Versengold
"Wenn die Leute ihren Trost in dem Lied finden, hat man als Musiker das Gefühl, dass man etwas bewegt."
Interview
metal.de: Kommen wir zurück zum Album “Nordlicht“. Ihr habt das mit eurer norddeutschen Heimat verknüpft. Der Begriff “Heimatliebe“ ist besonders in aktuellen gesellschaftlichen Debatten ein schwieriger. Warum habt ihr euch dennoch dafür entschieden ein Album zu veröffentlichen, dass sich als Statement in diese Richtung deuten lässt?
Wir haben darüber erst gar nicht nachgedacht. Ich habe darüber bereits in einigen Interviews gesprochen, weil dort das Wort Heimat oft fiel. Man muss mit dem Wort ein wenig aufpassen, es ist komisch besetzt. Eigentlich ist aber genau das der Grund, das Wort wieder vermehrt in den Mund zu nehmen, es wieder positiv zu besetzen und nicht den nationalistischen Vollidioten zu überlassen. Letztendlich ist es ein Gefühl. Für mich ist meine Heimat mein Dorf und meine Gegend, wo ich herkomme, wo ich seit meiner Kindheit durch die Straßen gehe, wo ich Tausende Erinnerungen mit gewissen Sachen verknüpfe und ein ganz besonderes Gefühl habe, wenn ich wieder dahin komme. Das ist für mich das Heimatgefühl. Das hat für mich nichts mit Ausgrenzung von anderen zu tun. Wir sollten dieses Wort einfach generell positiver besetzen. Am Anfang der Produktion hatten wir ein Überthema, was wir benutzten. Da haben wir gedacht, wir werden uns mal ein bisschen unserer Gegend widmen, aus der wir fast alle kommen. Wir haben geschaut, was es da so für Geschichten gibt. Das Moor ist interessant, darüber haben wir noch nicht gesungen, das Flachland sowieso. Die Küste war generell schon immer ein Thema bei VERSENGOLD. Diesmal wollten wir es auf die Spitze treiben und haben es in diesem Album so umgesetzt.
metal.de: “Braune Pfeifen“ ist ein klares Statement und ein unglaublicher Song. Haben sich Fans dadurch bereits vergraulen lassen?
Nicht direkt. Ich habe schon mitbekommen, dass wir ein oder zwei Mal Kommentare auf unserer Facebookseite hatten, von Leuten die unsere Seite geliked haben. Ob das jetzt wirklich Fans waren, weiß ich nicht genau, aber sie fühlten sich berufen uns zu beschimpfen. Das waren aber wirklich nur Vereinzelte. Ich glaube auch, dass diese Attitüde, dass wir mit Rechtspopulismus nichts anfangen können, den meisten Leuten schon vorher bewusst war. Wir wollten es nur noch einmal deutlich sagen. Das machen immer noch zu wenige Leute, da wollten wir ein Statement für die Band setzen. Eigentlich ist es auch erfreulich, dass wir es nicht wirklich gemerkt haben. Stell dir mal vor, jetzt wäre die Hälfte der Leute weg, dann hätte ich mir schon Gedanken gemacht. Aber es ist genau andersrum. Es kommen immer mehr Leute zu unseren Tourterminen. Das sind dann auch die richtigen Leute und das finden wir schön.
metal.de: Den Texten von VERSENGOLD wohnt jedoch neben aller Ernsthaftigkeit und Gesellschaftskritik häufig auch ein ganz eigener Humor inne, wie das jüngste Beispiel “Mach noch ‘ne Runde“ eindrucksvoll zeigt. Gibt es bei euch eine lyrische Albernheitsgrenze, ab der ihr sagt: “Das ist nix für VERSENGOLD, das kann man maximal noch für KNASTERBART nutzen“?
Das gibt es ja. Man muss aber dazu sagen, bei KNASTERBART ist es nie niveaulos. Es gibt auch da eine Grenze. Der ganze Fäkalhumor ist zum Beispiel nicht unser Stil bei KNASTERBART und bei VERSENGOLD erst recht nicht. Bei VERSENGOLD müssen wir immer etwas aufpassen. Es ist uns wichtig, dass wir nicht zu sehr in das Alberne hineinrutschen, sodass man andere Sachen möglicherweise nicht mehr ernst nimmt. Bei Witzen muss man auch aufpassen, zum Beispiel, wenn man ein paar Tage lang auf Tour ist, wird man manchmal ganz schön gaga im Kopf. Da macht man einen Witz und findet den superlustig, lacht sich eine Viertelstunde drüber schlapp und am nächsten Tag denkt man sich dann “Oh mein Gott…!“. Bei den Texten ist es ähnlich. Zum Glück kann man das immer wieder kontrollieren. In der Produktion zum “Nordlicht“-Album gab es die Idee zum Song “Mach noch ‘ne Runde“ und wir haben uns alle darüber weggeschmissen, waren uns aber noch nicht einig darüber, was wir mit dem Song machen wollen und haben ihn erstmal beiseite gelegt. Dann gab es diesen Moment, dass wir noch ein Liedchen im A-capella-Stil machen wollten. Wir haben den Song nun auch im Programm dabei und werden ihn in besonderer Art und Weise zelebrieren. Das macht Spaß! Wir können ja alle in der Band singen und da ist es schön, das auch mal zu zeigen. Ihr werdet sehen! Früher haben wir auch solche Sachen gemacht wie “Mein Messer weiß es besser“ oder “Kopft ihn!“ – da gab es schon echt skurrile Geschichten. Aber irgendwie fühlen wir uns nicht danach in letzter Zeit. Ich bin ja verantwortlich für die Texte. Es ist gerade nicht die Zeit dafür, mit VERSENGOLD alberne Sachen rauszuhauen. Ich glaube auch die Jungs in der Band würde es auch nicht feiern.
metal.de: Du sagtest gerade, dass du die Texte allein schreibst. Da fällt mir gerade ein im Booklet gelesen zu haben, dass es auch Zuarbeit von anderen Musikern gab. Wie kommt das zustande? Wie ist das mit deiner Textkunst vereinbar?
Zur Musik kann man sagen, dass wir fast schon immer, aber vor allem auf den letzten Alben mit anderen Musikern zusammengearbeitet haben. Zum Beispiel mit Uli von KNASTERBART produziere ich schon seit 2004, unter anderem sind die REGENSCHEIN-Produktion und die ersten VERSENGOLD-Alben bei ihm entstanden. Ein Produzent hat immer einen gewissen musikalischen Einfluss. Von ihm kommen Ideen. Dann haben wir mit den Principal-Studios zusammengearbeitet, wobei dieser Produzent auch Ideen einfließen ließ. Diesmal haben wir auch mit den Leuten vom Elephant-Studio zusammengearbeitet, die wiederrum konkrete Ideen hatten, über die dann diskutiert wurde. Dagegen wehren wir uns nicht. Wir müssen offenen Geistes an die Sache herangehen. Textlich ist es auf diesem Album das allererste Mal so, dass ich etwas zugelassen habe. Wir sind keine Band, denen das aufgezwungen werden kann. Entweder finden wir etwas gut, dann machen wir es. Oder wir finden es scheiße, dann machen wir es eben nicht. Dazu kann uns auch keiner bewegen. Dieses Mal stammt der Text von “Erinnere Dich“ nicht von mir, sondern von einem anderen Texter. Der lag quasi in dem Studio rum und der Produzent hat uns den gezeigt. Ich fand diese Zeile “Ein Lied, das nicht vergisst“ so toll, woraus für mich das erste Mal geworden ist, dass ein Song hauptsächlich von einem anderen Texter stammt. Den habe ich dann nochmal überarbeitet. Wir hatten da auch ehrlich gesagt eine Grenze, vielmehr ich hatte eine, bei der ich gesagt habe: “Ich mach das nicht. Aus Prinzip!“. Dann kam ich aber auch an den Punkt, an dem ich mich mit meiner eigenen Ignoranz hinterfragt habe. Ich wusste, es wird ein tolles Lied, ich wusste, dass der Text viele Menschen berührt, ich wusste, dass wir mit VERSENGOLD eine Band sind, die so etwas machen kann, weil die Leute wissen, dass wir es ernst meinen, sodass ich nochmal rübergehen und es “versengoldig“ machen kann. Ich hatte ja mit dem Texter auch Kontakt, aber es ist trotzdem außergewöhnlich. Ich weiß auch nicht, ob ich das nochmal mache. Da müsste schon ein Ding kommen, bei dem ich das Thema nicht an mir vorbeigehen lassen kann. Du willst ja auch nichts klauen. Ich hätte auch sagen können: “Ich find das geil, ich mach da jetzt mein eigenes Ding draus“, aber das wäre ja auch irgendwie unfair. Dann kann es aber auch bei Texten passieren, dass der Produzent eine Idee hat und sagt: “Wollen wir nicht einen Song machen, der ‘Wohin wir auch gehen“ heißt?“ und dann schreibst du halt einen Text dazu. Diese Zeile ist aber dann nicht von dir und dann wird der Name natürlich genannt, da es ja schließlich die Kernaussage des Songs ist. Letztendlich haben wir allerdings den Daumen drauf, ob wir etwas machen wollen oder nicht.
metal.de: Kurz nochmal zurück zu “Mach noch ‘ne Runde“. Wird es den Song auch auf Streaming-Plattformen bzw. als Download geben?
Malte: Tja Flo, was meinst du?
Florian: Es wäre jetzt nicht so aufwendig den aufzunehmen. Aber es ist ja so: Wenn wir etwas veröffentlichen, passiert das immer im Zusammenarbeit mit einem Label. Ihr wisst ja wahrscheinlich, wie solche Sachen laufen. Du unterschreibst einen Vertrag mit einem Labelpartner und damit unterschreibst du auch eine gewisse Exklusivität. Das heißt wenn du etwas veröffentlichst, muss das über die passieren. Es reden also immer noch ein paar mehr Leute mit, ob du einen Song wirklich veröffentlichst und wenn, dann in welchem Rahmen. Macht man den vielleicht auf eine neue CD?
Malte: Wenn man ihn kommerziell veröffentlicht! Denn veröffentlicht haben wir ihn ja bereits.
Florian: Genau! Man kann ihn ja bei YouTube schon hören. Das ist also schon mal ganz easy für jeden, der das hören möchte. Aber so in richtig guter Studioqualität? Klar, ist denkbar.
Malte: Generell ist es so, dass wir nicht nur den Song bei der Produktion übrig hatten, sondern auch andere Songs, die teilweise echt schön sind. Einen davon haben wir auch schon veröffentlicht [“Mondlicht“, Anm.d.Red.]. Das ist natürlich von der Qualität her ein Lied, an das wir noch einmal rangehen. Ich denke mal, dass wir den früher oder später auch herausbringen. Ob das mit “Mach noch ‘ne Runde“ passiert, weiß ich nicht, aber es kann gut sein. Man hat es ja alles. Warum sollte man es nicht verwenden? Wenn die Nachfrage besteht…? Das ist ja das Wichtigste.
metal.de: Von meiner Seite auf jeden Fall! Wie steht ihr zum Streaming? Teufelszeug oder Chance insbesondere für junge Musiker?
Wir können diesen Markt nicht aufhalten oder regulieren. Streaming setzt sich durch, das sind die Zeichen der Zeit. Dementsprechend arbeiten wir so gut damit, wie es irgendwie geht. Alles was Nachteile hat, hat auch irgendwie wieder Vorteile. Vielleicht werden einige Leute dadurch schneller bekannter, vielleicht ist auch alles ein bisschen schnelllebiger. Das sind ja eh die heutigen Zeiten. Ich würde mir natürlich wünschen, dass wir mehr physische Tonträger verkaufen würden und es wäre wieder so wie in den 90ern. Aber die Zeiten sind vorbei. Mal gucken, wie sich der Markt in den nächsten Jahren daran anpasst und wie wir uns an den Markt anpassen werden. Das wissen wir selbst nicht so genau. Wir gehen da mit der Zeit, was bleibt uns auch für eine andere Wahl?
metal.de: Bei mittlerweile 7 (bzw. 9, mit den beiden großen EPs) Alben wird es ja immer schwieriger eine Setlist festzulegen. Auf der letzten Tour habt ihr das geschickt mit einem Medley gelöst. Wie habt ihr die Setlist für diese Tour geplant?
Das wirst du ja heute sehen. (lacht) Die Setlist baut meistens der Daniel [Gregory, Gitarre, Anm.d.Red.] und dann wird die immer ausdiskutiert. Die soll so aufgebaut sein, dass wir eine möglichst runde Show haben, wo wir viel feiern, ein bisschen nachdenklich werden können, ein paar Aussagen machen und am Ende alle mit einem guten Gefühl rausgehen und am besten diverse Emotionen erlebt haben. Für uns als Musiker ist es natürlich immer schön, wenn wir Songs spielen, die wir noch nicht seit 5, 10 oder 15 Jahren im Programm haben. Du machst ja so eine CD auch, weil du dich freust, das Material auf die Bühne zu bringen. Wir spielen ja mit “Mach noch ‘ne Runde“ fünf Songs, die wir bis vorgestern noch nie auf die Bühne gebracht haben. So muss es auf Tour auch sein, dass wir ein paar Songs zurückhalten und dann raushauen. Wir spielen dann vor allem Songs von heute und von der letzten Platte und auch ein oder zwei von den Sachen, die uns immer begleiten und einfach nicht mehr aus dem Set rauszudenken sind. Ansonsten haben wir auch dafür wieder die Nacht der Balladen, bei der wir ganz alte Sachen wieder ausgraben und auf die Bühne bringen für alle, die das noch mögen. Manchmal muss man so einen Song auch liegen lassen. “Drey Weyber“ ist ein gutes Beispiel dafür. Es ist ein totaler Partysong, der total mittelalterlich ausgerichtet ist. Allein schon der Titel – ich würde den heute nicht mehr so nennen, weil darauf viele Leute empfindlich reagieren. Da muss man aufpassen. Der kommt eigentlich immer super an, aber wir haben den als Band dann irgendwann schon ein paar Hundertmal gespielt. Dann ist das Ding irgendwann durchgelutscht. Dann muss man den mal beiseite legen und mal ein, zwei Jahre reifen lassen und dann holt man den irgendwann wieder für ein Event raus und wir freuen uns den zu spielen und alle freuen sich das zu hören. Bis dahin haben wir alle zwei Jahre eine CD, die wir auf den Markt schmeißen und ich denke wir bleiben auch in diesem Turnus. Dementsprechend haben wir immer neues, frisches Material, auf das wir Lust haben und in die Show einbauen können. Und es wird immer so ein, dass irgendwelche Leute enttäuscht sein werden, weil wir irgendwelche Lieder nicht spielen. Wir haben mittlerweile über 100 Songs, die wir auf dem Markt haben. Da kann mit in zwei Stunden nicht allen gerecht werden.
metal.de: “Ein Schiff, das stampft und rollt, ein Leben lang“ – könnt ihr euch vorstellen mit 60 immer noch auf der Bühne zu stehen?
Wir gehen davon aus! Für einige Leute ist auch 60 ja auch nicht mehr so lange hin. (lacht) Nein, das stimmt nicht. Wir haben ja gemerkt, wie schnell die letzten 15 Jahre vergangen sind, oder allein die letzten vier Jahre, in denen wir in dieser Konstellation unterwegs sind. Das geht ratzfatz. Wir sind alle einig und verschworen, dass wir diese Band halten und unseren Lebensunterhalt damit bestreiten und schauen wollen, wohin die Reise geht, wo unser Zenit sein wird und dass wir alle solange weiter machen, wie es irgendwie geht. Und ganz ehrlich: wir haben auch keine Wahl! Dann ist Schicht im Schacht. Also nicht, dass wir nicht in der Lage wären noch andere Berufe auszuüben, das glaube ich gar nicht. Wir leben ja diesen Leben, die Musik. Das ist so schön. Man genießt Freiheiten und natürlich auch bestimmte Verantwortungen. Man genießt sein Leben und ich kann mir nicht vorstellen, damit aufhören zu müssen – auch nicht mit 60. Ich glaube, darauf kann man sich verlassen, dass wir irgendwann als alte Säcke von der Bühne fallen. Und einige von uns sollen es ja auch manchmal so schon schaffen von der Bühne zu fallen….
Florian: Nicht bei VERSENGOLD!
metal.de: In jedem Falle – Danke für das Interview!
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