Waldgeflüster
Interview mit Winterherz zu Femundsmarka
Interview
Waren nach „Herbstklagen“ die Erwartungen hoch, so hat man sich im Hause WALDGEFLÜSTER von eventuellen Erwartungshaltungen nicht abschrecken lassen, sondern in Form von „Femundsmarka“ eine Scheibe vorgelegt, die Skeptikern wie mir die Sprache verschlägt und selbst Optimisten positiv überraschen sollte. Grund genug, Norwegenwanderer Winterherz zum Stand der Dinge zu befragen.
Allerbeste Grüße nach… ja, wohin eigentlich? Nach Süddeutschland oder nach Österreich? Wo gehört WALDGEFLÜSTER hin?
Grüß dich. Tja, so leicht ist das im Augenblick nicht zu beantworten. Ich bin inzwischen zurück nach Süddeutschland gezogen, und das Live-Lineup befindet sich ebenfalls hier. Mein Bruder P. ist allerdings nach Österreich zum Studieren gegangen, und da er damit noch nicht fertig ist, kann man uns im Augenblick wohl als international bezeichnen. Die derzeitige Basis ist jedoch in Bayern, und wir rechnen auch mit deutschen Spritpreisen unsere Gagen aus.
Euer zweites Album ist gerade erschienen, wie fühlt man sich da? Ist das immer noch etwas ganz Besonderes, oder hast Du Dich schon dran gewöhnt?
Natürlich ist das immer noch etwas ganz Besonderes, auch wenn in diesem Jahr innerhalb von fünf Monaten dann zwei Alben erschienen sind, an denen ich mitgewirkt habe. Wenn man allerdings fast zwei Jahre an so einem Projekt arbeitet, viel Zeit investiert, Ideen immer wieder umwirft und sich über diverse Probleme ärgern muss, so hat eine Albumveröffentlichung immer noch etwas Befreiendes und Besonderes. Ich denke bei diesem Album kommt noch der innerliche Druck hinzu, den man aus der Befürchtung aufbaut, man könnte den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden und sich nicht steigern. Ich hoffe zumindest, dass ich mich nie daran gewöhnen werde, Alben zu veröffentlichen und immer dieselbe Aufregung und Freude verspüren werde.
Wie sind denn die Reaktionen bisher, besser oder schlechter als beim ersten Versuch?
Bis jetzt haben wir uns bei fast allen Magazinen, die die Scheibe reviewed haben, punktetechnisch gesteigert, auch bei dir durften wir ja einen Punkt mehr verbuchen. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir uns unsere musikalische Steigerung wohl nicht nur einbilden, sondern dies auch von den Kritikern so wahrgenommen wird. Zumindest ich hatte ab und zu die Befürchtung, dass dieses Album bei den Reviewern nicht ankommen würde. Nicht, weil ich nicht zu 100% von der Musik und dem Konzept überzeugt gewesen wäre, sondern weil sich „Femundsmarka“ in gewissen Punkten doch sehr von „Herbstklagen“ unterscheidet, und ich mir unsicher war, wie dies aufgenommen werden würde. Wenn man dann das erste 9-oder-10-von-10-Punkte-Review liest, hat das schon eine sehr erleichternde Wirkung.
Überhaupt, der erste Versuch. Wie stehst Du denn jetzt, mit ein bisschen Abstand, zu „Herbstklagen“? Was ist im Rückblick die größte Schwäche der Scheibe?
Die größte Schwäche liegt für mich im Einspielen, stellenweise ist das Album doch etwas unsauber. Das nervt mich heute am meisten, weil ich mich in diesem Punkt, hoffe ich zumindest, sehr gesteigert habe. Was die Musik angeht, würde ich dieses Album heute wahrscheinlich genauso schreiben wie damals. Es fällt mir schwer, etwas an alten Songs zu verändern, weil es doch immer Momentaufnahmen sind. Die Stücke auf „Herbstklagen“ sind in meinem Kopf festgeschrieben, und ich könnte nichts daran verändern, selbst wenn ich wollte. Es mag vielleicht überheblich klingen, aber ich bin heute noch genauso überzeugt von diesem Album, wie ich es damals war, weil es Ausdruck meiner damaligen Gefühle ist. An ein oder zwei Stellen könnte man sich überlegen, ein Riff um zwei Wiederholungen zu kürzen, aber selbst das würde ich nicht übers Herz bringen. Die Lieder sind so, wie sie sein sollten, selbst in ihrer Ungeschliffenheit und mit ihren „Fehlern“. Wenn ich „Herbstklagen“ nochmal neu aufnehmen würde, würden die Songs wahrscheinlich genau so bleiben – nur sauberer eingespielt und mit einem leicht anderen Klang einiger Details.
Was mich irgendwo interessieren würde, Du mir aber sicher nicht verraten willst: Wieviele CDs verkauft eine Band wie WALDGEFLÜSTER mit einem Label wie Einheit Produktionen im Rücken?
Um mal mit diesen behämmerten Kommerzvorwürfen (Die gibt’s? Das war eigentlich eine völlig wertfreie Frage. -Ed.) Einheit Produktionen und Black Blood Records gegenüber aufzuräumen, werde ich mal etwas offener darüber sprechen. Eine Band wie WALDGEFLÜSTER oder ein Label wie die beiden oben genannten werden von ihren Veröffentlichungen nicht reich, selbst mit den verachteten Werbeanzeigen im Nuclear Blast oder sonstigem. Wir sind froh, wenn wir unsere Unkosten decken können, und das bisschen, was vielleicht übrig bleibt, wird sowieso in die nächste Veröffentlichung gesteckt, sei es direkt oder z.B. in ein neues Mikrofon für die Aufnahmen. Von „Herbstklagen“ wurden 1000 Stück gepresst, davon sind noch ein paar Restexemplare übrig. Davon müssen noch Promo-CDs usw. abgezogen werden, und im Endeffekt waren es um die 7-800 Stück, die wirklich in den Händen eines zahlenden Musikbegeisterten landeten. Um das mal in einen Kontext zu setzen: Wir müssen von „Femundsmarka“ ca. das selbe verkaufen, nur damit P. und ich die Produktionskosten für dieses Album wieder reinbekommen würden. Wie das beim Label aussieht, weiß ich nicht genau, ich spreche jetzt nur von den Ausgaben, die wir als Band hatten. Du siehst also, wir machen das aus Begeisterung für die Musik, und weil wir das für uns brauchen, nicht um Geld zu verdienen oder sonstiges. Und den beiden Labels spreche ich dasselbe zu, wer die Leute dahinter kennt, weiß wovon ich rede.
Jetzt endlich zu „Femundsmarka“. Du hast das neue Album zusammen mit Deinem Bruder erschaffen. Wie kam es dazu? War es schwer, Dein „Baby“ mit jemandem zu teilen? Wie oft habt Ihr Euch aufgrund kreativer Differenzen in die Haare gekriegt?
Ja, manchmal war es schwer, und ein- oder zweimal hatten wir uns auch etwas in den Haaren, wenn du das so nennen willst. Wir mussten dann offen über die Probleme sprechen und haben eine Lösung gefunden, aber es war nicht immer einfach. Das liegt hauptsächlich darin begründet, dass mein Bruder und ich eine etwas unterschiedliche Art zu arbeiten haben. Letztendlich war jedoch alles zum Besten der Musik, und auch die Streitpunkte haben wahrscheinlich dazu geführt, dass wir jetzt so stolz auf dieses Album sind. Auch die kreativen Differenzen möchte ich nicht unter den Teppich kehren, auch hier hatten wir manchmal unterschiedliche Ansichten. Meistens konnten wir das allerdings mit einem Kompromiss lösen, und dieser tat der Musik selbst im Nachhinein betrachtet auch am Besten. Zu der Zusammenarbeit kam es durch das Konzept des Albums. Auf dem Album verarbeiten wir ja eine gemeinsame Trekkingreise von 2009, und da wir die zu zweit gemacht haben, war es für mich irgendwie logisch, P. zu fragen, ob er Teil des Albums sein möchte.
Musikalisch hat sich bei Euch ja durchaus einiges getan, auch wenn man sicherlich nicht von einem Stilbruch sprechen kann. Ist das dem frischen Blut zu verdanken, oder hättest Du auch allein den Kurs etwas geändert? Gibt es im Vergleich zum Vorgänger neue Einflüsse, die Deine Musik mitgeprägt haben?
Mein Bruder und ich haben in den letzten Jahren eine ähnliche musikalische Entwicklung durchgemacht, die man meiner Meinung nach auf „Femundsmarka“ auch hören kann. Wir haben uns beide für mehr Musik geöffnet und uns nicht mehr so stark durch die Vorgabe Metal einschränken lassen. Bei uns rotieren inzwischen regelmäßig Post-Rock- und Elektroscheiben, und während bei meinem Bruder noch PORCUPINE TREE und Konsorten hinzukamen, habe ich mich noch etwas dem Indiefolk-Genre zugewandt. Ich denke, diese Offenheit ist es, die man „Femundsmarka“ im Vergleich zu „Herbstklagen“ anhört. Ich möchte den Anteil von P. daran bestimmt nicht mindern, denke aber, dass WALDGEFLÜSTER auch ohne ihn einige neue Elemente enthalten würden. Aber vielleicht sind wir insgesamt durch ihn mutiger geworden, weil er sich nicht im Geringsten darum kümmern musste, welche Erwartungen durch „Herbstklagen“ vielleicht gestellt wurden. Ich weiß nicht, ob ich das Anfangsriff von „Fichtenhain“ in genau dieser Form verwendet hätte, wenn er mich nicht so sehr darin bestätigt hätte. Aber natürlich hat er auch Riffs und Ideen eingebracht, auf die ich nie gekommen wäre, weil wir auch einen unterschiedlichen Stil haben. Insofern sind wir beide für die neuen Elemente gleich verantwortlich.
Das Album ist ja während einer Norwegenreise entstanden bzw. von einer Reise inspiriert worden. Wie muss ich mir das vorstellen: Seid Ihr mit der Absicht nach Norwegen gereist, ein Album zu machen, oder hat sich das spontan ergeben, als Ihr da im Urlaub wart?
Auf „Femundsmarka“ versuchen wir, die Erlebnisse einer gemeinsamen Trekkingtour zu verarbeiten. Die Idee dazu kam auch erst auf der Reise, in erster Linie hatten wir die Tour gemacht, um einmal an unsere Grenzen zu stoßen, die Ruhe und Einsamkeit in der Natur zu suchen und vielleicht auch mehr über uns zu lernen. In keinster Weise bestand davor die Absicht, darüber zu schreiben. Das Ganze stellte sich dann als eine sehr intensive Erfahrung heraus, so dass mir die Idee der musikalischen Umsetzung, um die Erlebnisse zu verarbeiten, jedoch sehr bald kam. Um ehrlich zu sein, war einer der Gründe, warum ich mit dem Schreiben des ersten Textes begann auch der, um mich etwas von der körperlichen Anstrengung und dem ständigen Regen abzulenken. Wenn man sich die ganze Zeit auf ein paar Zeilen konzentriert und diese im Kopf immer wieder verändert, fällt es leichter, Schritt vor Schritt zu setzen.
Was macht Norwegen eigentlich interessanter als die Alpen, die Du ja direkt vor der Haustür hast? „Warum in die Ferne schweifen, liegt das Gute doch so nah?“
Wenn du einmal in den Alpen unterwegs warst und die Natur in den skandinavischen Ländern kennst, weißt du, warum eine solche Erfahrung wie wir sie gemacht haben, hier unmöglich ist. Abgesehen von landschaftlichen Gegebenheiten, die an beiden Orten wunderschön und inspirierend sein können, besteht zwischen beiden Gegenden ein gravierender Unterschied: Die Menschenmassen. Während es uns in Femundsmarka teilweise möglich war, ein, zwei Tage zu gehen, ohne eine einzige Person zu sehen, laufen dir in den bayerischen Alpen unter der Woche in drei Stunden mindestens fünf bis zehn Mann über den Weg, ganz zu schweigen von den Traktoren und Autos, oder den zig Hütten. Wie soll man in solch einer Atmosphäre wirkliche Einsamkeit und Ruhe finden? Natürlich kann auch eine Alpenüberquerung ihren Reiz bieten, und vielleicht machen wir das auch nochmal irgendwann. Für unseren ersten Versuch einer solchen Reise wollten wir jedoch in die wirkliche Wildnis und auf uns alleine gestellt sein. Natürlich sind wir aber auch von der skandinavischen Natur begeistert. Ich denke, das muss man nicht erklären. Ach ja, einen letzten Unterschied gibt es noch zwischen den Alpen und den Naturparks in Norwegen und Schweden. Dort gilt das sogenannte Jedermannsrecht, das es jedem erlaubt, so gut wie überall zu frei zu campen, was eine Trekkingtour natürlich sehr unkompliziert macht. In Deutschland und den angrenzenden Ländern kann man sowas natürlich vergessen, ohne verbietende Regeln wären wir hier nämlich aufgeschmissen und würden uns von jedem Abhang ohne Geländer stürzen. Wir hätten also nur in teuren Hütten übernachten dürfen, was nicht nur teuer, sondern auch nervig ist. Alles Punkte, die gegen die Alpen sprechen. Trotzdem werden wir für unsere nächste Tour wohl nicht so weit reisen, im Augenblick liebäugeln wir mit den Karpaten in der Slowakei. Aber wir werden sehen, was die Zeit bringt.
Ihr arbeitet bei „Femundsmarka“ wieder mit Black Blood Records, also im Prinzip Einheit Produktionen zusammen, also muss der Verein bisher wohl halbwegs ordentliche Arbeit geleistet haben. Oder warst Du nur zur Faul, eine neue Labelheimat zu finden? Wie nervig – auf einer Skala von 1 bis 10 – ist es, ständig zusammen mit allem möglichen Pagangedöns vermarktet zu werden? Oder ist Dir das egal und Du vertraust darauf, dass Eure eigentliche Zielgruppe Euch auch ohne die richtige Werbung findet?
Also um das nochmal klar zu stellen: WALDGEFLÜSTER ist bei Black Blood Records unter Vertrag und hat eigentlich nichts mit Einheit Produktionen zu tun, das sind zwei getrennte Label mit unterschiedlichen Personen dahinter (Nur dass eben BBR bei EP als „Sublabel“ geführt wird. -Ed.). Es ist nur so, dass Björn von Black Blood und Olaf von Einheit seit Jahren befreundet sind und sich gegenseitig Hilfestellung leisten, sei es bei Ständen auf Festivals, oder dass eben der Vertrieb von Black Blood über Einheit läuft. Soweit ich weiß, ist die Promogeschichte nochmal getrennt, die läuft über Einheit, wird aber extra abgerechnet. Werbungen usw. werden natürlich gemeinsam geschaltet, weil es Geld spart, wenn man die Kosten teilt. Insofern läuft zwar viel für uns über Einheit, im eigentlichen Sinne haben wir allerdings nichts mit ihnen zu tun. Und da alle Beteiligten bis jetzt hervorragende Arbeit geleistet haben, Black Blood Records, sowie Einheit, wofür ich ihnen auch sehr dankbar bin, kann ich mich nicht beschweren und mich stört das auch nicht sonderlich, in einer Werbung mit den Einheit-Bands zu stehen. Ich weiß, dass bei Einheit ebenfalls absolute Musikliebhaber zu Gange sind, und die Bands hinter ihrer Musik stehen. Das ist alles, was zählt. Unsere Zielgruppe würde uns nicht besser oder schlechter finden als jetzt, da bin ich mir sicher. Es wurde in diversen Magazinen Promotionsarbeit geleistet, und der Underground-BM bekommt das Ganze wahrscheinlich meistens von irgendwelchen Foren mit. Bis jetzt bin ich wie gesagt absolut zufrieden mit der Arbeit von Black Blood Records, bzw. auch mit der Unterstützung von Einheit, uns verbindet auch ein freundschaftliches Verhältnis. Sollte ich das Gefühl bekommen, dass Black Blood an seine Grenzen stößt mit dem was ich mir vorstelle, werden Björn und ich nochmal über das Ganze reden. Das ist zwischen uns beiden auch so abgesprochen, und es würde dann auch kein böses Blut geben.
Wird es zum neuen Album eine ordentliche Tour geben? Oder werdet Ihr Euch auf einzelne Konzerte und die Festivalsaison konzentrieren? Hättet Ihr für eine Tour überhaupt Zeit?
Wenn sich uns die Gelegenheit böte, würden wir sofort eine Tour machen. Davon träumen wir schon seit einigen Jahren. Bis jetzt hatten wir leider noch nie die Möglichkeit, und es sieht auch nicht so aus, als ob sich daran etwas ändern wird. Sollten wir ein Angebot erhalten, würden wir alles Menschenmögliche versuchen, uns dafür auch Zeit zu schaffen. Ich habe es leichter, da ich inzwischen berufstätig bin und mir wahrscheinlich einfach frei nehmen könnte. Das größere Problem würden wohl meine Livemusiker darstellen, da diese noch studieren und an die Ferien gebunden sind. Aber ich denke, irgendeine Lösung würde sich finden lassen. Für den Sommer sind jetzt leider nur noch zwei Konzerte geplant. Ich hoffe darauf, dass noch ein paar Angebote reinkommen, und wir „Femundsmarka“ auch live etwas öfter präsentieren können. Falls uns irgendjemand buchen will, bitte wendet euch an booking@catapult-promotion.com.
Zum Abschluss darfst Du noch eine Runde Werbung machen. Vielen Dank für Deine Zeit und viel Erfolg mit dem neuen Album.
Vielen Dank für dieses interessante Interview! Mein Bruder und ich hoffen darauf, den einen oder anderen mit „Femundsmarka“ auf eine ebenso intensive Reise mitzunehmen, wie sie es für uns war. Wenn wir das bei nur ein paar Personen erreichen, hat dieses Album seinen Zweck erfüllt.
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