While She Sleeps
"Ich glaube, von WHILE SHE SLEEPS könnte auch keiner wirklich ernsthaft irgendetwas anderes machen." : Interview mit Sänger Loz zum Album "Brainwashed"
Interview
WHILE SHE SLEEPS aus England haben gerade erfolgreich ihr zweites Album „Brainwashed„ veröffentlicht und damit durchweg positives Feedback kassiert. Vor dem Konzert in der Frankfurter Batschkapp trafen wir den aufgeschlossenen Sänger Loz Taylor zum ausführlichen Gespräch. Die komplette Mannschaft von WHILE SHE SLEEPS wuselte durch die Gegend, funktonierte den Aufenthaltsraum kurzzeitig zum Umkleideraum oder zum Partyraum um und sog Feedback jeglicher Art interessiert auf. Von Erfolgsdruck oder gar Überheblichkeit, aufgrund der guten Resonanzen, war bei der Band rein gar nichts zu spüren.
Nachdem ihr jetzt bereits einige Konzerte gespielt habt – wie reagieren denn die Leute auf die Songs von „Brainwashed„?
Eigentlich ganz gut. Für uns fühlt sich das immer noch etwas komisch an. Wir waren eine Zeitlang raus aus dem Spiel und sind jetzt wieder da. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass die Leute noch immer da sind, warten und sich auf uns freuen, aber es scheint so, als ob sie uns weiterhin mögen.
Normalerweise wollen doch immer alle die alten Stücke hören, die sie schon kennen.
Ja, zum Glück haben wir Fans aus beiden Lagern, und das ergibt eine gute Mischung. Es gibt immer die Leute, die laut nach Songs rufen, und da ist von allem was dabei. Von der ersten EP, von „This Is The Six„ und auch schon Stücke von „Brainwashed„. Das ist gut.
Du hast jetzt gerade gesagt, dass ihr ziemlich lange raus gewesen seid aus dem Spiel. Aber ihr wart doch vor kurzem mit IN FLAMES und PAPA ROACH auf Tour durch Deutschland, richtig?
Ja, das war kurz vor der zweiten Operation, die ich hatte. Dann waren wir in Japan, danach wurde ich operiert und jetzt sind wir schon wieder hier (lacht).
Wie ich das mitbekommen habe, waren die Reaktionen auf „Brainwashed„ durchweg positiv.
Ja, auf jeden Fall. Also zumindest, was bis jetzt bei mir ankam. (lacht).
Wir haben euch auch 9 von 10 Punkten gegeben und unter der Review finden sich ausschließlich positive Kommentare von unseren Lesern.
Toll!
Nach dem starken Debüt, welches ihr mit „This Is The Six„ abgeliefert habt, waren die Erwartungen an den Nachfolger doch sehr hoch. Normalerweise kann sich eine Band, die nur eine EP und ein Album herausgebracht hat, erstmal entspannen. Gab es einen gewissen Druck, den ihr gespürt habt, als ihr mit dem Schreiben für „Brainwashed„ begonnen habt?
Als wir „This Is The Six„ geschrieben haben, hatten wir natürlich noch überhaupt keinen Druck. Es hat sogar ziemlich lange gedauert, bis wir nach der EP das erste Album veröffentlicht haben, und von den Reaktionen waren wir selbst überwältigt. Letztendlich ist es in erster Linie wichtig, dass wir ein Album schreiben, das wir selbst mögen. Dann stehen wir dahinter und können Leute mitreißen. Die Balance zwischen den eigenen Erwartungen und denen, die andere an dich haben, zu halten, ist nicht immer so einfach. Wir sind also froh, dass es geklappt hat und die Hörer das Album mögen.
Ich höre und lese überall ähnliche Meinungen über „Brainwashed„. Dass ihr einen eigenen Sound habt, „Brainwashed„ einen verbindenden Vibe hat und man es immer und immer wieder hören kann, da es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt und die Platte einfach nicht langweilig zu werden scheint.
So geht es sogar uns selbst mit der Platte, „Brainwashed„ wächst mit jedem Durchlauf. Beim ersten Mal hört man es und mag es einfach nur. Je öfter man es hört, umso besser kann man es verstehen und nachvollziehen, wie alles zusammenhängt. Das ist es auch, was wir erreichen wollen, dass man sich damit beschäftigen und dann seine eigenen Schlüsse daraus ziehen kann. Freut mich sehr, dass du das sagst.
Im Vergleich zur Musik auf „Brainwashed„ habt ihr das Cover aber relativ schlicht gehalten. Genau aus diesem Grund, um die Musik im Fokus zu halten und dem Hörer Freiraum für Interpretationen zu lassen?
So ganz konkret haben wir uns das nicht gedacht, also nicht bewusst. Wir hatten ja einige Zeit, uns damit zu befassen, und wollten mit einer direkten Aussage zurückkommen und einen kurzen Schock-Effekt haben, deshalb haben wir Rot gewählt. Wir mögen Bands wie ANTI-FLAG und wollten genau dieses Anti-Flaggen-Thema haben, dieses Symbol gegen die Regierung, gegen Trennung und gegen Krieg. Das Album-Cover haben wir ja selbst gemacht und hatten eine riesige Wand damit beklebt, das hat echt Spaß gemacht (lacht).
Das Intro habe ich irgendwie bis jetzt nicht so ganz verstanden, aber schon die erste Line von „New World Torture„ hat mich beeindruckt: „We are the underground, they know nothing of our sound!„, das was von einem musikalischen Aufstand. „Brainwashed„ strotzt ja nur so vor guten Aussagen, ist es für dich denn in Ordnung, wenn Fans nur die Musik mögen und sich für die Inhalte vielleicht gar nicht so interessieren?
Ganz am Anfang hört man doch verschiedene Stimmen, die im Prinzip alle durcheinander und gegeneinander sprechen, wie eine Masse, die verstreut irgendwo krakeelt. Mit dem ersten Satz „We are the underground…„ verschmelzen diese Stimme zu einem einzigen Sprachrohr, zu einer Gemeinschaft, die zusammen am stärksten ist. Das Album heißt ja „Brainwashed„ und in diesem Intro hörst du verschiedene Fetzen aus jedem einzelnen Stück vom Album. Das ist zwar jetzt nicht wirklich eine Gehirnwäsche, aber eine Beeinflussung, und wir fanden die Idee ganz gut. (Anmerk. d. Verf.: Jetzt wenn man es weiß, ergibt es natürlich total Sinn!)
(lacht) Ja, und nun zu der anderen Frage. Viele unsere Texte und Botschaften sind mehrfach zu interpretieren, und auch wenn ich selbst ein großer Fan von guten Texten bin, mich damit beschäftige und viel Zeit in unsere eigenen investiere, dann soll gerne jeder Fan von WHILE SHE SLEEPS mögen, was er möchte. Ich persönlich will immer ganz genau wissen, was die Bands singen, und wenn mir Song gefällt, dann schaue ich immer im Booklet nach, worum es sich dreht.
Manchmal führt ja auch das eine zum anderen. Wenn der Sänger sehr emotional und authentisch ist, dann wird man natürlich auch neugierig, woher diese starke Interpretation kommt, und fragt sich, warum er so schreit oder so wütend ist.
Ja, genau auf jeden Fall (lacht).
Generell gibt es einige junge Bands aus England, bei denen das der Fall ist, ARCHITECTS oder auch ENTER SHIKARI.
Ja, weil es politisch wird.
Ja genau. Politisch, aber nicht aufdringlich oder mit erhobenem Zeigefinger. Eher so nach dem Motto: Nimm es oder lass es.
Du warst wie gesagt sehr lange krank, war denn „Brainwashed„ quasi schon fertig, als du krank wurdest?
Nein, also der musikalische Teil war schon fertig, die Gitarren und so. Aber die Jungs haben auf mich gewartet, so lange bis ich mich erholt hatte und wieder fit war. Aber für mich war es enorm schwer, zu diesem Zeitpunkt Texte zu schreiben, weil ich sie nicht im Kontext mit der Band spielte konnte. Es lief also nicht gerade rund, und ich saß daneben mit Stift und Papier, ohne richtig einsteigen zu können. Die Aufnahmen der Lyrics fanden dann an vielen verschiedenen Orten statt; Japan, Deutschland, Europa und im Schrank eines Freundes (lacht), das war ganz experimentell.
Aber immerhin, um jetzt mal das Positive zu sehen, hattet ihr mehr Zeit, um an Text und Musik zu arbeiten.
Auf jeden Fall, denn so konnten alle Riffs und überhaupt alles, was man auf „Brainwashed„ hört, den Test der Zeit bestehen. Manches war ja schon ein Jahr lang fertig. Und wenn wir es sechs bis neun Monate später mögen, dann ist es ganz sicher gut genug für das Album. Weniger schön ist natürlich, wenn dich das Label oder Fans fragen, wann denn endlich was Neues kommt. Das ist die andere Seite. Aber es war befreiend, sich dieser Diktatur entziehen zu können und die Freiheit zu haben, etwas unfreundlich antworten zu können, dass das Album raus kommt, wenn wir letztendlich soweit sind. Als wir dann endlich wieder bereit waren, als komplette Band zu spielen, das war schon ein großer Moment.
Du hast erzählt, dass ihr in Japan gewesen seid, und „Kangaezu Ni„ (Anm. d. Verf.: Ich breche mir beinahe die Zunge, aber Loz weiß auch nicht so genau, wie man den Titel ausspricht und muss sicherheitshalber mal nachlesen) ist japanisch und bedeutet soviel wie „clear your mind„. Was machst du denn, um herunterzukommen und dich wieder auf Spur zu bringen?
Über all die Zeit habe ich gelernt, dass man gerade als Sänger sehr schnell in seiner Aufregung hängenbleibt und wie wichtig es ist, dies nicht zu tun. Gerade nach so einer Show muss man erst herunterkommen, und normalerweise (lacht) habe ich dann geraucht und ein Bier getrunken. Jetzt geh ich raus, treffe Leute und unterhalte mich. Der Song hat ganz bewusst seinen Platz zwischen „Tension„ und „Life In Tension„, denn es ist wichtig, immer mal herunterzukommen und sich zu kalibrieren, bevor die Probleme dich überrollen.
Das Video zu „Our Legacy„ ist auch klasse geworden. Woher kam die Idee, so private Aufnahmen zu verwenden, das ist ja über Jahre gesammeltes Material von euch?!
Der Text wurde verfasst, als die Band an sich an einem ziemlichen Tiefpunkt angekommen war. Wir wollten etwas Positives entgegensetzen und die Möglichkeit aufzeigen, dass man so nach vorne schauen und die Möglichkeit zu nutzen, sein Leben so gut wie möglich gestalten muss. Kennst du Minen, Old school Mining Crow? Loyal bis zum Letzten, damals als die Minen geschlossen wurden. Genau aus diesen Gegenden kommen wir, da gab es viele Minen, und auch hier geht es ja wieder um die Wiederaktiverung von Gemeinschaft. Das hat uns beeindruckt und darum geht es in diesem Song. Die anderen aus der Band haben einen Großteil des Videos in ihrer alten Schule gedreht, als sie so zwischen zwölf und 14 Jahre alt waren und bevor Aaron und ich dazu gekommen sind. Wir sind also irgendwie das Erbe und wollten das herausarbeiten, was in den zehn Jahren WHILE SHE SLEEPS schon passiert ist.
Zehn Jahre ist schon eine lange Zeit…
Ja, ich bin 29 Jahre alt und singe in Bands seit ich 15 Jahre alt bin, durchlaufe diese Lehre also schon seit 14 Jahren (lacht).
Und du kannst dir nicht vorstellen, mal etwas anderes zu machen?
(lacht) Nein, ich weiß ja gar nicht was! Das einzige wäre, wenn echt alles den Bach heruntergeht (lacht).
Das sind die Besten, die eigentlich gar nicht darüber nachdenken, was sie sonst noch machen könnten.
Wenn man so eine Einstellung hat, dann kann man auch alles geben. Denn man ist zu hundert Prozent bei der Sache, lebt auf der Straße und macht seine Erfahrung. Ich glaube, von WHILE SHE SLEEPS könnte auch keiner wirklich ernsthaft irgendetwas anderes machen.
Ein weiterer Satz von „Four Walls„, der mich berührt hat, ist „…don‚t ignore it now you know!„, da ich es gut nachvollziehen kann. Wer möchte nicht wieder dumm sein und wünscht sich die Zeit zurück, in der einen die Eltern vor allem Bösen beschützt haben? Wann war es bei dir soweit, dass du gemerkt hast, dass es bei dir ‚Klick‚ gemacht hat?
Bei uns in der Band herrscht generell ein großer Respekt vor Leuten, die im Krieg waren. Viele Bands singen von Inhalten, die (macht eine abschätzende Geste) total irrelevant sind und eigentlich nichts bedeuten. Wir wollen uns damit beschäftigen, wo wir herkommen und die Dinge in Zusammenhang bringen, die zum Beispiel in England passiert sind. Wir respektieren Leute, unsere Eltern und deren Eltern… Auf der EP gab es einen Song, den ich meiner Mutter gewidmet habe. Einfach nur, weil sie eine sehr schwere Zeit durchgemacht hat, damals als mein Bruder und ich noch klein waren. Ohne ihre Hilfe wäre ich aber nie an den Punkt gekommen, an dem ich jetzt bin. Und eher darum geht es.
Einige von euch haben ebenfalls schwere Zeiten durchgemacht, hatten teilweise keinen festen Wohnsitz.
Ja, so ist das leider, wenn man am Anfang steht. Wir haben gecampt, in einem Lagerhaus gelebt und es zu unserem WHILE SHE SLEEPS-Haupsitz gemacht. Es war nicht anders möglich, und für diesen Moment war es in Ordnung.
Es kommt immer darauf an, wie man die Situation nimmt. Eigentlich kann man ja auch allem das Beste machen.
(lacht) Genau.
Aus England zu kommen scheint es ein gutes Omen zu sein, und auch aus Sheffield direkt (Loz lacht). Gibt es denn dort einen bestimmten Vibe oder eine besonders tolle Förderung oder woraus kann das resultieren?
Ich bin das echt schon oft gefragt worden und denke, dass es eher davon kommt, dass auf einem relativ kleinen Raum viele verschiedene Kulturen zusammenkommen. Man inspiriert sich gegenseitig, es gibt gute Nachtclubs und viele Möglichkeiten, um harte Musik zu genießen. Man kann also viele Shows in relativ kurzer Zeit sehen und ist schnell gut vernetzt. Es ist ein kreativer Ort und wie die kleine Version von Berlin (lacht), einfach eine positive Umgebung. Eventuell ist auch was im Wasser (lacht). So schnell wie du im Chaos der Innenstadt bist, um die Bands zu sehen, so schnell bist du aber auch in absoluter Stille und kannst die Seele baumeln lassen.
Also hörst du nicht nur Metal oder harte Musik, sondern bist durch Sheffield offen für viele Musikrichtungen?
Ja, definitiv.
Das hört man nämlich auch, dass ihr keine übliche Metal oder Metalcore-Band seit.
Das war es auch, was wir mit „Brainwashed„ erreichen wollten. Es juckt uns nicht, wenn man uns eine Metalcore-Band nennt, aber persönlich fühlen wir uns nicht so, sondern eher wie ein Punk Rock Band mit harten Metal-Elemente und sogar etwas Pop. Was auch immer, wir sind vielschichtiger und abwechslungsreich. Wir möchten nicht so tun, als ob wir eine Metalcore-Band wären, nur weil es in ist und die Band nach vorne bringen würde.
Und gerade Pop ist ja auch gar nichts Schlimmes.
Nein, (lacht) es kommt von populär.
Was ist für dich persönlich die Motivation Musik zu machen?
Die Tatsache, dass es Leute gibt, die sich das gerne anhören. Wir würden es sicherlich auch machen, wenn es keiner hören wollte. Aber gerade heute war nicht so mein Tag, mein Hals tat etwas weh und ich war etwas schlecht drauf. Gerne hätte ich was getrunken oder geskatet, gerade wenn die anderen das tun. Wir sind ja nicht 24/7 auf der Bühne, und es bleibt schon Zeit in eine Bar oder sowas zu gehen. Ich komme mit und kann nichts trinken oder bleibe hier. Es ist dann ein schönes Gefühl zu wissen, dass es Leute gibt, die sich um dich scheren, zu unseren Konzerten kommen und sich darauf freuen. Ohne diese Leute, wäre meine Motivation weitaus geringer.
Sicherlich habt ihr mit „Brainwashed„ noch mehr Fans dazu gewonnen! Vielen Dank für das Interview und eine gute Show.
Wie die Show von CANCER BATS und WHILE SHE SLEEPS genau lief, könnt ihr hier nachlesen.