Vanden Plas
"Am Schluss muss es wie aus einem Guss wirken."
Interview
Mit „The Empyrean Equation Of The Long Lost Things“ veröffentlichen VANDEN PLAS ihr elftes Album. Wir saßen mit Sänger Andy Kuntz zusammen und sprachen über die Entstehung, den Besetzungswechsel am Keyboard, die Zukunft der Band und längst überfällige Livepläne.
Hi Andy! Mit „The Empyrean Equation Of The Long Lost Things“ habt ihr einen komplexen Albumtitel gewählt. Handelt es sich wieder um ein Konzeptalbum?
Es ist eine Chronik mit verschiedenen Geschichten, die am Ende zusammenkommen. Alle Songs behandeln auf unterschiedliche Art und Weise die bedeutenden und essentiellen Dinge im Leben, die man verlieren kann. Es geht um Liebe, Glaube, Hoffnung, Mut, Vertrauen und Träume. Das habe ich in Metaphern verpackt und Geschichten herum gewoben. Am Ende, in „March Of The Saints“, kommen die biblischen Riesen – die Nephilim – und suchen in den Salzwüsten nach allem, was wir verloren haben und wollen es uns zurückgeben.
Ich schreibe Lieder und verpacke sie so, dass es gut klingt. Ich möchte meine Ideen einbringen, aber die Hörer müssen es als klanglich schön empfinden. Ich suche dafür mühevoll nach neuen Worten, auch teilweise im Alt-Englischen. Die schönste Geschichte nützt nichts, wenn sie holprig klingt.
„March Of The Saints“ ist ein kleines Epos geworden. Wie kommt es, dass ihr so lange, aber in sich schlüssige Stücke komponiert?
Das ist unsere längste Nummer, aber darum geht es nicht. Wir versuchen den Songs immer das zu geben, was sie brauchen und am Ende steht die Entscheidung, ob etwas fehlt oder ob wir etwas kürzen müssen. Meistens hat Stephan [Lill, Gitarre, Anm. d. Red.] gut vorgearbeitet und wir besprechen seine Ideen des letzten Jahres. Ältere Ideen gibt es nicht, denn die haben wir entweder schon verbraten oder an anderen Stellen, wie unseren Rockopern, verwendet.
Dieses Mal wollten wir mit einem Instrumental anfangen, aber darin stellt sich schon der Refrain, der später kommt, vor. Damit schließt sich der Kreis musikalisch und deswegen ist „March Of The Saints“ länger geworden als beabsichtigt. Am Schluss muss es aus einem Guss wirken. Wir haben das Stück während der Produktion sehr oft gehört und wenn es einem dann immer noch nicht zu lang vorkommt, stimmt im Normallfall alles.
Das Album kommt 30 Jahre nach eurem Debüt „Colour Temple“ heraus – wo siehst du Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
Die „Colour Temple“ kannst du mit dem neuen Album nicht vergleichen. Dafür sind die drei Nachfolger, „The God Thing“, „Far Off Grace“ und „Beyond Daylight“ der neuen Platte am Allernächsten. Mit „Colour Temple“ haben wir die Songs, die wir im Laufe der Jahre geschrieben haben, gebündelt rausgebracht. Das sind Stücke, die schon jahrelang in unserem damaligen Liveset waren und dem AOR nahestehen. Wir fingen an, indem wir QUEENSRYCHE und VAN HALEN gecovert haben und die Auswahl der Lieder auf „Colour Temple“ sind die ersten eigenen Stücke, die daraus entstanden.
Dass es auf „The God Thing“ so progressiv weiterging, war mehreren Faktoren geschuldet: Wir spielten im Staatstheater Saarbrücken mit einem siebzigköpfigen Orchester für „Jesus Christ Superstar“ zusammen und wenn du mit solch sensationellen Leuten zusammenarbeitest, dann lernt man schnell. Zudem kam nach der „Colour Temple“ die „Images And Words“ von DREAM THEATER heraus. Die beeinflussen uns eigentlich gar nicht, doch es gibt eine Ausnahme: Das Album hat die Art von Musik, die wir spielen wollten, der breiten Masse zugänglich gemacht.
Dennoch ist unsere Musik sehr unterschiedlich. Uns geht es um Melodien und tolle Hooks, wohin bei DREAM THEATER die Technik im Vordergrund steht. Wir waren mit ihnen auf Tour und das sind total liebe Typen und musikalisch sensationell gut – wenn du so gut bist, willst du das auch zeigen. Was würde es bringen, wenn sie Stücke wie „Jump“ schreiben würden. Klar können sie das, aber warum sollten sie das tun, wenn sie viel mehr können?
Mit ALL MY SHADOWS habt ihr seit vergangenem Jahr wieder ein „einfaches“ Hard-Rock-Projekt am Start – ist das VANDEN PLAS zurück zu den Wurzeln?
Das ist ein Herzensprojekt, denn wir wollten wieder zurück zur „Colour Temple“-Zeit. Wir haben bei der Plattenfirma angefragt und die fand die Idee gut, obwohl die Besetzung fast die gleiche wie bei VANDEN PLAS ist. Die Idee war eigentlich, dass es ein Projekt von Stephan und mir ist und wir alle anderen Musiker dazu holen. Letzten Endes hatten wir eine tolle Truppe zusammen. Das soll keine einmalige Sache bleiben, aber wenn es doch so ist, dann ist es nicht schlimm.
Wir mussten uns einfach mal freispielen. Kurz nach Corona war das eine Chance, sich zu erden. Dass Günter [Werno, ex-Keyboards, Anm. d. Red.] die Band verlassen hat, spielt da auch mit rein. Wenn jemand nach so vielen Jahren ohne Streit gehen will, dann muss man das respektieren. Es war ein Reset auf null und dann konnten wir sehen, wie es weitergeht. Ich denke, das Projekt hat uns künstlerisch weitergebracht.
Ich bin überrascht, dass Alessandro Del Vecchio mit seinen zahllosen Projekten noch Zeit für euch als Keyboarder hat. Wie kamt ihr auf ihn?
Ich kenne ihn seit drei Jahren und wollte ein Soloprojekt mit ihm machen, das ich zugunsten von ALL MY SHADOWS gekippt habe. Er kam während Corona auf mich zu und fragte mich, ob ich bei den FRONTIERS ALLSTARS mitmachen möchte – dort haben alle während des Lockdowns von zuhause gearbeitet und ihre Beiträge an Alessandro geschickt.
Ich schätze ihn wert, weil er so viel macht. Er ist in vielen Bands aktiv, ein toller Produzent, ein klasse Gitarrist, Sänger und noch besserer Keyboarder. Ich bin auf ihn zugegangen, weil wir beide bei Frontiers Records unter Vertrag sind, aber er meinte direkt zu mir, dass er schon seit der „Colour Temple“ VANDEN-PLAS-Fan ist. Er stand 2000 bei einem Konzert in Mailand in der ersten Reihe. Da haben sich schon Kreise geschlossen.
Als Günter ging, begann die Suche nach einem Ersatz. Die Live-Keyboarder von James LaBrie und Geoff Tate fragten uns an und Günter hätte die Platte noch eingespielt, wenn wir niemanden gefunden hätten. Ich meinte, wir sollten Alessandro fragen. Viele denken, er sei ein reiner AOR-Typ, weil er mit Frontiers einen Arbeitgeber hat, der fast nur AOR produziert. Er wollte aber schon länger etwas anderes machen, weil es ihn künstlerisch limitiert hat. Er musste zwei Wochen darüber nachdenken und teilte uns mit, dass er auf Grund zahlreicher Veränderungen in seinem Leben genug Zeit für VANDEN PLAS als festes Bandmitglied haben wird.
Als wir uns trafen, war direkt klar, dass er für uns brennt. Er hat ein Herz für progressive Musik und ist damit aufgewachsen. Seinen Job als Haus- und Hofproduzent von Frontiers Records hat er aufgegeben und nun konzentriert er sich auf vier Projekte – VANDEN PLAS ist eins davon.
Ihr wart lange nicht mehr live zu sehen – habt ihr mit „The Empyrean Equation Of The Long Lost Things“ eine Tour geplant?
Ja, auch wenn keiner mehr dran glaubt. Wir wollten mit den „The Ghost Xperiment“-Alben unbedingt touren, aber das ging wegen Corona leider nicht. Dann haben wir aus Münster, Kaiserslautern und Innsbruck eine Auftragsarbeit aus den Theatern bekommen – dort haben wir 60 Shows mit unserer neuen Rockoper gespielt.
Wir sind schon dabei die Tour zu planen. Es wird ein Doppelpaket, aber ich darf noch nicht verraten, wer die zweite Band ist. Wir wollen innerhalb von drei Wochen durch sechs bis sieben Länder und vorher gibt es ein paar Einzelshows. Es hätte auch kurz nach dem Albumrelease Gelegenheiten gegeben, aber die haben uns nicht gefallen, sodass es bis Anfang nächsten Jahres dauert. Die Clubs warten nicht auf uns, also mussten wir gucken, wann alle Locations noch offene Plätze in einem Drei-Wochen-Zeitfenster haben. Im Februar bis April 2025 kann man VANDEN PLAS live sehen.
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Stile | Progressive Metal |
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