Waltari
Waltari
Interview
Eine Band ist ziemlich produktiv, wenn sie im 21. Jahr ihres Bestehens ihr zehntes Album vorlegt. Das heißt im konkreten Fall „Release Date“ und verbindet wieder Rock, Metal und Tanzflächen-Beats durch allerlei Abgedrehtes. Pünktlich auf die Minute ruft Mastermind Kärtsy Hatakka an, der übrigens auch Theatermusik sowie die Soundtracks für die „Max Payne“-Videospiele komponiert hat. Da WALTARI während des Gespräches gerade zu einem Gig innerhalb Finnlands fahren, findet die Verständigung zwar unter etwas erschwerten Bedingungen statt, aber für Sex, Drogen und Rock-Musik reicht es trotzdem. Kärtsy über…
…das aktuelle WALTARI-Label Dockyard 1 und das hauptsächliche Interesse seitens der Heavy-Rock- und Metal-Magazine:
Wir geben auch vielen Alternative- und anderen Magazinen Interviews – besonders in Finnland. Wir haben so eine lange Geschichte und sind bei so vielen Labels gewesen und Dockyard ist jetzt vielleicht das erste wirkliche Metal-Label, bei dem wir im Moment sind. Und natürlich machen wir – größtenteils – Hard-Rock-Musik.
…den Titel „Release Date“:
Natürlich ist der erste Eindruck, dass das ein Scherz ist. Aber um ehrlich zu sein, ist es alles andere als das, denn wenn man über die Worte „release“ (Freigabe, Freilassung, Erlösung) und „date“ (Datum, Termin, Verabredung) nachdenkt, können sie noch eine ganz andere Bedeutung haben, außer die Veröffentlichung eines Albums anzukündigen.
…den Hintergrund der ’Cityshamaani’-Stücke:
Die Stadtschamanen sind Rastafaris, Alternative, die ihr eigens Leben in der Underground-Szene der Stadt leben und sich vom so genannten modernen Menschen befreien. Sie leben mehr im Einklang mit ihren Sinnen und folgen nicht den Regeln der Gesellschaft. Ich mochte zum Beispiel die Hausbesetzer, die es in früheren Tagen gab, als WALTARI in Berlin gelebt haben.
…Sex im Biergarten:
’Sex In The Beergarden’ ist ein reines Party-Lied. Jeder, der schon mal ein Bier getrunken hat, weiß, wovon ich dort rede! (lacht)
…den Bonus-Track ’Spokebone’:
Das ist ein gutes Lied, aber auch wenn wir bei WALTARI gegen stilistische Beschränkungen sind, hatten wir den Eindruck, dass es nicht wirklich zum allgemeinen Konzept des Albums passt. Deshalb haben wir es etwas von den anderen Songs getrennt. Die Idee zu dem Stück kam auch erst sehr spät auf, trotzdem wollten wir es noch auf die Scheibe packen, denn es haben sehr viele interessante Gäste daran mitgewirkt – der Sänger von AMORPHIS (Tomi Joutsen) und auf der anderen Seite die finnische Ethno-Gruppe VÄRTTINÄ. Das ist also gewissermaßen auch ein Special-Guest-Party-Song.
..seinen persönlichen Lieblingssong auf der Platte:
Ich mag den langen! (schmunzelt) Für mich ist ’Cityshamaani’ der Hauptteil des Albums und vermutlich auch der, auf den ich mich am stärksten konzentriert habe.
…die Anteile am Songwriting:
Beim neuen Album gab es mehr Beteiligung von den anderen, während die letzten zwei, drei Alben hauptsächlich durch meinen Einfluss entstanden sind. Diesmal wollte ich, dass die anderen auch etwas beitragen. Die ursprüngliche Idee war, dass ich die langen Songs komponiere und sie sich um die kurzen kümmern. Aber weil sie ein bisschen faul waren, habe ich auch zwei von den kurzen Stücken gemacht. Unser langjähriger Live-Keyboarder Janne Immonen ist jetzt ein vollwertiges Band-Mitglied und hat zum Beispiel auch ein paar von den elektronischen Sachen auf ’Cityshamaani’ beigesteuert.
…die zweite „Death-Metal-Sinfonie“ „Evangelicum“. (1999 fand die an ein Musical erinnernde Uraufführung statt, eine gewisse TARJA TURUNEN stand auf der Bühne, ebenso wie das finnische Nationalballett.)
Bedauerlicherweise gibt es davon bisher keine CD, auch wenn wir immer noch die Idee haben, das mal zu tun, denn wir persönlich sind der Meinung, dass „Evangelicum“ noch besser als „Yeah! Yeah! Die! Die!“ (1996) war.
Es sollte ursprünglich ein Live-Album erscheinen, aber die musikalische Qualität der Shows war nicht gut genug, es gab zu viele Spielfehler und solche Sachen. Also haben wir uns entschieden, auf eine bessere Möglichkeit zu warten, um wirklich 100 Prozent geben zu können, denn das ist es, was diese Songs brauchen.
…den typischen WALTARI-Hörer:
Es gibt ihn nicht! Das ist immer sehr komisch, wenn wir spielen und alle möglichen Leute im Publikum sind; von Gothic- und Hip-Hop-Fans bis hin zu Alt-Rockern. Es gibt da eine große Vielfalt.
…Drogen in Verbindung mit WALATRIs Musik:
Das ist jedermanns persönliche Sache. Ich will das nicht weiter kommentieren, okay? (lacht) Ich denke, sie können ein gutes Werkzeug ein, aber es ist definitiv nichts, in das man sich zu tief verstricken sollte.
…den Spaßfaktor von WALTARI-Alben:
Ich mag keine Bands, die zu ernst sind, denn ich denke, dass Humor und Spaß zu haben ein Teil von Rock-Musik ist. Andererseits entsteht unsere Musik schon auf ernsthafte Art. Es hängt also davon ab, was genau du meinst. FRANK ZAPPA hat zum Beispiel viel Humor in seiner Musik, aber diese ist zugleich experimentell. Ich denke, es kommt oft vor, dass man fälschlicherweise glaubt, Rock-Musik, die mit sehr aufgeschlossener Einstellung gemacht wird, sei einfach nur witzig oder veralbere Dinge.
…eine „neue Art von Tierhaftigkeit“ (Presseinfo):
Wir haben das Gefühl, dass Rock-Musik heutzutage sehr langweilig und konservativ ist. Die Leute sollten mehr ihren Sinnen folgen und auch viel aufgeschlossener sein, wie Tiere, wenn sie Musik machen.
…WALTARIs Mut zum Genre-Mix, die Mission der Band und die Tendenz, auf den letzten Alben Hardrock-Riffs und Dance-Elemente als Basis zu verwenden:
In gewisser Hinsicht ist das natürlich so, aber zum Beispiel hatten wir auf „Blood Sample“ auch Latino- und Hardcore-Einflüsse, denn unsere Mission ist es, Rock-Musik aufzurütteln, um zu zeigen, dass man diese Musik auch anders machen kann, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Natürlich kann man geteilter Meinung sein, wie erfolgreich wir dabei sind. Wir wollen keinerlei Grenzen haben. Die Regel ist, dass es keine Regeln gibt. Ich denke, es macht Musik viel interessanter, wenn sie überraschen kann. Selbst die jungen Menschen verehren die alten Rock-Klassiker, wie LED ZEPPELIN und QUEEN, die definitiv keine Grenzen in ihrer Musik hatten, auch wenn Hardrock die Basis war. Jeder wundert sich, warum es solche Bands nicht mehr gibt.
WALTARI wollen das Gegenteil beweisen. Wir wollen zeigen, dass man nicht den Arsch von Zigarrenrauchern lecken muss, um die nächste Platte machen zu können. Es gibt keinen Grund dafür. Bands wie WALTARI werden gebraucht. Wir existieren jetzt 20 Jahre und haben zehn Alben aufgenommen. Wenn du dich einfach auf gute Qualität und einen hohen musikalischen Standard konzentrierst, wirst du nie verloren sein. Es wird immer Hörer für deine Musik geben, wenn sie einfach gut ist. Das ist es, was wir den Leuten sagen wollen. Es ist unserer Meinung nach der beste Weg, um ein lange Karriere aufzubauen, ohne dass man nach dem dritten Album von der Plattenfirma fallen gelassen wird, weil nicht fünf Millionen verkauft wurden – nur zwei Millionen. (lachen) Weißt du, wir sind alle Vollzeitmusiker und machen das seit 20 Jahren und du willst immer noch mit mir reden und stellst Fragen zum neuen Album. Ich glaube, das zeigt, dass die Leute solche Sachen ebenfalls brauchen.
…seine persönlichen Hörgewohnheiten:
Mein Geschmack ist sehr breit gefächert, wie du dir vielleicht vorstellen kannst. Ich habe als Hörer angefangen und der Grund, warum ich diese Musik spiele, ist, dass ich einfach sehr unterschiedliche Musik mag. Ich habe auch durch die Plattensammlungen von anderen Leuten festgestellt, dass die meisten immer noch gerne verschiedene Sachen hören. Es ist heutzutage einfach verbreiteter Irrglaube, eine dumme Idee in den Köpfen, eine einzelne Band könne nicht viele verschiedene Dinge machen. Sorry, ich habe die Frage vergessen!
Ich denke, dass sich mein Geschmack gar nicht so sehr von dem anderer Leute unterscheidet. Ich mag es, KORN zu hören oder NINE INCH NAILS – und selbst SLAYER und METALLICA, die in gewisser Weise immer noch nur eine Sache machen. Der Unterschied bei mir ist vielleicht, wenn ich eine CD von NAPALM DEATH anhöre, will ich danach beispielsweise MOODY BLUES oder BEATLES hören.
…einen möglichen Trend zu von Genre-Grenzen befreiten Bands:
Ich hoffe, dass das so kommt, denn so war es am Anfang! Die Business-Leute haben Rock in den Achtzigern geschluckt und den Musikern diesen Bullshit über Stile und Kategorien erzählt. Ich hoffe, dass das bald aufhört, denn es tötet die Musik. Es gibt viele Leute, die so denken und der Erfolg einer Band wie SYSTEM OF A DOWN spricht auch dafür, dass sich das ändern könnte – und ich wäre die erste Person, die darüber sehr glücklich wäre.
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