Van Canto
Van Canto

Interview

Wenn jemand nach außergewöhnlicher Musik sucht, die den herkömmlichen Rahmen sprengt und offen genug dafür ist, auch mal auf sägende Gitarren zu verzichten, müsste er über kurz oder lang auf VAN CANTO stoßen. Die Band hat mit "A Storm To Come" soeben ihr erstes Album auf eigenem Label vorgelegt und überrascht darauf mit eingängigen Metal-Nummern, die symphonisch und episch sind, dafür aber komplett a-cappella vorgetragen werden. Lediglich ein Drummer gibt der ganzen Sache noch den nötigen Wumms. Sicherlich sind VAN CANTO eine Band, die nicht jedem gefällt, aber sie machen ihre Sache unbestritten verdammt gut und haben zudem ein enormes kommerzielles Potenzial, das förmlich danach schreit, ausgeschlachtet zu werden. Songwriter und – äh – Sänger Stefan Schmidt stellte sich meinen Fragen.

Van CantoWie seid ihr auf die Idee gekommen, A-Cappella Metal zu machen? Habt Ihr keine geeigneten Gitarristen und Basser finden können? Oder hat sich die Sache durch die Situation mit Euren (ex-)Bands ergeben?

Weder noch. Die Idee spukte schon seit einiger Zeit in meinem Kopf rum. Nach dem Split von JESTER’S FUNERAL Anfang 2006 war dann endlich die Zeit da, sich auch mit entsprechendem Einsatz an die Sache machen zu können. Die A-Capella-Idee war aber von Anfang an das Konzept und ist nicht aus der Not heraus enstanden. Wenn ich so nachdenke, könnten wir sogar ohne Probleme die Songs mit einer „echten“ Besetzung zocken, da Ike, Ross und ich alle Gitarre spielen. Einer müsste sich dann halt den Bass umschnallen, haha. Aber darum geht’s ja gar nicht. Wir machen Metal a-capella!

Wie ist die Band überhaupt entstanden?

Eigentlich war das so was wie ein „Privat-Casting“ unter Freunden, haha. Ich hatte die Idee und hab dann überlegt, wer in meinem Freundeskreis beziehungsweise bei den Bands, mit denen ich mit JESTER’S FUNERAL gezockt hatte, alles dabei ist, der geil singen kann.
Die jetzige Besetzung ist die absolute Wunschbesetzung, alle haben sofort zugesagt, es ist also keine „zweite Wahl“ dabei.

Und was war die ursprüngliche Intention?

Mal was Neues zu probieren, und gleichzeitig einen Musikstil zu bedienen, der etwas Positives ausstrahlt. Deswegen ja auch unsere Bezeichnung „Helden“-Metal. Wir wollten was Symphonisches, Euphorisches machen. Unsere Songs wären in einer „normalen“ Besetzung auch sehr gesangsorientiert, von daher bietet sich unser an True- und Power Metal angelehnter Stil natürlich für eine a-capella-Umsetzung an. Irgendwie krass, dass da vorher noch keiner auf die Idee gekommen ist…

Ist es nicht eigentlich inkonsequent, einen Drummer in der Band zu haben?

Kommt drauf an, ob man einen Drummer als Musiker ansieht oder nicht, haha. Im Ernst, was anderes kam für uns nicht in Frage. Beatbox-mäßiges Mundschlagzeug klingt immer nach Discopop. Außerdem sieht Strilli geil aus und hat Legs of Steel!

Was sind eure musikalischen Einflüsse? Zieht ihr Euch nur Metal rein, oder hört ihr auch klassischen A-Cappella, vieleicht Doo Wop oder Ähnliches?

Also ich als Komponist hab eigentlich nur Metal- und Hard Rock-CDs in meinem Schrank. Dazu noch ein paar Soundtracks und ein paar Sachen von Richard Wagner. Die einzige a-capella-Band, die ich intensiv höre, sind die WYSE GUYS. Da bin ich als 1.FC Köln Fan drauf gekommen. Die Typen sind persönlich sehr nett und sie sind superbe Songwriter. Nur die Eier fehlen halt hier und da etwas in den Songs. Da kommen dann wir ins Spiel.

Wie habt ihr euch gefühlt, als ihr zum ersten Mal Gitarren mit den Mündern nachgemacht habt? Kommt man sich da nicht erstmal albern vor?

Oh doch! Ich saß allein in meinem Studio und hab alles Mögliche ausprobiert. So richtig gemerkt, dass es geil klingt, haben wir auch erst, als wir die meisten Stimmen nach dem Einsingen wieder durch Amps gejagt haben. War also durchaus nicht ohne Risiko, aber es hat ja geklappt.

Ihr schreibt eure Songs selber. Wie entstehen die Stücke? Die Herangehensweise ist ja sicherlich eine andere als bei herkömmlichen Rock-Bands.

Da es sehr auf die Gesangslinien ankommt, habe ich die Stücke am Piano geschrieben. Also erstmal nur Akkorde und Gesang. Dann kamen die einzelnen Gesangsstimmen dran. Teilweise habe ich da wirklich musiktheoretisch schulbuchmäßige mehrstimmige Sätze geschrieben, teilweise einfach überlegt, was eine Gitarre spielen würde und die Töne dann auf die einzelnen Stimmen verteilt. Es war auch viel Spontanes dabei, ich ändere meistens nicht mehr soviel an einem Song, wenn er mir mal gefällt.

Denkst du, dass ihr, was die Dynamik angeht, herkömmlichen Rock- und Metal-Bands etwas voraus habt?

Wenn du Dynamik als Unterschied zwischen leise und laut definierst auf jeden Fall (so war es gemeint – Verf.). Die harten Teile sind genau so laut wie bei einer echten Band, nicht zuletzt, weil wir ja durch Gitarrenverstärker singen. Die balladesken Teile sind aber dafür weitaus sanfter, als es eine normale Band mit Clean-Gitarren erreichen könnte. Wir sind natürlich nicht so brutal wie ein Riff von Dimebag Darrel, aber das ist ja auch nicht das primäre Ziel.

Wie sind die CD-Aufnahmen verlaufen, gerade im Vergleich zu euren Erfahrungen mit den früheren Bands?

Sehr entspannt! Nachdem das Schlagzeug mal drin war, gab es ja immer nur eine Gesangsstimme gleichzeitig aufzunehmen, das war echt locker. Alle Bandmitglieder hatten ausgiebige Studioerfahrung, haben sich ihre Parts zuhause draufgeschafft und dann an jeweils drei Tagen eingesungen. Vom Zeitpunkt des ersten Klavierdemos bis zur fertigen CD sind gerade mal elf Monate vergangen. Ross habe ich zum Beispiel erst im Juni 2006 überhaupt fragen können, ob er Lust hat, mitzumachen.

Wovon handeln denn eure Texte?

Es sind sehr persönliche Texte. Sie handeln davon, das zu tun, was man will und zu dem zu stehen, was man tut. Es geht schon um „Helden“, meistens in einem etwas romantisiertem Sinn und in ziemlich bildhafter Sprache, aber auf jeden Fall in einer Art und Weise, die jedem erlauben sollte, was Persönliches für sich heraus zu ziehen. Hoffe ich zumindest, haha.

Ist der Titel „A Storm To Come“ programmatisch dafür, dass ihr noch Einiges vorhabt? Bereitet ihr das auch mit Mitteln wie dem eigenen Label und der schönen Aufmachung der CD vor?

Ja, kann man so sagen. Schön, dass das mal wer fragt, haha. Der Plan ist auf jeden Fall, diese Sturm-Idee und auch das verbundene Cover-Motiv bei den nächsten Sachen wieder aufzugreifen.

Habt ihr euch schon bei anderen Labels beworben? Irgendjemand muss doch bemerken, dass bei Eurem Zeug ein ähnliches kommerzielles Potenzial vorhanden ist wie bei APOCALYPTICA!

Es freut mich natürlich, dass du das sagst. Fairerweise muss man sagen, dass wir die Platte überhaupt nicht erst an Labels geschickt haben. Wir haben bei dieser Platte ja wirklich alles selbst gemacht inklusive Video, Labelgründung und Vertrieb, so dass wir erstmal sehen wollen, was da so geht. Es steckt ja auch schon ein bisschen Kohle drin. Nicht, dass ich jetzt damit rechne, das wieder reinzubekommen. Ich denke einfach, dass eine zweite Platte ein besserer Zeitpunkt wäre, um mit Labels zu sprechen. Bisher hat sich aber noch keiner gemeldet. Im Gegenteil, wir bekommen eher Bewerbungen von Bands und Anfragen von Fans, welche geile Plattenfirma dieses Konzept erdacht und finanziert hat, haha. Wenn, macht auch wirklich nur ein richtiger Deal Sinn, bei Leuten, die das was wir jetzt selbst machen, nachweislich besser können. Schlechte Deals bei „Wir spielen jetzt mal Plattenfirma“-Nasen hatten einige von uns zur Genüge.

Wie seid ihr intern organisiert, hat jeder eine spezielle Aufgabe?

Strilli, der Drummer, macht sehr viel Öffentlichkeitsarbeit und beantwortet einen großen Teil der Fanmails. Ike hat die Homepage gemacht und kann ganz gut spanisch und portugiesisch, was uns beim Konktakt mit den dortigen Fans, Mailordern und Magazinen hilft. Inga, Ross und Sly helfen beim Verkauf. Der Rest ist eigentlich meine Arbeit, ich bekomme aber von jedem in der Band immer alle Unterstützung, wenn ich sie brauche. Es ist wirklich mal eine Band, wo alle nett, professionell, hilfsbereit UND fleißig sind. Und das bei fünf Diven und einem Trommler, unglaublich eigentlich, haha.

Euer erstes Konzert wird das Rock Harz sein. Kannst du dir vorstellen, dass die Techniker sich auf Eure speziellen Bedürfnisse einstellen können? Wo würdest du Probleme sehen?

Wir werden einen eigenen Techniker mitbringen. Im Moment suchen wir noch einen Endorser für ein etwas ausgefeilteres In Ear-Monitoring-System. Wenn wir das haben, habe ich eigentlich keine Sorgen. Wir können alle singen und haben viel Bühnenerfahrung. Solange wir uns gut hören können auf der Bühne, wird das entspannt und cool.

Auf eurer Homepage sind bereits ein paar positive Kritiken verewigt. Gab es bislang auch negative? Einige Metal-Schreiber können wahrscheinlich gar nichts mit euch anfangen und erkennen möglicherweise auch die musikalische Klasse dahinter nicht.

Wir hatten von Schreiberlingen bisher nur positive Kritiken. Nur ein Vertreter eines großen deutschen Metal-Magazins hat die Scheibe benutzt, um den Punkteschnitt des Magazins mal wieder in Ordnung zu bringen. Ist natürlich bei einer Band wie VAN CANTO einfacher als bei einer größeren Band. Der Typ hat nur Scheisse gelabert, ist auf keinen Song eingegangen, erwähnt aber die Oberweite der Sängerin, findet alles total doof und gibt dann aber nicht zwei oder drei, sondern 5,5 von 10 Punkten. Da fällt mir nix mehr ein. Journalistisch gesehen hat diese Kritik glatte 1 von 10 Punkten verdient. Ich kann mit Kritik umgehen, aber wenn irgend so ein Frustrierter die Scheibe offensichtlich nicht einmal ganz in Ruhe gehört hat und dann nur Scheiße schreibt, finde ich das unfair. Nicht nur uns gegenüber, sondern vor allem vielen Underground-Schreibern, die das ganze unentgeltlich machen, sich die Platten mehrmals anhören und auch zu einzelnen Songs was sagen. Wenn mir einer erklärt, warum er was nicht mag, hab ich auch kein Problem mit Null Punkten. Wie gesagt, das ist eine schlechte Kritik gegenüber 10 bis 15 positiven bis euphorischen. Ich denke, wir ziehen also schon die richtigen Schlüsse..

Haben sich schon irgendwelche Szenewächter über euch beschwert?

Ja, und das ist ja auch klar und in Ordnung. Ich werde zwar nicht gerne als N-SYNC-Schwuchtel bezeichnet, aber es liegt schon irgendwie auf der Hand, dass man bei den brutalsten Metallern die eine odere andere negative Reaktion hervorruft. Die mögen aber dann EDGUY genau so wenig, von daher kann man das einfach mit dem unterschiedlichen Geschmack begründen. Eins ist auf jeden Fall klar: wir bekommen Reaktionen. Und zwar richtig viele. Es ist irgendwie besser, eine Band zu haben, die nicht jeder toll findet, die aber viele Leute interessiert. 90 Prozent der Reaktionen sind außerdem wirklich begeistert und spornen uns an, mehr von diesem Stoff zu machen.

Wie ist euer Video entstanden?

Das Video hat vor allem über youtube schon den ein oder anderen neuen Fan auf unsere Seite gebracht. Das ist natürlich sehr cool. Es war so, dass ein langjähriger Freund von mir seine Diplom-Arbeit an der Uni in Detmold schrieb. Er macht da irgendwas in der Schnittstelle aus Innenarchitektur und Mediendesign. Seine Diplom-Arbeit ist die Inszenierung von so einem Video. Sein Thema war, wie man die Art und Weise der Musik, die ohne Instrumente auskommt und trotzdem den ganzen Raum füllt, in Bilder übersetzt. Deswegen hatten wir sozusagen einen Regisseur, einen Cutter und einen Effektspezialisten, der das alles auch für sich gemacht hat und da keine Stunden aufgeschrieben hat und uns am Ende eine Rechnung präsentiert hat. Genauso mit den Kameramännern und dem Beleuchtungsassistenten: Die haben zwar alle Geld gekriegt, aber das bewegt sich alles im Rahmen. Es ist natürlich toll, ein professionelles Ergebnis erzielen zu können, auch wenn man kein Riesenbudget hat.

Was steht als nächstes bei euch auf dem Plan?

Im Sommer stehen drei bis vier Festivals an, wenn Wacken sich endlich mal melden würde, vielleicht auch fünf, haha. Im Herbst schauen wir uns dann auch mal Verkaufszahlen an und überlegen, wie wir weiter vorgehen. Ein zweites Album wird es wohl auf jeden Fall geben, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert.

Dann bleibt mir nur noch, der Band viel Erfolg zu wünschen! Sie hat ihn verdient.

Galerie mit 26 Bildern: Van Canto - Wacken Open Air 2024
01.03.2007

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