Vyre
Invertierte Sonne und das Imperium der Bärtierchen

Interview

Vier Jahre nach dem zweiten Teil des Konzept-Doppelalbums „The Initial Frontier“ melden sich die Bielefelder Sci-Fi Metaller VYRE zurück und legen ein neues Album hin. „Weltformel“ ist nicht nur auf den ersten Blick wissenschaftlicher und weniger an Raumfahrtthematiken orientiert, sondern auch klanglich komplexer, weniger zugänglich. VYRE-Keyboarder Doc stand metal.de Rede und Antwort zur Entdeckung und Veröffentlichung der „Weltformel“.

Vyre – Live auf dem Culthe Fest 2018 in Münster

VYRE-Keyboarder Doc im Interview zu „Weltformel“

Moin moin Doc!

Hallo Stephan – zunächst einmal danke ich dir für die Gelegenheit, „Weltformel“ auch im Rahmen dieses Interviews einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.

Nun ist ja nicht nur metal.de verspätet mit „Weltformel“ dran, auch VYRE haben eure Fans ein wenig warten lassen: Nachdem eure ersten beiden Alben 2013 und 2014 innerhalb eines Jahres erschienen sind, dauerte es danach rund vier Jahre, bis „Weltformel“ zu hören war. Was lief denn diesmal anders, dass es so lange gedauert hat?

Die ersten beiden Alben, die unter dem Titel „The Initial Frontier“ eine abgeschlossene Duologie darstellen, sind im Wesentlichen deshalb so kurz hintereinander erschienen, weil die Musik beider Teile bereits fertig war, als wir uns auf Label-Suche begeben haben. Weite Teile des Materials waren damals für (G)EIS(T) und den Nachfolger zu „Galeere“ vorgesehen, doch nach dem Split der Band 2011 war klar, dass diese Musik unter neuem Namen an die Öffentlichkeit kommen müsste. Also haben wir mit Demo-Versionen einiger Songs unter dem Namen VYRE die Label-Suche gestartet und haben mit Supreme Chaos Records einen erstklassigen Partner gefunden.

Nachdem die beiden Teile von „The Initial Frontier“ dann im Kasten waren und auf ihre Veröffentlichung warteten, haben wir uns in erster Linie auf die Umsetzung der Musik auf den Bühnen dieser Welt konzentriert – durch die Besetzungswechsel, die uns am Anfang unserer Existenz unter dem Namen VYRE ereilten, war das eine Menge Arbeit. Insbesondere die Live-Umsetzung der sinfonischen Elemente – die auf den beiden ersten Alben von Martin Wiese (ENID) stammten – hat eine Menge Zeit und Kraft gekostet. Vielleicht gab es deshalb nach der Veröffentlichung des zweiten „The Initial Frontier“-Teils eine Art „Schreibblockade“ – es hat jedenfalls eine ganze Weile gedauert, bis Hedrykk und KG Cypher wieder kreativ wurden und erste Ideen für neue Songs auf den Weg brachten. Das mag auch damit zusammenhängen, dass wir uns nach der Loslösung von (G)EIS(T) ein wenig „finden“ mussten, da der schwarzmetallische Rahmen, der die Arbeiten bei (G)EIS(T) zweifellos enorm geprägt hatte, verschwunden war und wir mit dieser neuen „Freiheit“ erst umzugehen lernen mussten.

Anders als bei den vorherigen beiden Alben war es bei „Weltformel“ auch so, dass die mittlerweile gefestigte Besetzung dieses Mal von Anfang an in den Songwriting-Prozess, in die Arrangements – kurz: in die Vision hinter „Weltformel“ – eingebunden war, was bei einer zwischenzeitlich neunköpfigen Band gar nicht so einfach war und dementsprechend auch seine Zeit gedauert hat. Schließlich haben wir uns sehr viel Zeit genommen, die Details der Songs weiter auszuarbeiten und so schon vor den eigentlichen Aufnahmen die finalen Arrangements unter Dach und Fach zu bringen.

Was an „Weltformel“ im Vergleich zu den „The Initial Frontier“-Teilen direkt auffällt, ist, dass das neue Album viel mehr Zeit braucht – während die ersten beiden Alben (zumindest mir) direkt ins Ohr gingen, war ich beim ersten „Weltformel“-Durchlauf regelrecht enttäuscht, wie wenig hängen blieb. Das legte sich von Durchlauf zu Durchlauf, und im Gespräch in Münster sagtest du, dass euch das durchaus bewusst ist. Wie kam es denn dazu? War es das, was das Material hergab, als es schon da war, oder hattet ihr es von Anfang an geplant, ein komplexeres, dafür aber weniger eingängiges Album zu schreiben?

Ich würde nicht sagen, dass „Weltformel“ ein so komplexes Album ist. Wie du schon richtig bemerkt hast, habe ich vor ein paar Monaten, als wir uns beim CULTHE FEST in Münster unterhalten haben, darauf hingewiesen, dass das Album ein „Grower“ ist. (Und ich danke dir dafür, dass du meinen Rat beherzigt und dem Album ein paar Extra-Durchläufe gegönnt hast!) Für mich persönlich liegt das aber gerade daran, dass „Weltformel“ in meinen Augen weitaus weniger komplex ist als die beiden „The Initial Frontier“-Teile. Tatsächlich hatte ich ganz am Anfang der Arbeiten, als lediglich die grobe Struktur der Songs stand, das Gefühl, dass diese sehr langatmig und repetitiv sind. Erst nach und nach wurde mir bewusst – und da muss ich ein ziemlich ausgelutschtes, geflügeltes Wort bemühen –, dass „Weltformel“ mehr ist als die Summe seiner Einzelteile. In meinen Ohren entfaltet sich die atmosphärische Dimension des Albums nicht ganz so schnell wie auf den Vorgängern, ist weniger direkt – aber dafür unaufhaltsam, sobald man den atmosphärischen Faden einmal in der Hand hält.

Ich hatte ja eben schon erwähnt, dass wir uns nach der Veröffentlichung der „The Initial Frontier“-Duologie ein wenig „finden“ mussten, da der durch (G)EIS(T) gesteckte musikalische Rahmen nicht mehr vorhanden war – das hat meiner Meinung nach dazu geführt, dass wir die Songs anders „gefüllt“ haben: In ihrer grundsätzlichen Struktur sind die Songs relativ einfach gehalten, aber gerade dadurch lassen sie viele Freiräume, die wir dann während der Songwriting-Phase mit deutlich mehr Verzierungen gefüllt haben als zu „The Initial Frontier“-Zeiten. Vielleicht sind es diese eher mikroskopisch wirksamen Details, die das Album so komplex wirken lassen – denn „The Initial Frontier“ war sehr „makroskopisch“. Rückblickend denke ich, dass „For Carl“, das tatsächlich das letzte für „The Initial Frontier“ geschriebene Stück ist, einen ersten Vorgeschmack dieser Umorientierung darstellt.

Die Erfahrung mit Freunden der Band, die vorab Auszüge von „Weltformel“ anhören durften, bestätigen diese Einschätzung – und auch viele Rezensionen deuten an, dass man sich etwas länger mit „Weltformel“ beschäftigen muss, um den atmosphärischen Zugang zu finden.

„Man mag zu der Ansicht neigen, dass der Mensch die ‚Krone der Schöpfung‘ sei […], aber den Tardigrada sind wir hoffnungslos unterlegen.“ – VYRE-Keyboarder DocWas würdest du sagen, macht dieses Album so komplex und den Einstieg in dasselbe so schwierig? Sprich, mit welchen Elementen habt ihr gearbeitet, um diesen Eindruck entstehen zu lassen?

Wie schon gesagt finde ich das Album gar nicht so komplex – dass der Einstieg so schwierig ist, liegt meines Erachtens in erster Linie daran, dass wir mit „Weltformel“ eine andere, weniger direkte atmosphärische Dimension aufspannen; interessanterweise ist das kein Resultat einer bewussten Absicht, sondern vielmehr etwas, das sich beim Schreiben und Arrangieren der Songs herauskristallisiert hat. Für uns alle ist im Laufe der Entstehung von „Weltformel“ die bloße musikalische Ebene in den Hintergrund getreten und hat – und es ist beinahe ironisch, dass ich eben von „mikroskopischen“ Verzierungen gesprochen habe – Platz gemacht für das größere Bild, von dem wir alle mehr oder weniger überrascht waren. Ich weiß noch genau, wie ich – während ich an den Synthesizer-Spuren gearbeitet habe – irgendwann dachte: „Verdammte Scheiße, ist das Material stark …“ (Ich darf das sagen – ich habe nämlich außer dem Intro „Alles auf Ende“ die Songs nicht geschrieben, sondern nur weiter „ausgeschmückt“!)

Während die beiden „The Initial Frontier“-Alben ja in erster Linie auf die Raumfahrt-Thematik ausgelegt waren, beschäftigt sich „Weltformel“, zumindest dem Namen nach, mit physikalischer und mathematischer Theorie: Die Weltformel meint ja nämlich die (theoretische) Verknüpfung aller bekannten Theorien zu einer einzigen, physikalischen Beschreibung der Wirklichkeit. Wie kamt ihr auf dieses Thema, und ist das ein übergreifendes Thema des Albums? Oder ist die Platte gar kein Konzeptwerk?

Die Raumfahrt-Thematik ist sicher nicht ganz verschwunden – „Tardigrade Empire“, „We Are The Endless Black“ und „Away Team Alpha“ greifen das Thema mehr oder weniger explizit auf. Tatsächlich nimmt der Begriff „Weltformel“ aber natürlich Bezug auf mehr als nur kosmologisch interessante Themen. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und den Begriff nicht nur auf die Vereinheitlichung von physikalischen Theorien (GUT – grand unified theory, du nennst in deiner Rezension ja die Quantengravitation als Beispiel) beziehen, sondern auch auf gesellschaftliche Fragestellungen, die einer deterministischen Weltsicht zufolge eben auch durch eine vereinheitlichte Theorie erklärt werden könnten (zu diesem Thema gibt es einen sehr spannenden Roman von Cixin Liu, „Der Spiegel“, den ich jedem Sci-Fi-interessierten Leser nur empfehlen kann). Mich als Naturwissenschaftlicher fasziniert natürlich in erster Linie die Vereinheitlichung von grundlegenden naturwissenschaftlichen Theorien – auch, weil ich keine deterministische Weltsicht pflege (bzw. mich nicht der möglichen Illusion des freien Willens berauben lassen möchte); ich finde es aber unabhängig von dieser Determinismus-Diskussion ungemein spannend, die Parallelen und Schnittpunkte zwischen diesen beiden Ebenen zu beleuchten.

Andererseits würde ich aber nicht so weit gehen, „Weltformel“ als Konzept-Album zu bezeichnen – sicherlich hat jeder Song einen konkreten Bezug zum Album-Titel, aber wir erzählen keine zusammenhängende „Geschichte“.

Ich würde gerne noch etwas näher auf die Texte der Platte eingehen: Als erstes sticht der Titel „Tardigrade Empire“ ins Auge, also „Imperium der Wasserbären“ – erläutere doch bitte, was ihr damit meint und wie man auf eine solche Idee kommt.

Die Tardigrada oder Bärtierchen werden auch als „Wasserbären“ bezeichnet, was aber etwas irreführend ist. Die Kern-Idee hinter diesem Song ist die Beobachtung, dass Tardigrada die resilienteste bekannte mehrzellige Art im Tierreich sind: Durch so genannte Kryptobiose sind diese Tiere in der Lage, extreme Umwelt-Bedingungen (Sauerstoffmangel, extreme Temperaturen, kosmische Strahlung etc.) zu überdauern. Man mag zu der Ansicht neigen, dass der Mensch die „Krone der Schöpfung“ sei – und in der Tat sind Menschen einem Großteil des Tier- und Pflanzenreichs dadurch überlegen, dass sie sehr intelligent und dadurch extrem anpassungsfähig sind –, aber den Tardigrada sind wir hoffnungslos unterlegen. Wenn der Planet Terra sich irgendwann aufmacht, den Kosmos zu erforschen, dann sollte er zusehen, dass er eine Menge von den Tardigrada lernt – oder direkt ein „Tardigrade Empire“ losschicken …

Entdeckten nach „The Initial Frontier“ ihre neue künstlerische Freiheit: VYRE anno 2018.

Während „Tardigrade Empire“ ja noch ganz witzig klingt, geht es im Rest des Albums (zumindest scheinbar) etwas düsterer zu – zum Beispiel heißt da der Quasi-Opener „Shadow Biosphere“, darüber hinaus gibt es noch „We Are The Endless Black“ und „Away Team Alpha“ (das ich als „Star Trek“-Verneigung verstehe?). Erläutere doch bitte, worum es in den einzelnen Songs geht, und inwiefern ihr Musik und Inhalte verknüpft habt.

„Shadow Biosphere“ behandelt grob gesagt die Möglichkeit, dass es fernab dessen, was der Mensch unter „Leben“ versteht, noch etwas anderes gibt, das mit Flora und Fauna, so wie wir sie kennen und zu verstehen meinen, keinerlei grundlegende Berührungspunkte hat – so ist es ja durchaus vorstellbar, dass sich „Leben“ (was immer der Begriff wirklich bedeuten mag) auf Basis einer komplett anders strukturierten DNA entwickelt. Dabei kann der Titel „Shadow Biosphere“ in zwei Richtungen interpretiert werden – zum einen in Richtung einer Biosphäre, die wirklich im „Schatten“ des etablierten „Leben“s existiert, einen kleineren Lebensraum bevölkert, unentdeckt im Dunkeln liegt; andererseits kann der Titel aber auch darauf hindeuten, dass es möglicherweise eine Biosphäre gibt, die sich von Licht unabhängig entwickelt hat – also ohne Photosynthese, die ja erst den Übergang zu einer sauerstoffreichen Atmosphäre ermöglicht hat (was wiederum aber auch bedeuten könnte, dass diese hypothetische Biosphäre der toxisch wirkenden Sauerstoff-Atmosphäre zum Opfer gefallen ist). Wie auch immer man den Titel interpretieren mag – im Zentrum steht die Evolution …

… womit wir auch gleich bei „Life Decoded“ wären: Dieser Song beschäftigt sich mit den Grundbausteinen des (bekannten) Lebens – also mit den Nukleotiden, die in Form der DNA die Sequenz der Aminosäuren für die Proteine kodieren. Der Song geht aber einen Schritt weiter und stellt die Frage, wie aus diesen einfachen Buchstaben (wenn man mal in der biochemischen Darstellungsweise bleibt) so etwas wie Bewusstsein entsteht.

„The Hitch (We Are Not Small)“ ist wie schon „For Carl“ ein Instrumental, das einem weiteren brillanten (aber viel zu früh verstorbenen) Kopf gewidmet ist, nämlich Christopher Hitchens. Beiden gemeinsam ist, dass sie sich für die Naturwissenschaft stark gemacht und jegliche „Transzendenz“, wie sie (nicht nur) von den Religionen „gelehrt“ wird, strikt abgelehnt haben. Wir hoffen sehr, dass wir nicht so bald Songs wie „What’s up, Dawk?“ oder „Neil Before Us!“ schreiben müssen …

Der Untertitel in Klammern greift jedoch noch einmal thematisch etwas die ersten drei Songs auf – die Aussage „We Are Not Small“ thematisiert einerseits das anthropische Prinzip, andererseits beruht sie auf dem Gedanken, dass sich intelligentes Leben möglicherweise nur in der Größenordnung entwickeln kann, in der wir uns befinden: Alles, was deutlich kleiner ist, gibt nicht die Kapazitäten für neuronale Netzwerke her – alles, was deutlich größer ist, wäre zu langsam, um Intelligenz hervorzubringen.

„We Are The Endless Black“ beschäftigt sich mit dem Aufbruch ins Weltall, das nun einmal in erster Linie aus endloser Schwärze besteht. Der Song stellt die Frage, wie sich diese endlose Schwärze auf uns Menschen auswirken könnte – und inwieweit diese Schwärze den Menschen während der Reise durch das Weltall assimilieren würde; wann der Mensch subjektiv die Aussage „We Are The Endless Black“ tätigen würde. Auch hier möchte ich Cixin Liu empfehlen, der in seiner Trilogie „Remembrance Of Earth Past“ (bestehend aus „The Three Body Problem“, „The Dark Forest“ und „Death’s End“) unter anderem auch dieses Thema aufgreift.

„Away Team Alpha“ knüpft in gewisser Weise an „We Are The Endless Black“ an – nämlich dort, wo die Pioniere aus diesem Song einen Planeten finden, der scheinbar als Refugium der menschlichen Rasse geeignet ist. Scheinbar – denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein extraterrestrischer Planet exakt dieselben Bedingungen bieten wird, die wir von der Erde kennen. Ohne ein gewisses Maß an „terraforming“ wird es nicht möglich sein, andere Planeten zu besiedeln – und hier liegt die Gefahr für jegliche „Away Teams Alpha“! In gewisser Weise ist der Titel natürlich eine „Star Trek“-Referenz, auch wenn es hier um die eben angesprochenen Pioniere geht, die extraterrestrische Welten zur Besiedlung erschließen sollen …

Der Titel besitzt aber noch eine andere Konnotation – das erste T-Shirt, das es von VYRE (zu „The Initial Frontier“-Zeiten) gab, trug nämlich genau diesen Schriftzug, ohne dass es auch nur den Hauch einer Ahnung gab, dass wir irgendwann einen Song dazu schreiben würden. Der Schluss-Song von „Weltformel“ schließt so in gewisser Weise einen Kreis – und wir werden diese Referenz auch demnächst aufgreifen; Näheres wird es zu gegebener Zeit über unsere Facebook-Seite geben …

Invertierte Sonne und physikalische Formeln: das Cover-Artwork von „Weltformel“.

Im Gegenzug zu den beiden Artworks von „The Initial Frontier“ wirkt das von „Weltformel“ etwas zurückgezogener und lässt weniger an Science Fiction denken. Das steht sicherlich in Verbindung mit der thematischen Ausrichtung der Alben. Erkläre doch trotzdem einmal, was ihr in dem „Weltformel“-Cover seht und was die Geschichte dahinter ist.

Auch diese Veränderung ist ein Resultat der künstlerischen „Freiheit“, die wir nach der „The Initial Frontier“-Duologie zu erkunden begannen. Die Cover-Artworks der ersten beiden Alben (Hicham Haddaji / Strychneen Studio) waren – wenngleich wir bis heute höchst zufrieden damit sind! – sehr stark in die Nische Black Metal / Science Fiction gepresst; mit „Weltformel“ wollten wir auch diesen Rahmen aufbrechen und haben uns daher für einen einfacheren Ansatz entschieden, der durch seine „Zurückgezogenheit“ (wie du sie nennst) sehr viel Offenheit mitbringt; dem Hörer weniger „vorgibt“ – oder wärst du bei dem Cover (wenn du die Band und die Vorgänger-Alben nicht kennen würdest) mit einer präzisen Erwartungshaltung an das Album gegangen?

Wir haben uns recht schnell für das (invertierte) Bild der Sonne entschieden, weil diese in gewisser Art und Weise das verbindende Element der einzelnen Songs ist. Über die auf dem Cover abgebildeten Formeln haben wir etwas länger diskutiert – die eine Fraktion hat sich daran gestoßen, die vermeintlich ausgelutschte Relativitätstheorie (E = mc2) in den Mittelpunkt zu stellen, und wollte lieber einen Schritt weiter gehen und String-Theorie, M-Theorie oder vergleichbare Theorien und Formeln dazu aufnehmen; die andere Fraktion (die sich letztlich durchgesetzt hat) sah in der Formel allerdings (zu Recht) eine zentrale Errungenschaft der naturwissenschaftlichen Forschung und mehr noch einen Symbolgehalt, der mit vermeintlich komplizierteren und weniger geläufigen Formeln nicht erreicht werden konnte.

Mittlerweile sind VYRE ja, wenn alle dabei sind und die Metal Archives nicht lügen, ganze neun Bandmitglieder. Wie kam es dazu? Und ist es nicht wahnsinnig komplex, so viele Leute unter einen Hut zu bekommen, zum Beispiel, wenn es um Terminabsprachen für Proben, Live-Auftritte oder Studioaufnahmen geht?

Diese Informationen stimmen so leider nicht mehr zu hundert Prozent. Durch den Umzug unseres Geigers und die starke berufliche Auslastung von Nostarion (Cello) sind wir derzeit „nur“ zu siebt – und treten auch in dieser Formation auf, soweit es möglich ist. Denn du hast natürlich Recht: Es ist zeitweise extrem schwierig, alle Bandmitglieder unter einen Hut zu bekommen – das betrifft sowohl die Proben als auch die Live-Auftritte. Da wir die Aufnahmen komplett in Eigenregie durchgeführt und lediglich Mix und Mastering in die fähigen Hände von Jörg Uken (Soundlodge) gegeben haben, konnten wir hier die Arbeiten maximal flexibel gestalten – so konnte ich zum Beispiel meine Synthesizer-Spuren komplett am heimischen Rechner aufnehmen und musste diese „nur“ in geeigneter Form zum Mix und Mastering zur Verfügung stellen.

Was Proben und Auftritte angeht, ist die tatsächliche Organisation immer eine Frage der anstehenden Aktivitäten – so lange keine Auftritte anstehen, kommen wir äußerst selten vollständig zu Proben zusammen (tatsächlich haben die letzten Proben in vollständiger Besetzung kurz vor dem Release-Konzert in Bielefeld Anfang Mai stattgefunden). Wir haben allerdings das große Glück, dass wir sieben sehr fähige Musiker an Bord haben, bei denen der Fokus nur sehr wenig bis gar nicht auf den individuellen Beiträgen liegt – wir können uns daher bei den Proben wirklich ganz auf unsere Geschlossenheit als Band konzentrieren.

Last but not least:
Kannst ihr schon was darüber sagen, wie es mit VYRE weitergeht? Wie sieht die nähere, und wie (möglicherweise) die fernere Zukunft aus?

Momentan konzentrieren wir uns auf anstehende Konzerte, insbesondere auf die Live-Umsetzung der „Weltformel“-Songs. Da (Stand jetzt) das nächste Konzert aber erst im Oktober ansteht, passiert wie eben angedeutet aktuell nicht besonders viel. Dazu kommt, dass das Jahr 2018 für vier VYRE-Mitglieder durch (kommenden oder bereits geborenen) Nachwuchs geprägt ist bzw. sein wird – da setzen wir selbstverständlich andere Prioritäten, weshalb wir bei zwei Konzerten in der jüngeren Vergangenheit (unter anderem eben auch auf dem CULTHE FEST, wo wir uns gesehen hatten) schon auf die Dienste von Mätty (LOST WORLD ORDER) als Aushilfs-Gitarristen zurückgegriffen haben. (Ein herzliches Dankeschön noch einmal an dieser Stelle!) Wie sich die Situation für den Rest des Jahres gestaltet, wird sich noch zeigen müssen – wir sind aber vorbereitet und werden unserem Publikum das Bestmögliche bieten.

Es gibt tatsächlich auch einige neue Ideen für die Live-Zukunft VYREs, die wir momentan intensiv diskutieren – es ist aber noch zu früh, hier ins Detail zu gehen. Man darf gespannt sein!

Das war es soweit von mir – vielen Dank für das Interview und eure Zeit! Die berüchtigten letzten Worte gehören natürlich dir!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Hört euch „Weltformel“ bei Bandcamp oder Youtube an – mehr als einmal, wenn möglich! Es wird sich lohnen … Cheers und: „Be the future!“

14.07.2018
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