Winterfylleth
Interview mit Chris Naughton zu "The Dark Hereafter"
Interview
WINTERFYLLETH sind eine der britischen Black Metal Bands, die jedermann gehört haben sollte. Das gilt für vorangegangene Veröffentlichung ebenso wie für das aktuelle Werk „The Dark Hereafter“. Darüber hinaus, haben WINTERFYLLETH viel zu sagen, und das nicht nur zur Musik, sondern insbesondere auch zum politischen Weltgeschehen sowie zum Brexit. Im Gespräch gibt Chris Naughton interessante Einblicke in seine Gedankenwelt.
Häufig ziehen Kritiker ja „fehlende Weiterentwicklung“ oder „mangelnde Innovation“ als negativen Punkt für die Bewertung eines Albums heran. Nun, ich finde auch „The Dark Hereafter“ ist ein klassisches WINTERFYLLETH-Album, was ihm aber gerade die Stärke verleiht. Einfach weil es eben starke Songs besitzt. Wie stehst du zu deutlichen Veränderungen im Sound, wäre das für euch überhaupt ein Thema?
Ich bin mir nicht sicher, ob das eine Kritik ist oder nicht. Ich glaube nicht, dass du notwendigerweise als Band gewinnst, wenn du dich von derartigen Äußerungen in Kritiken verunsichern lässt. Wenn du eine neue musikalische Richtung einschlägst, ist das deine musikalische Freiheit es zu tun, aber du solltest darauf gefasst sein, dass möglicherweise nicht alle deine Fans damit einverstanden sind.
Ich für meinen Teil denke, dass wir wissen, was der Kern unseres Sounds ist und was dieser repräsentiert. Aus meiner Sicht versuchen wir kleine, subtile und stetig fortschreitende Veränderungen in unserem Sound unterzubringen, sodass wir die Dinge über die Zeit hinweg für uns interessant halten. Ich habe es bislang nie gemocht, wenn Bands, die ich liebe, sich sehr weit von ihrem Ursprung entfernt haben – daher: So etwas wollte ich für WINTERFYLLETH nicht. Wir sind alle in anderen Projekten involviert, in denen wir andere Genres wie Doom, Death oder Folk ausleben können. Also, jeder kann das erkunden, wenn er denn möchte.
Ich glaube mit der jetzigen Veröffentlichtung („The Dark Hereafter“) haben wir unseren Sound größtenteils beibehalten und klingen nach WINTERFYLLETH. Aber, wir haben auch längere Songs mit mehr Schichten ausprobiert, von denen einige im Tempo variantenreicher sind und ein weites Feld an Gesangstechniken abdecken. Daher würde ich jedem empfehlen, die Songs sehr aufmerksam zu hören und unter ihre Oberfläche zu tauchen, um all die verstecken Schichten und Nuancen zu entdecken.
Nach diesem Release planen wir ein Akustikalbum. Daher können die Fans schon erwarten, dass sie in den nächsten paar Jahren ein paar andere Seiten und Einflüsse in unserem Sound entdecken werden.
„The Dark Hereafter“ soll sich laut Presseinfo mit den „negativen Seiten der Politik und Gesellschaft heutzutage und dessen Folgen“ beschäftigen. Da wir sicher in einer sehr „bewegten“ Welt leben und es dementsprechend zu allerhand gesellschaftlichen wie politischen Themen so viele Perspektiven wie Menschen gibt, würde mich interessieren, mit welchen Themen ihr euch konkret auseinandersetzt?
Das Thema Natur hat sich immer durch jedes unserer Alben gezogen, da bildet dieses wirklich keine Ausnahme, außer dass es aus einer geringfügig anderen Perspektive ist. Wie eigentlich immer diskutieren wir in diesem Kontext politische und soziale Themen; also eine Art „zweite Bedeutung“ innerhalb der Texte.
In Bezug auf die Texte und das Konzept …
der Titeltrack „The Dark Hereafter“
handelt davon, wie unsere gierigen, machthungrigen, staatlichen Entscheidungen zu einer gewaltsamen Reaktion aus den Orten geführt haben, in die wir in den letzten Jahren eingefallen sind, die wir bombadiert haben oder die wir auf andere Weise versucht haben zu kontrollieren. Das eigentliche „dunkle Jenseits“ sind in diesem Zusammenhang der Einfluss des Terrorismus auf unsere Gesellschaft, die sozialen Unruhen sowie die daraus resultierende Verschiebung der Bevölkerung aus den vielen Ländern, in die unsere Regierungen einmarschiert sind.
„Pariah’s Path“
ist ziemlich „straight forward“, da es von der Notwendigkeit handelt, unsere sogenannten „Führer“ zu ächten und sie für das, was sie der Welt antun, zu Ausgestoßenen zu machen.
„Ensigns Of Victory“
handelt davon, dass es immer etwas Böses hinter den Flaggen des Krieges gibt. Wir senden unsere Truppen auf Anweisung der Regierung in andere Länder (in der Regel unter dem Vorwand, unser Zuhause und unsere Familie vor Tyrannen zu beschützen), um diesen die Demokratie zu bringen oder sie von diktatorischer Herschafft zu befreien. Normalerweise ist unsere Flagge eigentlich ein Zeichen für das gemeinschaftliche Böse und nachdem wir über die lokale Bevölkerung gesiegt haben (normalerweise durch Gewalt), stecken wir diese in den Boden.
Am Ende wird sie zum Symbol für all die Ausbeutung und die Aneignung ihrer Ressourcen und nicht das einer edlen Sache, die von guten Leuten verteidigt wird.
„Green Cathedral“
ist einer der Hauptsongs auf diesem Album und handelt davon, wie wir in unserem Alltag eher auf lokale Dinge achten sollten anstatt auf Globalismus, um die künftigen Umweltkämpfe möglichst klein zu halten. Viele dieser globalen Geschäftsinteressen sind so unerklärlich und verschwenderisch, dass wir als Menschen wieder etwas Macht von ihnen zurückgewinnen und vernünftigere Entscheidungen in unserem Leben treffen müssen. Wenn wir nicht von ihnen kaufen oder ihre Dienste nutzen, können sie die Welt nicht abholzen oder so viel Müll und Schaden verursachen.
„The Dark Hereafter“ zeichnet musikalisch und textlich ein relativ finsteres Bild. Allerdings legt der Titel ja nahe, dass es eher um die Konsequenzen aus dem Hier und Jetzt geht – wie sieht das „dunkle“ Jenseits denn aus eurer Sicht aus?
Derzeit stehen wir an einer finsteren Kreuzung in der weltweiten Gesellschaft, in der ein paar Geschäftsinteressen viel zu viel Kontrolle zu haben scheinen. Teilweise dank einer immer vernetzteren Welt und aufgeklärteren Menschen sehen wir auch, wie sich der dünne Schleier ihrer Macht langsam an den Nähten löst. Aktuell sind wir alle Zeuge, wie das einige zu extremen Aktionen führt und wir sehen die Auswirkungen, die eine korrupte globale Politik auf das Schicksal der Welt hat. Da wir alle diese Dinge erleben, fühlten wir uns dazu verpflichtet, ein Album zu machen, das diese Themen benennt, und darüber, wie wir anders leben, wie wir aus der Vergangenheit lernen und wie wir in Zukunft produktiver sein können.
„Ich kann auch nicht mit Bands übereinstimmen, die nur auf der Basis gewählt haben, dass es für sie so leichter ist, in Europa zu touren. Für mich ist das so eine selbstsüchtige und einfältige Sicht auf ein sehr ernstes und lebensveränderndes Thema.“
Großbritannien hat mit dem sogenannten „Brexit“ mächtig Staub in der internationalen Presse aufgewirbelt. Wie habt ihr das Thema wahrgenommen? Und um es im Kontext des Musikerdaseins zu sehen, befürchtet ihr irgendwelche Auswirkungen für euch als Band, insbesondere in Bezug auf eure Live-Aktivitäten im Ausland?
Wer unsere Interviews über die ganzen Jahre verfolgt hat, weiß, dass ich bzw. wir immer sehr direkt über die Übel der EU, globale Oligarchie und gesellschaftliche Hegemonie im Allgemeinen gesprochen haben. Allein seit unserem letzten Album 2014 haben wir die schrecklichen, negativen Effekte erlebt, welche die EU mit ihrer fehlgeschlagenen Währung auf das Finanzsystem von zwei oder drei großen Ländern in der Eurozone hatte. Italien, Spanien, Frankreich und zuletzt Griechenland sind alle in den Händen dieses fehlgeschlagenen finanziellen und politischen Systems gewesen. Jugendarbeitslosigkeit ist in fast allen dieser Ländern massiv (um die 45 bis 50 Prozent in einigen), und zu sehen, dass die EU in Griechenland eingeschritten ist, um eine demokratische Abstimmung über ihre eigene finanzielle Zukunft zu verhindern, sollte gezeigt haben, was sie wirklich ist: eine Oligarchie, die den Zugriff auf die Leute verliert, die sie kontrollieren wollen. Nichtsdestotrotz sind die Griechen mit einer Schuld beladen (gegen ihren Willen), die auch in Generationen nicht abbezahlt werden kann. Wie kann das fair sein? Ich für meinen Teil bin froh, dass die Mehrheit meiner Landsleute zwischen all dem negativen Wirbel durchgeblickt und entschieden hat, was das Beste für unsere künftige Demokratie ist: Und zwar die EU zu verlassen. Ich bin nicht naiv genug zu denken, dass diese Entscheidung ohne Herausforderungen ist, aber ich habe das Gefühlt, dass es uns jetzt eine gute Chance gibt, fernab der zentralisierten EU-Kontrolle – auch wenn es scheint, dass wir es so lange wie möglich herauszögern, aber das ist eine andere Geschichte … .
In der Zeit nach dem Brexit wurde die gesamte Wahl und der Prozess zu einem bittersüßen Ergebnis für mich. Es war überall ein entzweiender Prozess und ich bekomme persönlich die negativen Empfindungen der entrechteten Mitglieder dieses Landes mit – durch ihre Ausführungen in den sozialen Medien und anderswo. Du musst bedenken, dass 48% unserer Landleute im wesentlichen aus einem System entfremdet werden, in dem sie leben wollen. Wir haben auch gesehen, wie Familien und Freude gespalten wurden – durch ein Thema, um das so viel Wirbel gemacht wurde, dass es nahezu unmöglich war, vernünftig zu wählen, außer man hat sich über die Jahre damit auseinandergesetzt und damit vertraut gemacht. Ich hoffe, wir können gemeinsam und zum Wohle aller einen Weg daraus finden, der auch die Meinung der 48% respektiert, die damit nicht einverstanden waren. Denn ich möchte nicht aufgrund dessen in einer gespaltenen Gesellschaft leben. Aber manche Menschen vergessen auch, dass es ein großes Spektrum an politischen Meinungen gab, die mit dem Verbleib oder dem Verlassen assoziiert werden, und wir müssen an die Demokratie glauben. Jetzt haben wir alle gesprochen und müssen vernünftig nach vorne schauen, die innere Einigkeit und künftige europäische Zusammenarbeit berücksichtigen.
Als Band müssen wir denke ich schauen, wir wir unseren Tour-/Reise-Prozess aufstellen – je nachdem, was diese Entscheidung bringen wird. Aber ich denke, es war eher eine prinzipielle denn eine Entscheidung aus Eigennutz. Ich kann auch nicht mit Bands übereinstimmen, die nur auf der Basis gewählt haben, dass es für sie so leichter ist, in Europa zu touren. Für mich ist das so eine selbstsüchtige und einfältige Sicht auf ein sehr ernstes und lebensveränderndes Thema.
Zurück zum Album: Gibt es Momente auf dem Album, wo du auch als Musiker selbst absolut begeistert bist? Ich meine, klar, als Künstler sollte man sein Werk als gesamtes schätzen, aber oft gibt es ja auch diesen einen ganz besonderen Moment …
Mein liebster Moment auf dem Album ist zum Einen das Solo in der Mitte von „Green Cathedral“ und zum Anderen der Chor-Gesang am Ende davon. Dieser Song verkörpert wirklich die Schönheit und die Traurigkeit der Geschichte, die wir darin erzählen und es wurde schnell zu einem meiner Favoriten. Jetzt finden wir heraus, wie es ist, das alles live zu spielen!
Naturfaufnahmen als Albumcover sind bei euch ja auch eine Art Trademark. Natürlich gibt es unfassbar viele wunderschöne Orte auf der Welt, aber nach welchen Kriterien entscheidet ihr, welche Aufnahme für euch als Cover in Frage kommt?
Simon, unser Drummer, ist ein großartiger Kameramann und Fotograf. Daher hat er die Angewohnheit, auf viele Erkundungsmissionen zu gehen und die Schönheit der Natur in UK und ganz Europa zu fotografieren. Normalerweise durchforsten wir seine Archive, um ein Bild zu wählen, das das Konzept der Songs auf dem Album in einer natürlicher Form repräsentiert. Auf diesem Album haben wir uns dazu entschieden, ein dunkleres, grüblerisches Bild eines nebligen Gebirgsgebiets zu nutzen, da ich es mit den dunkleren Botschaften und den grüblerischen Subtexten innerhalb der Songs verband. Auch wenn es eine eher lose Verknüpfung ist, steckt hinter allen Elementen des Artworks ein tieferes Konzept. Unser anderer Gitarrist Dan packt dann alles optisch in unser Artwork. Wir sind also sehr unabhängig, wenn es um unsere Musik, Bilder und Ästhetik geht.
Chris, vielen Dank für das ausführliche Gespräche und die informativen Antworten – gibt es noch etwas, dass du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest, was bisher nicht zur Sprache kam?
Das neue Album „The Dark Hereafter“ erschien am 30. September 2016 und wird von ein paar Shows und einer Tour im nächsten Jahr gefolgt. Aktuell spielen wir einige Shows in UK und wir werden außerdem auf dem De Mortem Et Diabolum Festival in Berlin im Dezember zu sehen sein. Die Tour ist für Anfang 2017 geplant.
Davon abgesehen arbeiten wir auch, wie zuvor angemerkt, an künftigen Veröffentlichungen. Wir sind also schon mit dem beschäftigt, was kommt, bevor dieses Release erhältlich ist.
Vielen Dank fürs Lesen.
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