Wight
Interview mit der Doom/Psychedelic/Stonerband WIGHT

Interview

Wight

Was lange währt, wird endlich gut! Nach mehreren Anläufen hat’s endlich geklappt: mein Interview mit dem Trio WIGHT aus Darmstadt. WIGHT, das sind Michael Kluck (Schlagzeug), Peter-Philipp Schierhorn (Bass, Saxophon, Gesang) und René Hofmann (Gesang, Gitarre, Orgel). Nachdem die Band ihr zweites Album Through The Woods Into Deep Water veröffentlicht hat, war’s die Zeit reif für ein paar Fragen.

Moin Männer! Ihr habt mit Through The Woods Into Deep Water ein starkes Album abgeliefert. Wie sind die Reaktionen von Musikerkollegen, Fans, der Presse?


Peter: Sehr gut. Viele, denen „Wight Weedy Wight“ gefallen hat, haben mir gesagt, dass sie „Through The Woods Into Deep Water“ ebenfalls sehr gut bzw. sogar noch besser fanden. Ein paar Leute finden es zu verspielt und haben uns gepostet, wir sollten weniger improvisieren. Aber die Reaktionen, auch aus sehr unterschiedlichen Richtungen, waren sehr gut.


Hast du eine Erklärung dafür?


Peter: Einerseits sicher, weil wir mit dem Album sehr präsent sind. Dadurch erfahren wir viel Aufmerksamkeit. Und andererseits, weil’s vielseitiger und abwechslungsreicher ist.


René: Dadurch, dass wir uns etwas vom reinen Doom verabschiedet und uns auch anderen Stilen geöffnet haben, erreichen wir ein breiteres Publikum, und das schlägt sich auch in der Presse nieder. Die Reaktionen sind durchweg positiv bis sehr positiv und wir freuen uns, auch Leute erreichen, die sich nicht nur zur Metalszene zählen. Das ist uns wichtig, weil wir uns auch nicht ausschließlich als Teil der Metal- bzw. Doom- oder Psychedelicszene sehen.


Ihr fühlt euch grundsätzlich keiner bestimmten Szene oder Subkultur zugehörig?


René: Nein. Solche Konstrukte vervielfältigen und diversifizieren sich ständig. Leute identifizieren sich mit immer verschiedeneren Dingen, vernetzen sich, tauschen sich aus. Da muss man sich fragen, inwieweit man sich fest an eine bestimmte Szene oder Subkultur binden möchte. Ich habe z.B. auf Fat & Holy Records ein Jazzalbum (NIC DEMASOW: „Organised“) rausgebracht. Vielleicht bringe ich auch mal Black Metal raus, wenn ich eine coole Band kennenlerne. Oder Dub. Mir geht’s grundsätzlich darum, offen zu sein für Neues.


Wenn ich euer Album bei Saturn kaufen wollte, in welchem Fach müsste ich suchen? Wie nennt ihr selbst eure Musik?


René: Wir selbst nennen die gar nix.


Peter: Ich sag‘ immer Rock, damit können die meisten was anfangen. Wenn das jemanden genauer interessiert erklär‘ ich’s natürlich gern auch genauer.


Michael: Ja, eben. Dann erzählen wir, wir klingen so oder so…


…nämlich wie, so ganz grob?


Peter: Wie eine Mischung aus Psychedelic Rock, 70’s Hardrock, Doom.


René: Bei uns bringt jeder seinen Einfluss mit. Deswegen wird sich die Musik permanent wandeln und schwer mit feststehenden Begriffen zu fassen sein. Aber am Ende klingt’s immer nach WIGHT!


Demnach seid ihr auch nicht auf die Musik festgelegt, die ihr gerade macht?


René: Nein. Ich kann mir gut vorstellen, was Elektronisches oder auch Punk zu machen, ich würde gern Soul singen- vor allem singen! Vielleicht auch was Akustisches oder Pop.


Echt?


René: Ja, schon. Der Begriff ist zwar etwas negativ behaftet, aber zu Unrecht, wie ich finde. Es gibt sehr gute Popmusik. Z. B. PINK FLOYD. Einige Sachen von denen sind für mich absolute Popmusik. „Another Brick in the Wall“ z.B. ist ein Popsong, und zwar ein sehr guter.


(An Michi und Peter): Habt ihr auch Ambitionen, auch was solo zu machen?


Michael: Nö.


Peter: Ja, mache ich auch. Inzwischen ist daraus auch eine Band mit drei Leute geworden, aber als ich mit FALLEN TYRANT angefangen habe, war das ein klassisches Black-Metal-Ding mit Aufnahmen im Keller. Aber so ganz allein Musik machen, das mag ich nicht. Deswegen wirst du mich nie allein und mit Gitarre in der Fußgängerzone stehen sehen (lacht).


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Wie entstehen eure Songs?


René: Früher kam meistens ich mit einem Gitarrenriff an und wir haben was drumherum gebastelt. Inzwischen entstehen die Songs eher aus Jamsessions. Es gibt ein Bassline, einen Rhythmus, ein Riff das allen gefällt. Dann steigen die anderen darauf ein. Wie das Resultat am Ende klingt, hängt davon ab, welche Musik wir aktuell privat hören. Ich persönlich z.B. höre momentan viel FREE, also Rock der 1960er, alten Progressive Rock und ’ne Menge Soul und Jazz. Was uns in den Sinn kommt, das bauen wir ein.


Peter: Klar, manchmal gibt’s Ideen, die können wir spontan nicht unterbringen. Aber die merken wir uns und kommen später darauf zurück. Wenn wir nicht unterwegs sind, sind wir fast immer am Songs schreiben.


Was fließt von eurer Seite bei WIGHT ein?


Peter: Früher Progrock. WEATHER REPORT, KING CRIMSON. Ansonsten höre ich Miles Davis, Jazz, Funk- und, was man gerade gar nicht so raushört: Black Metal.


Michael: Ich hör‘ nur WIGHT (lacht). All day n‘ all night (lacht)!


Man könnte also sagen, dass euer Hauptinteresse der Musik gilt und Texte eine untergeordnete Rolle spielen?


René: Ja. Ich höre Texte auch nicht besonders aufmerksam an. Beim Schreiben ist es bei mir so, dass das Thema des Textes bereits durch die Melodie gegeben ist. Zu den Tönen habe ich dann Bilder im Kopf, d.h. der Text folgt der Melodie. Wobei ich mir schon vorgenommen habe, mehr auf die Texte zu achten, weil man sich mit Worten unmissverständlicher ausdrücken kann als mit Tönen. Würde ich z.B. ein Instrumentalstück über das Thema Sehnsucht spielen, könnte ich dem einen Titel geben, der meine Vorstellung, mein Gefühl transportiert. Wenn das Ganze aber Wörter enthält, weißt du genau was ich meine. Dann kann ich die Sehnsucht auch genauer beschreiben, ob’s z.B. Fernweh ist, oder das Verlangen, etwas zu erreichen, oder das Verlangen nach einem Menschen.


Obwohl die Anzahl eurer Fans wächst ist wohl nicht leicht, von Musik zu leben. Wie vereinbart ihr die Musik mit dem restlichen Leben?


Peter: Ich studiere, habe zwei Jobs und investiere meine restliche Freizeit komplett in die Musik. Sogar wenn ich vor dem Fernsehe sitze, wenn das mal vorkommt, habe ich dabei immer ein Instrument in der Hand.


René: Musik ist meine große Leidenschaft. Mir geht’s darum, meiner Leidenschaft zu folgen, und das tue ich. Das ist für mich ein ganz zentraler Punkt im Leben. Musik machen erfüllt mich mehr als alles andere. Leider ist es noch nicht so, dass ich nicht von der Musik allein leben kann. Natürlich wäre es toll, nur Musik zu machen. Irgendwie beneide ich Leute, die damit klarkommen, regelmäßig zu arbeiten. Ich wäre dazu gar nicht in der Lage. Die Zeit, die mir dabei verloren ginge, ist mir viel wichtiger als alles Geld der Welt! Miete, Versicherung, Steuern, Auto, Krankenkasse, – ich fahre kein Auto und eine Krankenkasse brauche ich nicht, ich werde eh‘ nicht krank (lacht). Die gesellschaftlich akzeptierten Drogen, die die meisten Krankheiten produzieren, interessieren mich überhaupt nicht (grinst). Ich muss einfach kreativ sein, sonst fehlt mir was. Die Zeit die ich mir nehme, ein Bild zu malen oder die Gitarre in die Hand zu nehmen, das ist einfach Leidenschaft, gepaart mit ganz vielen anderen Gefühlen, mit viel Intuition. Da ist es ganz egal, ob ich nun was mit Stift, Pinsel, Maus oder einem Instrument mache! Ich fange irgendwo an und sehe irgendwann, wohin es mich führt. Der kreative Prozess fasziniert mich total, das Erschaffen, das Schöpfen, das ist wie eine Jamsession mit guten Musikern. Das ist unbezahlbar. Malen ist für mich die eindeutigste Kunstform. Klar, man kann auch Fehler machen.


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Gibt’s die in diesem Zusammenhang überhaupt?


René: Handwerkliche Fehler, klar. Wenn ich irgendwas genau malen will und mache einen Fehler, einen zu dicken Strich und die Symmetrie ist futsch: egal, weitermachen. Dann muss man dranbleiben. Vielleicht hat dein Körper das in dem Moment absichtlich so gemacht. Vielleicht erwächst ja genau hieraus irgendwas Besonderes! Bei mir kommt’s eigentlich nie vor, dass ich mal ein Blatt Papier zusammenknülle und wegwerfe. Das gibt’s höchstens einmal im Jahr.


Wow.


René: …Musiker zu sein, das würde ich am liebsten zu meinem Beruf machen. Mit allen Implikationen, was dann von allen Seiten verlangt wird: Konzerte buchen, Management selbst machen, Promotion selbst machen, Label selbst machen, Vertrieb selbst machen, usw.- das ist viel Zeug, aber es geht. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass ich mein Wissen und meine Kontakte anderen Bands als Dienstleistung anbieten kann. Ich bin ja auch Toningenieur und finde notfalls immer einen Job.


Management und Vermarktung machst du also allein?


René: Ja, aber dank Internet ist das einfacher als es klingt. Das Internet hat die klassische Musikindustrie für Tonträger kaputtgemacht, hat aber Vorteile für den kleinen Mann gebracht, weil der jetzt selbst agieren und Kontakte knüpfen kann und dabei nicht mehr von Majorlabels abhängig ist. Das Problem ist die Konkurrenz, die Schwemme von Leuten, die jetzt ihre Musik im Internet verfügbar machen. Die Qualität von Musik sinkt hierdurch natürlich enorm. Die Auswahl ist viel größer geworden. Im Internet findet jeder was er braucht, die Zahl der Subgenres ist einfach unbegrenzt. Ich kann mir vorstellen, dass der Mainstream langfristig aussterben wird.


Interessante Theorie…


René: …natürlich wird er nie ganz aussterben (lacht), weil sich nicht jeder Mensch für Musik interessiert. Vielen ist scheißegal was sie hören, die lassen einfach das Radio laufen. Aber die Vielfalt schwindet auch hier. Im Schnitt sind’s vielleicht noch ca. 250 Musiker oder Bands, die jeder Sender spielt. Ich bin in diesem Zusammenhang sehr gespannt, was mit der GEMA passiert. Die wird mit ihrem Konzept nicht mehr lang überleben.


Dein Wort in Gottes Ohr!


René: Wenn die GEMA sich nicht bald grundsätzlich umstrukturiert, wird sie nicht mehr lang existieren. Und zwar weil die Musikindustrie, so wie sie war, gegen Ende der 1990er Jahre komplett zusammengebrochen ist. Vor 15 Jahren habe ich angefangen, CDs zu kaufen, weil das die einzige Möglichkeit war, an Musik zu kommen. Jetzt sind CDs eher zu einem Souvenir geworden, das man sich von einem Konzert mitbringt. Ganz egal, ob du dich als Musiker oder als Klempner selbständig machst: Es dauert ein paar Jahre, bis du etabliert bist. Das wichtigste dabei ist, dass man seinen Optimismus nicht aufgibt.


Apropos Optimismus: Was ist aktuell bei euch los, wie sind eure Pläne für die nächste Zeit? Eure Chance für Werbung in eigener Sache!


Peter: Viel ist los! Im Oktober ware wir auf dem Tanksgiving Festival -nicht Thanksgiving!- in Darmstadt zu erleben, da haben wir unter dem Namen WICHT ein gemeinsames Improvisationsonzert mit NIC DEMASOW gespielt. Das kam sagenhaft an! Danach waren wir mit der englischen Stonerband TRIPPY WICKED in Deutschland und Frankreich auf Tour. Wir schreiben natürlich weiterhin Songs, wissen aber noch nicht genau, was daraus wird. Eine EP vielleicht, wir haben auch schon an ein Livealbum gedacht. Grundsätzlich wollen wir natürlich größer werden, bekannter werden und mehr Leute erreichen. Langweilig wird’s uns nie (lacht).


René: Im November spielen wir auf dem Psychedelic Network Festival in Würzburg, im Dezember spielen wir beim Sky High Festival in Frankfurt, u.a. mit BUSHFIRE und BLACK LIZARD. Wir bekommen inzwischen eine Menge Konzertanfragen, auch direkt von anderen Bands. Das freut uns riesig! Wir spielen supergern live. Wenn Bands das gleiche Schicksal teilen, können sie auch die gleichen Bühnen teilen, oder?


Peter: Und Bier (lacht).


Michi: Und Frauen (lacht).


Äh, ja. Vielen Dank für eure Zeit!

Galerie mit 8 Bildern: Wight - Stoned From The Underground 2012
05.11.2012

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