Mantar
Nichts an dieser Platte hat Spaß gemacht.

Interview

Die deutsche Sludge-Doom-Black-Metal-Hardcore-Punk-Grunge-Hoffnung MANTAR bringt mit „Pain Is Forever And This Is The End“ ihr langersehntes, viertes Studioalbum auf den Markt. Warum die Aufnahmen unter keinem guten Stern standen, haben wir in einem langen Video-Call von Sänger und Gitarrist Hanno Klänhardt erfahren. Außerdem hat er verraten, wieso er gar nicht gerne auf Tour geht und warum seine Eltern ihn cool finden.

Die erste Frage drängt sich ein bisschen auf. Im Vorfeld der Album-Veröffentlichung von „Pain Is Forever And This Is The End“ hast Du davon berichtet, dass die Songs während einer schweren Zeit entstanden sind und Ihr sogar kurz davor wart, die Band aufzulösen… Wie geht es Euch jetzt?

Jetzt ist wieder alles gut. Ich kann ja mal eine Kurzversion anreißen, wenn Du magst. Wir haben in Seattle am Wochenende gerade die erste Show seit zwei Jahren gespielt. Psychologisch war das sehr wichtig, um den Knoten platzen zu lassen und endlich mal wieder aufzutreten.

Aber ansonsten stimmt es leider, was Du sagst. Es war eine sehr dunkle Zeit, diese letzten zwei Jahre. Es ging 2020 mit Covid ja für alle schon scheiße los. Jeder dachte noch, dass das jetzt mal für ein, zwei Monate kacke sein würde. Das aber das ganze Bands während dieser Phase zerstört wurden und Branchen kaputt gingen und Clubs dicht machten und so weiter… Das konnte niemand ahnen. Dementsprechend war ich auch erstmal noch relativ easy und wir waren ja auch recht beschäftigt mit unserer Cover-Platte („Grungetown Hooligans II“, Anm. d. Red.), die wir über unser eigenes Label rausgebracht hatten. Im Herbst 2020 habe ich Erinç dann angerufen und ihn gefragt, was er von einer neuen MANTAR-Platte halten würde. Wir planen nämlich grundsätzlich nie langfristig und diskutieren immer alles sehr genau. Zum Beispiel, ob sich ein neuer Output überhaupt lohnt. Viele Bands veröffentlichen nur noch aus Gewohnheit Platten und sägen damit ein wenig an ihrer eigenen Legacy. Wenn wir spüren, dass es nicht ganz rund läuft, wollen wir immer eine Exit-Strategie zur Verfügung haben um die Reißleine ziehen zu können. Es war von Anfang an klar, dass die Band auch jeder Zeit wieder vorbei sein kann. MANTAR war nie ein langfristig angelegtes Projekt und gibt es jetzt fast zehn Jahre, was ja total crazy ist. Jedenfalls habe ich Erinç angerufen und wir haben lange diskutiert und letztlich war er es, der meinte, dass da noch etwas drin ist.

Dann bin ich mit meiner Gitarre und einem Rucksack voller Riffs nach Deutschland rüber geflogen. Im September 2020 war das und wir wollten einfach damit anfangen, auf groben Entwürfen zu jammen. Aber es kam dann ganz anders. Wir waren auf einer Hochzeit, wo ich mich hingekniet habe um ein Foto zu machen. Dabei habe ich mir dann aber total kompliziert den Meniskus gerissen. Einfach hingekniet, Alter-Mann-Style. Dann war es erstmal nichts mehr mit einer neuen Platte, sondern es stand Krankenhaus, OP und sechs Wochen mit Krücken an. Ich lag auch erstmal für vier Wochen in Deutschland im Bett und konnte gar nichts machen und hatte geiler Weise keine Krankenversicherung und deshalb Geldsorgen und so einen Scheiß. Als ich zurück in den USA war, rief ich kurz vor Weihnachten vereinbarte ich mit , dass wir die Platte jetzt in Angriff nehmen würden. Am Tag der ersten Probe, das war um Heiligabend herum, bin ich zusammen mit Erinç im Supermarkt dann ausgerutscht und habe mir im selben Knie einen Kreuzbandriss zugezogen. Dann lag ich da, wieder ohne Krankenversicherung, wieder im Krankenhaus, wieder mit zwei OPs, der ganze Scheiß noch einmal. Ich wollte dann noch im Krankenbett proben, aber die körperlichen und geistigen Schmerzen haben das unmöglich gemacht. Also bin ich wieder zurück in die USA geflogen. Das war das erste Mal, dass wir beide das Gefühl hatten, nicht mehr Herr der Lage zu sein. Vielleicht wollte uns das Universum etwas mitteilen. Die Stimmung zwischen uns war auch schlecht. Nicht weil wir uns als Freunde gestritten hätten, sondern weil wir nicht wussten, wie mit der Situation umzugehen war.

Weißt Du, wir kannten sonst immer nur Machen. Ich war schon 30, als wir die Band gründeten. Erinç war 37. Wir hängten beide unsere Jobs an den Nagel und haben losgelegt. Ich hatte erstmal eineinhalb Jahre keine Wohnung mehr, weil ich mir keine leisten konnte. Aber Hauptsache Band, wir waren ja eh ständig auf Tour. Und wir waren es gewohnt Scheiße zu fressen. Aber vor zwei Jahren war es wirklich das erste Mal so, dass wir mit einer Situation nicht umgehen konnten. Es gab einfach keine Lösung.

Nach zwei Monaten habe ich Erinç dann eine E-Mail geschrieben in der stand: „Hey, ich bin cool damit, wenn die Band vorbei ist. Aber ich kann nicht akzeptieren, dass das der Grund sein soll.“ Wenn es die Band nicht mehr geben soll, dann machen wir Shake Hands und sind einfach wieder Kumpels, genauso wie die 15 Jahre davor auch. Also habe ich geschrieben: „Ich kann nicht akzeptieren, dass sich die Band auflöst, weil die Zeiten schlecht sind und wir wegen Covid gerade kein Geld verdienen können und ich ein Krüppel bin.“ Also habe ich hier in meinem Büro Demos geschrieben, so haben wir vorher noch nie gearbeitet. Dieses Mal habe ich vieles mühevoll vorproduziert und selbst die Drums programmiert. Erinç mochte die Ideen und hat die Drums neu aufgenommen. Anschließend habe dann meine Sachen hier in meinem Haus aufgenommen, wie auch auf der Cover-Platte schon. Hier kenne ich den Sound, den finde ich geil und ich weiß einfach was ich tun muss.

Und so ist die Platte dann doch noch zustande gekommen. Allerdings hatte ich auch vollkommen das Vertrauen in mein Songwriting verloren und hatte Erinç auch ständig angerufen und gemeint, dass diese Pisse doch niemand hören wolle. Er bestärkte mich aber immer. Jedenfalls war das echt anstrengend. Der Name „Pain Is Forever And This Is The End“ war am Anfang eigentlich nur ein zynischer Workingtitle. Irgendwann war das zum bitteren Ernst geworden. Und wir haben es dann dabei belassen. Aber nichts an dieser Platte hat Spaß gemacht. Alles ging schief, was schiefgehen konnte. So richtig haben wir uns davon auch noch nicht erholt.

Aber jetzt ist sie hier (hält das Vinyl ins Bild) und für mich ist es so, als hätte ich einen großen Hirsch geschossen, den ich mir an die Wand hänge. Quasi als Zeichen, dass ich gewonnen habe. Aber ich habe noch nicht meinen Frieden damit gemacht.

Über den Titel des Albums müssen wir noch einmal sprechen. „Pain Is Forever And This Is The End“ kann sicherlich unterschiedlich ausgelegt werden. Die Platte bietet einerseits einiges an Experimentierfreude. Damit könnte also das Ende der „alten“ MANTAR-Ära und der Beginn einer neuen musikalischen Entwicklung angedeutet werden. Es könnte aber natürlich auch ein Hinweis darauf sein, dass Ihr Euch jetzt vielleicht doch endgültig auflöst…

Man nimmt seine Weiterentwicklung selbst ja gar nicht so wahr, insofern trifft die erste These überhaupt nicht zu. Es war aber einfach die beste Platte die ich machen konnte. Aber ich hatte schon irgendwie immer im Kopf, dass die Platte anders als die ersten drei werden sollte. Ich wollte mich nicht mehr hinter dem Label Extreme-Metal verstecken. Das machen viele Bands, die überhaupt keine Substanz haben. Nenn mich gerne Pop-Schwein, aber die härteste Währung besitzt für mich immer ein guter Song. Egal in welchem Genre. Also habe ich versucht, sehr songorientiert zu schreiben. Das bedeutet jedoch nicht, dass die alten MANTAR beendet werden. Die gibt es nicht, genauso wie es keine neuen MANTAR gibt. Es gibt halt einfach MANTAR.

Die Frage ob wir nie wieder etwas aufnehmen, hättest Du mir auch schon zu „Death By Burning“ stellen können. Es gibt bei uns keine langfristigen Pläne. Der Albumtitel ist also eher als ironisch, bitterer Kommentar zu den letzten Jahren zu verstehen und nicht als Wegweiser, wie es vielleicht weitergeht. Und ich habe auch gar keine Lust mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie es wann mit der Band weitergeht. Du merkst es ja selber, man kann eh nichts planen.

Ich hätte auch geglaubt, dass mittlerweile alles wieder „back to normal“ ist, aber auch das Live-Geschäft hat einen unheilbaren Schaden genommen. Die fetten Jahre sind vorbei, das ist ein verdammter Fakt. Es gibt natürlich die Bands, denen es egal sein kann, ob sie auf einem Festival nur noch 60.000 € anstatt 75.000 € für ihr Heavy-Metal-Set bekommen. Aber es gibt eben auch Bands wie uns, die davon leben, die aber wie zwei Klempner im Kleinwagen rumfahren und jeden Job mitnehmen. Die Bands, die zwischen 300 und 1200 Leute ziehen, die leiden wirklich am meisten darunter. Du kannst schon davon leben, aber es ist halt auch richtig harte Arbeit und Du musst es machen. Ein Haus baust Du nicht am Schreibtisch und so ist das mit MANTAR eben auch.

In jedem Fall ist „Pain Is Forever And This Is The End“ in einer dunklen Zeit entstanden und ist mit Abstand das schwärzeste und dunkelste Album, dass wir jemals gemacht haben. Trotz der schmissigen Songs.

Ich habe stellvertretend für das Album, die drei Songs rausgesucht, die bei mir den meisten Nachhall hinterlassen haben („Hang ´Em Low (So The Rats Can Get ´Em)“, „Piss Ritual“, „Of Frost And Decay“). Kannst Du uns bitte kurz etwas dazu sagen?

Fangen wir mal von hinten an. „Of Frost And Decay“ ist eigentlich ganz einfach. In der zweiten Strophe heißt es: „People are strange, when they searching for their gods. People get cold, when they find out who they are.“ Die Leute wollen gern Teil von etwas sein und übernehmen ungern die Verantwortung für sich selbst. Jeder möchte einfache Antworten auf komplexe Fragen und deshalb suchen die Leuten links und rechts nach politischen Extremen, nach Kirche, nach Göttern… Nach Antworten, die sie sich selbst nicht geben können oder wollen. Wenn sie dann aber herausfinden, wer oder was hinter diesen Antworten steckt, wird es oft ganz bitter. Darum haben wir übrigens dieses Artwork gemacht. Das sieht aus wie ein Flyer von der Scientology. Das drückt Dir jemand in die Hand und verspricht Dir, alle Antworten und einen sicheren Hafen zu bieten. Und das ist es, was Du bekommst (Hanno klappt das Gatefold-Cover auf, wobei wir an dieser Stelle die Gestaltung des Innen-Covers noch nicht verraten). Der Mensch hat einen angeborenen Selbstzerstörungsmechanismus. Man tut jeden Tag so viel dafür, dass es einem schlecht geht. Obwohl man es eigentlich besser weiß. Wenn ich mich dabei erwische, wie ich alle fünf Minuten auf mein Handy schaue und die Band-Social-Media checke und die ganze Scheiße auch noch lese… Sowas hat doch überhaupt keinen Wert, nichts davon. Außer ein Gespräch, so wie zwischen Dir und mir jetzt gerade, auf Augenhöhe und Respekt. Und vielleicht die Gesundheit und Liebe, die unser aller Motor sein sollte. Das klingt jetzt total hippiemäßig und ich könnte nicht weiter davon entfernt sein ein Hippie zu sein. Aber man beschäftigt sich jeden Tag wissentlich mit so einer Scheiße und man hört einfach nicht auf.

MANTAR war aber noch nie eine politische oder sozio-politische Band, weil ich liefere ja keine Verbesserungsvorschläge oder Antworten. Ich sehe und berichte. Mehr ist nicht dahinter. Und das tue ich zum Beispiel mit „OF Frost And Decay“.

„Piss Ritual“ ist vielleicht noch am ehesten eine Brücke zu unseren früheren Sachen. Das ist halt einfach reines Geprolle und Geprotze (lacht). Es gibt ja von NIRVANA den Song „Territorial Pissings“ und der Grundgedanke bei „Piss Ritual“ ist sehr ähnlich dazu. Es ist wie bei einem Schwanzvergleich. Du kommst auf ein Festival und da sind Bands, die haben alle die selben Effect-Boards und alten Orange Amps. Das Merch sieht immer gleich. Dieses ganze Doom- und Sludge-Zeug finde ich so lächerlich und es langweilt mich über alle Maßen. Weißt Du, jede Band kann laut spielen. Und jede Band kann auch ganz viel Equipment auf die Bühne stellen. Aber mach mal geile Songs, die den Test der Zeit bestehen. Also ist „Piss Ritual“ vielleicht so etwas, was man als Diss-Song verstehen könnte. Aber ich nehme mich da natürlich nicht zu ernst und wir hauen uns ja auch immer gerne selbst in die Pfanne. Deshalb waren und sind wir wahrscheinlich auch ein Teil des Problems.

„Hang ´Em Low“ ist textlich auch ein Song der alten Schule. Dunkle Schlachten, mit dunklen Gestalten in dunklen Wäldern. As black as Black Metal can get. Auf die alte skandinavische Schule stehe ich. Ich meine gar nicht den Satanismus-Blödsinn. Aber ich mochte immer schon dieses Mittelalterliche, so im Game-Of-Thrones-Stil. Schwerter, Äxte und Wikinger-Kram. Das mag ich total gerne. So ist der Text auf „Hang ´Em Low“ auch eher eindimensional. Aber es gibt auch Songs wie „Egoisto“ oder eben „Of Frost And Decay“ da achte ich schon darauf, dass die Lyrics etwas aussagen sollen. Aber hier geht es nur um den Spaß an der Zerstörung und die Punchline ist einfach geil, bei allem Respekt. „Hang ´Em Low So The Rats Can Get ´Em“, da bin ich schon ein bisschen stolz drauf (lacht). Aber machen wir uns nichts vor, die Klammern im Songtitel sind natürlich reine Wichtigmacherei. Das ist wie ein Buch mit dem Titel „Der letzte Tag im Frühling (Oder wie ich das Flugzeug erfand)“. Ein kläglicher Versuch, sich wichtig zu machen.

Lass uns noch einmal auf die Musik als solches zurückkommen. Hin und wieder ist man beim Hören der neuen Songs versucht zu glauben, dass die Aufnahmen zu „Grungetown Hooligangs II“ einen starken Einfluss auf das Songwriting hatten. Wie siehst Du das?

Das wurden wir schon oft gefragt und Du hast recht. Wir wollten mit der Cover-Platte einfach etwas machen, wo wir Spaß haben. Sie ist dann als Schnellschuss während der Festivalsaison, als ich gerade in Deutschland war, entstanden. Das ist die Musik mit der wir aufgewachsen sind und die uns als Künstler sozialisiert hat. Viele waren überrascht, weil das so gar nicht Metal war. Andererseits waren MANTAR aber auch nie die Vorzeige-Metal-Metal-Band.

Beim Schreiben für „Pain Is Forever And This Is The End“ habe ich dann relativ schnell gemerkt, dass uns genau die einfachen, effektiven Songstrukturen von den Cover-Songs gut stehen. Sachen, die schnell auf den Punkt kommen und einen starken Climax haben. Natürlich haben wir immer versucht gute Songs mit einem starken Refrain zu schreiben, aber mehr im Rock-Outfit. Irgendein Journalist hat neulich mal gemeint, es klingt als ob THE HELLACOPTERS Songs von DARKTHRONE spielen oder umgekehrt. Und den Vergleich fand ich eigentlich ganz geil. Ich bin mit Classic Rock groß geworden, das ist meine DNA. Sei es der Gitarrensound oder das Songwriting, da gibt es klare Strukturen. Aber die Cover-Platte hat uns vielleicht wirklich das Selbstvertrauen gegeben uns noch weniger hinter gewissen Szene-Must-Haves zu verstecken. Ich habe so viel weggeschnitten, so viele Riffs wieder aus den Songs genommen, da könnte man ganze Alben draus machen. Aber ich wollte halt keine Klischeeplatte machen und darum haben wir alles, was den einzelnen Songs nicht dienlich war, verbannt. Diesbezüglich hat die Cover-Platte ihren Zweck erfüllt, weil sie halt auch so geil unverkopft war. Die Songs sind teilweise sehr simpel und gleichzeitig höchstgradig effektiv. Ich will nicht behaupten, dass unsere eigenen Songs so gut sind, wie die Songs auf der Cover-Platte. Aber sie hat uns auf jeden Fall mehr Selbstvertrauen gegeben.

Es geht jetzt mehr um Intensität als um Härte. Bands wie PORTISHEAD oder MASSIV ATTACK sind unglaublich intensiv, auch ohne Härte. Hart kann jeder, drauf geschissen.

Dieses Prädikat passt beispielsweise auf „New Age Pagan“ sehr gut. Auf dem Stückst singst Du fast im Clean-Bereich und man hört eine echte Melodie. Wie groß war die Herausforderung für Dich, nicht einfach wieder angepisst zu brüllen? Oder hast Du vielleicht sogar Lust darauf, künftig öfter „richtig“ zu singen?

Ach, ich bin ja nun kein guter Sänger. Ich war ja auch nie ein besonders guter Gitarrist. Ich wollte in erster Linie immer effektiv am Instrument sein. Da mache ich mir echt nicht so viele Gedanken und es hat sich im Studio einfach so ergeben. Das ist eigentlich auch schon alles.

Aber ich finde, dass es ganz gut geworden ist. Nicht, dass ich das zum Anlass genommen hätte, aber einige Leute haben gesagt: „Ey MANTAR sind schon geil, aber nach einer dreiviertel Stunde wird der Gesang schon eintönig.“ Das ist mir zwar scheißegal, weil es ist das einzige, das ich kann. Aber ich finde es schon geil, dass da jetzt mehr Höhen und Tiefen sind. Generell finde ich, dass die Platte mehr Dynamik besitzt. Auch vom Songwriting her. Mein Beef den ich mit der „The Modern Art Of Setting Ablaze“ habe ist, dass die von vorne bis hinten exakt gleich klingt. Obwohl da ein paar geile Songs drauf sind, wie ich finde.

Bei der neuen Platte haben wir es jetzt gewagt auch mal ein Stück zurück zu gehen. So wie Du es auch oft bei der alten NIRVANA-Grunge-Schule findest. In der Strophe zurückfahren, damit die Hook doppelt knallt. Bei der Produktion habe ich für jeden Track das Mischpult zurückgesetzt und die Effekte neu aufgesetzt. So ist zum Beispiel der Gitarren-Sound viel diverser als auf „Modern Art“. Live ist das natürlich völlig latte. Da geht es nur um Lautstärke, einen geilen Groove und Faust in die Luft. Wir sind nun wirklich keine Ästheten was das betrifft. Aber so gesehen hat es schon Spaß gemacht, auch einfach mal ein bisschen mehr zu wagen und zu produzieren. Aber ich bin ganz ehrlich: Bei einem Song wie „Odysseus“ hatte ich schon Muffensauen, was die Leute dazu sagen würden.

Allerdings ist Musik ja keine Einbahnstraße. Und wenn in den Reviews jetzt stehen würde „Wo MANTAR draufsteht, ist auch MANTAR drin. Alle Fans können bedenkenlos zugreifen“, dann hätte mich das als Musiker schon getroffen. Deshalb hatten wir ja so lange darüber diskutiert, ob wir noch eine neue Platte machen sollen. Denn manche Alben haben einfach keinen Grund zu existieren.

Was hat es abgesehen davon bei Euch ausgelöst, dass Ihr mit „The Modern Art Of Setting Ablaze“ in die Charts gekommen seid?

Ich freue mich natürlich, weil ich mir denke, noch ist die Welt nicht verloren. MANTAR mussten es durchmachen, jede neue coole Band muss es erleben: Auf einmal kennt Dein Nachbar die Band auch. Und die Freundin Deiner Schwester hat jetzt auch ein MANTAR-T-Shirt. Wenn Du zwanzig bist, dann ist das für Dich natürlich voll die Blasphemie. Wenn Du älter wirst, denkst Du aber: „Gut. 1:0 für uns und 0:1 für ANDREA BERG oder wie die alle heißen“.

Grundsätzlich muss man aber schon noch einmal festhalten, was so eine Chartplatzierung mit uns gemacht hat. Wir haben uns – und das soll jetzt gar nicht arrogant klingen – in erster Linie bepisst. Weil das einfach so absurd und lustig war. Das hätte sich vorher ja nun wirklich keiner ausdenken können. Ob wir stolz waren weiß ich nicht, aber gefreut haben wir uns auf jeden Fall. Weil das bedeutet, dass viele Leute diese Platte gekauft und hoffentlich auch gut gefunden haben. Meine Eltern finden das sicherlich cooler als ich, aber jeder der sich darüber nicht freuen würde, ist ein Idiot. Nichts ist peinlicher, als in einer Band zu spielen und sie mit allen Mitteln unten halten zu wollen.

Für viele gelten MANTAR in erster Linie als Live-Band. Was bedeutet Dir mehr: Studio oder Bühne?

Innerhalb der Band ist das ausgewogen. Erinç gehört eindeutig zum Team Bühne. Ich bin deutlich lieber im Studio. Zwar bin ich gut in dem was ich mache, auch auf der Bühne und diese 30 oder 60 Minuten finde ich dann auch geil und bin voll in meinem Element und gebe Vollgas. Gut, nach mehreren Knie-OPs ist das vielleicht nicht mehr ganz so und man muss sehr vorsichtig sein. Egal.

Jedenfalls hasse ich aber wirklich alles andere, was mit Live-Konzerten zu tun hat. Ich verachte das Reisen, ich hasse warten, ich hasse schlechtes Essen, ich hasse es schlecht zu schlafen… Das einzig schöne ist wirklich der Moment auf der Bühne und natürlich auch Fans und Freunde zu treffen. Wir waren ja letztes Wochenende erst in Seattle und es ist ein wahnsinnig großes Geschenk, wenn jemand mit Deinem T-Shirt kommt und sich für das Konzert bedankt. Ich bin da gar nicht abgestumpft und es ist immer noch ein Wunder, wenn das aufs Neue passiert. Und es ist wirklich egal ob es fünfzig oder tausend Leute sind. Aber leider hasse ich den ganzen Rest und ich kann mir gut vorstellen, dass MANTAR in nicht allzu ferner Zukunft eine Band sein wird, die sehr selten live spielt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, nur noch zehn oder zwanzig Shows im Jahr zu spielen, die sind dann total geil: New York, ein dickes Festival in Mexiko, vielleicht mal wieder nach Japan, ein paar geile Shows in Deutschland. Guck mal, um von dieser Band leben zu können, muss man auch sehr viel touren. Aber der Preis ist halt auch extrem hoch. Ich bin auf Tour ständig unglücklich und dann denke ich mir: „Dann musste halt wieder einen anderen Job machen“. So ist das dann halt. Aber ich höre ja deswegen nicht auf, Musik zu produzieren.

Ich bin in Bands seit 1994 und seit Anfang der 2000er eigentlich immer konstant auf Tour. Lange Zeit auch als Backliner oder Guitar-Tech oder Tourmanager. Und ich habe eigentlich keine Lust mehr. Ich hoffe, das kommt jetzt nicht arrogant rüber, ich will einfach nur ehrlich sein. Mir macht das Live spielen auf der Bühne für die Leute großen Spaß. Aber all das Logistische drum herum, das empfinde ich als Zumutung (lacht). Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht auf die Konzerte freue, die jetzt kommen. In erster Linie freue ich mich darüber, dass sie in homöopathischen Dosen kommen (lacht). Aber frag mich Ende des Jahres nochmal. Vielleicht bin ich dann auch wieder voll angezündet und hab voll Bock. Ja, ich rede viel. Aber ich möchte einfach nur ehrlich sein.

Gehst Du selbst noch als Fan auf Konzerte?

Ja klar, dann ist es mir ja egal. Ich kann ja hingehen, Bier trinken und wieder gehen, wann ich will. Ich bin echt gut darin, nach der Vorband oder mitten im Set zu gehen. Das ist mit der Sauferei und dem Feiern ähnlich. Wenn ich merke, dass ich genug habe und der Abend nicht mehr besser wird, dann gehe ich halt. Allerdings lasse ich mich eigentlich fast nur noch auf so ganz kleinen Konzerten blicken, aus Convenience-Gründen. Übernächste Woche gehe ich zu IRON MAIDEN, allerdings mehr, weil das wie ein Klassentreffen mit alten Freunden ist. Am wenigsten freue ich mich auf die Bands.

Gerade hier in Florida sind Gigs meistens sehr klein und rustikal. Es spielen auch oft irgendwelche Grind-Bands in der Garage gegen Spende. Da gehe ich dann auch gerne hin. Aber das ich mir Tickets kaufe und dem Event entgegenfiebern würde, kommt sehr selten vor. In den letzten zehn oder sogar fünfzehn Jahren, waren das NINE INCH NAILS, AC/DC, TOM PETTY, IRON MAIDEN… Das war es dann auch schon fast. Da bin ich überhaupt kein Jäger und Sammler.

Was steht als nächstes bei Euch an?

Nächste Woche fliege ich nach Deutschland und komme in Hamburg an. Dann geht es direkt in den Proberaum und wir spielen eine kleine Show in Bremen und dann auf dem Tombstone Festival in Dortmund. Und dann ist auch die Platte erstmal raus. Damit endet auch ein – hoffentlich versöhnliches – Kapitel für mich. Zumindest der Druck lässt dann nach. Natürlich, die letzten Monate hat man viel Promo gemacht, dann wollten wir ein paar geile Videos produzieren. Dann erscheint die Platte auch als Special Edition, dafür habe ich einen Remix des kompletten Albums angefertigt. Ich habe schon die doppelte und dreifache Mühe in jedes Detail auf dem Album gesteckt und hoffe natürlich, dass die Leute das feiern. Da tut es schon gut, wenn man zum Release den Stift fallen lassen kann und vielleicht nur noch ein paar Interviews hat und sogar ein bisschen chillen kann.

Im August geht es dann noch nach Wacken und nach Leipzig auf das Kadavar Festival und dann fliege ich zurück nach Florida. Im September spielen wir dann ein paar Live-Dates, die meisten in Deutschland. Da darf man auch echt gespannt sein, wie das wird. Da werden sich noch ganz viele Leute, inklusive uns umgucken, wie die Live-Realität jetzt aussieht. Die Leute haben Schubladen voll mit Tickets für Konzerte, die seit zwei Jahren immer wieder verschoben worden sind. Die Leute haben Angst vor neuen Restriktionen und sind verunsichert. Verstehe mich nicht falsch, ich nehme das alles ernst. Ich hatte noch kein Covid und trage auch immer noch Maske und alles. Aber ich glaube nicht, dass es einen soften Weg zurück zur Normalität gibt. Ich glaube, da müssen jetzt wirklich alle durch.

Dazu kommt natürlich auch noch Krieg und Inflation. Auf einmal kostet das Bier bei der Show nicht mehr 3,40 € sondern 4,80 €, das Ticket nicht 26 € sondern 34 € und keiner kann etwas dafür, keiner macht sich die Taschen voll. Da wird noch ein Raunen durch die Menge gehen und wir mitten drin. Ganz nach dem Motto der Platte bin ich aufs Schlimmste vorbereitet.

13.07.2022

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