Voivod
Im Gespräch mit Blacky und Chewy
Interview
Vier Jahre sind seit dem letzten VOIVOD-Album ins Land gezogen. “Target Earth” heißt das neue Werk, auf dem erstmals auch Gitarrist Daniel ‘Chewy’ Mongrain alleine zu hören ist. Wurden auf dem Vorgänger “Infini” noch die letzten Gitarrenspuren des verstorbenen Gitarristen Denis ‘Piggy’ D’Amour verwendet, liegt es nun an Chewy in seine Fußstapfen zu treten. Am Rande der Listening Session zum neuen Album stand die Band Rede und Antwort.
Glückwunsch zur neuen Platte! Wie glücklich seid ihr mit „Target Earth“?
Chewy: Wir sind sehr stolz auf die Platte, denn es ist eine wirkliche Gemeinschaftsarbeit gewesen. Jeder war in den Songwriting-Prozess involviert. Blacky (Jean-Yves Theriault, Bass) beispielsweise kam andauernd mit total abgedrehten Basslinien an, zu denen ich dann die entsprechenden Gitarrenparts beisteuern sollte. Away (Michel Langevin, Drums) sind dann immer neue Grooves eingefallen, so dass wir wirklich permanent gejammt haben. Snake (Denis Belanger, Vocals.) improvisierte dazu verschiedene Gesangslinien und mit der Zeit hat sich alles zusammen gefügt. Für mich im Speziellen war es auch eine unglaubliche Erfahrung mit den Jungs zusammen Songs zu schreiben. VOIVOD sind meine Lieblingsband seitdem ich elf war (lacht).
Blacky: Wir hatten den Anspruch an das Album genau so heran zu gehen, wie wir es beispielsweise bei “Killing Technology” und “Dimension Hatrösss” mit Piggy gemacht haben. Niemand kam mit fertigen Songs an. Wir haben uns getroffen und einfach drauflos gejammt. Der Titelsong “Target Earth” hört sich zu Beginn an, wie eine solche Jam-Session und genau so war es auch im Studio bei dem Song. Andere Songs basieren auf Ideen von mir oder Chewy und wir haben diese dann alle zusammen ausgearbeitet. Allerdings haben wir nur Material genommen, mit dem wirklich alle etwas anfangen konnten. Von daher sind wir auch alle sehr glücklich mit der Platte (lacht).
Den Eindruck habe ich auch. Ich finde, man kann auf “Target Earth” heraushören, dass alle vier Bandmitglieder in den Songwriting-Prozess involviert waren. Habt ihr die Platte denn auch selbst produziert?
Chewy: Ja, wir haben dir Scheibe selbst produziert. Blacky hat dabei den Job des Engineers übernommen.
Blacky: Wir haben die meiste Zeit in dem Studio unseres Freundes Pierre gearbeitet, der eigentlich auch als Main-Engineer in die Platte involviert war. Wir konnten in seinem Studio unglaublich fokussiert arbeiten, weil es im Norden Kanadas liegt…
Chewy: …und es dort nur Wälder gibt (lacht).
Blacky: Stimmt. Ich war ja die ganze Zeit da und irgendwann fühlst du dich total gefangen in dieser Einöde (lacht). Noch mehr, wenn sich die komplette Band nach den Schlagzeugaufnahmen verdrückt und dich zwei Tage lang total alleine im Studio an den Bassspuren arbeiten lässt (lacht).
Chewy: Ja, das war schon ein bisschen fies, zumal man das Studio nicht mit dem Auto erreichen kann, wir mussten immer mit einem Schneemobil dorthin fahren.
Blacky: Kennst du den Film „Shining“? Genauso habe ich mich manchmal gefühlt (lacht).
Aber hoffentlich ohne die ermordeten Kinder…
Chewy: (lacht)…ja, ich habe keine Geister gesehen.
Blacky: Ich glaube, ich schon. Aber lassen wir das (lacht). Nein, es hat schon sehr viel Spaß gemacht in dem Studio aufzunehmen. Wir waren sehr gut vorbereitet, als wir ins Studio gegangen sind und haben dort lediglich den letzten Song “Defiance” geschrieben. Wir hatten hierfür eine Basslinie und einige Textfetzen, also haben wir es im Stil von VENOM gemacht und mit “Defiance” einen Ausblick auf das folgende Album auf die Platte gepackt.
VENOM habe ich bei der Nummer interessanterweise auch direkt im Hinterkopf gehabt.
Blacky: Siehst du? Den Vergleich mit VENOM zieht an der Stelle jeder, also haben wir es so gelassen (lacht).
Ich finde, ihr habt bei der Produktion die Atmosphäre jedes einzelnen Songs sehr gut eingefangen. Der Sound ist sehr organisch, aber auch spacig, was den Vocals sehr zugute kommt. Habt ihr bewusst mit diesen Stilmitteln gearbeitet?
Chewy: Oha, zunächst muss man sagen, dass das was wir hier gehört haben in Mono gewesen ist. Der Gesang ist auf dem Album natürlich nicht so laut.
Blacky: Der Bass war ebenfalls zu laut und die Gitarren dafür zu weit im Hintergrund. Der Endmix hört sich natürlich anders an. Aber du hast mit deiner Vermutung schon Recht. Wir wollten die Produktion sehr klar und organisch halten. Wir hatten bei den Aufnahmen schon die Idee, eine möglichst saubere Produktion zu bekommen. Dann wollten aber die Leute von Century Media jemand anderen für den Mix verpflichten, was uns zunächst nicht so ganz geschmeckt hat. Wir sind bei VOIVOD so etwas wie eine klaustrophobische Familie. Wir tendieren dazu uns ängstlich zu verhalten, wenn es darum geht mit Leuten zusammen zu arbeiten, die wir nicht kennen. Century Media haben uns dann Sanford Parker vorgeschlagen. Away und ich sind nach Chicago geflogen und haben uns mit ihm getroffen, bevor er das Album gemischt hat. Er hat uns Produktionen vorgespielt, bei denen er involviert war (u.a. NACHTMYSTIUM) und wir hatten immer mehr das Gefühl, dass es eine gute Idee war, Sanford das Album mischen zu lassen. Sanford hat sich als Glücksgriff erwiesen und dank ihm klingt das Album sowohl organisch, als auch dreckig. Wir arbeiten natürlich auch mit digitaler Technik und Pro Tools, aber Sanford hat darauf geachtet, dass die Drums beispielsweise nicht bis zum Erbrechen komprimiert sind.
Das kann man durchaus hören. Ich finde, ihr habt es geschafft die Drums auch wirklich wie welche klingen zu lassen. Das geht nicht wenigen Metal-Produktionen in letzter Zeit ja ab.
Chewy: Ja, da hast du wohl Recht. Ich vermisse das auch sehr.
Blacky: Was uns dabei aber wirklich wichtig war, es sollte kein Song wie der andere klingen. Es gibt beim Mix viele kleine Unterschiede. So sind die Gitarren bei den schnelleren Sachen zum Beispiel trockener gemischt, als bei den anderen Songs.
Chewy: Letztlich ist es doch so, dass der Song der Boss ist und wir haben versucht jedem Song ein Gesicht zu geben.
“Target Earth” hört sich streckenweise wie ein Schritt in Richtung eurer Vergangenheit an. Mir sind da, wie ihr auch angemerkt habt, Alben wie “Killing Technology” und “Dimension Hatrösss” eher in den Sinn gekommen als beispielsweise “Nothingface” oder “Angel Rat”. Von den späteren ganz zu schweigen.
Chewy: Das hängt von dem Songteil ab, den du gerade hörst, denke ich. “Target Earth” ist eine gute Mischung aus allen Phasen der VOIVOD-Geschichte. Man kann sagen, dass jedes Album von VOIVOD “Target Earth” beeinflusst hat. Ich habe mir bei den Gitarrenparts immer überlegt, was möchte ich als Fan jetzt für ein Riff über diese Basslinie hören.
Blacky: Chewy hatte auch den schwierigsten Job bei dem Album, um ehrlich zu sein. Er muss jetzt das Erbe von Piggy antreten, ohne ihn dazu zu imitieren.
Chewy: Auf der anderen Seite bin ich aber auch schon Fan der Band seitdem ich ein Kid war. Von daher war ich gut vertraut mit den Sounds und den typischen Akkorden von Piggy. Ich habe mir die Platten von VOIVOD unzählige Male angehört und stehe seit 2005 zusammen mit den Jungs auf der Bühne.
Blacky: Für mich hat sich die Produktion angefühlt, wie ein Schritt zurück in die Achtziger, als wir uns keine Grenzen beim Songwriting gesetzt haben. Wir haben einfach jede Idee weiter verfolgt. Bei der Vorproduktion stand Snake bei mir in der Küche und hatte ein paar ungewöhnliche Ideen, die er aber wieder verwerfen wollte. Chewy und ich haben ihn ermutigt weiter an den Ideen zu arbeiten und am Ende sind da coole Sachen bei heraus gekommen. Wir haben als Team gearbeitet und uns zusammen viele Sachen erarbeitet.
Das kann man hören. Das Album klingt auch so, als ob nicht nur ein Songwriter, sondern vier daran beteiligt waren.
Chewy: Stimmt. Es ist einfach so, dass es vier Dimensionen gibt, wenn vier Leute beteiligt sind. Man kann einfach heraus hören, wenn vornehmlich nur eine Person in diesen Prozess involviert ist. Wenn du alleine für das Songwriting verantwortlich bist, fehlt dir der Input von außen. Da kann man auch leicht den Überblick verlieren.
Wohl wahr. Sogar KING DIAMOND braucht Andy LaRocque um gute Alben zu komponieren.
Chewy: (lacht)…ja, das stimmt.
Lass uns doch mal ergründen, warum die kanadischen Bands sich immer vom Rest der Welt anheben. Was macht euch so einzigartig?
Blacky: Nun ja, es gibt nicht viele Menschen in Kanada (lacht).
Chewy: Das wird es sein (lacht). Nein, ich denke, es liegt daran, dass in Kanada sowohl die europäische, als auch die amerikanische Kultur vertreten ist. Wir sprechen ja auch kein reines Französisch, sondern eine Art Slang. Musik kommt nun einmal zuerst von Sprache. Wenn du nach Texas kommst, sprechen die Leute eher ‘Dudeldidelda’ und genauso hört sich auch ein Banjo an (interessante These – Red.). Es hat also mit der Sprache zu tun, aber auch mit dem kulturellen Hintergrund, dieses Progressive, das Europa schon immer ausgezeichnet hat. Auf der anderen Seite steht da musikalisch der wesentlich brutalere Sound der Amerikaner, der uns ebenfalls beeinflusst hat. Zudem hast du ja irgendwo Recht, Blacky. Es gibt in Kanada, für so ein großes Land, wirklich wenige Leute, so dass jede Band einzigartig klingen muss. Du musst bei uns schon einzigartig sein, um die Leute zu den Shows zu bekommen.
Blacky: Wir haben uns deine eigehende Frage zu Beginn unserer Karriere auch gestellt. Als wir mit der Band loslegten, gab es METALLICA und SLAYER. Die fanden wir total super, doch gab es diese Bands ja schon, weshalb wir unseren eigenen Stil etablieren mussten. Ich mag es nicht, schlecht über Bands zu reden, die sich nach ihren Vorbildern anhören. Aber es gibt solche Bands natürlich.
Chewy: Das ist wie bei einigen Hardcore-Bands, wo man schon ganz genau weiß, wann im Song der nächste Breakdown kommt.
Blacky: Ja, man kann heute vieles vorher sagen. Das ist sehr schade.
Chewy: Die Musik ist halt zu einem Rezept geworden, wo du genau darauf achtest, wie viel von dieser Zutat und wie viel von jener genommen wird.
Blacky: Eigentlich ist es aber auch ok. Nimm doch mal TESTAMENT als Beispiel. Die klingen wie eine Mischung aus METALLICA und SLAYER. Das ist aber auch nicht verwunderlich, immerhin kommen die ja aus der gleichen Region. Wir hingegen waren total isoliert. Wir hatten niemand um uns herum. Es gab lediglich RUSH und ANVIL, aber die stammen beide nicht aus unserer Gegend. Wir wollten aber auch keine Coverband sein und in irgendwelchen Bars auftreten. Also haben wir uns entschieden sonderbar zu sein (lacht).
Sonderbar ist auch ein Begriff, den viele Leute verwenden, wenn sie das erste Mal mit VOIVOD in Berührung kommen.
Blacky: Das könnte zumindest erklären, warum wir nie so wirklich erfolgreich waren. Wir sind einfach zu seltsam für viele Leute. Wir bieten leider keine Standardkost, wie beispielsweise METALLICA. Aber den Jungs wollten wir auch nie nacheifern. Wir wollten immer eine eigenständige Band sein.
Chewy: Der große Pluspunkt von VOIVOD ist einfach, dass wir unsere Stärken genau kennen und diese auch in den Vordergrund stellen.
Das neue Album hat ein anderes Logo, als die vorherigen Scheiben. Ist das auch ein Statement von euch, um den Leuten zu sagen, wir stehen nicht still, sondern entwickeln uns weiter?
Chewy: Hmm…da müsstest du eigentlich Away fragen. Er malt ja immer die Cover für VOIVOD. Wenn man sich aber die Bilder aus seinem Buch anguckt, kann man gut sehen, dass er sich selbst auch künstlerisch immer weiter entwickelt. Ich denke, das neue Logo ist im sehr gut gelungen und drückt die Musik von “Target Earth” ziemlich gut aus.
Blacky: Ich glaube, nur “Rrröööaaarrr” und “Killing Technology” haben das gleiche Logo. Danach hat sich das Logo immer verändert und mittlerweile erwarten die Leute das ja auch von uns. Die Fans fragen uns immer, wie denn wohl das neue Logo aussehen wird. Da sind sie teilweise noch gespannter drauf, als auf das eigentliche Artwork (lacht).
Warum habt ihr eigentlich mit “Mechanical Mind” den längsten Track der neuen Platte als Single ausgekoppelt?
Chewy: Echt? Ist das der längste?
Jep.
Blacky: Keine der Nummern vom neuen Album ist unter fünf Minuten lang, von daher war es egal, welchen Song wir gewählt hätten. Wir wussten nicht genau, welches Lied wir nehmen sollten, es musste aber ein Stück sein, das “Target Earth” gut repräsentiert. Century Media haben uns dann ermutigt “Mechanical Mind” zu wählen. Dann mussten wir aber erst überlegen, ob der Song auf eine 7” passt, weil man den Song nicht kürzen kann. Hat er glücklicherweise und jetzt ist “Mechanical Mind” die erste Single.
Jungs, dann danke ich euch für das Interview und wünsche euch viel Erfolg bei der Show nachher.
Chewy: Danke, wir wünschen dir auch alles Gute.
Blacky: Danke dir für das nette Gespräch, Colin.
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Stile | Progressive Metal, Thrash Metal |
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