Waning
Interview mit L.R.A zu "The Human Condition"
Interview
Anfang des Jahres haben die Schweden WANING mit „The Human Condition“ einen würdigen Nachfolger zu ihrem wirklich bestialisch starkem Debüt „Population Control“ veröffentlicht. Allein das ist schon Grund genug, ein paar Fragen gen Schweden zu schicken und so ist es dann auch geschehen. Leider verzögerten sich zunächst die Antworten und dann blieb das Interview noch eine Weile auf dem virtuellen Schreibtisch liegen, da der Alltag so viele andere Aufgaben bereithielt, sodass in der Zwischenzeit sogar noch ein Wechsel hinter dem Drumkit zu verzeichnen ist. Aber alles halb so wild, denn WANING entpuppen sich als informative Gesprächspartner, die einiges zu erzählen haben, das mit Sicherheit auch noch längst nicht überholt ist.
Lass uns mal kurz einen Blick zurück werfen. Als 2009 „Population Control“ erschienen ist, hat es mich beinahe vom Fleck weg begeistert und läuft auch heute noch mit beständiger Regelmäßigkeit. Bislang habe ich, traut man Rezensionen, fast nur löbliche Worte über das Album gehört und beinahe jeder, der von WANING gehört hat und mit dem ich sprach, ist begeistert von dem Album. Trotzdem hatte und habe ich durchgehend das Gefühl, als hätte nur ein kleiner Teil wirklich Kenntnis von dem Album, woran liegt das? Und was sind eure Erfahrungen mit Reaktionen auf das Album?
Danke erst mal! Was du da beschreibst, scheint tatsächlich die verbreitetste Meinung zum Album zu sein. Gleichzeitig denke ich aber auch, dass du dich da auf dein Gefühl verlassen kannst, wenn du sagst, dass nur relativ wenige Leute bisher von uns gehört haben. Das mag sich jetzt falsch anhören, aber ehrlich gesagt sind wir darüber etwas verwundert, da, wie du schon sagtest, den meisten Hörern unsere Musik tatsächlich gefällt.
Ich denke dafür gibt es einige Erklärungen. Ich möchte Eerie Art hier nicht schlecht machen, aber von deren Seite aus war die Promotion ziemlich lausig. Sicher, das Album wurde an ein paar Händler verschickt, aber soweit ich weiß, war’s das. Andererseits war Eerie Art ein kleines Label, daher war es irgendwie verständlich. Ein anderer Grund sind wir selbst: Wir haben eindeutig viel zu wenig Gigs gespielt. Nicht, dass wir nicht gewollt hätten, aber auf Grund unseres Privatlebens war es einfach nicht möglich. Und zudem war es schwierig, überhaupt an Gigs zu kommen, da das Album nicht die Aufmerksamkeit bekam, die es gebraucht hätte.
Unsere Erfahrungen sind deinen also sehr ähnlich, nur ein paar Leute haben das Album gehört, aber die waren dann ziemlich begeistert.
Um gleich mal in der Vergangenheit zu bleiben, ihr habt 2010 auf dem UTBS gespielt, leider vor eher wenig Publikum. Lässt sich das irgendwie erklären, aus meiner Sicht ward ihr trotz allen Soundproblemen mit die stärkste Kapelle vor Ort. Hattet ihr denn wenigstens euren Spaß?
Haha, ja, wir hatten Spaß. Wir haben uns den Jungs von ANGST SKVADRON und POSTHUM angeschlossen und ein paar Italiener haben für uns eine verdächtig aussehende Flasche mit der Aufschrift “Whisky” (nur das eine Wort, sonst nichts) aufgetrieben und nach 20 Minuten ist uns dann unser Bassist abhanden gekommen. Ja, wir hatten definitiv unseren Spaß, und letztendlich habe ich R.A. irgendwann um 6 Uhr morgens schlafend vor meinem Zimmer wiedergefunden.
Ja, was den Sound angeht ist es bei uns wie verhext, wir hatten bisher überhaupt erst einen Auftritt mit vernünftigem Sound und das war ’09 in Eindhoven. Das Ironische an der Sache ist, dass beim Soundcheck immer alles in Ordnung war, aber wenn es drauf ankommt, ist da immer irgendjemand (sprich, der Tontechniker), der es versaut. Auf dem UTBS haben wir versucht, ihm ein bisschen Zeit zu geben, aber nach einer Weile haben wir dann einfach angefangen, obwohl wir selbst nichts gehört haben. Uns selbst beim Auftritt nicht zu hören ist zwar nervig, aber da wir das aus den kleineren Clubs, in denen wir sonst spielen, gewöhnt sind, ist es nur ein geringes Problem.
Dass das Publikum so klein war, hat vermutlich auch etwas damit zu tun, dass bisher so wenige Leute von uns gehört haben. Trotzdem, ich verstehe einfach nicht, wo die ganzen Leute auf einem Festival mit nur einer Bühne sind. Das Bier schmeckt schließlich vor der Bühne genauso gut wie auf dem Zeltplatz!
Mit „The Human Condition“ kommt jetzt endlich euer zweites Album raus. Lange war es angekündigt, live habt ihr schon einige Songs vorgestellt, sodass man das Gefühl bekam, der Schaffensprozess würde schier ewig dauern. Seid wann ist das Album eigentlich komplett fertig? Und ich meine mich zu erinnern dass es hier und da immer wieder zu Problem kam oder irre ich da?
Nun, eigentlich sind die Songs alle schon ziemlich alt. „Continuum“ haben wir zum Beispiel zu der Zeit geschrieben, als das „Population Control“ Album gerade heraus kam.
Der ursprüngliche Plan sah vor, das neue Album 2010 oder 2011 zu veröffentlichen. Aber als Eerie Art verschwand, hatten wir plötzlich kein Label mehr. Das, in Kombination mit der Tatsache, dass wir vielbeschäftigte Leute sind, ließ die Zeit alarmierend schnell verstreichen. Und während wir darauf warteten, dass sich etwas Interessantes ergab, haben wir ein paar Sachen neu aufgenommen und A.A. hat endlose Stunden mit dem Mixen zugebracht.
Kurz zum Label-Wechsel. Es war recht schnell klar, dass „The Human Condition“ nicht wieder über Eerie Art veröffentlicht wird, nun seid ihr beim recht frischen Antonym Records gelandet. Da ich es völlig unverständlich finden würde, hättet ihr keine einigermaßen erträglichen Deals bei etwas namhafteren Labels angeboten bekommen, erzähl doch mal, was zu der Entscheidung für ein doch noch sehr junges Label geführt hat, hat vielleicht einer von euch seine Finger mit im Spiel?
Wir waren darüber selbst etwas überrascht. Wir haben zwar ein paar Angebote bekommen, aber die meisten waren einfach nur absurd oder kamen von Labels, mit denen wir nicht in Verbindung gebracht werden wollten.
Der Grund, warum wir von größeren Labeln eher kühl empfangen wurden, liegt wahrscheinlich daran, dass sie nicht wussten, wer zum Teufel wir sind. Ich kann mir vorstellen, dass eine unbekannte Band, egal wie gut ihre Musik ist, weit weniger interessant ist als eine bekannte Band, selbst wenn sie sich anhören als würde gerade ein Kleinkind die Treppe runter geworfen. Was ich damit sagen will ist, dass kleinere Labels, die von enthusiastischen Leuten geführt werden, einer Band die ihnen gefällt gerne eine Chance geben, während die größeren Firmen es viel mehr als eine Investition sehen, bei der das künstlerische Schaffen hinter purer Wirtschaftlichkeit anstehen muss.
Endlich zur Musik! Ihr habt all eure Trademarks behalten und trotzdem ist „The Human Condition“ kein zweites „Population Control“. Wo findet sich eurer Meinung nach die eigene Entwicklung und was hat sich für euch bewusst und vermutlich auch unbewusst zwischen den Alben getan?
Wir machen immer alles sehr bewusst, und wir sind alle mehr oder weniger Kontrollfreaks.
Wir waren zwar mit dem Ergebnis von „Population Control“ sehr zufrieden, aber wir wollten keines Falls eine Version 1.2 vom ersten Album machen. Das wäre sowohl für uns, als auch für die Hörer furchtbar langweilig gewesen. Ich denke, die eigentliche Entwicklung lässt sich am besten an den Drumms erkennen. Auf „Population Control“hatten wir weder Platz noch Zeit für ausgefeilte Schlagzeugparts. Darin besteht also der größte Unterschied.
WANING hat bei allem Bewusstsein für schwedischen Black Metal der neunziger und dessen typische Melodien auch eine gewisse moderne Note, gerade diese sterile, kalte Produktion, die auch wieder „The Human Condition“ umhüllt, ist sicher mit dafür verantwortlich. Wie sehr lasst ihr euch von Musik anderer Bands beeinflussen und wie ausgeprägt ist euer Ansinnen, möglichst nicht konservativ zu wirken?
Ich denke, dass wir uns zumindest bewusst von keiner Band beeinflussen lassen, unbewusst hat aber der Black Metal der Frühen bis Mitte ’90er große Auswirkungen auf unser Schaffen, da zumindest R.A. und ich damals diese Musik gehört haben. Ich glaube bei den andern beiden war es genauso, aber das will ich jetzt nicht beschwören. Ich hab bis jetzt eigentlich nie darüber nachgedacht, aber ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass es sehr wichtig für uns ist, nicht konservativ zu klingen, da es die Grundidee hinter der Band ist, musikalisch zumindest etwas originell zu klingen.
Irgendwo im Netz hab ich letztens gelesen, dass jemand euch auch in Richtung Post Black Metal schieben wollte. Zwar ist dieser Begriff ja quasi ein Sammelbecken für alles mögliche, aber bei aller moderne, in diese Schublade wollte ich euch nicht stecken, okay, Schubladen sind ja eh für die Katz. Legt ihr wert auf Kategorisierungen und gibt es eine Ecke in die ihr euch nicht gestellt sehen wollt?
Nun, die Leute haben uns schon als alles mögliche bezeichnet, von Black Metal über Post-Black bis hin zu Social Realistic Black und so weiter. Obwohl es eigentlich egal ist, kann ich nicht behaupten, dass einer von uns besonderen Wert darauf legt, das was wir machen zu kategorisieren und du würdest von jedem von uns eine andere Antwort darauf bekommen. Meine persönlich Antwort ist, dass wir Metal spielen, zwar mit dunklen Themen, aber trotzdem einfach nur Metal. Wie andere uns bezeichnen bleibt jedem selbst überlassen. Allerdings hatten wir anfangs, als wir die Band gegründet haben, die Absicht, reinen Black Metal zu spielen, aber das hat nicht so ganz geklappt, oder?
Ein ganz wichtiger Bestandteil an „Population Control“ war für mich, dass es neben durchweg sehr guten Songs auch drei, vier absolute Higlights auf die Platte geschafft haben. Ähnliches ist euch auf „The Human Condition“ auch wieder gelungen, habt ihr persönlich Favoriten auf beiden Alben?
Ja, auf „Population Control“ ist „Crowning Apathy“ mein Favorit, da es einfach alles beinhaltet was für mich einen guten Song ausmacht, und dazu ist es auch noch ein toller Live-Song. Auf „The Human Condition“ ist „Through Fields Of Mercury“ meine Nummer Eins, da es der einzige Song ist, den wir aufgenommen haben, bei dem der Gesang den Song vorantreibt, bei allen anderen ergänzen die Vocals lediglich die Gitarren. Aber das sehe ich vielleicht nur deshalb so, weil ich der Sänger bin … .
Es scheint als knüpfe „The Human Condition“ textlich an seinen Vorgänger an. Vielleicht kannst du ja kurz umreißen mit welchen Themen ihr euch beschäftigt.
Das Thema der Lyrics ist die Menschheit im Ganzen. Wenn man nur einen einzelnen Menschen betrachtet, dann ist eigentlich jeder von uns ziemlich intelligent, meistens zumindest. Aber wenn du dir dann eine Gruppe von Leuten ansiehst, fällt das Level der Intelligenz ziemlich ab. Man könnte sagen, dass diese abfallende Intelligenz der Kern all unserer Texte sind.
Wir hatten uns ja kurz auf dem UTBS vor zwei Jahren unterhalten, ich meine mich zu erinnern, dass mindestens einer von euch bereits Familienvater ist und ihr auch sonst privat recht eingespannt seid, wie viel Zeit findet ihr dabei überhaupt für die Band?
Hahaha! „Bereits Familienvater“? Wir sind alle schon über dreißig und graue Haare sind bei uns nichts ungewöhnliches. Spaß beiseite, wie viel Zeit wir für die Band haben variiert, manchmal haben wir an mehreren Tagen in der Woche Zeit für die Band und dann kann es passieren, dass wir monatelang gar nicht die Möglichkeit zum Proben haben.
Live habt ihr euch ja recht rar gemacht, zumindest außerhalb von Schweden. Wird sich das mit der Veröffentlichung von „The Human Condition“ ändern oder legt ihr darauf gar keinen allzu großen Wert?
Das ändert sich hoffentlich. Aber da wir kein Management haben, müssen wir uns selbst um Gigs bemühen, und das ist verdammt harte Arbeit, besonders da viele Veranstalter zögern, eine unbekannte Band zu bezahlen, obwohl wir gerne irgendwo spielen, solange wir nur die Spritkosten bezahlt kriegen. Also, wenn das hier ein Promoter liest, meldet euch bei uns! Mit anderen Worten, wir denken durchaus, dass Live-Auftritte wichtig sind, wir hatten nur bisher nicht viel Glück damit.
Kurz vor Schluss, wie schaut’s eigentlich bei OBITUS aus, ist hier demnächst auch noch etwas zu erwarten oder macht ihr weiterhin erst mal Pause?
A.A. sagt, dass neues Material irgendwann aufgenommen wird, aber gibt keine genauen Informationen preis, nur, dass es fertig ist wenn es fertig ist.
An dieser Stelle möchte ich mich für das Interview bedanken und überlasse selbstverständlich dir die letzten Worte.
Kein Problem! Und an alle, die uns noch nicht kennen, ignoriert alle Reviews die euch begegnen, sondern hört euch lieber die Musik an und entscheidet dann selbst, ob diese grauhaarige Boyband aus dem Norden eure Aufmerksamkeit wert ist..