Ville Valo
Interview zum ersten Soloalbum "Neon Noir"
Interview
Spielst du auf Tour denn dann auch Klassiker wie „Wicked Game“, „Right Here In My Arms“ und „Join Me“?
Das wird 50/50. Es wird jetzt nicht so sein, dass die erste Hälfte des Sets aus neuen Songs besteht und die zweite Hälfte aus alten Songs. Es wird eine Mischung aus alten und neuen Sachen. Wir proben gerade ein bisschen mit der Band und „Right Here In My Arms“ passt zum Beispiel perfekt zu „The Forever Lost“. Und „The Funeral Of Hearts“ passt exzellent zu „Echolocate Your Love“, da die Musik ist nicht zu verschieden ist. Ich hoffe, dass es auch für die Zuhörer interessant sein wird und die Leute nicht nur auf die Uhr schauen werden und sich sagen: „Das sind jetzt schon 20 Minuten von diesem neuen Scheiß.“ (lacht)
Ich denke aber, dass das Live gut funktionieren wird. Wie du bereits erwähnt hattest, sind die Unterschiede von deinen neuen Songs und den alten HIM-Sachen ja nicht zu groß.
Es macht absolut Sinn und die Konzerte, vor allem die in Deutschland, waren ja auch sehr schnell ausverkauft. Ich habe ja erst die EP unter meinem eigenen Namen veröffentlicht und kann natürlich auch absolut verstehen, dass die Leute die Tickets nicht gekauft haben, um nur neues Zeug zu hören. Ich bin ja auch Teil der Service-Industrie, also muss ich den Leuten auch geben, was sie wollen (lacht).
Aber bist du vielleicht auch ein bisschen besorgt, dass die Vergangenheit das neue Werk überschatten könnte, oder bist du recht relaxt?
Ich denke, es wäre ziemlich dumm, wenn ich mir Sorgen um so eine abstrakte Sache machen würde. Es wird sich zeigen. Das Album ist ja noch nicht veröffentlicht, also lass erst mal das Album veröffentlicht sein und man wird es sehen. Ich hoffe, dass es auch die Aufmerksamkeit von Leuten bekommt, die HIM noch nicht mal kennen. Es wird sich alles erst noch zeigen und wird sehr aufregend werden. Es werden ein paar coole Gigs und auch ein paar Festivalauftritte werden. Es ist ganz nett nicht zu wissen, wohin uns die Musik führen wird. Ich finde, dass Musik dann am besten ist, wenn du einfach den Noten und dem Rhythmus folgst und schaust, was als nächstes passiert.
Nach dieser Pause muss ich auch dankbar und bescheiden darüber sein, dass ich die Aufmerksamkeit und Interesse erhalte. Denn es nicht selbstverständlich, dass die Leute sich für jemanden in meinem Alter interessieren (lacht). Es ist cool die Chance zu bekommen und wir werden sehen, wie es läuft und was als nächstes passieren wird. Wenn die Leute das neue Album nicht mögen, muss ich mir halt was anderes einfallen lassen. Wenn ich Musik ausschließlich für mich selbst machen würde, müsste ich auch nichts veröffentlichen. Ich mache zuerst Musik für mich selbst und dann schaue ich, wie ich die Leute erreiche.
Das hast du sehr gut gesagt. Gibt es denn im Vergleich zu früher auch ein paar neue Einflüsse, wenn du heute Musik schreibst?
Es ist nicht unbedingt neu. Auf „Neon Noir“ gehe ich zurück zu den frühen 80ern mit Bands wie THE SISTERS OF MERCY und THE CHAMELEONS. Es gibt auch viele THE CURE-Einflüsse. Zeug, das nicht sehr gut bei HIM angekommen ist. Die Jungs standen mehr auf BLACK SABBATH und IGGY POP und mehr in Richtung Hard Rock. Ich dachte, dass es nett wäre, diese Einflüsse auf dem neuen Album etwas mehr einzubringen. Außerdem auch mehr soundtrackmäßige und atmosphärische Sachen. Ein bisschen psychedelische Soundlandschaften mit seltsamen Keyboards.
Es ist schön, all diese verrückten Ideen ausleben zu können. Da ich vorher noch nie ein Album alleine aufgenommen habe, gab es aber auch einen Haufen Lektionen, die ich lernen musste. Schlagzeug und Gitarre spielen, um die richtigen Instrumente zu finden und herauszufinden, wie sie diesen coolen Jam-Sound der THE MISSION-Alben hinbekommen haben.
Es ist cool, sich immer noch wie ein Kind fühlen zu können und enthusiastisch über das sein zu können, was du tust. Wieder neue Dinge entdecken zu können, auch wenn es sich dabei um alte Sachen handelt. Sound aus den frühen 80ern, von dem ich vorher nicht wusste, wie ich ihn hinbekomme. Auf einmal kann ich einen Sound erschaffen, der sich ähnlich anhört, wie der Gitarrensound von Wayne Hussey. Es bringt mich näher an deren Musik.
Die Musik von THE MISSION und THE SISTERS OF MERCY hat mich sehr beeinflusst. So kann ich einen kleinen Einblick in ihre Welt bekommen. Es ist sehr interessant, wie Musik funktioniert und wie Klänge funktionieren. Klänge sind ein bisschen wie Gerüche oder Sinne. Wenn du etwas hörst, kannst du dich daran erinnern, wie du es zum ersten Mal gehört hast und wie du dich dabei gefühlt hast und am welchen Ort du gewesen bist. Das ist Musik für mich. Ein paar Noten und ich begebe mich auf eine Zeitreise.
Es ist sehr passend, dass du THE MISSION und THE SISTERS OF MERCY erwähnt hast, weil HIM ja auch immer in die Goth-Ecke gepackt wurden. Beim Hören erinnerte mich das neue Album aber auch an „Screamworks: Love In Theory And Practice“ mit den vielen Synthie-Pop-Einflüssen. Wie eine heavy Version von A-ha. Würdest du da zustimmen?
Ja, interessant. Ich liebe A-ha, NIK KERSHAW und diese ganze Richtung. Viele Künstler aus den 80ern hatte eine sehr einzigartige Persönlichkeit. Die Musik in dieser Zeit war noch nicht so steril. Es gab nur einmal A-ha, DEPECHE MODE und CULTURE CLUB. Oder ADAM AND THE ANTS. Ich denke in den 80ern hatte Pop-Musik wirklich diesen Sinn für Individualität und Einzigartigkeit. Das liebe ich an den 80ern und ich bin damit aufgewachsen. Die Jan Hammer-Sachen für Miami Vice und all dieses Zeug. Das war ein Teil meines musikalischen Heranwachsens. Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich manchmal ein bisschen fragwürdige Musik höre (lacht).
Ich finde auch nicht, dass du dich da schämen musst. Ich liebe 80er-Pop, aber bin leider nicht damit aufgewachsen. Im Verglich dazu fehlt moderner Pop-Musik die Individualität, die du bereits erwähnt hattest.
Ja, diese „bigger than life“-Persönlichkeiten. Wo ist der nächste Freddie Mercury oder der nächste Boy George? Ich finde, es gibt nicht viele Persönlichkeiten wie diese. Aber andererseits bin ich etwas älter und sehe die Dinge vielleicht aus einer anderen Perspektive, als die heutige Jugend. So sollte es ja auch sein. Ich denke, es war in den 90ern mit Rock wie ALICE IN CHAINS, SCREAMING TREES, NIRVANA und PEARL JAM, als Pop nicht sonderlich interessant klang und versuchte wie Rock zu klingen.
R.E.M. versuchten in die Rock-Welt zu gelangen, genau wie TEARS FOR FEARS und anderer Musik aus den 80ern, die sich anhörte, als wäre sie im Weltraum entstanden. Denn viel 80er-Musik klingt sehr abstrakt. Das Schlagzeug klingt zum Beispiel, als wäre es kein echtes Schlagzeug und ebenso die Gitarre. Es hört sich an wie Roboter-Musik. Diese experimentelle Seite fehlt der heutigen Pop-Musik.
Da du erwähnt hast, dass du auf 80er-Kram wie den Miami Vice-Soundtrack stehst: Hast du dich auch mal mit Synthwave auseinandergestzt? Künstler wie CARPENTER BRUT und PERTURBATOR, die 80er-Synthies mit moderner elektronischer Musik verbinden?
Ich habe es ein bisschen versucht. Nach DAFT PUNK habe ich mir die französische elektronische Musik angehört. Ich habe mir in den frühen 2000ern viele elektronische Musik angehört. Bei dieser Synthwave-Sache mag ich COM TRUISE. Ich mag viele seiner Songs. Ich weiß nicht, ob du mit der Band SALEM vertraut bist. Ihr Genre nennt sich „Witch House“. Diese Sachen habe ich vor mehr als zehn Jahren sehr gemocht. Ich weiß aber, was du mit Synthwave meinst. Ich mag ein bisschen was davon, vor allem die poppigeren Sachen.
Erinnerst du dich an den Film „Drive“? Er hat einen großartigen Soundtrack und ist bereits zehn Jahre alt. Der Soundtrack war eine Art Vorreiter für Synthwave. Viele französische und allgemein europäische Künstler, die wie in den 80er klangen. Sie hatten viele gute Songs, aber bei dem modernen Synthwave geht es mehr um Soundtracks, statt um richtig gute einzelne Songs. Aber so oder so hat es eine guten Vibe und ist besser als das, was sie heutzutage so haben (lacht).
Da stimme ich dir zu. So Ville, wir kommen dann jetzt zum Ende. Es hat sehr viel Spaß gemacht mit dir zu quatschen. „Dark Light“ war damals eines meiner ersten selbst gekauften Alben und ich wünsche dir viel Glück mit deinem Solowerk und der Tour.
Danke dir, dass du die Musik hörst. Das ist ein gutes Beispiel, wie lustig die Reise mit der Musik ist. Du gehst einfach zufällig ein Album kaufen und es wird Teil deines Lebens. Schöne Feiertage und einen guten Rutsch (das Interview fand kurz vor Weihnachten statt).
Danke, das wünsche ich dir auch. Mach’s gut.
Vielen Dank. Mach’s gut.
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Band | |
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Stile | Gothic Rock, Melodic Rock, Pop |
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