Voodoo Kiss
"Ich bin ein Selfmade-Typ ohne trainierte oder schöne Stimme"
Interview
VOODOO KISS sind so etwas wie die Urheber des Summer Breeze Open Air, wenn es um Bands und deren Bedeutung geht. Zum 25sten Festivaljubiläum wurde das Projekt mit einem selbstbetitelten Album reaktiviert. Nun ist die Truppe aus dem Ostalbkreis mehr am Leben denn je und hat kürzlich mit „Feel The Curse“ einen Nachfolger präsentiert. Auf dem diesjährigen Summer Breeze stellte sich also unter anderem die Frage, ob wir es wieder mit einer richtigen Band zu tun haben. Dazu standen die Mitglieder Steffi Stuber, Gerrit Mutz und Klaus Wieland Rede und Antwort.
Wir beginnen mit einem kleinen „Shotgun-Start“, zu dem Ihr euch möglichst intuitiv zu den jeweiligen Auswahlmöglichkeiten äußert.
Nord- oder Süddeutschland:
Gerrit Mutz: Ich bevorzuge Süddeutschland, weil ich dort wohne. Aber ich würde demnächst gerne mal in Norddeutschland Urlaub machen.
Klaus Wieland: Süddeutschland. Heimat. Super.
Steffi Stuber: Ganz klar, Heimatvorteil.
Ich habe eure Show Heute gesehen und auch deinen Hinweis in Richtung deines T-Shirts gehört, Gerrit. Von daher sollte die nächste Frage für Dich wohl klar sein. Hund oder Katze:
Gerrit: Nein, gar nicht so klar. Ich bin eigentlich ein Hundemensch, meine Frau ist Katzenmensch. Über sie habe ich diese Tiere absolut lieben gelernt und würde dann sagen 50:50. Ich finde eh alle Tiere geil.
Klaus Wieland: Ich passe mich an.
Steffi Stuber: Eindeutig Hundemensch. Ich habe keine Berührungspunkte mit Katzen, auch wenn ich ebenfalls sämtliche Tiere mag. Aber das ist klar.
US-Metal oder New Wave Of British Heavy Metal:
Gerrit: Das ist für mich sehr einfach zu beantworten, denn ich war in erster Linie riesiger US-Metal-Fan, während mir das New-Wave-Zeug einfach zu altbacken war. Ich wollte immer höher, weiter, schneller härter und habe erst Ende der Achtziger die Sachen der Endsiebziger und frühen Achtziger für mich entdeckt. Heute höre ich aber ganz viele Bands, die mir damals viel zu harmlos und schnulli waren. 1982 oder 83 hättest du mich mit TYGERS OF PAN TANG jagen können, aber heutzutage find ich es geil. Das gilt stellvertretend für ganz viele NWOBHM-Bands, die ich dann später entdeckt habe.
Klaus: Für mich auf jeden Fall USA. Der traditionelle Heavy Metal, auch wie wir ihn hier praktizieren. Das ist eben absolut Old School.
Steffi: Halb, halb. Das kommt auf die Bands an.
Das letzte Mal habe ich mit Achim vor zwei Jahren über VOODOO KISS gesprochen. Damals war noch eindeutig die Rede von der Reaktivierung eines Projektes. Ist es inzwischen aus eurer Sicht eine Band?
Gerrit: Das ist auch gar nicht so einfach zu beantworten, denn wir machen das aktuell einfach so, wie es geht. Meine Hauptband ist SACRED STEEL, dazu gibt es noch die Doom-Bands ANGEL OF DAMNATION und DAWN OF WINTER. Ich muss sagen, dass VOODOO KISS eine Sache ist, die ich einfach sau gerne mache, wenn sich dafür Zeit ergibt. Ich mag die Menschen, die dabei sind und die Musik macht mir einfach eine Höllenlaune. Das ist für mich mal etwas ganz anderes, da ich eigentlich sehr verkopft an Dinge heran gehe und das hier komplett aus dem Bauchgefühl heraus funktioniert. Auch die Lässigkeit der Musik habe ich versucht durch die Texte widerzuspiegeln. Das mache ich eigentlich nie. Ich bin ein verbitterter Drecks-Zyniker und wenn dann etwas kommt, was einem einfach eine gute Laune bereitet, dann ist das erstmal ein seltsames Gefühl. Aber ich genieße das.
1982, ohne Breakdowns
Ich habe heute ein buntes T-Shirt mit einer Katze drauf getragen. Sowas wirst du unter meinen 600 Shirts nicht finden, aber ich habe mich einfach wohl gefühlt, weil ich mich in der Band wohl fühle. Jetzt sage ich tatsächlich Band, aber wir müssen halt schauen, wie es sich zeitlich ergibt. So lange die Ideen sprudeln und auch Achim Zeit hat, können wir gerne auch noch eine dritte Platte machen. Wenn nicht, dann ist es halt irgendwann vorbei. Wir haben keinen Masterplan, sondern machen das aus Spaß an der Freude, solange es geht.
Klaus: Ich bin Gründungsmitglied aus dem Jahr 1995 – ich war damals 30, Achim 16. Der Anfang von VOODOO KISS war wirklich toll, doch dann ist das Ganze irgendwann gestorben und ich habe in einer Thrash-Metal-Band weitergemacht. Keiner hätte eigentlich gedacht, dass es mit VOODOO KISS wieder so erfolgreich wird, doch wo die Sache hindriftet, wissen wir noch nicht. Es fing an mit „Lass uns mal drei Songs zum 25-jährigen Breeze-Jubiläum machen“. Aus drei wurden acht und so weiter. Kurios, dass unser Gitarrist noch sämtliches Songmaterial auf alten V8-Tapes hatte, woraus das komplette erste Album und auch die Arrangements auf „Feel The Curse“ stammen. Dies wurde nochmal überarbeitet, alles etwas technischer, etwas moderner.
Gerrit: Wobei moderner heißt, dass wir nun nach 1982, nicht nach 1979 klingen. Nicht, dass jetzt irgendjemand Breakdowns oder so erwartet.
Steffi: Ergänzend kann man noch sagen, dass die Band eigentlich einen Sänger gesucht hat, der eben klingt wie damals. Als ich mir das Ganze dann zum Vorsingen angesehen habe, war das schon weit weg von dem, was ich sonst so mache. Meine Hauptband ist MISSION IN BLACK, Melodic Death Metal. Ich fand es dann aber cool, dass Achim mich trotzdem dabei haben wollte, obwohl mit Gerrit schon ein wirklicher Old-School-Sänger an Bord war. Ich denke, das macht den etwas moderneren Einfluss auch irgendwo aus.
Gerrit: Ich bin inzwischen Mitte Fünfzig und dazu gerne in meiner Komfortzone verhaftet. Als wir das dann mit Steffi ausprobiert und gemerkt haben, dass die Stimmen harmonieren, war ich schon überrascht. Auf einmal klingen die Songs eben anders. Das wirft man auch nicht leichtfertig weg. Viel mehr lassen wir jetzt den Ball einmal rollen und sehen wo es hingeht.
Für dich Gerrit ist das auch das erste Mal, dass jemand praktisch gleichzeitig mit Dir an der Gesangsposition steht, oder?
Gerrit: Spontan ist das in den letzten 30, 40 Jahren schon ein paar Mal passiert. Zum Beispiel, als wir in den Neunzigern mit NEVERMORE auf Tour waren, hat mich Warrel Dane für einen Song auf die Bühne geholt. Also letztlich habe ich mit Helden von mir schon etliche Male ein Duett gesungen, aber das ist eben was völlig anderes, als wenn du Songs darauf zuschneidest. Du hast ganz andere Möglichkeiten, fast wie bei JUDAS PRIEST mit zwei Gitarren, nur eben mit zwei verschiedenen Stimmen, die du miteinander kombinieren kannst. Das kannte ich nicht. Ich bin, was das angeht, geistig recht unflexibel und Steffi bringt da wirklich frische Ideen rein. Das begeistert und inspiriert mich dazu, auch etwas Out of the box zu denken. Obwohl VOODOO KISS traditionelle Musik machen, ist das für mich gewissermaßen Neuland, und das mit Mitte Fünfzig sagen zu können, macht einfach Höllenlaune.
„Voodoo Kiss“ bestand komplett auf alten Songs aus der Mottenkiste. Jetzt habe ich euch richtig verstanden – für „Feel The Curse“ gilt praktisch das gleiche?
Klaus: Ja, das Durchforsten dieser alten Aufnahmen ergab eine Vielzahl an Möglichkeiten, was man noch umschreiben oder leicht verändern könnte. Sollte es ein weiteres Album geben, gilt es erneut in diesen Dingen zu graben. Ich habe schon ein bisschen Angst davor, aber es ist nichts unmöglich.
Nochmal ganz von vorne mit neuen Kompositionen beginnen, kommt für Euch nicht in Frage?
Klaus: Sag niemals nie. Das ist auch ein Zeitfaktor, wie viel Energie man dort hineinstecken muss. DESPISE, meine Hauptband, stehen aktuell auch unter Zugzwang, was den Release eines neuen Albums angeht.
Gerrit: Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was von den Songs aus der Mottenkiste ist, und was nicht, denn ich kenne die alten Songs nicht. Wenn das Ganze nach 1981-1983 klingt, dann ist das für mich sowieso okay. Ich hoffe, sie finden noch etwas, denn ich hätte Bock auf ein drittes Album, schon alleine, da ich so viele Ideen habe, was ich textlich noch alles umsetzen kann. „Feel The Curse“ war ja nun ein Konzeptalbum, weil mir das Artwork der ersten Platte so gut gefallen hat. Dazu standen die voneinander unabhängigen Texte des ersten Albums ja schon und ich hatte es extrem schwer, mir diese zu merken. Ich bin es seit 45 Jahren gewohnt, eigene Texte zu singen – das war einfach nicht meine Erlebenswelt. Meine Frau kennt meine Ideen zu einem neuen Album schon, auch wenn ich die ganzen Inputs noch etwas herunterdampfen muss, sodass der Humor vorzeigbar ist.
„Ich bin ein Selfmade-Typ ohne trainierte oder schöne Stimme“
Steffi: Für das neue Album sollte es auch einen Song geben, indem mein Anteil deutlich größer ist. Achim hat mir dazu dann eine uralte Proberaumaufnahme in bester Qualität geschickt und ich habe überlegt, wie man den Song umbauen kann, dass er besser in meinen Rahmen passt. Die Aufnahme von diesem Track hat letztlich mit Abstand am Längsten gedauert, und trotz einiger Skepsis waren am Ende alle doch sehr happy damit. Das Endprodukt, wenn jeder wirklich dahinterstehen kann, ist am Wichtigsten.
Klaus: Da muss ich auch nochmal meinen Emotionen freien Lauf lassen. „Lords Of Darkness“ ist das beste Beispiel von altem Zeug auskramen. Ich war der Meinung, dass dieser Song absolut unspielbar ist und nie funktionieren würde. Und nun: Toller Song.
Steffi, dein Anteil ist doch inzwischen ohnehin deutlich höher geworden, oder?
Steffi: Ja schon. Beim ersten Album hat man das noch etwas spontaner gehalten, sodass ich nur ein paar Parts eingesungen habe. Auch falls ich bei Live-Shows vielleicht mal nicht dabei sein kann und alles trotzdem ganz normal funktioniert. Dennoch bin ich froh, dass ich jetzt Teil der Band und auch auf Autogrammkarten mit drauf bin. Gerrit ist Frontmann Nr.1, aber für mich ist es wichtig, die Songs auch etwas mit aufzuwerten.
Gerrit: Ich finde das zwar nett, dass du das so siehst, aber ich finde es wäre ein Verbrechen, wenn man eine Sängerin wie Steffi in der Band hat und diese nicht ordentlich zur Geltung kommen lässt. Steffi ist eine professionelle Sängerin und ich bin eher der Selfmade-Typ ohne trainierte oder schöne Stimme. Das wäre, als wenn du einen super Sportler immer auf die Ersatzbank setzt, weil du ja eine Nr.1 hast. Sollte es ein drittes Album geben, darf Steffi gerne über alle Parts drüberflöten.