While She Sleeps
"Wir sind gewissermaßen aus der Metalcore-Schublade ausgebrochen!"
Interview
Zugegeben, Metalcore ist nicht jedermanns Sache. Das liegt womöglich auch daran, dass die Musikwelt seit inzwischen mehr als einem Jahrzehnt Monat für Monat mit unspektakulären, oftmals gleichklingenden Releases aus eben genau diesem Genre überschwemmt wird. Die Jungs von WHILE SHE SLEEPS aus Sheffield müssen sich derartige Vorwürfe jedoch garantiert nicht gefallen lassen. Spätestens seit ihrem letzten Album „You Are We“ steht fest: Das britische Quintett hat dem Genre nicht nur einen neuen, authentischen Anstrich verpasst, sondern besitzt auch das Potential, das Aushängeschild einer neuen Generation von innovativen Metalcorebands zu werden.
Da trifft es sich gut, dass die Band mit ihrem neuen Album „So What?“ vorab schon den ein oder anderen Kritiker ins Staunen versetzen konnte. Und auch die Fans kamen nicht zu kurz, tourten die Briten doch schon Wochen vor Release durch ganz Europa und gaben live erste Einblicke in die Platte, welche am 1. März erscheinen wird.
Vor ihrem Konzert im Münchner Technikum trafen wir WHILE SHE SLEEPS-Frontmann Lawrence „Loz“ Taylor backstage und sprachen mit über das Album, die Tour und die Wurzeln des Metalcore. Was er zu sagen hatte, lest ihr hier!
Hi Lawrence, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast! Ihr seid etwa zur Hälfte durch mit eurer derzeitigen Tour. In ein paar Stunden musst du auch schon wieder auf die Bühne. Wie war die Tour bis jetzt so und was geht dir in Momenten wie diesem, kurz vor einer Show, durch den Kopf?
Also die Tour was bis jetzt einfach großartig! Ich wage zu behaupten, dass das unsere bisher erfolgreichste Tour überhaupt war: eine Headline-Tour durch ganz Europa, wow! Es kommen so viele Fans zu den Shows, wissen, wer wir sind, kennen die Texte, singen mit – es gibt einfach nichts Besseres als wenn die Menge mit dir gemeinsam deine Songs singt! Davon habe ich schon geträumt, als ich klein war.
Was meine Vorbereitungen vor einer Show angeht, bin ich eigentlich ziemlich relaxt. Ich meine, inzwischen ist das mein Alltag, da verliert man irgendwann die Nervosität. Stattdessen bin ich eigentlich immer ziemlich heiß darauf, auf die Bühne zu gehen. Ansonsten machen wir das, was eigentlich jede Band vor einem Konzert so macht: Aufwärmübungen, uns in Stimmung bringen und natürlich jede Menge Scheiße labern! (lacht)
Das klingt doch ganz spaßig! Lass uns doch direkt über euer neues Album „So What?“ reden. Als ich es zum ersten Mal gehört habe, dachte ich mir sofort, dass es in gewisser Weise nahtlos an „You Are We“ anknüpft, so wie ein Sequel. Gar nicht mal vom Sound her, sondern aufgrund dieser rebellischen, rotzigen und unzufriedenen Grundhaltung dahinter. Wie sehr hat der Vorgänger euch wirklich beeinflusst?
Oh, „You Are We“ hat nicht nur das Songwriting beeinflusst, sondern eigentlich die ganze Band. Wir haben das Album damals ja mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne unserer Fans umgesetzt, ohne die wir wirklich aufgeschmissen gewesen wären. Als Band lebst du von deiner Musik, dem Merchandise, den Touren – ohne Fans kannst du das alles vergessen. Deswegen war es damals gut zu sehen, wie viele Leute sich wirklich für WHILE SHE SLEEPS interessierten und uns unterstützten. Das bestärkte uns in unserem Schaffen ungemein!
Für uns ging es ja nicht immer nur bergauf, ich zum Beispiel hatte eine Zeit immense stimmliche Probleme. Aber der Erfolg unserer Crowdfunding-Kampagne zeigte uns, dass wir uns freier, unabhängiger entwickeln können und dass die Fans diese Entwicklung sehr gut aufnahmen. Das gab uns schließlich auch das Vertrauen, mehr mit unserem Sound zu spielen und experimentierfreudiger zu werden. Wir sind gewissermaßen aus der Metalcore-Schublade ausgebrochen!
Das war zumindest anfangs ja dann doch eine sehr gewagte Herangehensweise!
Ja, das war es! Aber es war für uns persönlich wichtig, nicht einfach für den Rest unserer Karriere bei genau einem Sound zu bleiben. Als Band sollte man sich immer ausprobieren. Schau dir zum Beispiel BRING ME THE HORIZON an, die sich von einem Extrem ins andere bewegt haben. Das funktioniert für die ganz gut, wir wollen jedoch grundsätzlich in unserem Genre bleiben, harte Parts beibehalten, aber diesen Sound eben doch auch mit neuen Ideen verfeinern. Musikalisch wollen wir uns nicht zu sehr von unseren Wurzeln wegbewegen, aber trotzdem etwas Neues schaffen.
Das höre ich auf „So What?“ auf jeden Fall raus. Doch zu etwas anderem: Als „You Are We“ herauskam, sagte euer Gitarrist Mat [Welsh], dass eure Ablehnung dem Brexit gegenüber die Arbeit an eurem Album massiv beeinflusst habe. Würdest du also zustimmen, dass Dinge, die in der Welt aus dem Ruder geraten, einen als Musiker kreativer machen?
Ich glaube eher, dass unser Sound da eine große Rolle spielt. Wenn ich mir anhöre, wie wir klingen, dann passen bestimmte Themen einfach besser als andere. Klar, bei uns geht es auch um Liebe oder Leidenschaft, aber wenn man sich die Lyrics auf „You Are We“ oder „So What?“ ansieht, dann ist es doch interessant, wie vielschichtig der ein oder andere Text ist. Was für den einen ein Song über Romantik ist, bezieht ein anderer auf eine bestimmte Situation, ein ganz anderes Gefühl oder seine persönliche Lage in eben genau diesem Moment.
Es ist eine Frage des Standpunkts. Tatsächlich wichtig für uns ist, dass sich der Hörer in der Musik wiederfindet. Aber um auf deine eigentliche Frage zurückzukommen: Wir sind zwar keine wirklich politische Band, allerdings kannst du dich natürlich nicht dem entziehen, was tagtäglich im Fernsehen siehst oder in der Zeitung liest. Das beeinflusst dich oftmals auch ganz unbewusst. Dennoch richten wir unsere Musik natürlich schon an bestimmten Gefühlen oder Stimmungen, die die Leute beschäftigen, aus.
Kurz gesagt: WHILE SHE SLEEPS-Lyrics sind dafür da, interpretiert zu werden und zwar so, dass jeder unserer Fans darin etwas findet, mit dem er oder sie sich identifizieren kann – und ich hoffe, dass das auch so bleibt!
Dann lass uns doch, zumindest in gewisser Weise, kurz bei Interpretationen bleiben. Ihr habt bisher drei Singles aus „So What?“ veröffentlicht („Anti-Social“, „Haunt Me“, „The Guilty Party“). Meiner Meinung nach bilden die drei Songs einen repräsentativen Querschnitt davon, wie das Album insgesamt klingt. Inwieweit war dieser Effekt bei der Auswahl der Singles beabsichtigt?
Ja, tatsächlich stimmt das irgendwo. Singles sind ja immer das Erste, das die Leute hören, bevor ein neues Album erscheint und sollten deswegen auch in die Richtung gehen, wie die ganze Platte am Ende klingt – zumindest von unserem Standpunkt aus gesehen. „The Guilty Party“ ist da tatsächlich ein gutes Beispiel, der Song vermischt immerhin verschiedene Elemente, die über das ganze Album verteilt immer wieder auftauchen.
Es ist aber natürlich auch eine Geschmackssache, die bandintern besprochen wird. Wir alle hören so viel unterschiedliche Musik, zum Teil aber auch die gleichen Dinge. Dennoch ist es immer schwer, gemeinsam auf einen grünen Zweig zu kommen. Wir saßen diesmal wirklich lange zusammen und haben darüber diskutiert, welche Songs die Leute als Erstes zu hören bekommen sollten. Wir wollten genau drei Songs auswählen, die genau zeigen, was unsere Fans auf „So What?“ erwartet. Ich glaube, das ist uns ziemlich gut gelungen.
Ich hatte außerdem den Eindruck, dass die Singles, wenn nicht sogar das ganze Album, sehr stark auf eure Live-Performances ausgelegt sind. Inwiefern spielt dieser Faktor beim Songwriting eine Rolle?
Das ist extrem schwierig. Wenn man über Jahre in einer Band spielt, kann und will man nicht immer nur Songs für das Publikum schreiben. Für mich geht es bei unseren Songs darum, dass ich auch in zwei Jahren noch Spaß daran habe, sie live zu spielen. Deswegen ist es für uns in erster Linie wichtig, Lieder zu schreiben, die uns allen gut gefallen. Im besten Fall gefallen diese Songs dann auch den Fans. Klar, man kann auch damit anfangen, nur noch für die Fans zu schreiben, aber ich habe es ja vorhin schon gesagt: Es ist uns extrem wichtig, mit unserem Sound zu experimentieren!
Nichtsdestotrotz merken wir bei unseren Songs schnell selber, welcher Chorus live einschlagen könnte, an welchen Stellen die ganze Halle mitsingen wird und welche Melodien die Fans nicht mehr aus dem Kopf bekommen werden. Zur gleichen Zeit schreiben wir aber auch unheimlich gerne Songs mit harten Parts, weil diese uns auf der Bühne genau die Energie geben, die wir brauchen. Zusammenfassend würde ich sagen, dass es um die Mischung daraus geht, was dich als Musiker zufriedenstellt und was deinen Fans gefallen könnte.
Ich würde mit dir abschließend gerne noch über den Metalcore-Hype reden, der vor mehr als einem Jahrzehnt in Europa ausgebrochen ist. Besonders Großbritannien lieferte mit Bands wie BRING ME THE HORIZON, ARCHITECTS oder ASKING ALEXANDRIA absolute Genregrößen, auf deren Spuren ihr ja jetzt auch gewissermaßen wandelt. Wie erklärst du dir, dass insbesondere das Vereinigte Königreich der Hotspot schlechthin für Metalcore war und immer noch ist?
Was die europäische Szene betrifft, hast du natürlich absolut Recht. Allerdings würde ich bei der Entwicklung des Genres tatsächlich noch ein wenig früher ansetzen und darauf schauen, wie sehr amerikanische Bands wie KILLSWITCH ENGAGE, AS I LAY DYING, UNEARTH oder DARKEST HOUR uns beeinflusst haben. Das ist für mich der frühe Metalcore und wenn ich an dieses Genre denke, kommen mir eben genau diese Bands in den Sinn. Tatsächlich wurde WHILE SHE SLEEPS aus Liebe zu genau diesen Bands gegründet. Dass danach die Ära der britischen Bands begann, ist keine Frage.
Aber um ehrlich zu sein, weiß ich auch nicht, wieso gerade Großbritannien hier in Europa so einen guten Ruf in Sachen Metalcore genießt. Womöglich liegt es zum Teil daran, dass viele Landstriche bei uns einfach sehr grau, trist und düster sind. Außerdem fühlen sich gerade Leute in unserem Alter oft von der Politik vernachlässigt oder gar unterdrückt. Naja, und wenn das Wetter dauernd schlecht ist und die Leute negativ drauf sind, dann ist es ziemlich einfach, sich beschissen zu fühlen und angepisste Musik zu machen.
Ich persönlich habe mich damals in die Garage meiner Eltern zurückgezogen, wenn es mir schlecht ging. Dort habe ich mir dann die Seele aus dem Leib gebrüllt und bin somit all meine Negativität losgeworden. Womöglich ist das so ein britisches Ding, ich habe keine Ahnung, aber ich weiß von einigen, dass sie viel Zeit drinnen verbracht haben und dadurch gewissermaßen nonstop ihren Gedanken ausgesetzt waren. Vielleicht kommt unsere Vorliebe für wütende Musik und laute Gigs daher, wer weiß das schon.
Also letztendlich ähnliche Gründe, wie man sie auch oft von Bands aus Skandinavien hört.
Genau, ich denke das ist es. In Skandinavien ist es eben auch oft ziemlich dunkel, dann kommt die Kälte hinzu und voilà: Du machst finstere, bösartige Musik!
Jetzt, wo wir das geklärt haben, sind wir auch schon am Ende unseres Interviews angekommen. Vielen Dank für deine Zeit! Natürlich gehören die letzten Worte dir!
Ja, wie gesagt, unser Album „So What?“ kommt am 1. März raus, hört rein, checkt uns aus und wenn’s euch gefällt, kommt zu unseren Shows. Natürlich ein großes Dankeschön und viele liebe Grüße an all unsere Fans, die uns auf unserem Weg begleitet haben, ihr seid die Besten!