While Heaven Wept
Interview mit Tom Phillips zu "Vast Oceans Lachrymose"

Interview

While Heaven Wept

Wie aus heiterem Himmel lieferten die hierzulande fast unbekannten WHILE HEAVEN WEPT mit ihrem neuen Album „Vast Oceans Lachrymose“ eines der absoluten Highlights des Jahres ab und räumten völlig zu Recht in praktisch allen relevanten Szene-Magazinen Höchstnoten ab. Und dabei handelt es sich mitnichten um einen zweifelhaften Hype, sondern um ein Album, das das Zeug zum absoluten Klassiker hat und höchste Erwartungen an den Nachfolger weckt. Da trifft es sich gut, dass Bandleader Tom Phillips im Interview bereits einige Details zur geplanten „Fear Of Infinity“-Scheibe durchsickern lässt.

While Heaven Wept

Hallo Tom. Gratulation dazu, dass ihr eines der besten Metal-Alben des Jahres veröffentlicht habt! In allen Reviews, die ich bisher gefunden habe, habt ihr extrem gute Bewertungen erhalten. Hast du diese positiven Reaktionen erwartet oder haben sie dich vollkommen überrascht?

Guten Tag! Danke für das Lob, wir freuen uns sehr, dass das Album so gut ankommt. Obwohl wir extrem hart an „Vast Oceans Lachrymose“ gearbeitet haben, handelte es sich mehr um ein persönliches Unterfangen als um irgendetwas anderes. In Wahrheit hatten wir deshalb die Befürchtung, dass wir uns mit dem Album von einem Großteil unseres Publikums entfremden! Damit will ich die Fans weder beleidigen noch ihre Hingabe in Frage stellen, aber ich glaube, dass WHILE HEAVEN WEPT für eine ganz bestimmte Art von Musik wahrgenommen werden. Und obwohl wir als Band immer wussten, dass wir mehr als nur eine einzige Musikart beherrschen, wusste das sonst bislang niemand.

Bist du auch so glücklich mit dem Album wie es die ganzen Journalisten zu sein scheinen? Oder gibt es Dinge, die du rückblickend anders gemacht hättest?

Ehrlich gesagt hätten wir noch sechs Monate länger damit verbringen können, daran zu arbeiten und es besser zu machen. Darüber hinaus sind uns gegen Ende des Mixing-Prozesses einige Dinge aufgefallen, die wir gleich zu Beginn der Aufnahmen anders gemacht hätten und die wir mit Sicherheit auf dem nächsten Album beachten werden. Nichtsdestoweniger entspricht das Album unter Berücksichtigung der äußeren Umstände so exakt wie nie zuvor einer präzisen Umsetzung unserer bisherigen musikalischen Visionen und wir fühlen uns natürlich geschmeichelt von den extrem großzügigen Reaktionen der Medien und auch des Publikums.

Ich muss gestehen, dass mir WHILE HEAVEN WEPT kein Begriff waren, bevor ich das neue Album gehört habe. Daher hat es mich überrascht, dass es die Band schon seit 20 Jahren gibt. Was waren die Höhen und Tiefen eurer bisherigen Laufbahn?

Es muss dir nicht leid tun, dass du bisher noch nie von uns gehört hast. Tatsache ist, dass wir seit vielen Jahren ein angenehmes Leben im „Sub-Underground“ führen. Es ging uns nie um Ruhm und Ehre, sondern ausschließlich um eine aufrichtige musikalische Ausdrucksweise – und wir waren sehr zufrieden damit, unsere Alben in extrem limitierten Auflagen zu veröffentlichen (obwohl ich denke, dass die Nachfrage nach unseren älteren Veröffentlichungen so groß geworden ist, dass wir sichergehen wollen, jeden glücklich machen zu können). Der größte Erfolg für WHILE HEAVEN WEPT ist bislang die präzise Umsetzung dessen, was wir in unseren Herzen gefühlt und in unseren Köpfen gehört haben, mit unseren Alben gewesen. Die Tiefen reichen vom eigenen Versagen bei der Verwirklichung dieses Ziels über unzählige Besetzungswechsel bis hin zu Plattenfirmen, die pleite gegangen sind, bevor unsere Alben eine echte Chance bekommen hatten. Eigentlich mussten wir die „echten“ Enttäuschungen aber auf persönlicher Ebene erfahren. Natürlich befinden wir uns gerade eher im Aufwind mit der schockierenden Aufmerksamkeit, die „Vast Oceans Lachrymose“ gerade erregt. Es ist ein sehr angenehmes Gefühl zu wissen, dass so viele Leute das Album wertschätzen.

Hierzulande werdet ihr ja noch als Geheimtipp gehandelt. Wie groß ist euer Status innerhalb der amerikanischen Metal-Szene? Könnt ihr von eurer Musik leben oder müssen du und die anderen Bandmitglieder euren Lebensunterhalt noch mit regulären Jobs bestreiten?

Wir sind in den Vereinigten Staaten praktisch unbekannt. Seit der Gründung haben wir unsere Anstrengungen fast vollständig auf Europe konzentriert – und da gehören wir ehrlich gesagt auch hin, weil die Bedeutung unserer Art von Musik dort am größten ist. Wir alle würden gerne von der Musik alleine leben können, aber das ist derzeit keine realistische Option. Wir gehen alle einer geregelten Arbeit nach und ich bin der einzige, der sich in der glücklichen Situation befindet, Musik unterrichten zu können. Damit komme ich dem Traum, von der Musik leben zu können, noch am nächsten.

Warum hat es sechs Jahre gedauert, ein neues Album zu veröffentlichen?

Die Produktion von „Vast Oceans Lachrymose“ hat sich aus verschiedenen Gründen über sechs Jahre hingezogen: Besetzungswechsel, persönliche Probleme, Niedergeschlagenheit, dem Aus für gleich zwei Plattenfirmen, bei denen wir unter Vertrag standen, familiäre Verpflichtungen und die Aufgabe, die gesamte Ausrüstung aufzutreiben, die nötig war, um das volle Potenzial dieses Albums auszuschöpfen. Die größte Verzögerung ergab sich jedoch dadurch, dass wir die Aufnahmen – wie bei allen vorherigen WHILE HEAVEN WEPT-Alben – aus unserer eigenen Tasche gezahlt haben. Keiner in der Band ist auch nur annäherungsweise wohlhabend. Wir alle leben von einem Gehaltsscheck zum nächsten, so dass wir angesichts dieser Situation und unseren hohen Ansprüchen an die Produktion etwas länger brauchen, um ein Album aufzunehmen – selbst wenn die Stücke selbst schon seit vielen Jahren fertig geschrieben sind.

Bist du der Hauptsongschreiber von WHILE HEAVEN WEPT? Wie groß ist der Einfluss der anderen Bandmitglieder?

Abgesehen von einigen Kollaborationen zwischen den Gründungsmitglieder in der Anfangsphase der Band bin ich seit etwa 1990 der einzige Songschreiber. Das heißt nicht, dass die anderen Mitglieder über die Jahre hinweg nicht dazu eingeladen sind, selbst etwas beizutragen, aber üblicherweise haben sie immer ihre eigenen Bands und Projekte, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Zweifellos hat jeder, der einmal ein Mitglied dieser Band war, in gewissem Sinne etwas zu den Stücken beigetragen, nicht zuletzt durch ihre eigene Interpretation der Musik. Wir besprechen viele einzelne Gesichtspunkte jedes Stückes gemeinsam und es gibt eine Art demokratischer Vorgehensweise, wenn es um die Arrangements geht. Bislang hat aber in den fast zwei Dekaden noch keiner der anderen selbständig ein vollständiges Lied geschrieben (obwohl es auf dem nächsten Album einige gemeinsam geschriebene Stücke geben wird).

Die Atmosphäre von „Vast Oceans Lachrymose“ ist sehr düster und melancholisch. Entspricht dies auch deiner eigenen Persönlichkeit?

Es gab sicherlich Zeiten in meinem Leben, in denen es mir ziemlich dreckig ging – sogar soweit, dass ich nicht mehr weitermachen wollte und teilweise noch Anfang diesen Jahres. Ich habe aber nicht mehr das Bedürfnis, längere Zeit in der Dunkelheit zu verweilen, seit ich gelernt habe, besser mit Veränderungen in meinem Leben umzugehen, indem ich sie akzeptiere (nachdem ich jede mögliche Anstrengung unternommen habe, um diesen Veränderungen, die ich nicht zulassen wollte, zu widerstehen). Desweiteren dient mir WHILE HEAVEN WEPT auch als Mittel zur Läuterung und ermöglicht mir, alle negativen Gedanken und Gefühle, die ich habe, auf einem positiven Weg loszulassen und so etwas ähnliches wie ein „normales“ Leben zu führen. Sicherlich bin ich oftmals ein sehr ernsthafter und tiefgründig denkender beziehungsweise fühlender Mensch, aber ich strebe üblicherweise nach einem stressfreien Leben und versuche, in meinem Alltag so unbeschwert wie möglich zu bleiben. Derzeit geschehen viele wundervolle Dinge und infolgedessen hat sich meine Stimmung in letzter Zeit erheblich gebessert.

Für mich beschreibt das Album eine lange Schiffsreise, die in rauer und stürmischer See beginnt und schließlich in ruhigen, friedlichen Gewässern endet. Hattest du auch ein solches Bild im Sinn, als du die Stücke geschrieben hast?

Obwohl alle WHILE HEAVEN WEPT-Alben – und somit auch „Vast Oceans Lachrymose“ – ein übergreifendes Thema haben, handelt es sich bei keinem davon um ein Konzeptalbum. Keineswegs konnte ich das Endresultat des „Vast Oceans Lachrymose“-Albums vorhersehen, weil das Material, aus dem es besteht, über eine Zeitspanne von sechzehn Jahren hinweg entstanden ist. Es gab aber tatsächlich Stücke, die von Anfang an für dieses Album bestimmt waren – schon seit 1995. Was bei der Entstehung eines WHILE HEAVEN WEPT-Albums passiert ist, dass ab einem gewissen Punkt die Musik selbst die Führung übernimmt und ganz genau vorgibt, wie sie gehört werden sollte – in Form eines ganz bestimmten „Song-To-Song Flow“, der das Gefühl einer „Reise“ oder „Erfahrung“ erzeugt, im Gegensatz zu einer zufälligen Sammlung von Liedern. Ein paar Leute haben erwähnt, dass das Gefühl von Wasser das gesamte Album durchdringt, sogar innerhalb der Musik selbst, und das ist wirklich ein besonderer Gedankengang. Unser Bassist Jim Hunter sieht das Album in der Hinsicht als eine Art Tarantino-Film (Quentin Tarantino ist der Regisseur von „Pulp Fiction“, „Kill Bill“ und anderen Kultfilmen – Anm. d. Red.), als dass, wenn man die Konzepte der Rückblende und der Vorahnung berücksichtigt und die Songs daraufhin in eine andere Reihenfolge bringt, es wirklich eine Geschichte erzählt – und das sollte es auch, weil es ein weiteres Kapitel meiner Lebensgeschichte darstellt.

Das Cover-Artwork fängt die Atmosphäre eurer Musik auf geniale Weise ein und hat mich sofort an Homers „Odyssee“ erinnert. Wo habt ihr dieses Gemälde gefunden und was bedeutet es dir?

Das Bild ist mir zuerst in einem BBC-Artikel begegnet und es hat mich sofort berührt – die Atmosphäre, die Spannung, die äußeren Umstände… Seine Aufgewühltheit schien mir die Musik des „Vast Oceans Lachrymose“-Albums perfekt zu repräsentieren. Wir haben es eigentlich ein wenig verändert, um es an das Format eines LP- oder CD-Covers anzupassen, aber das steigert nur das Empfinden, wie unheilvoll dieses Szenario für unsere Matrosen ist!

Habt ihr schon Ideen für euer nächstes Album gesammelt? Ich hoffe, es wird nicht wieder sechs Jahre bis zur Veröffentlichung dauern…

Ursprünglich war „Vast Oceans Lachrymose“ doppelt so lang – es enthielt acht weitere Stücke, aber weil „The Furthest Shore“ während der Proben im Jahr 2004 immer weiter wuchs und gigantische Ausmaße annahm, wurde entschieden, dass es das Beste wäre, dem Stück die „beste Wohnlage“ auf dem Album einzuräumen und infolgedessen die anderen Stücke zu entfernen, um es dort unterzubringen. Das soll nicht heißen, dass es unbedeutendere Stücke sind – möglicherweise sind es sogar diejenigen, auf die wir uns am meisten freuen – aber wenn eine Vision einmal Gestalt annimmt, dann halten wir daran fest. Das bedeutet, dass das nächste Album „Fear Of Infinity“ in kompositorischer Hinsicht zu 100% fertig ist, da es aus der anderen Hälfte der „Vast Oceans Lachrymose“-Songs und einem neunten, neueren Titel besteht, den ich für die großartigste Komposition meines gesamten Lebens halte – ein weiteres überlanges Epos, das unsere gesamte zwanzigjährige Bandgeschichte musikalisch in einem Stück zusammenfasst. Wie lange wir brauchen werden, um die Aufnahmen zu „Fear Of Infinity“ zu vollenden, hängt größtenteils davon ab, wie schnell wir die Schulden zurückzahlen können, die wir beim Studio für die Produktion von „Vast Oceans Lachrymose“ aufnehmen mussten – man muss bedenken, dass WHILE HEAVEN WEPT bisher immer auf eigene Kosten gearbeitet haben. Wenn wir also nicht genügend CDs und Merchandising verkaufen um die Kosten für „Vast Oceans Lachrymose“ decken zu können, kann das eine Weile dauern – das hoffe ich aber natürlich nicht. Wer weiß, vielleicht wird irgendein Wohltäter eingreifen, nur um nicht die Qual einer weiteren langen Wartezeit erdulden zu müssen, haha!

Ich würde gerne sehen, wie sich die Songs von „Vast Oceans Lachrymose“ live machen. Gibt es eine Chance, euch in absehbarer Zeit hier in Europe live sehen zu können?

Die gibt es tatsächlich… sogar schon sehr bald! Wir werden am 6. Februar 2010 als Co-Headliner auf dem „Hammer Of Doom 3“-Festival in Würzburg zusammen mit SAINT VITUS auftreten und „hinter verschlossenen Türen“ laufen gerade viele weitere Diskussionen andere Festivals, Tours, etc. betreffend. Die Quintessenz lautet also: Durchaus! Wir werden zu euch kommen und so viele Shows wie möglich spielen, aber vieles hängt auch hier vom Interesse und den Möglichkeiten von Förderern ab, um unsere Unkosten decken zu können – dieses Album hat uns im Grunde genommen bettelarm gemacht… Trotzdem WOLLEN wir all unsere Brüder und Schwestern drüben bei euch so bald wie möglich wiedersehen!

Gibt es sonst noch etwas, was du all euren Fans hier in Deutschland mit auf den Weg geben möchtest?

Vielen, vielen Dank für die unglaubliche Unterstützung, die ihr uns zuteil werden habt lassen, und den extrem freundlichen Empfang, den ihr „Vast Oceans Lachrymose“ bereitet habt – es bedeutet uns wirklich unbeschreiblich viel. Vielen Dank auch dafür, dass ihr eine der stärksten Bastionen seid, die den Heavy Metal seit Jahrzehnten unterstützt – um es in den Worten meines Freundes Oli zu sagen: „Keep It True!“

14.11.2009

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