Vrani Volosa
Interview mit Hristo zu "Heresy / Epec"

Interview

Vrani Volosa

Überraschend ist das Album „Heresy / Epec“ der bulgarischen Band VRANI VOLOSA gleich in doppelter Hinsicht: Einmal natürlich ist diese rockige, emotionale Scheibe überraschend gut. Zum anderen aber auch überraschend anders als sein Vorgänger, das 2006er Album „Where The Heart Burns“, das auf unseren Seiten ob seines gelungenen Pagan Black Metals gelobt wurde. Wie es zu diesem Stilwechsel kam und was es sonst noch über das neue Werk zu berichten gibt, lest Ihr im folgenden Interview. Sänger Hristo gibt uns Auskunft.

Zunächst bin ich auf sehr positive Art überrascht: „Heresy/Epec“ kombiniert viele Elemente aus der Rockmusik und bulgarischer Folklore mit der Entschlossenheit des Metal: Das klingt ziemlich außergewöhnlich. Wie sind VRANI VOLOSA bei diesem Mix unterschiedlicher Stile gelandet?

Was soll ich sagen – wir haben ja nichts geplant, die Entwicklung unseres Stils ergab sich auf eine sehr natürliche Art, vom Grund unserer Herzen und unserer musikalischen Wurzeln. Weißt du, wenn man in einer Band spielt, ist die Liebe zur Musik die treibende Kraft und gerade nicht, wie man möglichst groß wird und ein großes Geschäft aus der Sache macht. Als ich aufwuchs, habe ich von meinen Großeltern bulgarische Volksweisen zu singen gelernt, und gleichzeitig hat mich mein Vater in die Magie der Rockmusik eingeführt. Ich glaube, dass ich diesen Stilmix sozusagen als Botschaft von meinen Verwandten mitbekommen habe. Sie haben mich auf diese Art gelehrt und gaben mir die Möglichkeit mit, selbst einzuschätzen, zu kategorisieren, zu definieren und zu entscheiden, was ich eigentlich mag. „Heresy“ ist somit nicht nur unser zweites Album; für mich bedeutet es alles. Diese LP spiegelt meine Seele wider, meinen Verstand, meine kulturellen Traumbilder, meine Neugierde und meinen Mut, sowohl musikalisch als auch geistig auf Entdeckungsreise zu gehen. Und es ist eine Botschaft an gleiche Seelen – „bitte vereinigt euch!“.

Du hast Deine Sozialisation als Sänger schon angesprochen – bei VRANI VOLOSA singst Du ausschließlich clean, aber früher hattet Ihr mit Atanas noch einen zweiten Sänger in der Band, der sich um den harschen Gesang gekümmert hat. Wieso habt Ihr Euch entschieden, nur noch Klargesang einzusetzen?

Nun, Atanas war (und ist es immer noch) ein guter Freund von mir. Wir haben eine Menge durchgemacht, um VRANI VOLOSA zum Laufen zu bringen, und als er ausstieg, war ich erschüttert. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Es war ein herzzerreißender Moment, der fast die Band getötet hätte. Danach brauchte ich erstmal ein paar Monate Auszeit, in denen ich nicht über diese oder andere Bands nachdenken wollte… Aber immer, wenn ich mir meine Gitarre schnappte und ein bisschen improvisierte oder einfach nur Krach machte, kamen mir lauter coole Ideen, bei denen ich dachte: „Eh, das würde gut zu VRANI passen!“ – und eines Tages habe ich wieder angefangen neue Songs zu schreiben. Es war sozusagen wie eine Ragnarok für mich: Ich wollte die Vergangenheit abfackeln, um auf der Asche die Zukunft der Band aufzubauen. Damals wusste ich schon, dass ich Atanas nicht ersetzen kann – er war ein außergewöhnlicher Frontmann mit einer außergewöhnlichen Stimme für Black Metal. Also habe ich entschieden, die Texte selbst zu singen und VRANI VOLOSA zu neuen musikalischen Dimensionen zu führen. Ich denke, dieser Schritt wird für viele unserer alten Fans drastisch erscheinen, aber auf mich wirkte es sehr erfrischend – es gab mir die Gelegenheit zu erforschen, etwas Einzigartiges zu erschaffen und somit ein Künstler zu werden.

Du hast bei VRANI VOLOSA noch vier Mitstreiter – stell sie doch einfach mal kurz vor!

Ok, das mache ich natürlich gerne. Wie Du sagtest, sind wir heute eine fünfköpfige Band. Kolyo und Petar sind unsere Gitarristen, Dessislav unser Drummer, Alexander ist zuständig für die tiefen Frequenzen und ich singe. Ich glaube, wir sind ein guter Haufen von Banditen, aber vor allem gute Freunde. Wir denken nicht so sehr an die geschäftliche Seite der Musik, sondern vielmehr ans Gegenteil – wir möchten Dinge erschaffen und das spielen, was in unseren Herzen und Gedanken ist!

Ich muss Dich natürlich zu Eurem Bandnamen fragen: In Eurer Biographie steht, dass VRANI VOLOSA der bulgarische Ausdruck für „schwarzes Haar“ sei, in den Metal-Archives wiederum heißt es, Euer Bandname sei der alte slawische Ausdruck für „Raben von Veles“. Was stimmt nun, was ist falsch, und wie seid Ihr zu diesem Bandnamen gekommen?

Ich denke, beide Darstellungen und Übersetzungen sind korrekt. Es gibt da wohl ein verstecktes Wortspiel, nehme ich an, hehe! Nun, ursprünglich habe ich den Namen wegen der Bedeutung als „schwarzes Haar“ gewählt, weil dies in Form eines Pferdeschweifs, der aus tausenden schwarzen Haaren besteht, auf der Flagge der Protobulgaren abgebildet war. Es ist ein Symbol unserer Nation, eine Verbindung zu unseren Vorfahren, und ich mag den Namen der Band wirklich, weil er unsere starke Verbindung zu den Slawen repräsentiert. Im Ausdruck „Vrani Volosa“ kannst du ein bulgarisches und ein slawisches Wort finden: „vran“ bedeutet im Protobulgarischen „schwarz“ und „volosa“ bedeutet „Haar“ im Slawischen. Die Geschichte Bulgariens basiert auf der Symbiose von Slawen und Protobulgaren, und diese Symbiose hat die Nation in gewissen Zeiten. Ich finde, dass es wirklich wichtig ist, dass das jeder weiß.

Und zu der zweiten Bedeutung: Wenn du die Betonung auf die erste Silbe des Wortes „Volosa“ legst, ändert sich die Bedeutung des Ausdrucks in „Raben von Volos“, und „Volosa“ ist ein anderer Name für „Veles“, hehe!

Die Aufnahmesessions für „Heresy“ hatten ja schon 2007 begonnen. Was kannst Du darüber berichten – warum haben sie sich so lange hingezogen, und woran erinnerst Du Dich am meisten, wenn Du auf sie zurückblickst?

Ja, das stimmt, wir hatten bereits 2007 mit den Aufnahmen begonnen. Die interessanteste Sache war sicherlich, dass wir aus 30 Songs auswählen mussten, welche Stücke letztlich übrigbleiben und welche nicht. Es war schon eine seltsame Reise – tagsüber musste ich arbeiten, abends ging es dann ins Studio, wo wir bis in die Nacht aufgenommen haben, und am Wochenende haben wir munter weiter komponiert, haha! Es hat dann insgesamt zwei Jahre gedauert, bis sich unser Traum von einem zweiten Album erfüllt hat, aber wir hatten zusammen mit unserem Klangtechniker Astaroth eine großartige Zeit im Studio, auch wenn es Probleme mit der Software und den Computern gab und es wirklich schwer ist, die Finanzierung für solch ein Projekt auf die Beine zu stellen. Aber jetzt bin ich wirklich glücklich über mein zweites Kind, und ich bin stolz auf unsere Fans in Bulgarien, die live unsere Texte mitsingen können!

Okay, Du bist also auch mit einigem Abstand noch sehr zufrieden mit „Heresy“ – gibt es denn schon Pläne für ein weiteres Album?

Ich liebe „Heresy“. I weiß genau, was es von mir abverlangt hat, um das Album fertigzustellen. Ich liebe es wirklich extrem, und ich versuche erst gar nicht, es irgendwie einzuordnen oder zu bewerten. Es ist in erster Linie ein Strom von Gefühlen, den wir freisetzen mussten, und ich bin stolz darüber, dass wir die Möglichkeit und die Geduld hatten, das Album aufzunehmen und unsere Botschaft unter den Fans zu verbreiten. Die Resonanz hier in Bulgarien ist wirklich gut, und das macht mich wahrscheinlich zufrieden. Und da möchte ich nicht das Interesse von Einheit Produktionen vergessen: Ich war erstaunt, dass sie interessiert an unserer Musik waren und daran geglaubt haben, dass die Musik von VRANI VOLOSA für Fans in Westeuropa interessant sein könnte.

Was ein neues VRANI-Album angeht: Wir haben bereits mit dem Songwriting angefangen und haben sechs Songs fertig komponiert und arrangiert. Wir bräuchten noch vier oder fünf weitere Lieder, um ins Studio zu gehen. Ich denke, das werden wir im nächsten Jahr angehen.

Lass uns noch ein wenig bei „Heresy“ bleiben. Was kannst Du über den Titel erzählen, und was hat es mit dem Zusatz „Epec“ auf sich?

„????“ ist einfach das bulgarische Wort für „Heresy“, wir haben den Titel also einfach bilingual auf dem Cover abgedruckt, damit jeder die Message verstehen kann. Zum Titel selbst: „Heresy“ leitet sich vom griechischen Wort „hereticos“ ab, das so viel wie „er, der widersteht“ bedeutet. Wir folgen diesem Motto sowohl musikalisch als auch textlich, da wir den Änderungen in der Band sozusagen widerstehen mussten – den Line-Up-Wechseln und der neuen musikalischen Richtung. Und um zu verdeutlichen, dass wir nunmehr keine Grenzen in der Sprache der Musik fühlen, um unseren persönlichen Status auszudrücken. Und wir fühlen gleichzeitig auch keine Last durch unsere musikalische Vergangenheit. Somit bedeutet „Heresy“ für uns die Freiheit, falls du kämpfen kannst!

Beispielsweise in den Songs „Horizon“ oder „The Words That Ruin Me“ evoziert „Heresy“ ziemlich starke Bilder. Was steht für Dich als Hauptsongwriter der Band im Vordergrund, wenn Du Musik schreibst?

Für mich begann ja alles als ein Hobby. Ich habe von Zeit zu Zeit aus Spaß mit meinen Freunden zusammen gespielt, wenn wir mal ein Bierchen gezischt haben. Dann habe ich mich aber mehr auf das Schreiben und Aufnehmen der Musik konzentriert, ich fühlte, dass ich Musik mache, weil etwas mit mir geschah, etwas, das ich sah und das sozusagen mein Herz berührte. Für mich ist das Schreiben von Musik heutzutage die einzige Freiheit, die ich fühle.

Hm, wenn „Heresy“ ein Gemälde wäre, welches Motiv hätte es und in welcher Technik wäre es gemalt?

Es wäre auf jeden Fall in der Technik Öl auf Leinwand gemalt. Vielleicht ein Schwarzweißgemälde der fünf Mitglieder von VRANI VOLOSA, weil wir diejenigen sind, die den Schwierigkeiten des realen Lebens widerstehen.

Was denkst Du ist das außergewöhnlichste Merkmal von VRANI VOLOSA?

Die Einfachheit der Gitarrenakkorde kombiniert mit meinem Gesang. Ich möchte nicht, dass unsere Musik wie ein Hammer in dein Gesicht schlägt, sondern ein Schlüssel zu deiner Seele ist.

Ich frage mich, ob es eine Metal-Szene in Bulgarien gibt!? Steht Ihr mit anderen Bands in Kontakt?

Oh ja, es gibt gerade eine Menge Metal-Bands in Bulgarien, die alle möglichen Stile abdecken. Sehr wichtig sind derzeit THE REVENGE PROJECT (Melodic Death Metal, sie haben unter anderem Bands wie SODOM, DESTRUCTION und DIMMU BORGIR supportet), DIMHOLT (Black Metal), UNHUMANITY (Brutal Death Metal), THE OUTER LIMITS (Old School Thrash Metal wie TESTAMENT und ANTHRAX), PAST REDEMPTION (Brutal Death Metal), ENTHRALLMENT (Death Metal), SHAMBLESS (Pagan Black Metal) und viele, viele andere. Ich habe mit den meisten von ihnen Kontakt, wir helfen uns gegenseitig – Equipment und Unterkunft, was gerade benötigt wird. Wir haben ein paar lokale Festivals in der Nähe von den großen Dinosauriern wie dem Sonisphere. Die meisten von ihnen sind nicht so groß, aber das Kavarna Rock Festival wird dieses Jahr großartig – OPETH, KATATONIA, MOONSPELL, TIAMAT und viele andere werden dort auftreten.

Natürlich wollen wir auch wissen, ob ihr irgendwo auftretet – vielleicht sogar in Deutschland?

Ja, es gibt Pläne für einige Auftritte, ein paar in Nordbulgarien, und dann gibt es einen einzigen in Deutschland, den wir dank Einheit Produktionen an Land ziehen konnten. Das ist zwar noch nicht hundertprozentig sicher, aber bald werden wir es wissen und Euch allen Bescheid sagen.

Viele Danke für das Interview. Die letzten Worte überlasse ich gerne Dir!

Vielen Dank für Euer Interesse an VRANI VOLOSA und der Metalszene in Bulgarien. Ich wünsche Euch Gesundheit und Euren Lesern ein glückliches Metal- und Rockdasein!

20.05.2011

- Dreaming in Red -

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