Voodoo Kiss
Von alten V8-Tapes
Interview
Festplatz Abtsgmünd. 26.07.1997. Summer Breeze, Headlinerzeit. Auf der Bühne steht die junge Band VOODOO KISS, wegen derer Drummer Achim Ostertag diese Veranstaltung eigentlich gegründet hat. 25 Jahre später ist aus dem Kirmeszelt mit Bands eines der größten Metalfestivals Deutschlands geworden, die Hard-Rock-Truppe aus dem Ostalbkreis ist hingegen wenige Jahre später verschwunden. Doch nun, zum 25-jährigen Jubiläum, treten VOODOO KISS ihre Rückkehr an – und sie sind gekommen, um zu bleiben. Vorerst.
Hallo Achim, ihr befindet euch sicherlich gerade in einer spannenden Zeit. Nach zwei Jahren coronabedingter Pause steht das Summer Breeze wieder vor der Tür. Gleichsam habt ihr eure alte Band VOODOO KISS wiederbelebt, seid dabei, ein Album herauszubringen und unter anderem auf dem 25-jährigen Festivaljubiläum den Opener zu markieren.
Es ist auf jeden Fall eine spannende Zeit. Ich habe das auch nicht so eingeschätzt, als unser Booker zu uns kam und meinte, dass wir zum Jubiläum etwas Besonderes machen und das Best-of aus den ersten zwei Jahren zurückbringen wollen. Er meinte, dass dann aber auch VOODOO KISS wieder spielen müssen. Ich habe das Ganze dann lange vor mir hergeschoben, auch weil ich vor dem Schlagzeugspielen schon einen gewissen Respekt habe. Dass daraus aber nun ein Album wird, für das es schon entsprechende Resonanz und Interesse gibt und wir die alten Songs reaktivieren, ist schon sehr spannend. Auf der anderen Seite gibt es natürlich viel zu tun. Einerseits für den Auftritt, auf der anderen Seite erwachen für das Summer Breeze gefühlt alle erst seit März wieder richtig zum Leben, weshalb die Tage derzeit relativ lang sind.
Wenn wir die Zeit nun 27 Jahre zurückdrehen, dann gelangen wir in die Gründerzeit von VOODOO KISS. Ihr seid damals vorwiegend um die lokalen Bühnen getingelt und habt eure Songs präsentiert. Du hast jetzt angedeutet, dass die „alten Songs reaktiviert“ werden. Das heißt, das Material auf „Voodoo Kiss“ gab es schon?
Eigentlich sind tatsächlich alle Songs aus dem ersten Jahr. Im September 1995 haben wir angefangen und alle Songs sind prinzipiell bis Ende 1996 entstanden. Die Frau unseres Gitarristen hat eine alte V8-Kamera bei einigen Auftritten mitlaufen lassen. Somit hatten wir aus dem Sommer 1996 noch eine relativ gut erhaltene Liveaufnahme, sodass wir uns wieder an die alten Songs erinnern konnten. Sonst wäre das Ganze schwer gewesen.
Hattet ihr nicht damals schon den Wunsch, die selbst geschriebenen Songs auf Platte zu bringen?
In der damaligen Zeit war es einfach viel schwerer für eine Band. Ich war gerade einmal 17 oder 18 Jahre alt und hatte keinerlei Kontakte in der Szene. Wir haben dann einmal tatsächlich sechs Songs mit unserem damaligen Bekannten, Martin Winkler (Ex-STORMWITCH, † 06.01.2019), aufgenommen, der sich seinerzeit ein DAT-Aufnahmegerät gekauft hatte. Von diesem Mehr-oder-weniger-Demo konnten wir immerhin zwei Stücke retten. Im regionalen Umfeld gab es damals vielleicht zwei oder drei Bands, die eine CD oder eine 7“-Vinyl aufgenommen haben, aber das war es dann auch.
Die Geburtsstunde von VOODOO KISS und dem Summer Breeze Open Air
Auf „Voodoo Kiss“ befinden sich folglich ausschließlich Klassiker aus der damaligen Zeit?
Da war die Zeit für uns dann doch etwas zu knapp, sodass auf dem aktuellen Album wirklich nur Songs aus den Jahren 95 und 96 enthalten sind. Diese haben wir dann zwar teilweise ein wenig bearbeitet, da manche etwas zu lang waren, aber im Großen und Ganzen ist das Material schon gleichgeblieben. Eigentlich war das Vorhaben ja als einmaliges Projekt für das Jubiläum gedacht, doch jetzt jammen wir schon ein bisschen herum und versuchen uns sukzessive an etwas Neuem.
VOODOO KISS und das Summer Breeze sind jetzt nicht nur wegen Dir als Person eng miteinander verwoben, sondern ursprünglich ist das Festival entstanden, um euch mehr Auftrittsmöglichkeiten zu bieten.
Damals haben wir viele Shows selbst organisiert. Den übergeordneten Organisator, der für Bands Auftritte an Land zieht, gab es nicht, stattdessen eben Kneipen und kleine Bühnen, um die man sich komplett selber kümmern musste. Wir hatten eine kleine Gruppe von 25 Kumpels und Fans, die VOODOO KISS zu ihren Konzerten hinterhergereist sind. Ein paar Nachbarn hatten eine ähnliche Clique, die eine große Party mit Livebands organisiert hatten und da keimte bei uns die Idee, auch so etwas zu machen. Im Jahr 1996 bin ich dann mit einer Punkband, in der ich auch gespielt habe, auf einem Heuwagen aufgetreten. Danach wollten wir 1997 weiter gehen und ein kleines Festival mit zehn Bands und Festzelt auf die Beine stellen. VOODOO KISS waren zu dieser Zeit im Ostalbkreis recht bekannt. Dazu hatten wir mit APOPHIS eine bekannte Band an der Hand, die einen Plattenvertrag hatte und CDs veröffentlichte. Wir haben dann vorgeschlagen, ein Festival zu machen mit einem harten und einem soften Tag, wo beide Bands schließlich auftreten. Wir haben dann unsere 25 Mann zum Bierzapfen mobilisiert und sämtliche bekannte Bands aus dem Umkreis eingeladen, die wir mochten.
Allzu lange ging es dann mit VOODOO KISS aber nicht mehr weiter und das Projekt lag irgendwann auf Eis.
Achim: Wir hatten schon nach dem Summer Breeze 1997 noch anderthalb gute Jahre. Dann stieg uns Bassist Klaus Wieland aus, der mittlerweile wieder dabei ist, und kurz danach auch noch Sänger Peter. Wir haben dann zwar noch einen guten Bassisten gefunden, aber die Suche nach einem alternativen Sänger gestaltete sich extrem schwer. Auf dem zweiten Summer Breeze 1999 haben wir dann zwar noch einmal als Opener mit einem neuen Sänger gespielt, doch das krasse Feeling als Band war irgendwie verschwunden. Dadurch habe ich auch die Lust verloren und bin daraufhin ausgestiegen. Gitarrist Martin Beuther hat das Projekt dann im Jahr 2000 beendet. Das Summer Breeze ist derweil unheimlich schnell gewachsen und ich habe das Schlagzeugspielen komplett aufgegeben.
Das heißt, du musstest dich für die Reunion wieder richtig ins Instrument reinfuchsen?
Zu Beginn des Jahres 2000 wollte ich dann tatsächlich nochmal Unterricht nehmen und mich etwas weiterentwickeln, doch ich habe gemerkt, dass ich wirklich überhaupt keinen Bock mehr auf Schlagzeug hatte. Im Prinzip habe ich dann wirklich seither nicht mehr gespielt.
Du sprachst davon, dass mit neuem Sänger um die Jahrtausendwende die Magie um VOODOO KISS verschwunden war. Hat das damit zu tun, dass man nicht mehr aus der Clique rekrutiert hat, sondern ein völlig neuer Sänger hinzukam?
Wahrscheinlich eher nicht. Die guten Sänger waren einfach rar gesät zu diesen Zeiten. Auch wenn er sicherlich nicht das beste Englisch drauf, hier und da den Einsatz verpasst und wohl auch nicht die ausgeklügelsten Texte parat hatte, hat Peter einfach herausragend zu VOODOO KISS gepasst. Er war ein richtiger Entertainer und hat die Band repräsentiert. Von der Instrumentalfraktion haben wir uns natürlich auch sehr gut verstanden, was man jetzt auch wieder merkt. Damals hatte man dieses ungute Gefühl, welches man öfter hat, wenn etwas plötzlich nicht mehr ist, wie es einmal war.
„Old-School Sound und Old-School-Stimme“
Die Folge im Jahr 2022 ist, dass ihr an Bass, Gitarre und Schlagzeug tatsächlich wieder dieselben Personen seid wie noch vor 25 Jahren. Am Mikro habt ihr mit Gerrit Mutz (u.a. SACRED STEEL) einen neuen Frontmann dazu bekommen, der meines Erachtens musikalisch hervorragend passt. Wie kam diesbezüglich der Kontakt zustande?
Wir haben zunächst einmal hier im Aalener Umfeld ein bisschen geschaut und hatten auch zwei, drei ganze gute Leute da. Ich habe dann den Kreis etwas größer gezogen. Mit Gerrit habe ich 2002 bei Metal Blade ein Jahr zusammengearbeitet und auch beim Summer Breeze Open Air 2000 war er mit SACRED STEEL dabei. Da er von der Stimmfarbe durchaus Ähnlichkeiten zum alten Sänger Peter hat, kam mir diese Idee dann ziemlich schnell. Old-School-Sound und Old-School-Stimme – es war eigentlich klar, dass das perfekt zusammenpasst. Wir hatten auch Steffi Stuber im Proberaum da, die wirklich gut war. Schließlich haben wir uns dazu entschlossen, sie auch mit auf das Album zu nehmen, wo sie nun „The Prisoner“ singt. Bei den Auftritten werden auch beide dabei sein.
Vielleicht kannst du noch kurz ein paar Worte zu Steffi Stuber verlieren.
Steffi Stuber ist aus Aalen und spielt auch in einer Metalband (MISSION IN BLACK). Sie hat ein relativ breites stimmliches Spektrum. Der eine oder andere kennt sie vielleicht von „The Voice Of Germany“, wo sie mit einem Cover von LAMB OF GOD überzeugt hat und weitergekommen ist. Sie ist hier im Metal verwurzelt, eine langjährige Summer-Breeze-Gängerin und die perfekte Ergänzung zu Gerrit.
Um den Bogen nochmal zu Gerrit zu spannen: Er ist ja in der Szene ein wirklich erfahrener Hase, klingt aber auf „Voodoo Kiss“ unheimlich frisch, erinnert zeitweise an die ersten Alben von IRON MAIDEN und sorgt dafür, dass die Songs ihren ursprünglichen Vibe behalten.
Das finde ich auch. Wir haben Gerrit natürlich auch nicht gesagt, dass er die Stücke haargenau so singen muss, wie sie früher geboten wurden. Wir mussten sowieso erstmal Texte schreiben, da englische Lyrics Ende der Neunziger noch nicht den allergrößten Stellenwert hatten und man eher irgendwas gesungen hat, was sich gut anhört und im Kopf halbwegs Sinn ergab. So habe ich die neuen Texte geschrieben und dann konnte es losgehen.
Man merkt den Stücken auch an, dass sie zwar teilweise ihre etwas düsteren Momente haben, aber zum großen Teil offenbar auch wirklich für die Bühnen geschrieben sind. Wenn ich hierbei nur einmal den Abschluss „Thousand Steps Of Goodbye“ ins Feld führe.
Das war glaube ich schon immer ein bisschen die Stärke von VOODOO KISS, dass es hier und da ein bisschen düster ist, aber die Refrains gut ins Ohr gehen und man Stücke wie den von dir genannten mit seinen „Oho-Passagen“ direkt mitsingen kann. Das hat auch Gerrit in den ersten Proben direkt bestätigt, dass es sich hierbei um echte Gute-Laune-Musik handelt. Hier in der Gegend kommen auch Menschen auf mich zu, die sich darüber freuen, dass wir wieder am Start sind.
Ich bin auf einen alten Zeitungsartikel über euch aus dem Ende der Neunziger gestoßen, wo von „melodiösem Irish Folk“ die Rede ist. Habe ich da etwas verpasst?
Mit unserem allerersten Sänger hatten wir einen Song, dessen Anfang aus A-cappella und Bass Drum bestand. Der hatte einen 3/6-Takt und war eine leicht angehauchte Irish-Folk-Nummer. Dieser ist dem Schreiber des Artikels wohl am ehesten aufgefallen. Der ist uns aber selbst erst später wieder in die Finger gelangt, als wir weitere alte V8-Tapes gesichtet haben.
Den grabt ihr aber nicht mehr aus?
Schauen wir mal. Diese alten Tapes sind immer extrem spannend, wenn wir sie wieder ausgraben. Auch die Songs aus den Jahren 97 und 98. Mal sehen was noch passiert. Eigentlich war VOODOO KISS ja als einmalige Projektreunion gedacht, doch wir haben zwischenzeitlich schon weitere Auftritte angeboten bekommen und werden noch ein bisschen weitermachen. Vielleicht werden wir auch tatsächlich nochmal etwas Neues aufnehmen.
Beide Illustrationen – sowohl für das Album als auch für die Single „The Beauty And The Beast“ sind ziemlich cool geworden. Wer war dafür verantwortlich?
Dafür war Sebastian Jerke verantwortlich, der ansonsten für AHAB zeichnet. Oder auch das letzte Album von MOTORJESUS, welches ich extrem stark fand. Ich habe zunächst mal die mir bekannten Coverkünstler aus Europa gefragt, doch dann bin ich auch Sebastian gekommen. Auch weil ich viele Artworks von ihm unheimlich gut fand, aber nicht wusste, dass sie aus seiner Feder stammen. Dazu hat er dann auch gleich einen Summer-Breeze-Zipper für uns gestaltet, sodass es da auch Synergien gibt. Das Singlecover für „The Beauty And The Beast“ hat Jan Meininghaus gezeichnet. Er hat damals das erste wirkliche Design für das Summer Breeze 2003 mit den Voodoomasken maßgeblich mitgestaltet.
Zum Thema Synergien: Diese gab es auch bei der Labelfindung mit Flori Milz, der ja selbst aus dem Ostalbkreis stammt. Er war aber keiner von der Gefolgschaft der 25 Mannen damals?
Nein, Flori ist ja noch ein paar Jahre jünger. Wir hatten früher ein Label mit Silverdust, allerdings 2011 die letzte Veröffentlichung, sodass im letzten Jahr der Labelcode erloschen ist. Flori hat auch eine Zeit lang bei uns mitgearbeitet, woraufhin ich ihn kontaktiert habe, ob wir über ihn pressen können. Diese Idee fand er gleich megagut und sagte: „Lass uns das doch über Reaper Entertainment machen“, was nochmal ein richtiger Schub für das Album war. Für die Band an sich ist das gleichermaßen ein Push nach vorne.
VOODOO KISS machen auch Übersee unsicher
Ihr spielt dann auf dem diesjährigen 25. Jubiläum des Summer Breeze zur Eröffnung am Dienstag. Was können die Zuschauer dort erwarten? Ihr spielt wahrscheinlich die komplette „Voodoo Kiss“ herunter, oder?
Wir haben nur diese 30 Minuten eingeplant, weil wir auch gar nicht dachten, dass wir viel mehr hinbekommen werden. Aktuell ist es geplant, dass wir das Album einmal durchspielen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es keine gewisse Aufregung oder Spannung diesbezüglich gibt und es nichts Besonderes für mich wäre.
Meine inhaltlichen Anhaltspunkte haben wir nun allesamt besprochen. Hast du noch etwas parat, was du gerne loswerden möchtest?
Am Wochenende haben die Veranstalter bekanntgegeben, dass es im nächsten Jahr ein Summer Breeze in Brasilien geben wird. Dort werden wir als Opener spielen. Aufgrund der historischen Geschichte mit VOODOO KISS und dem Summer Breeze, wurden wir gefragt, ob wir die Main Stage entsprechend eröffnen wollen und da waren wir uns einig, unser Vorhaben zu verlängern. Es handelt sich um ein schönes Gelände mitten in Sao Paulo mit vier Bühnen. Zwar ist dort kein Camping möglich, aber wir freuen uns sehr darauf.
Danke Achim und alles Gute für VOODOO KISS, das Summer Breeze und beides zusammen.