Valborg
"Du bist eine Null und davon ausgehend gibt es nur Unendlichkeit"
Interview
Die Bonner Death/Doom-Metaller bzw. auch ewige Geheimtipp-Band von Tom G. Warrior (CELTIC FROST, TRYPTIKON), VALBORG, haben jüngst mit „Zentrum“ an den „Endstrand“ von 2017 angeknüpft. Höchste Eisenbahn also, Christian Kolf (Gitarre, Vocals) und Florian Toyka (Drums) mal auf den Zahn zu fühlen, was es denn mit der Kaiserin auf sich hat und wer ich eigentlich bin!?
Moin und danke für die Möglichkeit zum Interview! Steigen wir gleich ein: “Zentrum”, euer neues Album, führt für mich die Linie von “Endstrand” als relativ straighte Platte fort, hat aber auch ein wenig mehr von der Atmosphäre und dem Experimentieren der Vorgänger und vereinbart beides miteinander. Würdet ihr dem zustimmen? Wo ordnet ihr sonst “Zentrum” in eurer Diskographie ein?
Hallo und gern geschehen! Also da stimmen wir Dir völlig zu. Wir wollten ein weiteres Baller-Album machen, aber auch wieder atmosphärischer werden. Wir haben ein paar Songs im Proberaum geschrieben, ein paar am Rechner. Dann alles zusammengetragen, Sachen rausgeschmissen, es ist gewachsen. „Zentrum“ ist das siebte Album, das passt, es gehört dahin wo es hingehört. Es ist wie es ist.
Das Album wurde, wo anderswo auch schon drauf eingegangen wurde, durch den Tod eures Freundes, den Instrumentenbauer Rene Marquis geprägt. Was hat euch mit ihm verbunden und wie habt ihr den Verlust in der Musik untergebracht? In wie weit hat er vielleicht auch mit euren Sound geformt?
Tod ist eine komische Sache. Auf einmal ist da jemand für immer weg. Wir haben das Album geschrieben, da lebte René noch. Nach der Beerdigung waren wir im Proberaum und wir wussten, dass alles anders sein wird. Er war ein Teil von Valborg. Hat uns oft im Proberaum besucht. Wir spielen seine Instrumente, die er für uns gebaut hat. Ich glaube, Du kannst nachvollziehen wie das für uns ist. Viel muss man dazu nicht sagen. Wir vermissen ihn. Als wir den Gesang aufgenommen haben, war René irgendwie immer dabei in unseren Herzen.
Was repräsentiert für euch persönlich ein “Zentrum”?
Wir gehen an die ganze Sache nicht so bedacht ran. Da gibt es kein Konzept. Alles basiert auf Gefühl und Instinkt. Das Album sollte mal “Kreuzer” heißen. Florian erzählte uns eines Tages, dass er geträumt hätte, dass das neue Valborg Album raus gekommen ist und in seinem Traum hieß es “Zentrum”. Und da war dann dieses Gefühl, dass es so genau richtig ist, dass es alles sagt, dass es ein Gefühl ausdrückt, dass wir mit der Musik, mit den Texten und unserem Leben verbinden.
Ich meine, wir steuern hier alle in so Fleischmaschinen durch die Gegend, sehen und fühlen, aber alles aus der Innenansicht, so als würdest Du in einem Auto sitzen. Es ist verrückt, dass wir überhaupt leben. Das es das alles um uns gibt. Und das Album dreht sich ja auch ein wenig um diese Sinnesfragen und das Verlorensein. Du bist das Zentrum. Du bist eine Null und davon ausgehend gibt es nur Unendlichkeit.
Die Weltsicht von Valborg kann aus Texten, aber auch Interviews heraus interpretiert durchaus als zynisch beschrieben werden. Angesichts aktueller Veränderungen in Politik, Gesellschaft und Tagesgeschehen, bleibt ihr Schwarzmaler oder habt ihr noch kleine Flammen der Hoffnung, vielleicht in Bezug auf die jüngere Generation, dass wir noch ein wenig die Kurve bekommen?
Das kann ich Dir leider nicht beantworten. Die Suppe ist auf jeden Fall richtig am brodeln und das ist ja im Sinne der Natur. Schauen wir mal was sich daraus so ergibt. Zynismus ist auf jeden Fall auch nicht der richtige Weg. Das macht es vielleicht einfacher, wenn man Angst hat.
Welche Kaiserin ist in den Schlusstracks “Vakuum” und “Schwerter der Zeit” gemeint? Seid ihr vielleicht einfach nur heimliche Sissi-Fans? Wie wäre es mit einem Falco-Cover bei der nächsten Platte?
Costin Chioreanu hätte gerne mal mit uns zusammen ein Falco-Cover von Jeanny gemacht als wir in Bukarest die Werwolf-7 Inch aufgenommen haben, aber da fehlte uns die Zeit für. Zur Kaiserin – da geht es um Zukunfts-Religion. Klara-Omega. Neuntausendfacher Klon der Zerteilung. Ist doch klar!
Ihr seid selber oft als Band verschrien, die live besser funktioniert als auf Platte und bekommt – vielleicht unabsichtlich – den alles und nichts sagenden Ausdruck “atmosphärisch” noch dazu. Touren mit Bands wie HEMELBESTORMER, UNRU und weiteren, auf die der Begriff auch zutreffen würde, sind ebenfalls an der Tagesordnung. Wie erklärt ihr euch das? Ist das live spielen auch eher euer Metier oder macht das Tüfteln an Songs im Studio oder daheim dann doch mehr Spaß? Ich frage, da die Musik von VALBORG durchaus sehr spontan und intuitiv wirkt, aber da mag ich mich täuschen und es steckt viel mehr Sinn, Vorbereitung und Arbeit dahinter.
Wie eben schon gesagt, wir sind eher die Gefühlsmenschen und hinterfragen auch nicht alles. Unserer Meinung nach dürfen wir auf Platte anders klingen als live. Live bringen wir eine ganz andere Energie rüber. Das hat sich auch einfach entwickelt. Sobald wir auf der Bühne stehen ist das so. Da hat jeder seine ganz persönlichen Gründe. Wir können nur sagen, dass es uns Spaß macht. Und die Energie die da freigesetzt wird – das hat irgendwie mit so vielen persönlichen Dingen zu tun. Es gibt manchmal schlechte Gigs, aber eigentlich ist es bei uns immer eine emotionale Sache. Und wenn wir ein Album aufnehmen, dann sind wir in unserer eigenen, introvertierten Welt. Wir haben diese Band gestartet und es ging von Anfang an darum, dass wir viele Alben aufnehmen wollen und diese Welt nach außen bringen wollen. Eine Welt, eine Aussage, ein Gefühl, dass wir für richtig halten.
Zu “Alphakomet” und “Plasmabrand” gab es Videos, die sehr aufwändig produziert wurden. Ist euch diese visuelle Komponente mittlerweile wichtiger als in euren Anfangstagen? Könnt ihr sonst auch mehr über Idee, Entstehung und Konzeption des Videos für “Alphakomet” verraten?
Wir arbeiten gerne mit Menschen zusammen die gut sind und die wir gut finden. Soheyl Nassary ist ein langjähriger Freund. Als es um das Thema Video ging, haben wir ihn gefragt und er hat glücklicherweise zugesagt. Wir haben ihm komplett freie Hand gegeben, weil wir ihm vertrauen. Das ist einfach mehr Spaß für alle. Wir bekommen eine Überraschung und er kann machen wonach ihm ist ohne drangsaliert zu werden. So war Valborg schon immer. Wenn wir mit guten Leuten zusammen arbeiten, dürfen sie machen was sie wollen. Wir lassen sie mitspielen. So gehört sich das auch. Freunde spielen zusammen und erleben Abenteuer.
Bei “Rote Augen” und “Vakuum” wart ihr bekifft, gebt es zu… allein die Begriffe geben es her und beim “Tote Augen schielen” musste ich heftig loslachen… Es schwingt schon eine gewisse Komik zur Tragik auf diesem Album mit, oder?
Das ist richtig schön, wenn Du loslachen musstest. Wir sind keine Freunde der Einseitigkeit. Bei uns kommt alles in einen Topf. Es geht um wahre Gefühle. Auch wenn es niemand versteht, selbst wir nicht. Wir trennen Spaß und Ernst nicht. Und Lyrics erklären wir nicht mehr, das bekommt ihr schon alleine hin.
Danke fürs Interview! Platz für letzte Worte, aber schließen möchte ich mit der Frage: “Wer bin ich?”
Ich kann mich nicht erinnern.
Galerie mit 13 Bildern: Valborg - Hellseatic Open Air 2022Mehr zu Valborg
Band | |
---|---|
Stile | Avantgarde, Death-Doom Metal |
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37293 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!