Vengeful
Interview mit Jean-Marie Leblanc zu "The Omnipresent Curse"

Interview

Kanadas Death-Metal-Szene bringt eine Perle nach der anderen zum Vorschein und von Technikgefrickel bis hin zu bretthartem Gehämmer gibt es das komplette Programm an harten Sounds. VENGEFUL haben mit ihrem ersten Album „Karma“ bereits für ein Aufhorchen gesorgt, auch wenn dieses noch nicht wirklich zwingend war. Nun steht das neue Werk „The Omnipresent Curse“ bereit und mittlerweile darf man folgendes behaupten: Wer VENGEFUL unterschlägt, darf sich schämen, denn diese Burschen haben den reinen Todesblei im Blut. Lange Rede, kurzer Sinn: VENGEFUL mussten für ein paar Fragen herhalten. Jean-Marie Leblanc (Guitar, Back-Vocals und Hauptkomponist) gab Auskunft über seine Band und umzu.

Vengeful

Ihr habt mit „The Omnipresent Curse“ einen mehr als würdigen und beeindruckenden Nachfolger von „Karma“ an den Start gebracht. Das Album ist super produziert, die Parts wirken entweder super fett und schwer oder peitschen größtenteils nach vorne. Ein wahrer Brocken also, der sich durchaus mit den Genregrößen des Death Metals messen lassen kann. Gratulation also zu dieser Leistung!

Besten Dank, Mann!

Besitzt du/ihr genug Selbstbewusstsein um eure Leistung „objektiv“ zu beurteilen? Wo seht ihr VENGEFUL derzeit stehen und wie schätzt ihr „The Omnipresent Curse“ in Bezug auf die (nicht zu verachtende) Konkurrenz ein?

Die Distanz zum Album haben wir, weil die meisten Songs bereits 2006 geschrieben worden sind, „Sanctioned“ kam 2008 dazu und das Hauptmotiv zu „Lapsus“ stand bereits 2005. Meiner Meinung nach strahlt das Album eine starke Oldschool Death Metal Aura aus, zusammen mit modernen Riffs und zeitgemäßer Produktion. „The Omnipresent Curse“ ist dunkler und brutaler als „Karma“, aber nicht so aggressiv. Es ist eine akkuratere Version des VENGEFUL-Sounds, mit den zwei Hauptzutaten, die hier getrennt und gleichzeitig überblendet werden: Das Brutale und Schnelle vs. das Langsame und Hypnotische.

Seit „Karma“ hat sich einiges geändert. Mal abgesehen davon, dass „The Omnipresent Curse“ viel besser produziert ist und die Songs deutlich mehr zwischen die Augen zielen, hat sich auch in der Besetzung bei euch einiges verändert. Erzähl mal, was so alles passiert ist seit „Karma“.

Manchmal scheint es so, als ob VENGEFUL eine Band wären, die sich nur um Mag (voc) und mich dreht, und dass wir uns immer Sessionmusiker an Bord holen – aber das ist nicht der Fall. Die Besetzung war bei jeder Veröffentlichung anders, weil die meisten Musiker entweder nur als Hobby bei uns spielten oder ihnen einfach die Zeit fehlte, um sich voll und ganz der Band zu widmen. Deshalb kommt es quasi jedes Mal zu einer Verjüngungskur für VENGEFUL.

Auf die Rolle des Drummers würde ich gern kurz zu sprechen kommen. „Karma“ wurde soweit ich weiß von Jean-Sébastien Gagnon eingehämmert, der bekanntlich hauptamtlich bei den Fricklern ATHERETIC trommelt. Mit ihm hattet ihr eigentlich einen guten Fang gemacht oder? Als ich gelesen habe, dass ihr einen Neuen am Start habt, dachte ich erst, dass die Qualität an den Fellen nachlassen würde, aber das Gegenteil ist sogar der Fall. Philip Truesdell ist absolut fit an der Schießbude und ergänzt euer Gefummel an den Instrumenten superb. Was ist da passiert?

Zunächst muss dazu gesagt werden, dass Gagnon nur bei vier Songs von „Karma“ dabei war, die anderen haben wir mit einem Kumpel von mir, Alex „Grind“ Pelletier (DESPISED ICON) eingespielt. Ein anderer, ehemaliger Mitstreiter hat uns dann mit seinem Talent auf „Tempted By Nightmare“ und der neuen Platte zur Seite gestanden: Etienne Gallo (NEGATIVA, ex-AUGURY, ex-ABORTED, ex- und so weiter…)
Nach den Aufnahmen machten wir uns auf die Suche nach einem festen Schlagzeuger und fanden dann nach vier Monaten endlich Phil. Ich war gerade dabei, die Percussion-Parts aufzunehmen, aber nun konnte ich diese Aufgabe an ihn abgeben. Nachdem das nun alles geklärt ist, kann ich dir ohne weiteres zustimmen: Er IST ein Monster am Schlagzeug, und auf dem nächsten Album wird man das ganz eindeutig hören können.

Gab es etwas bestimmtes, das ihr im Kopf hattet, als „The Omnipresent Curse“ komponiert wurde? Zum Beispiel, dass die Mischung aus schnell und Midtempo stimmen musste oder habt ihr einfach drauflos geschrieben?

Uns war von Anfang an klar, dass wir weiter in Richtung dunklerer und stimmungsvollerer Klänge gehen wollten. Mit dem ersten Album haben wir bereits versucht ein breites Spektrum abzudecken, so dass wir uns nicht unnötig festnageln. Wenn man anfängt die Songs live zu spielen, merkst du, was am besten funktioniert und fokussiert sich auf die Stärken. Wir haben von vielen Leuten gehört, die gerade diese dunklere Seite mögen, deshalb haben wir uns etwas mehr darauf konzentriert. Natürlich sind wir nach wie vor eine Death-Metal-Band, deshalb wird auch die schiere Brutalität immer ein integraler Bestandteil von uns sein, egal wie sehr wir unseren Sound erweitern.

Legt ihr großen Wert auf technischen Anspruch an den Instrumenten oder kommt das von alleine? Eure Songs sind wie Sex für jeden Musiker und überhaupt für Leute, die gerne harte, schnelle und einfach extreme Musik hören…

Soso, Sex für Musiker?

Naja, hab vielleicht bisschen sehr auf die Kacke gehauen…

Mich wundert es immer, wenn wir als „technisch“ beschrieben werden, denn in meinen Augen trifft das eher auf Bands wie BENEATH THE MASSACRE, ORIGIN, NECROPHAGIST und PSYCROPTIC zu. Jemand hat mir mal gesagt, dass wir zwar nicht technisch spielen, aber das unsere Songs so arrangiert und strukturiert sind. Dem würde ich zustimmen.

Kanada entwickelt sich aus meiner Sicht immer mehr zu einer Hochburg des (technisch anspruchsvollen) Death Metals. Ich meine, Bands wie CRYPTOPSY, ATHERETIC, DESPISED ICON, AUGURY oder auch ION DISSONANCE (um nur ein paar zu nennen) sprechen Bände. Blättern wir ein paar Jahre zurück waren da noch GORGUTS, deren Album „The Erosion Of Sanity“ mich auch nach so vielen Jahren immer noch in den Wahnsinn treibt. Bemerkt ihr die wachsende Szene in Kanada und nehmt ihr das überhaupt wahr, dass das hier so ankommt?

Ich kann nicht genau sagen, wie groß der Einfluss der Szene auf die Bands ist, aber klar erkennbar ist, dass schon einige Bands aus Montreal mit sehr bekannten Bands auf internationale Tourneen gehen konnten. Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen.

Luc Lemay (GORGUTS) hat als Gastsänger auf „The Omnipresent Curse“ mitgewirkt. Wie kam es dazu?

Ich bin ihm bei einem Konzert über den Weg gelaufen, in der Zeit als wir gerade in den Aufnahmen zu „The Omnipresent Curse“ steckten. Also fragte ich ihn einfach, ob er Interesse hätte etwas für einen Song einzusingen, der genau die Art von leidensgeprüften, gequälten Growls verlangte, wie nur er sie hinbekommt. Luc war von der Idee sofort angetan, tja, und dann drehte sich unser Gespräch auch schon um unsere gemeinsame Lieblingsband NEUROSIS und anderen Kram…

Mit „Transcending“ ist ein für den von euch gespielten Stil eher ungewöhnlich langer Track auf dem Album. Habt ihr nicht Bedenken, dass ein über 20 Minuten langes Death-Metal-Stück die Leute abschrecken könnte? Wieso habt ihr euch für ein solches Lied entschieden und gestaltete sich das Songwriting anders als bei den normal langen Liedern?

Als ich damals mit den Kompositionen zu „Karma“ fertig war, fühlte ich, dass wir das Epische von „Tempted…“ fortführen könnten. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf entwarf ich die Idee eines Albums, an das man sich besser erinnern würde, und ich suchte ständig den Akkord, der die ganzen akustischen Themen, die ich geschrieben hatte, miteinander verband. Ich peilte einen Song von 12 bis 15 Minuten Länge an. Es ist ein monumentaler Song, der dem Hörer einiges abverlangt. Wir haben uns aber auch nie um irgendwelche Standards gekümmert. Natürlich wissen wir, dass die meisten Metalheads die Songs kurz und knackig, direkt aufs Maul bevorzugen, aber dennoch sind wir der Ansicht, dass es bei einem guten Song überhaupt nicht auf die Spielzeit ankommt.

Werdet ihr die Chance haben über den Teich zu kommen und das europäische und im besten Falle natürlich das deutsche Publikum zu beglücken? Wäre doch praktisch wenn ihr bei einer größeren Band aus Kanada als eine Art Handgepäck aufspringen könntet…

Das wäre in der Tat traumhaft! Allerdings sind wir nicht großartig unterwegs, selten auf Tour, deshalb stehen die Chancen für so eine Unternehmung wohl eher schlecht. Aber man weiß ja nie, was die Zukunft bringt.

Zum Abschluss noch ein kleines Spielchen, OK? Ich schmeiße ein paar Bandnamen (aus Kanada und den USA) in den Raum und ihr gebt euren Kommentar dazu ab:

DESPISED ICON – Coole Typen, die ich alle noch aus Zeiten kenne, in denen an DESPISED ICON noch gar nicht zu denken war. ‚Grind‘ ist einer der besten Schlagzeuger des Genres. Definitiv meine Lieblings-Deathcore-Band.

GORGUTS – Haben meine Wahrnehmung düsterer, chaotischer Hypnose nachhaltig verändert.

CRYPTOPSY – Sind mit „Whisper Supremacy“ zu Pionieren der modernen Brutalität geworden. Lord Worm ist immer noch einer der kränksten Sänger, die ich bisher gehört habe.

ORIGIN – Alien-Tech-Death vom Feinsten.

HATE ETERNAL – Absolut unterbewertete Band, und dabei eine der brutalsten, die es auf diesem Planeten gibt.

Vielen Dank für das geduldige Beantworten meiner Fragen und ich hoffe doch inständig, dass die Metal-Gemeinde noch viel gutes von VENGEFUL hören wird. „The Omnipresent Curse“ ist wirklich klasse geworden!

Ich habe zu danken! Der Dank gebührt auch allen Leuten, die uns überall unterstützen. Irgendwann sieht man sich bestimmt mal auf einem Konzert. Das kommende Album wird „The Omnipresent Curse“ wie Durchschnittsware aussehen lassen – bis es aber soweit ist, solltet ihr unbedingt mal in THE LAST FELONY reinhören!

09.02.2010

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