Valborg
Interview mit Florian Toyka zu Nekrodepression
Interview
Auf VALBORG ist Verlass. Nicht nur, dass sie derzeit jährlich ein Album veröffentlichen, nein, auch die Qualität der Zeitgeister-Musiker stimmt ein um’s andere Mal. „Nekrodepression“ heißt der neuste Streich, der mehr auf Parolen setzt als auf tiefgründige Texte, aber auch musikalisch primitiver denn je ertönt. Drummer Florian Toyka erzählte uns etwas mehr über das dritte Album und die Begleitumstände.
Es ist eine sehr banale Frage zu Beginn, aber im Fall von eigentlich jeder Zeitgeister-Band sehr interessant. Inwiefern habt ihr euch aus eurer Sicht im Vergleich zu euren vorangegangenen Werken verändert und was zeichnet für euch „Nekrodepression“ am stärksten aus?
Reduzierung auf das Wesentliche. Da haben wir nach „Barbarian“ noch mal eine große Entwicklung gemacht. Auch in der Hinsicht, dass wir noch konsequenter das machen, was uns richtig erscheint, ohne zu hinterfragen. Bei VALBORG geht alles! Wir sind der Boss! Ansonsten … wo „Barbarian“ noch episch und ausladend daher kam, ist bei „Nekrodepression“ eben der Name Programm. Da muss man sich von unnötigem Beiwerk trennen, und das gibt dann die richtige Stimmung. Meiner Meinung nach ist das, was von uns auf „Nekrodepression“ zu hören bzw. übrig geblieben ist, die absolute VALBORG-Essenz – und weniger ist mehr. Bin absolut zufrieden, besser hätte es nicht werden können.
„Nekrodepression“ wurde, wie für VALBORG üblich, live eingespielt und wie ich finde unterstreicht es die rohe Ausstrahlung der Musik ideal. Wo liegt eigentlich der Unterschied zu herkömmlichen Aufnahmen? Ich könnte mir vorstellen, dass das ganze in kürzerer Zeit und wesentlich spontaner von statten geht …
Naja, und man spielt eben als Band. Das ist 100% echt und nicht geschnitten, getriggert, zurechtgefummelt, verstümmelt, kaschiert, zerpopelt. So klingen VALBORG. Zumindest an den Tagen, als wir das aufgenommen haben. Das ist doch spannend und authentisch! Gerade heute hat uns ein Fan folgende Zeile geschrieben: „The way you record makes me feel like I’m in the room while you’re playing.“ Mission accomplished würde ich sagen! Ich glaube, 99% aller Bands werden NIE so klingen wie auf ihrem eigenen Album. Wir haben aber von Anfang an das gemeinsame Zusammenspiel als oberste Priorität angesehen, und dann ist eben klar, dass wir das auf CD genauso machen und nicht auf einmal so tun, als wären wir jemand anderes. Nicht falsch verstehen, ich will andere Formen des Recordings nicht kategorisch schlecht reden. Gerade bei KLABAUTAMANN bauen wir die neuen Tracks Schicht für Schicht auf, es wird die große fiese Schneider-Scheere gezückt und ohne bedenken geschnippelt und gefummelt, bis es uns gefällt. Ist eben ein anderer Film. Perfektionismus vs. Primitivität oder so. Alles hat irgendwo seine Berechtigung. Bei VALBORG ginge das Erlebnis des „als Band zusammen Spielens“ total den Bach runter, wenn wir da mit Klicktracks einer nach dem anderen unseren Kram einzocken würden. Ist übrigens auch eine gute Übung für Konzerte – wer seine Alben live aufnehmen kann, der kann auf der Bühne mit links alles kaputt ballern, kein Problem …
Das Cover hat wieder Peter Böhme gezeichnet. Wenn ich das richtig verstanden habe, stellt er euch die Bilder frei zur Verfügung und hat im Vorfeld keinerlei Vorgaben, oder irre ich da? Wie auch immer, jedenfalls finde ich das Artwork erneut sehr gut, einzigartig und tatsächlich zur Musik passend, wobei ich immer noch rätsele, weshalb das Skelett einen Zyklopen darstellt, könnt ihr dazu etwas mehr sagen, oder ist das eher etwas das Peter selbst beantworten müsste?
Das ist auf jeden Fall das Skelett von dem Zyklopen vom gleichnamigen Song. Hat aber auch was mit dem Massaker in St. Urstein zu tun. Und es ist eben ein Skelett mit ’nem Maschinengewehr, ’ner VALBORG-Gürtelschnalle und ’nem Eierschutz. Noch Fragen? Ist doch eigentlich alles klar! Wenn nicht, muss man seine Phantasie benutzen! In diesem Fall haben das übrigens Peter und Jan gemeinsam erdacht, wenn ich mich recht entsinne. Peter hat auch ein paar Entwürfe dazu online, wer es sich anschauen mag: Offizielle Homepage – Peter ist der Meister!
Textlich haltet ihr euch dieses Mal ziemlich kurz. Keine allzu großen Ausschweifungen, dafür eindringliche Parolen, die ziemlich leicht im Gedächtnis bleiben. Natürlich könnte man euch jetzt eine Holzhammer-Methode vorwerfen o.ä., aber auch das passt ziemlich gut zur primitiven Ausrichtung des Albums. Dennoch, warum habt ihr euch diesmal entschieden, euch eher kurz zu fassen?
Weil es funktioniert und das richtige für die Songs ist! Ich war am Anfang auch skeptisch, z.B. bei “Massaker in St. Urstein”. Aber dann spielst du es ein paar Mal im Proberaum, und es kommt ultra kraftvoll und düster und wavig und mit den mächtigen Parolen an den richtigen Stellen und der Fall ist klar. Gibt dann nix mehr zu entscheiden. Das ist für mich auch das schöne an VALBORG, über so Sachen wird nicht diskutiert. Fühlt es sich richtig an, dann ist es richtig und wird automatisch so gemacht.
Ich hab es in meiner Rezension schon angesprochen und mische mich sicher nicht in die Entscheidungen von euch als Band ein, aber dennoch sei mir an dieser Stelle die Frage gestattet, warum zur Hölle ihr die Melodie am Ende von „Springtime Woman“ nur so kurz verheizt anstatt etwas ausgedehnter zu nutzen? Ich würde da manchmal am Liebsten nur diese paar Sekunden auf Repeat setzen …
Haha, das Phänomen kenne ich! Hab auch schon in einem anderen Interview gesagt, dass das einer der emotionalsten Momente für mich auf der Platte ist. Warum so kurz? Tja, so ist das im Leben manchmal mit den schönen Dingen … wie bei „In Sand geschrieben“ von Hesse, das hat mein Vater mir letztens rezitiert und ich muss grad dran denken. Ich weiß auch nicht, das hat sich hier auch einfach irgendwie so ergeben. Grundsätzlich bin ich da aber absoluter Freund von: Von mir aus darf auch lange nix passieren, und dann kommt 10 Sekunden der Überpart, der dich knatschen lässt – und das war’s dann schon wieder. So ist es umso intensiver, wenn man sich endlich dahin gehört hat. Find ich persönlich besser als Parts künstlich in die Länge zu ziehen, nur weil sie einem gefallen. Hör “Springtime Women”, hör das Picking am Ende und fang an zu heulen, weil es schon wieder vorbei ist – perfekt! Kurz und schmerzhaft!
Etwas irritierend und sicher die meist gestellte Frage ist die zu Dietrich Hünten und OBSCURE FUCKUP. Da ihr den Mann, soweit ich weiß, gar nicht persönlich kanntet, sondern lediglich das Demo seiner Band kennt, verwundert diese Widmung einigermaßen. Mich würde interessieren, was euch an OBSCURE FUCK so fasziniert hat und an der Person dahinter, dass ihr ihm „Nekrodepression“ widmet und lässt sich sein musikalisches Erbe noch irgendwo anhören?
Ich habe im Netz nichts dazu gefunden, hätte mich aber auch gewundert. Wie schön aber auch! Google hat keine Antwort! Dabei wollen wir es belassen. Nur soviel: Man muss Menschen nicht persönlich kennen, um von ihnen in den Bann geschlagen zu werden und sich mit ihnen verbunden zu fühlen. Wir kennen nur die Geschichten, und fühlen uns irgendwie als Teil davon.
Ich hab euch ja letztens erst in Oberhausen auf der Bühne erlebt. Es war wirklich mal erfrischend, wieder eine Band ohne komplett aufeinander abgestimmte Bühnenshow zu erleben. Es war teilweise sehr amüsant, euch zu beobachten, da ihr alle sehr unterschiedlich agiert. Wie viel nehmt ihr von euch selbst und von den anderen auf der Bühne war? Legt ihr überhaupt in irgendeiner Weise wert auf euer Auftreten oder verhält es sich einfach so, dass jeder völlig für sich in der Musik aufgeht? Letzteren Eindruck habe ich gewonnen.
Ja, so ist das auch. Ich glaube, es gibt keinen anderen Weg. An dem Tag, wo wir anfangen, auf der Bühne für das Publikum bewusst irgendeine Show abzuziehen, kann ich uns nicht mehr ernst nehmen. Ich weiß das aber auch nicht so genau, normalerweise sitze ich eh hinterm Schlagzeug und fahre mir da meinen eigenen Film. Hängt auch alles von Stimmung und Tagesform ab. Hatten letztes Jahr ein Konzert in Belgien, da war alles so schön und easy und so viele nette Menschen, die wir da wieder getroffen haben – da hatte ich ein echtes Problem, in VALBORG-Stimmung zu kommen und mich auf den Gig einzulassen. Das ganze Drumherum spielt eine große Rolle. Will ich jetzt alles in Schutt und Asche legen oder eigentlich nur easy abhängen? Letzteres sind eben nicht die besten Voraussetzungen für unsere Musik …
Um gleich mal bei dem Gig in Oberhausen zu bleiben. Für gewöhnlich sitzt Du ja am Schlagzeug, diesmal hattet ihr aber jemand anderen mit dabei. War das lediglich für die Konzerte (in Bonn war der gute Mann ja auch dabei) oder gibt es Pläne, die Band auf vier Personen aufzustocken?
Es gab/gibt diese Pläne, wir probieren einfach ein bisschen rum. Mit Richie wollten wir schon lange mal zocken, er hat mich auch schon letztes Jahr mal für eine Tour vertreten. Und Gitarre macht mir auch Spaß. Was das genau in Zukunft gibt, weiß im Moment noch keiner so recht, aber das ist auch nicht so Thema. Es wird einfach wie immer „gemacht“. Dabei ergibt sich dann das richtige von selbst. Richie hat aber gerade die Drums für das neue Island-Album eingespielt. Nur so zur Info …
Was mich sehr interessieren würde: Da sich ja alle Bands aus dem Zeitgeister-Kollektiv personell zumindest teilweise Überschneiden, wie vermeidet ihr es, euch nicht in irgendeiner Form zu wiederholen und wie viel Wert legt ihr darauf, dass sich die Bands gegenseitig nicht beeinflussen oder eben doch?
Keine Ahnung. Das merkt man irgendwie. Mir ist das aber auch egal. Von mir aus kann die nächste VALBORG auch nach OWL klingen, find ich auch fett. So lange sich alle wohlfühlen ist alles ok.
Ihr verbringt ja eine ganze Menge Zeit mit Komponieren und habt sicherlich im Berufsleben auch einiges um die Ohren. Bleibt da eigentlich noch Zeit, sich anderweitig Musik anzuhören? Verfolgt ihr überhaupt, was in der Musik-Welt von statten geht und wenn ja, was sind aktuell eure Favoriten?
Es bleibt tatsächlich viel zu wenig Zeit zum Musik hören. Ich hatte ein Jahr Knieprobleme und musste immer mit der Bahn zur Arbeit, in der Zeit hab ich wieder ultra viel gehört, haha! Mein Interesse an neuen Sachen hat aber auch total nachgelassen. Schön ist es, wenn man von guten Freunden ab und zu mal was gezeigt bekommt. Das reicht mir völlig. Aktuell höre ich mich – auf Empfehlung von Freunden – in Gabriel Fauré ein. Ansonsten hab ich wieder ’ne ziemlich intensive TYPE O NEGATIVE-Phase, und eben alten Kram, TEARS FOR FEARS, PREFAB SPROUT …
So, damit sind wir vorerst auch schon wieder durch. Ich danke euch für eure Zeit und selbstverständlich habt ihr das letzte Wort dieses Interviews.
Vielleicht mal was in eigener Sache: Wir haben 2013 Bock auf Konzerte und machen live alles platt. Garantiert. Kontaktiert uns mit ernst gemeinten Angeboten!
Dir vielen Dank für Dein Interesse, grüß schön daheim. Wir sehen uns nächstes Jahr sicher mal wieder!
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Stile | Death Doom Metal, Doom Metal |
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