Vampire
Interview mit Sänger Hand Of Doom
Interview
Von wegen wortkarger Skandinavier: Hand of Doom, der „Sänger“ der schwedischen VAMPIRE beantwortet auch kurze Fragen in epischer Breite. Das ist ja im Prinzip vorbildlich, nur geistern vor meinem inneren Auge während der gesamten 36 Stunden, in denen ich seine Antworten abtippe, Bilder von Brad Pitt und Tom Cruise mit Plastikzähnen herum… Interview mit einem Vampir eben. Und dabei ist doch diese Band angetreten, um dem Death Metal sowie dem Horror und seinen Kreaturen die Gefährlichkeit zurückzugeben. Oder etwa nicht? Die Erläuterungen des Frontmannes zur Populärkultur sowie zur Soziologie in behutsam gekürzter Form – bitteschön.
Hand Of Doom, kannst du uns etwas über die Entstehung des Albums und die Band dahinter erzählen?
Black String (Gitarre) und ich haben 2010 angefangen, zusammen Musik zu machen, ohne eine genaue Vorstellung davon, was wir erreichen wollten. Wir haben ein oder zwei Jahre damit verbracht, Bier zu trinken und Instrumente zu tauschen, bis Command (Bass) vorbeigekommen ist. Die Grundidee zu der Musik, die du auf dem Album hören kannst, kommt von der Musik der Horror-DM-Urväter NECROPHAGIA – und besonders von deren Kram vor ihrer ersten LP. Wir wollten das gleiche schmutzige und hässliche, gleichzeitig aber sonderbar atmosphärische Zeug raushauen wie NECROPHAGIA auf einigen ihrer Demos. Da aber die Typen an ihren Instrumenten total scheiße waren und wir regelmäßig geprobt haben, haben wir unsere Ursprungsidee bald mit einigen neuen verbunden, so zum Beispiel, Elemente unserer musikalischen Wurzeln im 90er-Jahre-BM einzubauen. Und damit sind wir ziemlich schnell vom primitiven Keller-DM, der uns anfangs vorschwebte, weggekommen. Normaleweise gehen wir beim Schreiben so vor, dass Black Strings und ich ein paar Riffs und Ideen austauschen, um zu sehen, was zueinander passt. wir sitzen dann beide mit einer Gitarre im Proberaum und spielen ohne Amps, bis wir denken: „Yes, that’s really something!“
Was sind eure musikalischen Einflüsse? Was hat euch zu einem Vampir gemacht?
Musikalisch sind VAMPIRE eine gut organisierte Mischung aus allem, was wir aus den letzten 30 Jahren Metal mögen. Wenn wir im Proberaum Songs schreiben, fallen zum Beispiel folgende Namen: MORBID ANGEL, SARCOFAGO, POSSESSED, BLASPHEMY, SODOM, BATHORY, MERCYFUL FATE, AUTOPSY, MASTER S HAMMER, NIFELHEIM und SLAYER. Mix das alles zusammen und füge einen Schuss heroischer NWOBHM hinzu und du wirst… na ja, wahrscheinlich etwas bekommen nicht weit entfernt von VAMPIRE. Black String und ich haben unsere musikalischen Wurzeln in der Black-Metal-Szene der 90er mit Bands wie EMPEROR, ABIGOR, NECROPHOBIC und DARK FUNERAL, also ist diese wahrscheinlich das musikalische Rückgrat von VAMPIRE, was vielleicht manchmal hörbar ist und was einige Nuancen erklären könnte, die uns von vielen anderen ähnlichen Bands unterscheiden.
Ihr scheint stark vom Horror-Genre beeinflusst zu sein. Hast du Lieblingsfilme oder -bücher aus dieser Richtung?
Als der Haupttexter von VAMPIRE ziehe ich offensichtlich eine Menge an Inspiration aus dem Genre, nicht zuletzt aus zeitgenössischer schwedischer Horror-Literatur. (Empfehlen kann ich Andreas Marklund und Anders Fager.) Aber auch Gothic Novels aus dem 19. Jahrhundert, Zombie-Filme aus Italien, J-Horror und Mainstream-Klasiker aus den 70ern und 80ern haben mich beeinflusst. Ich bin eben ein Fan seit der Kindheit, was aber nicht unbedingt heißt, dass die anderen in der Band dieses Interesse teilen. Drei Filme, von denen ich wünschte, dass sie sie gesehen hätten, sind: „Candyman“, „A Tale Of Two Sisters“ und „Let’s Scare Jessica To Death“. Die größte Inspiration für die Band kommt aber wohl vom Nintendo-Game „Castlevania“. Von dem bin ich schon ewig Fan, besonders vom zweiten Teil, „Simon’s Quest“. In dem Spiel gibt es definitiv einen speziellen Vampir-Vibe, nicht so sehr in der Musik, aber auf jeden Fall in der Gesamtästhetik. Ich kann das NES-Game jedem empfehlen, der eine original Vampir-Erfahrung machen und einen Eindruck davon bekommen möchte, was uns außerhalb der Musik geprägt hat. Da gibt es die Spukschlösser, die lebenden Skelette, die heulenden Wölfe, die Totenhände, die aus dem Grab hervorkommen… und natürlich den Grafen selbst. Der Eindruck, den das alles auf mich als Acht-Jährigen gemacht hat, ist naheliegender Weise gewaltig.
Und wer ist dein Lieblingsvampir – egal, ob real oder fiktional?
Ur Èmdr Oervn in ARKHA SVA seems to be one twisted fuck.
Kannst du uns etwas über eure Texte erzählen?
Das Wichtigste ist für uns, dass die Texte zur Stimmung der Musik passen. Themen, auf die ich immer wieder komme, sind Spukereien, tote Menschen, die aus dem Grab emporsteigen und Heidentum in einer vage romantischen, natürlichen, nordischen Kulisse. Und Leute, die mit Lucio Fulci oder Takashi Miike (natürlich Horrorfilm-Regisseure – M. P.) etwas anfangen können, werden sich ohnehin in einigen Songs zuhause fühlen. Gibt es einen Song, den du hervorheben möchtest? Ich mag alle meine Texte, aber programmatisch ist sicherlich „Orexis“, der erste Song des Albums. Alle Texte von VAMPIRE (oder vielleicht des fiktionalen Horrors überhaupt) basieren auf der Idee, die hier beschrieben wird: Hinter der zivilisierten Vernunft der modernen Gesellschaft lauert eine wilde Bestie, die nur darauf wartet, die brüchige Fassade einzureißen und zuzuschlagen. Killers – behind you! Und so weiter.
Fenriz von DARKTHRONE scheint ein großer Fan von euch zu sein, und er wird von vielen als der Pate des wahren Undergrounds gesehen. Was hältst du vom Metal heutzutage? Und siehst du dich als Teil einer bestimmten Szene?
Tatsächlich weiß ich eher wenig über andere Bands in der aktuellen Death-Metal-Szene. Ich versuche, allem eine Chance zu geben, über das die Leute positiv reden – besonders, wenn die Chance besteht, dass wir mal mit der entsprechenden Combo zusammen spielen werden. Aber mich packen neue Sachen immer seltener, anders als mit 18, als ich mindestens zweimal die Woche auf eine neue coole Band gestoßen bin. Die letzte Band, der ich hoffnungslos verfallen bin, waren ARKHA SVA aus Japan. Das ist genau zu der Zeit passiert, als wir unser Demo aufgenommen haben und nun auch schon wieder zwei Jahre her. Das letzte Death-Metal-Album, das ich mir gekauft habe, ist die unbetitelte Mini-CD von GRAVE UPHEAVAL. Die klingt sehr beeindruckend und obskur, aber ich habe nicht das Gefühl, die irgendwann nach längerer Zeit wegen eines bestimmten Riffs oder Songs wieder auflegen zu müssen. Das Gleiche ist es übrigens mit PORTAL, obwohl die ein bisschen eingängiger sind. Die letzte großartige Death-Metal-Band waren für mich REPUGNANT. Aber ich glaube, dass sie praktisch auf Eis liegen. Aus naheliegenden Gründen. (Bekanntermaßen existiert das Gerücht, dass Tobias Forge, Sänger der Band, Papa Emeritus (I & II) von GHOST ist; auch über den Bassisten wird spekuliert. – M. P.) Einige tun uns als Arme-Leute-Version von REPUGNANT ab, was ich als Kompliment nehme. Erste-Klasse-Songwriting und eine nahezu perfekte Ästhetik des Gesamtbildes, das verbinde ich mit REPUGNANT. Und dass Fenriz uns als frischen Wind in der Metal-Community gepriesen hat, war natürlich schmeichelhaft. Aber du musst dir auch vor Augen führen, dass er das 52 Mal im Jahr tut. So sehr wir auch beeindruckt waren von seinem guten Musikgeschmack, haben wir doch kapiert, dass seine erstmal nur eine Einzelmeinung darstellt und das nichts ist, was in der Gesamtbetrachtung groß zu feiern wäre.
Alles in allem scheint Schweden ein guter Ort zu sein für dunkel rockende Kreaturen. Hast du Erklärungen hierfür?
Ich habe eine Reihe an Erklärungsansätzen, weiß aber natürlich nicht, in welchem Maße sie zutreffen. Zuerst einmal ist Schweden ein protestantisches Land, was bedeutet, dass von dir erwartet wird, alles ordentlich und mit Herzblut zu tun. Einige verfolgen dieses Ethos auch in ihrer Freizeit. Zweitens sind die Schweden sehr selbstkritisch und melden sich erst zu Wort, wenn sie wirklich etwas zu sagen haben. Drittens stellt Schweden einen der großzügigsten Wohlfahtsstaaten der Welt dar. Wenn du aus irgendeinem Grund nicht arbeiten kannst oder willst, findest du wahrscheinlich einen Weg, anderweitig finanziell irgendwie durchzukommen. Viertens ist Schweden ein sehr wohlhabendes und stabiles Land seit mindestens den 1960er-Jahren, wodurch es eine Tradition innerhalb der letzten Generationen werden konnte, seine Träume zu verfolgen und Zeit und Geld darin zu investieren, das eigene Potential auszuschöpfen. Fünftens ist in Schweden mindestens das halbe Jahr Scheißwetter. Also brauchst du etwas, um deine Zeit auszufüllen und dich geistig gesund zu halten bis mindestens Mai, bis du wieder unter freiem Himmel etwas machen und zumindest für ein paar Monate versuchen kannst, dich gut zu fühlen. Wenn du das alles zusammenzählst, hast du die perfekten Bedingungen für eine teure, zeitfressende Jugendkultur, in der jeder mit einem Funken an Talent wahrscheinlich herausfinden wird, wie dieses zu benutzten ist. Und dann haben wir noch nicht mal die städtischen und zum Teil kostenlosen Musikschulen erwähnt, in denen sich jeder von sieben Jahren aufwärts einmal die Woche an einem Instrument seiner Wahl ausprobieren kann…
Wenn du in deiner Gruft (mit Stromanschluss) für die nächsten 100 Jahre liegen müsstest – welche fünf Alben würdest du mitnehmen?
Ich würde wahrscheinlich einfach versuchen, die Stille zu genießen. Aber die fünf Alben, die ich letztlich wählen würde, sind SLAYER: „Reign In Blood“, THE BIRTHDAY PARTY: „Prayers On Fire“, ABIGOR: „Opus IV“, EMPEROR: „Anthmes To The Welkin At Dusk“ und, nun ja, ALICE COOPER: „Dada“. Ich merke gerade, wie ich eine Gänsehaut bekomme, während ich nur an den Albumtitel DENKE.
Habt ihr Pläne, Deutschland live und auf der Bühne zu beißen?
Ja, aber noch ist nichts konkret.
Hast du zum Abschluss noch eine Botschaft an die Leser von Metal.de?
Sök och du skall finna.
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