Valborg
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Interview

Mal ehrlich: wie oft passiert es Euch dieser Tage, dass Ihr ein Album entdeckt, bei welchem Ihr dieses untrügliche Gefühl verspürt, dass ihm etwas faszinierend Starkes innewohnt – im wahrsten Sinne des Wortes so eigenartig, dass Ihr seinem Zauber unabhängig von aktuellen Interessen wahrscheinlich bereits vor zehn Jahren erlegen wäret und wohl auch noch in einer Dekade mit Staunen lauschen würdet? Genau das ist dem deutschen Trio VALBORG mit seinem atmosphärisch packenden, metallisch nahezu ungeheuerlich nostalgischen Album „Glorification Of Pain“ gelungen – auch wenn es bei mir ein wenig gedauert hat, bis ich mich in der schummrigen Dunkelheit im Schatten des Siebengebirges zurecht gefunden habe. Doch einmal von ihr betört, ertappe ich mich ein ums andere Mal dabei, wie ich das Album auflege und eben jenes düstere Zwielicht seine Finger nach mir ausstreckt… aus eben diesem raunte mir Bassist Jan Buckard Antworten auf meine Fragen zu.

ValborgEin Titel wie die “Glorifizierung des Schmerzes“ könnte ein unablässig brutales Album erwarten lassen, doch zu Eurer Musik gehören neben dem dunklen Metal atmosphärisch-dämmrige bis träumerische Passagen, welche das Hörerlebnis bereichern und die Vorstellungskraft des Hörers beflügeln. Um unsere Leser ein wenig einzustimmen, schlage ich vor, dass Du eine Szene oder einen Ort beschreibst, welcher Dir passend erscheint, um VALBORG vorzustellen!

Erstmal danke für Deine Worte im Intro. Es freut mich sehr, dass Dir unser Stoff so gut gefällt. Ich kann nicht so einfach etwas schreiben, was unserer Musik gerecht würde. Wichtig ist, was im Herzen des Hörers selbst geschieht. Alles, was es von unserer Seite dazu zu sehen und zu lesen gibt, ist im Booklet abgedruckt.

Stimmung und Abwechslungsreichtum erinnern mich stark an eine Zeit, als ein Album noch auf ganzer Länge gehört und bestaunt werden wollte und nicht mal eben per MP3 oder sonstigem Datenschnipsel zum “Antesten“ bereit stand. Wie sehr fühlt Ihr Euch selbst in dieser “urigen“ Vielschichtigkeit daheim und welche Erfahrungen macht Ihr damit im Myspace-Zeitalter?

Mit der heutigen Zapper-Kultur haben wir nichts gemein. Wenn man alles umsonst in den Rachen geschoben bekommt, entsteht keine Wertschätzung, demnach keine Motivation sich mit irgendwas auseinanderzusetzen. Alles verkommt zu Fastfood. Wir können da nur für uns sprechen, und finden, dass die mystische Austrahlung eines Albums definitiv verloren geht, wenn man es umsonst als Daten auf dem Computer rumfliegen hat. Das einzig Gute am Internet ist, dass man unabhängiger sein kann.

Musikalisch wandelt Ihr fraglos auf einem eigenen Weg, scheint aber doch eher knöchern auf nostalgische Aufnahmetechnik zu beharren – sicher nicht nur um der “guten, alten Zeiten“ Willen?

Wir haben die letzten beiden Alben live und analog eingespielt. Das heißt, dass die komplette Band mit Instrumenten zusammen im Aufnahmeraum steht und zusammen jedes Stück einspielt. Jeder von uns in der Band hat im Laufe der letzten zehn Jahre viele Stunden an Material aufgenommen, mit anderen Bands oder als Soloprojekt. Daher wissen wir mittlerweile, was wir wollen und wie wir es wollen: und zwar direkt auf Band, fertig. Mit den Computern kam ein neues Arbeiten in die Studios, was vielerseits der Musik an sich sehr geschadet hat. Übereifer und Größenwahn haben Produzenten dazu getrieben, unreifen Idealen hinterherzulaufen. Das Ergebnis sind haufenweise Veröffentlichungen, die nur noch wenig mit Musik zu tun haben. Wir sehen das so: Eine Band ist eine Band, so wie sie zusammen spielt. Jeder Musiker hat seine Eigenheiten, die unglaublich wichtig für den Stil der gesamten Band sind. Das Zusammenspiel einer Band ist ihre Energie. Diese ganzen Zusammenhänge müssen bei einer Plattenaufnahme bestehen bleiben.

Mit “Glorification Of Pain“ habt Ihr ein Album erschaffen, welches ich als rundum gelungenes Kunstwerk erlebe. Musik, Texte und Bilder sprechen herrlich unaufdringlich für sich selbst und mögen zunächst nur wenige Facetten Preis geben, welche mediale Sensationsgier befriedigen, dafür krallt sich das Album den Hörer nach einer Weile umso erbarmungsloser. Strategisches Geschick oder Instinkt?

Beides.

Eines Eurer letzten Konzerte zog Lob von hoher bis höchster Stelle nach sich, nachzulesen im Blog von Tom Gabriel Fischer. Was bedeutet es Dir, wenn solch ein erfahrener und sicher kritischer Musiker offenbar einiges an Hoffnung in Eure Zukunft legt?

Das bedeutet uns allen sehr viel. Es ist für einen Musiker das Größte, Zuspruch von jemandem zu bekommen, dessen Arbeit man verehrt. Tom ist für mich der Frontmann im Metal und alle Platten mit ihm sind richtungsweisend.

Ist es eigentlich ein dummer Zufall, dass ausgerechnet “Chains Of Frost“ vom Riffing her an “Os Abysmi Vel Daath“ von CELTIC FROSTs “Monotheist“ erinnert, oder ist das eine bewusste Ehrerbietung?

Wenn schon, dann eine unbewusste Ehrerbietung. Als wir mit VALBORG angefangen haben, haben wir schon diese typischen langsamen tiefen Riffs gespielt. Damals noch mehr mit schnellen Blastbeats. Im Grunde genommen ist es ein Zufall, dass wir Ähnlichkeiten aufweisen, da wir diesen Stil entwickelt haben, bevor wir großartig CELTIC FROST gehört haben. Zu dem Zeitpunkt kannten wir eigentlich nur „Into the Pandemonium“. Eigentlich war es so: VALBORG hatten sich um 2003 kurzzeitig aufgelöst. Ich hörte eine Demo-Version von „Ground“ (zweiter Song auf “Monotheist“) und es erinnerte mich unseren Stil und gerade deswegen sind wir alle so auf “Monotheist“ abgefahren. Dass „Glorifcation of Pain“ überhaupt so zäh geworden ist, verdanken wir Patrick. Er hat sich dazu entschieden, so hart und groovy zu trommeln, wie es nur geht und auf anderen Spielereien zu verzichten.

Meine Begeisterung über die schönen Bilder von Peter Böhme habe ich ja bereits kundgetan, wiederhole mich aber gerne, dass es sich um eins der stimmungsvollsten Artworks im Metal-Underground der vergangenen Jahre handelt und eigentlich eine LP mit Posterbooklet vonnöten ist, um es zu voller Entfaltung kommen zu lassen. Gibt es Pläne in der Richtung?

Das Kompliment geht an Peter Böhme. Er ist phänomenal und ich bin froh, ihn zu kennen. Pläne für eine LP gibt es nicht. Aber ich könnte mir gut vorstellen „Glorification Of Pain“ auf Vinyl rauszubringen.

Es ist wirklich jammerschade, dass ein so starkes Album selbst vom eigenen Verlag kaum Unterstützung erfährt. Da gerade kleine Firmen mit individuellen Bands derzeit kriseln, liegt es nahe, dass Ihr Euch mit dem Zeitgeister-Label die Unabhängigkeit bewahrt und die Sache selbst in die Hand nehmt, oder?

Ja! Den Traum vom Geld durch Musik hatte ich ohnehin noch nie. Das Beste ist, es einfach selbst zu machen. Es ist ein besseres Gefühl. Das ist letztendlich auch wichtig für die Musik. Ein Label, das entweder nicht voran macht und nur das Maul aufreißt, stört nur. Die Zeiten sind wie sie sind, zum Glück muss man nicht jeden Scheiß mitmachen.

Aufnahmetechnisch ist heute ist ja sehr vieles in Heimarbeit möglich, selbst komplexe Ideen lassen sich mit Mühe und Leidenschaft verwirklichen, ohne dass Unsummen an Geld im Spiel sind. Warum wird Deiner Meinung nach wenig in punkto Konzerten experimentiert, z.B. was alternative Locations betrifft, und was für einen Auftritt von VALBORG malst Du Dir in realistischen bis kühnsten Träumen aus?

Es wird nicht experimentiert, weil nicht genug Leute kommen. Ich glaube, das rechnet sich nicht mehr. Dank dem Medien- und Kulturdiktat von MTV, spielt sich für die meisten Menschen Musik im Fernseher ab, das war es. Underground-Konzerte sind nicht besonders angesagt. Was ich mir ausmale? Unsere Konzerte müssen dunkel sein und mein Bass muss trocken und alt klingen. Ein guter Gig reicht mir, mehr gibt es letztendlich nicht zu holen.

Als Kind hatte wohl jeder von uns ganz sonderbare Ideen, so schwebte mir vor, eines Tages mal beim Rock Hard zu schreiben – das war quasi mein Traumberuf schlechthin. Was genau hat Dich bzw. Euch vor langer Zeit dazu angetrieben, selbst Musik zu komponieren, und dann auch noch etwas so Verruchtes wie Metal? Dürfte das überhaupt zum Beruf werden?

Aber ja! Es ist fantastisch, wenn ein Musiker von seiner Passion leben kann und nicht nebenher arbeiten gehen muss. Leider ist das fast meist nur möglich, wenn man massenkompatibel ist. In Deutschland läuft überall das Radio, Musik wird runter geladen und Proberäume sind feucht, dunkel und teuer. Kein gutes Pflaster. Musiker müssen sich alles erkämpfen im Land der Dichter und Denker. Was mich getrieben hat, damit anzufangen? Ich wollte mich ausdrücken und ich fand Bands wie METALLICA, SEPULTURA und SODOM cool, nichts Besonderes. Der Rest hat sich so langsam entwickelt. Das Wichtigste ist, dass man mit den richtigen Leuten zusammen ist. Dann geht alles.

Gibt es heute noch etwas Eigenes, das Metal gegenüber allen anderen Musikstilen auszeichnet, und wenn dem so ist, welche eigenartigen Bands hätten Deiner Meinung nach mehr Aufmerksamkeit verdient?

ILDJARN und alles, wo er mitwirkte. Seine Arbeit ist kompromisslos und vollkommen in sich geschlossen. Für die meisten Hörer wirkt seine Musik wohl wie unmotivierter Lärm. Für mich steckt er allerdings die meisten Black Metal-Bands in die Tasche, indem er stur und stets ohne Eitelkeit einer unglaublich nihilistischen und puren Linie treu geblieben ist. Ein Album, auf dem er mitwirkte, möchte ich hier nennen: SORT VOKTER „Folkloric Necro Metal“.

Ein neues VALBORG-Album ist bereits aufgenommen und Ihr strebt für “Crown Of Sorrow“ – bescheiden, bescheiden, hehe! – eine Veröffentlichung noch in diesem Jahr an. Was wird uns erwarten und wie wäre es mit einer nächtlichen Veröffentlichungszeremonie auf dem Drachenfels?

Euch erwartet etwas anderes, als es auf „Glorification Of Pain“ zu hören war. Alleine schon, weil wir mit unserem neuen Drummer aufgenommen haben, der sehr militärisch vorgegangen ist. “Crown Of Sorrow“ ist extremer und variabler, ein wenig mehr Heavy Metal als Rock. Sehr kalt und heavy. Sie ist noch zeremonieller als „GOP“.
Der Drachenfels ist eine gute Idee! Wir würden aber wahrscheinlich einen Gig in auserwähltem Kreise vorziehen.

Galerie mit 13 Bildern: Valborg - Hellseatic Open Air 2022
07.08.2009

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