Winterfylleth
Dungeon Synth, Isolation, Geschichte
Interview
metal.de: Ja, ich kann mir vorstellen, dass das gut bei den Fans ankommen wird. Ich selber bin kein großer Dungeon-Synth-Fan und kenne mich in der Szene auch nicht sonderlich aus, aber in unserer Redaktion gibt es so einige, die da möglicherweise begeistert sind, da bin ich mir sicher. Kommen wir zurück zu „The Reckoning Dawn“. Das erste was ich mich gefragt habe beim Titel: an wen oder was ist die „Reckoning Dawn“ gerichtet?
Chris: Hm, gute Frage… es sind ja nur drei Wörter, aber der dahinter steckende Gedanke geht tiefer. Du hast ja wahrscheinlich auch mitbekommen, was gerade so abgeht, ich mein ich bin hier in England, du in Deutschland, aber die Situation ist in allen Ländern gerade so ziemlich gleich. Auch gibt es momentan eine grosse Spaltung zwischen vielen Menschen, es gibt viele verschiedene Gruppen, die fast „im Krieg miteinander“ sind, Krieg zwischen verschiedenen politischen Lagern, Krieg zwischen verschiedenen „Ideen“, es gibt viele Bereiche in denen dadurch die Menschen entzweit werden und ich denke das geschieht gerade nicht zufällig. Eine Menge verschiedene Gruppierungen probieren Situationen für sich auszunutzen oder Menschen in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen, egal ob das nun Lobbygruppierungen sind, staatliche Institutionen oder sonstige.
So fühlt es sich an, als ob es für diese Gruppierungen gerade gut ist, dass die Leute nun gegenseitig sich bekämpfen. Also ist die zentrale Idee von „The Reckoning Dawn“ eine Art „Wandel“. „Dawn“ hat ja meistens eine Idee von Beginn, egal ob es der Tagesanbruch ist oder der Anfang eines Kampfes („Dawn“ of Battle) oder in Folklore das Licht, welches „erscheint“ und damit die Finsternis vertreibt oder so etwas. Also geht es um Wandel, um den Beginn von etwas neuem, vielleicht nicht nur buchstäblich, sondern auch mental. Es geht darum, diesen Wandel irgendwie zu den Leuten zu bringen – diesen Wandel von Ideen – um zu schauen, welche gut und schlecht sind und diese nicht dafür zu nutzen, die Menschen weiter zu entzweien. Denn ich denke im Innersten haben wir alle viel mehr gemeinsam, als dass uns verschiedene Ansichten und Ideen trennen und ich denke wir müssen das erkennen.
Und der zweite Aspekt, der nicht geplant war, ist, dass wir momentan quasi durch diesen Virus eine „natürliche Abrechnung“ haben, der uns momentan alle in unseren Häusern hält. Auch wenn es nicht ganz dasselbe ist, aber irgendwie passt der Grundgedanke vom Album auch da: Es muss sich etwas ändern in der Welt, einen Wandel geben. Der Virus hat das wie unter eine Lupe quasi vergrößert, alle diese Dinge, die vor ein paar Monaten oder Wochen noch wichtig oder unfassbar groß waren, sind es nun plötzlich nicht mehr und wir nun irgendwie einer neuen Sache ausgeliefert sind, die uns in gewissen Dingen „gleich“ macht, aber die niemand sehen kann. Das war der Grundgedanke, wenn das irgendwie Sinn macht.
metal.de: Ich denke das macht Sinn. Wenn wir da ein wenig näher drauf eingehen wollen, wovon handeln die einzelnen Songs? Ich habe leider keine Texte mit zum Album gehabt, kannst du uns kurz zu allen Songs was sagen?
Chris: Sie sind alle verschieden, aber handeln irgendwie alle von Wegen, wie Menschen kontrolliert werden, quasi was die „sozialen Narrative“ sind. „Misdeeds of Faith“ ist über die unvorstellbaren Dinge, die Menschen im Namen der Religion tun. Es geht um keine spezielle Religion in dem Song nebenbei bemerkt, es ist generalisiert. Leute die sehr tiefen, beinahe sklavischen Glauben haben, tendieren dazu, damit fast alles rechtzufertigen und Unrecht im Namen ihrer Religion zuzulassen oder aktiv zu begehen. Und die Idee dahinter ist, dass man das nur tut um einer der „Auserwählten“ zu sein, wenn dann mal das „jüngste Gericht“ kommt.
„Absolved in Fire“ ist so eine Art „Purity through Fire“, also es hat vielleicht, hm… etwas von einem Phönix, der auch aus der Asche wiedergeboren wird?! Es ist irgendwie auch eine Idee von Wandel, in einer metaphorischen Art und Weise müssen wir die schlechten Ideen, Angewohnheiten und so weiter erst „niederbrennen“ um dann neu beginnen zu können. Es gibt eine Menge Stories die in diese Richtung gehen auf dem Album. Es gibt einen Track, der nicht wirklich in diese Richtung geht, das ist der zweite „A Hostile Fate (The Wayfarer Pt.4)“, der zurück an unser zweites Album „The Mercian Sphere“ und drei Songs darauf anknüpft. Es geht um den „Wayfarer“ und ist inspiriert von dem alten, angelsächsischen Gedicht „Der Wanderer“ und erzählt eine Geschichte von Einsamkeit und Isolation, was wiederum komischerweise sehr gut zur momentanen Situation in der Welt passt, mit allen in Quarantäne, ohne Freunde und Familie.
Die Grundidee dreht sich um jemand, der damit kämpft, wie sich das Leben geändert hat. Wenn man Freunde, Familie in einem Kampf verloren hat. Auf dem Rest des Albums geht es viel um Gier und Korruption. Der Song „A Greatness Undone“ geht um jemanden, der nicht fair spielt, der nicht einfach friedlich mit der Welt um ihn herum koexistieren kann, sondern immer mehr für sich selbst vom Kuchen abschneiden will und seine Mitmenschen, sein Reich so ausnutzen kann für den persönlichen Nutzen. Es geht um diesen König, der mit Freude seine eigenen Untertanen, sein Reich verschärbeln würde, nur wenn es ihm Profit bringt. Im Allgemeinen geht es also darum wie Religionen, aber auch unterschiedliche „Informationspolitik“ uns beeinflusst und genutzt werden kann um Gesellschaften zu spalten und kontrollieren.
metal.de: Interessant. Damit hast du mir schon meine zweite Frage vorweggenommen, nämlich wie es zu diesem „Callback“ zu der zweiten Platte „The Mercian Sphere“ mit dem vierten Part von „The Wayfarer“ gekommen ist. War die Zeit einfach reif, die Story wieder aufzugreifen?
Chris: Das Mainriff vom Song hab ich tatsächlich bereits geschrieben, als wir „The Mercian Sphere“ aufnahmen. Aber ich dachte es hörte sich zu ähnlich zu „Wayfarer (Pt.1)“ an und hab es dann 10 Jahre liegen gelassen. Die Idee war, die Story damit weiterzuführen. Es ist fast ein Reprise von „Wayfarer (Pt.1)“, auch im letzten Drittel ist die Harmonie des Gesanges fast gleich. Es referenziert „Wayfarer (Pt.1)“. Es sollte ein neuer Song sein, der aber Referenzen an den alten Song hat und sie somit zusammenführt. Und wir haben sogar auch „Wayfarer (Pt.5) geschrieben und im Studio aufgenommen, er ist aber nicht mit aufs Album gekommen, da wir uns mit den Gesangslinien bei dem Song nicht ganz einig geworden sind und die Zeit drängte. Der Song wird wahrscheinlich dann auf dem nächsten Album drauf sein. Wir haben dreizehn, vierzehn Songs geschrieben, es sind aber nur acht auf dem Album gelandet.
Es soll eine Art 5-Part-Saga werden, mir schwebt auch im Kopf das vielleicht noch einmal gesondert heraus zu bringen, vielleicht als EP, denn es ist quasi ein Song, der durch die gesamte WINTERFYLLETH-Diskographie sich zieht. Ich hoffe die Leute mögen diese kleine Rückschau zu „The Mercian Sphere“, welches auch schon bald 10-jähriges Jubiläum feiert. Vielleicht bringen wir im Herbst, wenn das Jubiläum ist, auch noch einmal eine besondere Edition von „The Mercian Sphere“ heraus, mal schauen.
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Gutes Interview einer guten Band.