Wednesday 13
Ketten aus Blut und Tierherzen in Einmachgläsern

Interview

Neues aus Klischeehausen: Menschen, die sich mit Tod, Teufel und Horror auseinandersetzen, sind grundsätzlich in sich gekehrt, maulfaul und humorlos. Von wegen. Joseph Poole, besser bekannt als sein Alter Ego WEDNESDAY 13, bewies im Interview zum kommenden Album „Condolences“ genau das Gegenteil. Der aufgeschlossene Musiker aus North Carolina hatte einiges zu erzählen: Über Prägungen, wahres Grauen und seltsame Fans.

In einigen Tagen wird „Condolences“ erscheinen, wie ist deine Stimmung so kurz vor der Veröffentlichung? 

Ich freue mich enorm! Nachdem ich nun so viele Monate daran gearbeitet habe, fühlt es sich jetzt an, als hätten wir einen Tiger im Käfig sitzen, der endlich freigelassen werden möchte. In einer Woche ist es dann endlich soweit, und wir können es kaum erwarten.

Horror Metal spielen leider nur noch wenige Bands. Meine ehrliche Meinung dazu ist, dass es so wenige sind, weil die meisten zu faul und schüchtern sind, einen phantasievollen Charakter zu erschaffen und auch komplett mit ihm zu verschmelzen. Man kann so etwas eben nicht in Jeans und Shirt ohne Kostümierung spielen. Wo sind du die Gründe für die Stagnation? 

Musik steht weiterhin bei mir im Mittelpunkt, und darauf kommt es an, aber andererseits finde ich es auch wichtig, dass das Aussehen dazu stimmt und man ein stimmiges Paket abliefert. Wenn ich meine Songs aufnehme, denke ich auch sofort daran, wie ich sie auf die Bühne bringen kann und wie der optische Aspekt dazu aussieht – alles ist ein Gesamtbild. Es ist okay, wenn Bands sich nicht so viel aus ihrem Aussehen machen, aber für Horror Metal spielt es doch eine gewisse Rolle und Jeans und T-Shirts sähen einfach langweilig aus bei uns. Es muss übertrieben sein, wie bei ALICE COOPER, W.A.S.P. oder TWISTED SISTER, denn diese Bands inspirierten uns damals.

Du bist ein große Fan von Horrorgeschichten, aber was inspiriert dich wirklich zu deinen Texten? Sind es Geschichten, die du gelesen hast, TV-Shows oder Filme, oder geht es letztendlich doch nur um den normalen Alltag, verpackt unter einem schaurigen Mantel? 

Früher waren es hauptsächlich Horrorfilme, die mich inspirierten, mittlerweile habe ich aber ein bisschen die Faszination daran verloren. Es gibt kaum noch Filme, die mich heutzutage umhauen. Mittlerweile lese ich lieber True-Crime-Bücher oder schaue Dokumentationen, denn diese Sachen sind oftmals noch viel grauenvoller als jeder Horrorfilm. Daraus ziehe ich dann meine Inspiration. Es gibt so viele seltsame Geschichten … von John Wayne Gacy zu Albert Fish, der einfach das gruseligste überhaupt war … davon sprach, dass er Leute auflösen und dann trinken will – so etwas Gestörtes kann man sich gar nicht ausdenken!

Wo liegt für dich der größte Unterschied zwischen MURDERDOLLS und WEDNESDAY 13? Was kannst du in einer Band umsetzen und in der anderen eben nicht, und gibt es die Chance auf eine Wiederauferstehung der MURDERDOLLS)?

Mittlerweile sehe ich die Bands als zwei verschiedene Projekte, aber damals fand ich es noch nicht so leicht, sie zu trennen. Der Stil ist natürlich sehr ähnlich. Aber wenn ich jetzt zurückblicke, merke ich, dass das erste MURDERDOLLS-Album weit punkrockiger war, wir machten uns um rein gar nichts Gedanken, sondern wüteten einfach drauflos. WEDNESDAY 13 ist etwas seriöser, auch wenn seriös vermutlich nicht das richtige Wort ist. Aber ich hoffe sehr, dass wir in näherer Zukunft wieder beide Projekte laufen lassen können und nach dem jetzigen WEDNESDAY 13-Album vielleicht direkt eins der MURDERDOLLS folgen kann.

Was hat dich musikalisch beeinflusst, und was waren die ersten Bands, die du angehört hast? 

Mein Bruder sammelte Vinyls, war ein großer Fan von Rock und Metal. Ich erinnere mich noch, wie ich gegen 1983 mit ihm alleine zu Hause war – meine Eltern gingen aus, und er schaltete alle Lichter im Haus aus, zündete eine Kerze an und legte IRON MAIDENs „Number Of The Beast“ auf. Wir saßen da in seinem Kinderzimmer und mussten immer heimlich MAIDEN hören, denn Heavy Metal war natürlich etwas, das Eltern nie gut fanden. Manchmal hörten wir auch MÖTLEY CRÜE, es fühlte sich alles an, als würden wir heimlich einen Horrorfilm schauen. Jedenfalls legte diese Erfahrung damals einen Schalter in meinem Kopf um, und ich wusste, dass ich so etwas mal selbst tun wollte.

Würdest du, als Quasi-Profi, mir zustimmen, dass die Horrorfilme heutzutage leider meistens nicht gruselig sind, und kannst du eventuell sogar eine Empfehlung aussprechen? 

Ja, tatsächlich. Seitdem ‘The Walking Dead’ Mainstreamfernsehen ist, wurde es langweilig. Es gruselt niemanden mehr, ähnlich wie damals mit Freddy Krüger, der anfangs eine echt fiese Nummer war und mittlerweile nur noch unspektakulär ist, fast wie eine Parodie von sich selbst. Früher waren Horrorfilme noch etwas aus dem Untergrund. Man musste danach suchen, und es war etwas Verruchtes daran. Mittlerweile ist es Mainstream, du kannst in jedem zweiten Laden T-Shirts von „The Walking Dead“ kaufen, das raubt jegliche Faszination.

Was sollte in einem guten Horrorfilm gezeigt werden, damit du dir richtig vor Angst in die Hosen machst? 

Ich mag Horrorfilme, die realistisch sind. Klar, manchmal kann Fantasy auch witzig sein, aber realitätsnahe Filme, die vielleicht sogar auf einer wahren Geschichte basieren, faszinieren mich mittlerweile viel mehr, auch wenn das nicht immer so war. Ehrlich gesagt, warte ich aber noch auf den ultimativen Film, der mir Angst einjagt …

Wie viel von dir steckt in einem Album von WEDNESDAY 13?

Ich schreibe einfach Musik, die mich glücklich macht, und hoffe, dass sie anderen Leuten auch gefällt. Oft versuche ich, mich in die Situation der Fans hineinzuversetzen und mich zu fragen, wie es mir dabei ginge, wenn ich in der Halle stehen und die Show ansehen würde. Sicherlich ist mir klar, dass man nicht immer jeden einzelnen zufriedenstellen kann, aber dennoch versuche ich, meine Fans glücklich zu machen.

Bist du in der Lage, Arbeit auszulagern, oder machst du alles selbst?

Früher habe ich sehr viel selbst gemacht, mittlerweile arbeite ich viel intensiver mit der Band zusammen und unser Gitarrist hat viel zu den Songs beigesteuert.

Du bist in North Carolina aufgewachsen. Wie groß ist der Einfluss, den deine Kindheit dort auf deinen Musikstil hat? 

Das kleine Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, hat mich definitiv geprägt und zu dem gemacht, was ich heute bin, auch wenn ich nicht mehr dort wohne. Ich trage noch alles mit mir herum, allerdings fühlt es sich auch seltsam an, wenn ich nach all den Jahren wieder dorthin zurückkehre – es ist fast wie eine andere Welt, jetzt wo ich in Los Angeles wohne. Aber ich habe North Carolina und den Süden immer in meinem Blut.

„Condolences“ quillt beinahe über vor harten Riffs. Wie viele hast du für das Album geschrieben, und wie schwer ist, ein Riff zu finden, das unter Umständen einen ganzen Song tragen kann? 

Wie schon gesagt, ich sehe mich selbst weiterhin als ‘Fan’, von Musik im Generellen. Da ist es mir oftmals nicht wichtig, um was für ein Genre es sich handelt, solange die Melodien knackig sind und der Song gut. Und darum geht es mir auch, wenn ich meine eigenen Riff schreibe… ich will etwas finden, das nicht langweilig oder nach einem Jahr schon kitschig ist. Letztendlich soll es einfach etwas sein, worauf Leute abfahren, was sie fesselt und ihnen Spaß macht. Das Riff muss nicht das anspruchsvollste der Welt sein, Hauptsache es liefert etwas, das man gerne hört.

Welche Art von Arbeitsmoral hast du generell, wenn es um eine Musik geht? Bist du ein Perfektionist? 

Ja, leider zu sehr, ich hasse es. Wenn Zeuss nicht das Album produziert hätte, wäre ich immer noch nicht fertig und säße in meinem dunklen Kämmerlein und würde daran herumwerkeln. Ich weiß einfach nie, wann ich aufhören muss, und füge lauter Kram hinzu, dann fällt mir noch dies und jenes ein … es ist ein Fluch, und ich bin nie so ganz zufrieden. Denn sobald ich ein Album fertiggestellt habe, das mir gefällt, beschäftige ich mich schon wieder gedanklich damit, wie ich es zukünftig toppen kann. Aber das treibt mich an, und ich fände es langweilig, mich auf Lorbeeren auszuruhen. Es soll immer weitergehen.

Denkst du auch, dass die Realität angsteinflößender ist als Fiktion? 

Ja, definitiv. Wie gesagt hatte ich mir in letzter Zeit viele echte Kriminalfälle angesehen und darüber gelesen und ich merke wirklich, wie mich das noch am meisten schockiert. Im Fernsehen hat man mittlerweile ja so gut wie alles gesehen und das trifft leider auch auf Bühnenshows zu. Man muss sich ja fast umbringen, um Leute noch beeindrucken zu können… vermutlich stände dann immer noch einer im Publikum und würde rufen: „Buuh, was für eine lahme Show!“

Wer sollte sich „Condolences“ anhören und warum?

Hoffentlich tut es jeder, (lacht). Nein, aber der Grund, weshalb wir uns nun für ein großes Label entschieden haben, ist einfach der, dass wir hoffen, dass es noch viel mehr Fans dort draußen gibt, die einfach noch nichts von ihrem Glück wissen. Als Einzelner kann man nur einen gewissen Radius an Menschen erreichen, aber mit einem internationalen Team hinter uns haben wir nun die Chance, die Aufmerksamkeit von weit mehr Leuten zu bekommen. Darum geht es ja schließlich auch in einer Band – wenn du all deine Zeit und dein Herzblut in die Musik steckst, möchtest du letztendlich ja, dass Leute es hören.

Hast du jemals einen Fanbrief geschrieben?

Ja, als ich ein Kind war, schrieb ich an MÖTLEY CRÜE, POISON., W.A.S.P. … aber die einzigen, die mir zurückgeschrieben haben, waren POISON. Ich war elf Jahre alt und hatte nur so etwas geschrieben wie „Ich liebe euer Album! Ich will in euren Fanclub eintreten! Bitte schickt mir Infos“, und POISON schickten mir diesen Newsletter zurück. Es war lustig, da ich tatsächlich nur diese drei albernen Sätze geschickt hatte, aber zurück kam ein vierseitiger Brief, der sagte: „Dein Brief war SO toll, wir konnten gar nicht anders, als dir zu antworten, vielen Dank für deine lieben Worte“, und ich dachte mir nur „Was zum Geier“. (lacht) Allerdings machte mich der Brief über Nacht zum Star der Schule – vorher war ich nur dieses nerdige Kind, das keiner mochte, und ich zeigte den Wisch einem der beliebten Kinder in der Schule und rief „Schau, POISON haben mir geschrieben!“ Er meinte: „Du bist cool. Du darfst jetzt mit mir abhängen.“ Also waren POISON. der Grund, weshalb ich als Kind für circa fünf Minuten als cool galt!

Bekommst du selbst viele Fanbriefe?

Ja, ich bekomme viele Nachrichten von Fans aus aller Welt über Facebook oder sonstiges, meist ist es wirklich toll, und Leute schreiben, wie sehr sie meine Musik mögen, dass ich ihr Leben verändert hätte oder sowas – aber gelegentlich kommt auch mal was Seltsames rein. Das Komischste, was mir bisher wohl passiert ist, war während der ersten MURDERDOLLS-Tour. Wir hatten eine Autogrammstunde in London, und es gab da ein Mädchen, das mit einem Einmachglas ankam, in dem ein Tierherz eingelegt war. Und an dieses Herz hatte sie ein Foto von Joey und mir getackert, und, nun ja, sie wollte es signiert haben. Ich dachte mir nur ‚Was zur Hölle?! Da schwimmt ein Herz mit meiner Fresse drauf in diesem Glas herum… na gut‘. Sie selbst war nicht seltsam, aber dieses Glas hat mich echt irritiert.

Jahre später wollte ein Mädchen in Deutschland mal mein Blut, um daraus eine Kette zu machen. Sie brachte mir eine Spitze und sterilisierte Nadel und alles mit, ganz systematisch. Das war auch lustig.

Gibt es irgendwelche Tourpläne für Deutschland in naher Zukunft?

Ja! Noch darf ich den finale Plan nicht verraten, aber wir werden einige Headline-Shows im November in Deutschland spielen und freuen uns natürlich riesig darauf!

01.06.2017
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