nimm etwa das Folkalbum: Es hat ein anderes Cover, darauf ist kein Foto sondern ein Gemälde zu sehen. Die Idee dahinter war, dass es eine „softere“ Seite zeigt, da es kein Metalalbum ist. Es gibt mehr warme Farben, unser Bandlogo fehlt und so weiter. Wir haben immer versucht, beeindruckende Landschaftsaufnahmen zu haben, um die Leute an die Natur da draussen zu erinnern, daran, dass sie da ist. Um einen ein wenig aus dem Alltag heraus zu holen. Du fährst zur Arbeit oder bist zu Hause in deinen vier Wänden und dann schaust du dir das Cover an und wirst daran erinnert, dass solche Landschaften da draussen wirklich existieren.
Wir probieren die „moderne Welt“ aus unseren Bildern komplett raus zu halten, also keine Häuser, Autos oder so etwas. Es soll nur die puritanische Natur zeigen, die letztlich hinter allem steckt, auch uns. Viele Menschen denken da nicht dran. Wenn die Natur kaputt geht, gehen wir auch kaputt. Es gab bei WINTERFYLLETH auch immer eine kleine ökologische Seite mit dabei. Vielleicht nicht so sehr im Vordergrund, aber sie schwingt mit. Und das probieren wir auch ein wenig mit in den Covern zu reflektieren.
metal.de: Wenn es um den Erhalt von Umwelt, aber auch „Erbe“ im Sinne von Tradition und Kultur geht, – ich erinnere mich etwa an ein paar „Pastorals“, die ihr etwa auf „The Hallowing of Heirdom“ hattet – ist das etwas, was heute immer mehr verloren geht und Leute das nicht „finden“ würden, wenn Künstler wie ihr es nicht wieder hervor holt?
Chris: Ja, ich denke es ist wichtig. Weißt du, ich komme ja aus England – und du hast vielleicht eine Menge negativer Dinge über England in letzter Zeit bei euch in der Presse gelesen – und wir sind ziemlich getrennt, „Brexit, Brexit“ und so weiter und teilweise wird uns auch eine eigene Kultur abgesprochen. Ich denke es hat auch etwas mit einer bewussten Entscheidung zu tun, etwa die eigene Herkunft und Geschichte nicht aufzuarbeiten. Als jemand, der durch das Schulsystem hier als Kind gegangen ist, kann ich dir sagen dass diese Dinge uns nicht beigebracht wurden, man hat sie als junger Erwachsener zufällig entdeckt und ist irgendwie interessiert daran hängen geblieben. Andernfalls gehen die kulturelle und historischen Ursprünge Englands an vielen vollkommen vorbei.
Und es gibt eine reichhaltige, alte Kultur, für die sich eine ganze Menge Leute interessieren würde, da bin ich mir sicher, wenn sie denn nur mal hinschauen und zuhören würden. Als wir die Band vor dreizehn bis vierzehn Jahren gestartet haben, waren wir sehr daran interessiert, Erbe, Kultur und Historie mit in die Band zu nehmen. Zum einen, weil es zu Black Metal passt, textlich, aber auch ästhetisch. Nimm nur Bands wie ULVER oder frühe ENSLAVED, die das etwa gemacht haben. Aber auch weil ich wirklich überzeugt bin, dass viele Leute in meinem Land, aber auch vielleicht in anderen Ländern, nicht realisieren, was für eine reichhaltige Geschichte England hat. Jeder kennt gefühlt Fenris und Thor, alle diese noridschen Folkstories, die so existieren. Die wenigsten werden parallele Strukturen oder Stories in der englischen oder germanischen Mythologie kennen oder erkennen. Ich denke es sind einfach interessante Geschichten, die es wert sind erzählt zu werden.
Und ich möchte den Leuten begreiflich machen, dass wir nicht nur diese „moderne, kulturlose“ Insel sind. Es gibt viel zu entdecken, was sich lohnt. Und es macht es schwerer, in Menschen diese Begeisterung zu wecken, wenn man gleichzeitig von Leuten vorgeworfen bekommt, rechts zu sein, nur weil wir über diese Dinge in unseren Texten reden. Ich meine, wir tun es ja nicht in einer schlechten Art und Weise. Wir referenzieren vergangene Geschichten, Brauchtümer und so weiter, damit die Leute drauf aufmerksam gemacht werden, denn ich denke die wenigsten wissen Bescheid und werden auch nicht unterrichtet in der Schule oder in der Geschichte. Ich hoffe wir machen das auf eine positive Art und Weise und nicht auf eine negative Weise, die andere herabsetzt.
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Gutes Interview einer guten Band.