Uwe Nolte (Barditus)
Uwe Nolte (Barditus)
Interview
Das neue Projekt BARDITUS sowie die Gründung des Noltex-Verlags waren ein guter Anlass für dieses Interview mit Uwe Nolte (Orplid, Sonnentau), der nicht nur über seine musikalischen Früchte und Inspirationen, sondern auch über andere Formen seiner Verwirklichung in der Kunst und … im Leben erzählte.
Hallo Uwe, wie geht?s Dir? Seit dem letzen Interview für The Dark Site hat sich einiges bei Dir getan. Lass mich das Interview mit einer Frage nach dem Noltex-Verlag anfangen. Was hat Dich dazu bewegt, diesen zu gründen und erzähl uns in ein paar Worten über die inhaltlichen Schwerpunkte.
Danke der Nachfrage; ich habe viel zu tun, also geht?s mir gut. Gerade haben wir eine Liedersammlung mit Versen des Dichters J. v. Eichendorff zusammengestellt auf der Künstler von ORPLID, FORSETI, WALDTEUFEL, SONNE HAGAL, BARDITUS u.a. neben zahlreichen von uns neu entdeckten Talenten mitwirken. Die Konzeption und Produktion dieser Titel im hauseigenen ?Studio Giebichenstein? war sehr zeit- und kraftaufwendig, aber ich denke das wir mit diesem genreübergreifenden Werk vielen Menschen eine Freude bereiten und einen erneuten Beitrag zur Wiederbelebung traditioneller Dichtkunst liefern. Letztgenannter Aspekt war ja schon immer eines unserer Hauptanliegen. Ansonsten soll die Gründung des Verlages ermöglichen kreative Kräfte zu bündeln und entsprechend unseres kulturellen Anliegens zu kanalisieren. Wir unterstützen, produzieren und vertreiben die Werke anderer Künstler, seien es Maler, Fotografen, Musiker, Dichter ja schon länger hinter den Kulissen. Jetzt kooperieren wir offen mit ihnen.
Du hast Dich auch einem neuen Projekt – BARDITUS gewidmet. Was unterscheidet es von Orplid? Stell es uns bitte vor.
Prinzipiell werden wir mit BARDITUS hauptsächlich nordische Themen verarbeiten. Unter anderem haben wir gerade – zu Ehren Quorthon´s – einen Titel von BATHORÝ adaptiert. Es wird bei BARDITUS – wie es ja der Name schon sagt – immer etwas kämpferischer und derber als bei ORPLID zur Sache gehen. Im Kern besteht BARDITUS aus Andreas Arndt und mir, aber wir laden auch Gastmusiker hinzu oder gehen gar Fusionen mit anderen Musikgruppen ein; gerne auch aus dem metallischen Bereich.
Gibt es einen Hauptgedanken, den Du durch dieses Projekt vermitteln willst?
„Werde, der du bist!“ oder mit Meister Goethe gesprochen:
Geh! gehorche meinen Winken,
Nutze deine jungen Tage,
Lerne zeitig klüger sein:
Auf des Glückes großer Wage
Steht die Zunge selten ein;
Du mußt steigen oder sinken,
Du mußt herrschen und gewinnen,
Oder dienen und verlieren,
Leiden oder triumphieren,
Amboß oder Hammer sein.
Und was waren Deine Inspirationen bei BARDITUS?
Jemand wie ich, dessen cineastischer Horizont seit Jahren nicht über „Conan, der Barbar“, „Excalibur“ und „Braveheart“ hinausreicht, muß notgedrungen irgendwann einmal so ein Projekt wie BARDITUS angehen, um nicht als schwertschwingender Amokläufer zu enden. Aber im Ernst: mich inspirieren alle Dinge die mir begegnen, ohne das ich sie später zu benennen weiß. Jedoch kann ich mich gut entsinnen, daß vor einem Jahr, gerade als ich den Text zur „Oskorei“ schreiben wollte bei mir der Blitz einschlug, was sich natürlich sofort auf den Titel übertrug. Authentischer kann Kunst ja nun wirklich nicht sein. Dafür opfert man schon gerne seine Telefonanlage und sämtliche Elektronik den himmlischen Mächten. Was für Zeiten?! Selbst die Götter verlangen keine blutigen Opfer mehr…
Könntest Du uns bitte den Entstehungsprozess der Songs verraten?
Meistenteils ist zuerst der Text vorhanden, der Stimmung, Länge und Gesamtausdruck des Titels bestimmt. Dann äußert jeder seine Ideen. Ist der jeweilige musikalische Mitstreiter interessiert an einem gemeinsamen Endresultat, ergibt sich eine zwischenmenschliche Chemie, die – bildhaft gesprochen – eine dritte, imaginäre Person in den Raum treten läßt, welche letztlich das Lied vollendet. Das gelingt nicht immer; nur bei Menschen die Flexibilität, Offenheit und Zielstrebigkeit in sich vereinen.
Wann und wo wird man Dein Erstlingswerk mit BARDITUS erwerben können?
Wir haben mit BARDITUS insgesamt zwei Veröffentlichungen auf den Markt gebracht. Einmal das Werk „Die letzten Goten“ das ich jedem Freund von ORPLID wärmstens empfehlen kann und dann zum Zweiten das Werk „Schwarzer Heiland“, was ziemlich bläckmetallisch, experimentell und draufgängerisch wirkt. Exklusiv über unsere Verlagsseite kann der Interessent fündig werden und die Veröffentlichungen erwerben.
Laut Deiner Seite ist dieses Projekt eine musikalische Reise durch die Epochen und Kulturen. Welcher Epoche fühlst Du Dich am nächsten und warum?
Wie andere Phantasten auch, würde ich mich wohl in jeder anderen Epoche heimischer fühlen, als in der jetzigen. Momentan fasziniert mich die historische Phase der Völkerwanderung, als die alten Götter noch in den Herzen der Menschen lebten. Es war eine Zeit voller Umwälzungen und Bewährungsproben, die viele große Männer hervorbrachte und Stoff für Legenden wob. Die Gestalt des Gotenkönigs Teja und sein heroischer Untergang zogen mich in ihren Bann, was sich unbedingt in unserem aktuellen Werk niederschlug. Selbst das von uns vertonte Eichendorff-Gedicht „Klage“ spielt darauf an. Der interessierte und aufmerksame Hörer wird den Zusammenhang erkennen und den stillen Aufruf zur Besinnung vernehmen…
Mit wem würdest Du gerne einmal eine Platte einspielen? Gibt es einen Musiker, der Dich besonders fasziniert?
Ich bin mit meinen Mitstreitern äußerst zufrieden, bzw. froh, daß sie es mit mir aushalten. Ansonsten würde ich einzig und allein mit Michail Kalaschnikow künstlerisch kooperieren, denn allein sein epochales Werk kommt der Durchschlagskraft unserer gerade neu entstehenden BARDITUS-Lieder gleich.
Auf ?Schwarzer Heiland? hat ein Gitarrist aus der Schwarzmetallszene (Ruben Schmitt/ehem. EXORIAL) mitgewirkt. Inwiefern fühlst Du Dich selber der Black Metal Szene zugehörig?
Wenn ich eine Zugehörigkeit zum Schwarzmetall empfinde, dann bezieht sie sich gewiß nicht auf die „Szene“ sondern auf die essentielle Kraft, die diese Kunstform in mir frei werden läßt. Ich verspüre darüber hinaus zu keiner existenten „Szene“ irgendeine Form von Zugehörigkeit. Mich interessieren Ansammlungen uniform angezogener Menschen nicht sonderlich. Solch Herdenverhalten läßt Individualität vermissen. Jede „Szene“ hat ihre langweiligen Modevorschriften, was ich z. B. vor einiger Zeit bei einem Immortal-Konzert belustigt registrierte. Da haben mich doch tatsächlich zwei Volltrottel wegen meiner Frisur, bzw. fehlenden langen Haare angepöbelt und wollten im Suff sogar handgreiflich werden. Ich lud sie daraufhin mit freundlicher Geste zu einem klärenden Gespräch ein, ging mit ihnen raus ins Dunkle und kehrte kurz darauf wieder alleine zurück, um mir nach diesem pädagogischen Kräschkurs ein Bierchen zu gönnen. Ich hoffe diese beiden menschlichen Kaulquappen paddeln jetzt im seichten Tümpelschlamm der „Love-Parade“ oder anderer ähnlich gearteter Veranstaltungen rum und leben ihren Drang nach glückseliger Uniformität zwischen anderen, zur Persönlichkeitsmetamorphose unbefähigten Idioten aus. Dort eckt man wenigstens nicht an. BM setzt nun mal ungeahnte Energien frei. Ich liebe diese Musik!
Du verbindest die schwarzmetallischen mit den Neo Folk Elementen – was verbindet die beiden Richtungen und wo liegen die Grenzen für Dich?
Für mich sind diese Musikrichtungen durchaus themenverwandt, sowohl in ihrer Aussage als auch in ihrer Wirkung – jede auf ihre Art – rebellisch und zeitgeistkritisch. Prinzipiell existieren für mich keinerlei Barrieren, denn Kunst sollte in jeder Hinsicht grenzenlos sein und wirken können.
„Geh, unter Blitzen geborgen,
Nimm deine Götter mit dir,
Zwischen gestern und morgen
Bist du der blinde Kurier…“ (Schilling)
…für diese Worte hast Du Dich auf der Künstlerübersichtseite entschieden. Warum und inwiefern identifizierst Du Dich mit ihnen?
Es ist gewissermaßen ein Lebensmotto für mich. Der Gedichtauszug stammt vom wohl größten deutschen Dichter der Gegenwart: Rolf Schilling. Seine im germanischen Geist wurzelnden Werke vertreiben wir über unseren Verlag. Ich las aus diesen Zeilen in alltäglicher Sprache ausgedrückt: Freunde dich mit deinen Abgründen an, denke zeitlos, bewahre dein Ideal auf allen Wegen, entdecke deine Wurzeln und vermittle dein Erbe!
„Mehr im Gestern als im Heute verwurzelt“ …könntest Du bitte den Gedanken etwas entwickeln?
Es ist weniger ein Gedanke, schon mehr Ausdruck eines Lebensgefühls. Ich empfinde mich der heutigen Zeit nicht zugehörig. Das war schon immer so. Schon als Kind war ich beim Fasching Seeräuber, Gladiator oder Germane, trug aber keine auf einen konkreten Lebensplan im Hier und Jetzt hinweisende Kostümierung.
„…stets suchend, nur dem Traum verpflichtet“ …wonach suchst Du?
Nach immer neuen künstlerischen Visionen & Herausforderungen, nach Menschen die mich inspirieren und einem bleibenden Lebenssinn.
„Ich bin Romantiker. Ja, und…?“ Die Romantik findet sicherlich nicht nur in Deinen künstlerischen Beiträgen ihren Ausdruck?! Wie zelebriert der Romantiker seinen „Alltag“?
Ich vermeide weitestgehend den Kontakt mit der Alltagswelt und konzentriere mich nur auf meine offiziellen (und heimlichen) Musikprojekte, übe zur Zeit schamanischen Obertongesang, mache Kraft- und Kampfsportübungen, halte meine Energien für Wesentliches beieinander, fern von Wein, Weib & Gesang. Nur aller paar Monate, nach Beendigung einer Veröffentlichung, lasse ich diesbezüglich mal etwas die Zügel lockerer. Dann lockt die Wilde Jagd…
Ansonsten kann ich den ganzen Tag auf einer Wiese liegen und den ziehenden Wolken hinterher träumen, ohne das Gefühl zu haben etwas zu versäumen.
„Der Künstler bleibt letztlich ein Kind, ungenormt und vogelfrei!“ Fühlst Du Dich so? Und was ist mit dem Erwachsenteil an Dir?
Natürlich fühle ich mich so, sonst hätte ich diese Umschreibung meiner Person auch nicht zugelassen. Es wird für mich immer das Vernünftigste sein unvernünftig zu leben, emotional statt rational zu denken. Erwachsen sein heißt für mich, sich aussuchen zu können wer man ist in dieser Welt. In meinem Fall eben Kind & Künstler. Eine alleinig auf Sicherheit orientierte bürgerliche „Erwachsenen-Lebensweise“ versperrt den Zugang zur eigenen Traumwelt.
Uwe, mich würde Deine Kunstdefinition interessieren.
Kunst ist kosmisches Licht, gebrochen durch das Prisma der Seele, reflektiert durch Verstand und festgehalten mit den Händen oder kurz gesagt; die Sprache der Natur mit menschlichen Möglichkeiten ausgedrückt.
Nach einer näheren Auseinandersetzung mit Deinem Schaffen, würde ich mich trauen zu behaupten, Dein Leben=gelebter Traum. Würdest Du mir zustimmen, oder wie würdest Du selbst Dein Leben „betiteln“?
Aus meiner Sicht führe ich ein völlig normales Leben, das auch keiner besonderen Namensgebung bedarf; ich verwirkliche mich – wie jeder andere Mensch auch – innerhalb des Rahmens meiner Talente und selbstdefinierten Möglichkeiten.
Du strebst künstlerische Verwirklichung nicht nur als Musiker und Dichter, sondern auch als Maler, Fotograf, Schauspieler & Veranstalter an. Gibt es eine Eigenschaft, die alle diese Kunstformen in Deiner Umsetzung gemeinsam haben?
Eine Gemeinsamkeit gibts: es sind alles nur kleine Schritte auf dem weiteren Wege zur Vervollkommnung.
„Wenn man alles von sich gibt, ist man irgendwann leer“ – hast Du keine
Angst vor dieser „Leere“, oder stimmst Du dem Satz überhaupt nicht zu?
Ich habe jeden Morgen das Gefühl leer zu sein und bin demnach bestrebt jeden Tag mit persönlicher Essenz anzufüllen. Ob dieses Verlangen nun in einem Waldgang, Gedicht, Lied oder Bild Ausdruck findet ist völlig gleich. Insofern kann ich dem Satz nicht zustimmen, denn innere Leere ist – neben dem eigenen Willen – ein sehr wichtiger kreativer Spannungspol für mich.
Kurz zu der aktuellen Weltgeschehnissen – Der Papst und sein Tod – Deine Meinung dazu?
Ein nach meinem Verständnis existierender Gott bedarf keines irdischen Stellvertreters. Insofern war der Papst in meinen Augen mehr ein Direktor, Präsident oder Politiker, sprich ein Werkzeug der Macht und des Geldes. Der große Zuspruch den dieses Medienspektakel erntete ist in meinen Augen ein bedenkliches Indiz für einen Mangel an Eigen-Spiritualität innerhalb der europäischen Bevölkerung. Zum Glück habe ich keinen Fernseher, um dieses massenpsychotische, „den sterbenden Menschen“ geradezu entwürdigende Lemminggerangel visuell ertragen zu müssen. Jedoch war ich von der offiziellen Formulierung bezüglich seines nahenden Todes fasziniert; „Der Papst sieht und berührt bereits den Herrn.“ Innerhalb der seelenlosen Konsumsprache unserer kunterbunten, aber letztlich farblosen Medienwelt, war dieses ziemlich antiquiert klingende Glaubensbekenntnis wie eine grünende Insel in einem ölverseuchten Meer. Wirklich; Großes Kino! Der Tod Harald Juhnkes dagegen fand kaum ein würdiges Echo hierzulande. Wobei er doch bis zum letzten Atemzug ein wunderbar nonkonformer Geselle war. Solche Menschen mit Kanten & Ecken gibt’s in der sterilen Arena deutscher Unterhaltungskultur leider viel zu wenig.
Oder was beschäftigt Dich momentan weltpolitisch betrachtet am meisten? Oder vielleicht interessiert Dich Politik überhaupt nicht?
Meine Welt besteht nach antikem Denkmuster aus Feuer, Wasser, Erde und Luft; alles andere ist vergänglicher Trug. Die Weltpolitik der letzten zwei Jahrhunderte ist meistenteils eine eigentlich leicht zu durchschauende und äußerst stillos dargebotene Machtkomödie in drei Akten: Verhetzung – Verdummung – Versklavung. Warten wir ab wenn der Vorhang fällt und es Glut und Schwefel regnet. Die Vorzeichen der Apokalypse zeigen sich ja bereits überall. Mich kann es ja nicht stören, denn ich habe mit BARDITUS noch mal das Schwert gezückt und mir somit einen gemütlichen Barhocker in Walhalla reserviert. Betört von blonden Frauen und süßem Met, treffe ich dort sicherlich auf Quorthon und werde das Glas erheben, um mit ihm das ganze weltliche Affentheater verlachen. Ob ich dort mit einem Politiker anstoßen würde, wage ich zu bezweifeln, zumal Leute dieses Menschenschlages ohnehin keinen Zugang zur Goldenen Halle bekommen! Damit dürfte zu meinem Verhältnis zur Politik auch alles gesagt sein…
Da viele Deine Person vor allem mit Orplid verbinden, könntest Du uns verraten, was man in Zukunft hier erwarten kann?
Wir sind soweit mit der Platte durch! „Sterbender Satyr“ ist ein sehr sphärisches, eingängiges und lyrisches Werk. Die VÖ wird spätestens im Sommer in Kooperation mit Prophecy Productions erscheinen, worauf wir uns sehr freuen! Allerdings suchen wir aber noch eine geeignete Sängerin für zwei Lieder. Falls also eine stimmbegabte Dame Interesse haben sollte bei uns mitzuwirken, dann kann sie sich bei mir melden. Nur Mut! Uns ist an einer längerfristigen Zusammenarbeit gelegen.
Und Deine Zukunftspläne im Generellen?
Wir feilen gerade an dem BARDITUS-Album „Midgards Wölfe kehren heim“, was sehr urig und brachial werden wird. Ansonsten habe ich keinerlei Pläne. Ich lebe und denke nur von Album zu Album. Sollte ich irgendwann keine Lust mehr auf Musik haben, dann werde ich nur noch schriftstellerisch tätig sein.
Welchen Titel hättest Du gern für dieses Interview?
Necronolticon; ein Buch mit sieben Siegeln
Deine letzten Worte an unsere Leser, Deine Fans?
„Fans“? Das klingt als wäre ich ein ?Rockstar?! Mit solchen Klischees habe ich nichts am Hut. Ich freue mich unseren Hörern in nächster Zeit einige Überraschungen anbieten zu können, möchte mich für Ihre jahrelange Treue bedanken und lade Sie herzlich zu einem visuellen Rundgang in unserem Netzportal www.noltex.de ein.
Uwe, ich danke Dir für Deine Zeit und Deine Antworten und wünsche Dir, dass Deine Suche und Reise nie enden und Du immer neue Früchte in der Kunst findest!
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