Wiegedood
"Es soll nicht nett sein, es zu hören. Es soll weh tun."

Interview

metal.de: Was die Lyrics auf dem neuen Album verglichen mit den alten angeht, die sind ziemlich vage und abstrakt gehalten, beziehen sich aber scheinbar mehr auf die Gesellschaft, die Menschheit als Ganzes. Als Beispiel etwa die Single „FN SCAR 16“, die zwar das gleichnamige Gewehr erwähnt, aber im Text taucht es gar nicht auf. Wie war die Vorgehensweise beim Schreiben der Texte auf dem neuen Album?

Levy: Ich probiere nie, zu klar und verständlich zu schreiben, es ist einfach nicht mein Stil. Ich werde nie großartig in Details gehen oder Dinge sehr ausgeschmückt erzählen. Das lässt auch dem Hörer mehr Raum zu persönlicher Interpretation wie ich finde. So kann jeder die Texte zu seiner persönlichen Situation, seinen persönlichen Gedanken anpassen. Ich glaube es gibt einen weiteren Unterschied im Vergleich zu den alten Alben, ich schreibe über viel mehr verschiedenen Dinge verglichen mit „De Doden Hebben Het Goed“.

Darauf ging es um Verlust, Tod und die waren vielleicht mehr selbstbemitleidend. Auf dem neuen Album geht es um einen wesentlich „aktiveren“ Ansatz zum Leben: Steh auf und mach was anstatt in der Opferposition zu verharren. Es ist ein großer Mischmasch von Themen und Ideen, die ich abstrakt verarbeite. Das Album ist mehr ein Testament über meinen Zustand und meine Gefühle während des Zeitpunkts, wo wir es geschrieben haben, während der Pandemie im Lockdown. „FN SCAR 16“ der Titel hat etwa nix mit den Lyrics zu tun, da ich mit dem Titel eher die Musik beschreiben wollte. Es ist ein belgisches Sturmgewehr und der Song hört sich wie eines an, also war das für uns naheliegend.

metal.de: Ihr habt auch wieder viel Wert auf mehr „rituelle“ Aspekte gelegt, etwa der beinahe in Richtung Kehlkopfgesang gehenden Vokalisationen, die es bei euch schon auf „Prowler“ vom Vorgänger gab, aber diesmal wesentlich prominenter. Insofern finde ich das neue Album auch stilistisch sehr viel breiter aufgestellt als ihr das früher ward. Würdest du dem zustimmen?

Levy: Ja, ich denke schon. Wir fühlen uns mittlerweile sehr viel wohler mit gewissen experimentelleren Ansätzen als in der Vergangenheit. Für uns musikalisch hat es Sinn als neues, ergänzendes Mittel gemacht, ohne dabei irgendwie einfach zufälliges Geräusch zu sein, es musste dem Song in der Stimmung folgen, ihm mehr geben, aber gleichzeitig auf einer Linie damit sein, falls das irgendwie Sinn macht.

Aber der Aspekt davon, eigentlich der Aspekt des ganzen Albums, ist es die Musik durch diese kleinen Dinge, aber auch die generelle Kompositionsweise, schwerer hörbar zu machen. Es ist das Äquivalent unseres ausgestreckten Mittelfingers, mit der Aufforderung, sich durch das Album zu „kämpfen“. Es soll nicht nett sein, es zu hören. Es soll weh tun. Es kommt ein gutes Riff, aber du musst dich durch komisches Zeug vorher quälen, um es hören zu können.

metal.de: Es gibt ein paar Samples auf dem Album, ich habe mich gewundert, woher ihr die genommen habt? Sind es Filme, sind es Aufnahmen?

Levy: Es sind Aufnahmen, viele Field Recordings, entweder von Touren oder privater Natur. Gilles ist richtig in dieses Thema eingestiegen und hat auch viel mit Soundmanipulation und so experimentiert. Er hat probiert einen nicht-instrumentalen Aspekt zu finden, der irgendwie gewinnbringend mit ins Album integriert werden könnte.

Das war etwas, was wir zuvor noch nie gemacht haben, aber es waren hauptsächlich Field Recordings von uns selbst und Gilles hat die dann manipuliert und so verändert, wir wir es fürs Album haben wollten.

metal.de: Ich habe den Eindruck, dass immer mehr Bands im Metal heutzutage zusätzliche Dinge wie Field Recordings mit einbinden. Warum glaubst du, dass heute immer mehr Bands so einen Gefallen daran finden oder sich das „trauen“?

Levy: Ich habe den Eindruck, dass gerade heutzutage Genre-Grenzen sowieso immer mehr verschwimmen, es ist viel mehr elektronischer Einfluss in Metal als es früher noch der Fall war. In den 90ern war Black Metal noch sehr streng und beschränkt, heutzutage gibt es so viele verschiedene Untergenres, die Inspiration aus sehr vielen verschiedenen Quellen ziehen und viele Genres zusammen schmelzen lassen.

Ich denke, das ist aber spannend und hält Ideen frisch. Und Samples oder Field Recordings sind nur eine von ganz vielen verschiedenen Arten, um etwas neues, frisches in Black Metal oder einfach nur in Musik zu inkorporieren. Das war etwas, was uns beim Schreiben des neuen Albums viel Spaß bereitet hat und ich denke, das wird uns auch bei folgenden Alben begleiten. Wenn es für den Song passt, werden wir es verwenden. Es geht nicht darum, einfach Field Recordings mit drauf zu haben, weil das toll ist, sondern es muss den Song irgendwie noch besser machen.

metal.de: Da ihr ja noch alle in anderen Bands wie AMENRA oder OATHBREAKER spielt, wie entscheidet ihr euch beim Songwriting, welche Idee zu welcher Band gehört?

Levy: Wenn ich mich hinsetze zum Musik oder Riffs zu schreiben, starte ich meistens mit einem Fokus darauf, für welche Band es sein soll. Es kann sich immer noch später ändern. Ich könnte ein Riff bei einer WIEGEDOOD-Probe spielen und später entscheiden, das passt besser zu LIVING GATE oder OATHBREAKER und wir legen hier noch einen Blast-Beat drunter oder so, aber meistens habe ich schon im Kopf, für was ich welche Ideen verwenden will. Viele Sachen sind auch austauschbar zwischen den Bands, aber eigentlich enden die Sachen beim Schreiben dann auch bei den Bands, für welche ich sie mir ursprünglich vorgestellt hatte.

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Quelle: Zoom-Interview mit Levy Seynaeve, Wiegedood,
06.01.2022

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