Unto Others
"Wir sind nicht mehr diese heiße, frische, neue Band."
Interview
Du hast gerade Euren Produzenten Arthur Rizk erwähnt. Warum wolltet Ihr das neue Album nicht wieder selbst produzieren und warum fiel die Wahl ausgerechnet auf ihn?
Ich hörte irgendwann das erste und zweite Album von POWER TRIP. Vor allem das erste ist vollkommen in Hall ertränkt. Ich dachte mir, dass er der einzige moderne Produzent ist, der solch ein Zeug macht. Jeder andere Produzent, mit dem ich mich unterhielt, jeder Toningenieur mit dem ich gearbeitet habe, sagte mir: „Nein, wir können nicht so viel Hall verwenden, das versaut den kompletten Sound.“ Ich entgegnete immer: „Nein, ich sage Dir doch: Pack MEHR HALL drauf!“ (lacht) Arthur tat mir den Gefallen. Er kümmerte sich wirklich darum und wir hatten eine Menge Spaß, an der Platte zu arbeiten. Ich kontaktierte ihn übrigens zuerst über Instagram, schrieb ihm, dass ich ein Fan seiner Arbeit bin und gerne unser nächstes Album mit ihm aufnehmen würde. Er antwortete: „Klar, lass uns das machen.“ Schließlich spielten wir auf einem Festival in Kanada gemeinsam mit ETERNAL CHAMPION. Arthur und ich trafen uns also dort, quatschten ein wenig und legten uns dann endgültig fest, dass wir das Album zusammen machen wollen. Von Anfang bis Ende, also vom ersten Kontakt zu ihm bis zur Fertigstellung der Platte brauchte es dann zwei Jahre. Es war also ein Prozess. Ein verdammt laaaaaanger Prozess. (lacht)
Ich hatte seinen Namen vorher schon gehört und wusste, dass er bei ETERNAL CHAMPION Gitarre spielt, aber als ich mal checkte, welche Alben er in letzter Zeit produziert hat, war ich ziemlich beeindruckt. Er ist verantwortlich für einige der vermutlich heißesten Platten der letzten Jahre, darunter SMOULDERs „Times Of Obscene Evil And Wild Daring“, UADAs „Cult Of A Dying Sun“ und natürlich das hervorragende „Ravening Iron“ seiner eigenen Band. Er ist offenbar wirklich gerade so was wie der Go-To-Guy, vor allem im Underground.
Ja, und das merkt man sogar, wenn man mit ihm arbeitet. Er ist ein super netter Typ, aber manchmal auch ganz schön einschüchternd, denn er ist einfach 24/7 beschäftigt. Er findet kaum noch Zeit zum Schlafen. Ich sagte ihm: „Wie kannst Du nur so viel Zeit damit verbringen an dem Scheiß zu arbeiten? Das kann nicht gesund sein, Arthur. Du musst nach oben kommen und ein Bier trinken. JETZT!“ (lacht) Aber ehrlich, wir hatten eine super Zeit und sind jetzt gute Freunde. Monate zusammen im Studio zu verbringen half natürlich dabei.
Ein Statement, das irgendwie in meinem Kopf herum geistert, seitdem ich „Strength“ das erste Mal hörte war: Weniger Gothic, mehr klassischer Heavy Metal, mehr Classic Rock. Würdest Du dem zustimmen?
Ja und nein. Es ist so, dass es auf dieser Platte genau so viele cleane Gitarren gibt, wie auf „Mana“, sie klingen nur nicht so stark nach Gothic. Der größte Unterschied sind für mich die Drums. Der Drumsound auf der ersten Platte klang fast schon elektronisch. Dieses Mal entschieden wir uns eher für einen klassischen Heavy-Metal-Drumsound. Ob uns das helfen oder schaden wird – ich weiß es nicht, es interessiert mich aber auch nicht wirklich. Ich denke, die Songs haben genug Kraft in sich und die Leute kaufen die Platte, wenn sie sie mögen. Wenn nicht, dann gibt es immer noch Album drei und vier. Vielleicht floppt es und das Label schmeißt uns raus. Was auch immer. Wir werden aber, egal was passiert, ein drittes Album herausbringen. Das ist, was ich tue. Ich mache es nicht für den Gehaltsscheck, nicht für Fame oder irgend so einen Scheiß. Ich mache es wirklich, weil ich möchte, dass mich ein Promoter aus Russland anruft und fragt: „Hey, willst Du rüber nach Russland kommen und feiern?“ Das ist meine Hauptmotivation. (lacht)
Hat denn mittlerweile ein Promoter aus Russland angerufen und Dir diese Frage gestellt?
Ja, hat er und wir werden vielleicht nächstes Jahr rüber fliegen. Wir werden sehen.
Statt über Russland lass uns lieber mal über Eure Heimatstadt Portland, Oregon sprechen. Was tut Ihr da eigentlich ins Wasser? Neben Euch gibt es da UADA, BEWITCHER, SILVER TALON und einige weitere gute Bands – und alle kommen aus einer Stadt im Nordwesten, die jetzt nicht gerade als das Mekka des Rock’n’Roll bekannt ist. Ist denn Eure Szene so gut, habt Ihr so viele tolle Clubs oder was ist Deiner Meinung nach der Grund?
Es ist lustig, dass Du das fragst, denn: Gute Szene? Nein! Tolle Clubs? Nein! Und ganz ehrlich – es sind die Bands, die Du gerade genannt hast und das ist es dann eigentlich auch.
Naja, was ist denn mit RED FANG?
Ja, OK. Es gibt RED FANG und es gibt TOXIC HOLOCAUST, wobei letzterer nur hier lebt und eigentlich aus Delaware kommt. Oh, und wir haben POISON IDEA. Die kommen aber aus den Achtzigern und sind keine neue Band. RED FANG und TOXIC HOLOCAUST sind auch schon seit über einem Jahrzehnt aktiv. Wenn es also um neue, interessante Bands geht, sind da vielleicht UADA, BEWITCHER, SILVER TALON, wir und eine kleinere Band namens LEATHÜRBITCH, wo Sebastian (Silva, Gitarre, Anmerk. d. Verf.) bis vor einiger Zeit spielte. Die sind ziemlich cool, absoluter Over-The-Top-Heavy-Metal. Aber ansonsten ist es echt ein Kampf etwas zu finden, was abgeht. Und natürlich hat die Pandemie die Gründung neuer Bands stark gedämpft. So etwas wie: „Oh, da ist diese coole neue Band in unserem Block“ – das gibt es aktuell einfach nicht. Nur die selben alten Typen, die Versuchen etwas ans Laufen zu bekommen. Eine komische Zeit.
Unsere Stadt hat sich außerdem auch drastisch verändert. Letztes Jahr hatten wir über 100 Tage Krawalle und Unruhen. Bis zum heutigen Tag ist vieles anders. Das Wohnungslosen-Problem greift völlig ungezügelt um sich. Die Immobilienpreise gehen durch die Decke. Dies ist wirklich keine besonders schöne Stadt in diesen Tagen. Natürlich gibt es immer noch schöne Ecken, keine Frage. Aber eben auch eine Menge geschlossener Geschäfte mit vernagelten Fenstern – es ist einfach gerade eine sehr unsichere Zeit in den USA. Speziell Portland ist natürlich stark im Fokus, weil wir bekannt sind als Heimat der Linken und der sogenannten „Antifa-Bewegung“, wo wir vorher eher als etwas eigenartig galten. Jetzt ist unser Image eher: Feindseliger Anarchisten-Hotspot. Das könnte zwar eigentlich kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein, aber Politik ist zur Zeit einfach super radikalisiert. Man sieht so viele Menschen, die sich nicht einmal mehr mit Familienmitgliedern unterhalten, weil sie unterschiedliche politische Ansichten haben. Da hat das Corona-Virus natürlich nochmal ordentlich Öl ins Feuer gegossen, zusammen mit der ganzen Sache um Donald Trump. Es ist wirklich verrückt.
Aber wie auch immer – zurück zu den Bands. (lacht) Ich denke das ist auch der Grund, warum es gerade schwer ist, gute Musik zu finden. Die Menschen sehen das im Moment einfach nicht als allzu wichtig an, obwohl es verdammt wichtig ist. Musik bringt Menschen zusammen. Musik schafft eine Umgebung, in der ein eher rechtsgerichteter Typ und ein eher linksgerichteter Typ sich treffen können und zueinander sagen: „Ich mag zwar Deine Ansichten nicht, aber wir beide lieben einfach diese Band.“ Das nicht zu haben schadet sowohl der nationalen als auch der lokalen Community.
Das hast Du sehr gut ausgedrückt. Lass uns entsprechend auch ein wenig zur Musik zurück kommen. Es scheint fast so, als hättet Ihr Gothic Rock ein wenig die Coolness zurück gegeben – besonders natürlich dadurch, dass ihr ihn mit Heavy Metal kombiniert habt. Es sieht so aus, als würden aktuell ein paar andere Bands auf der Bildfläche erscheinen, die ein paar Gemeinsamkeiten mit UNTO OTHERS haben, obwohl sie vielleicht in eine etwas andere Richtung gehen. Übernimmst Du dafür gerne die Verantwortung, oder denkst Du, dass es jetzt mehr Bands gibt, die Gothic-Elemente in ihre Musik einbauen ist eher so ein Label-Ding, weil sie heiß darauf sind die nächsten UNTO OTHERS im Portfolio zu haben?
Ich denke Labels sehen so etwas natürlich und es könnte daher ein von Labels verstärkter Trend sein. Ich habe auch ein paar Bands gesehen, die einige Ähnlichkeiten mit uns haben. Da gibt es zum Beispiel POLTERGEIST aus Kanada. Das ist nur ein Typ, er heißt Kalen Baker und er macht einen echt guten Job, seine eigene Rock’n’Roll-Band aufzubauen. Das klingt auf jeden Fall ziemlich cool. Ansonsten, was den Beginn einer Szene oder einer Bewegung angeht: Das wäre natürlich die Hoffnung. Nachdem MUNICIPAL WASTE im Jahr 2000 an den Start gingen, konnte man plötzlich wieder eine große Zahl neuer Thrash Bands entdecken. Sogar WARBRINGER und all diese Bands würde ich in weiten Teilen MUNICIPAL WASTE zuschreiben, die den Stil wieder cool gemacht haben. Und das taten sie, weil sie einfach Spaß machten. Ich hoffe also, dass das auch unsere Musik ausmacht. Dass es einfach Spaß macht uns zuzusehen, dass die Leute eine gute Zeit auf unseren Konzerten haben. Das kann aber nur die Zeit beantworten. Wenn wir wirklich erfolgreich sein werden, mit dem was wir tun, dann wird man auch andere Bands sehen, die versuchen so zu sein wie wir. Das schafft man aber nur mit engagierten Hardcore-Fans.
Wie auch immer, jetzt im Moment sehe ich uns noch keinen neuen Trend begründen. Klar, ich bekomme viele Komplimente, aber niemand sagt: „Hey, ich starte auch eine Band wie Eure.“ Und ich würde ihnen sogar raten, das nicht zu tun. Ich würde ihnen raten, eine Band zu gründen, von der sie denken, dass sie am besten zu ihnen passt.
Ja, vielleicht ist es genau das. Wenn die Leute sehen, dass eine Band wie UNTO OTHERS beispielsweise auch auf einem Festival wie dem KEEP IT TRUE funktionieren kann, obwohl es eigentlich auf puren Trve Metal ausgerichtet ist, könnte es sie darin bestätigen mit ihrem eigenen Kram weiterzumachen. Übrigens wurde mir Eure Band aus völlig unterschiedlichen Ecken empfohlen, zum Beispiel sowohl von einem Typen der hauptsächlich Prog hört, als auch von einem Black-Metal-Fan.
Naja, wenn Du schon den True- und den Black-Metal-Typen erwähnst: Wir sind in Europa mit GAAHLS WYRD, TRIBULATION und UADA getourt und direkt danach gingen wir auf die Heavy-Metal-Tour bei der wir auf den ganzen Festivals gespielt haben. Beides machte Sinn. Mir fiel auch auf, dass uns das Black-Metal-Publikum durchaus zu akzeptieren schien. Ich dachte also: „Warum nicht, bucht uns mehr Black-Metal-Shows.“ Das einzige Publikum, was unsere Musik nicht so zu mögen scheint, ist das „Tough-Guy-Publikum“. Ich meine damit z.B. LAMB OF GOD-Fans. Das ist etwas schwieriger, die mitzunehmen, da sie in erster Linie straighten, beinharten Metal wollen, was natürlich vollkommen OK ist. Ich würde glauben wollen, dass wir eine Band des „intelligenten Mannes“ sind, aber zugänglich für Jedermann.
Natürlich stehen nach wie vor alle Live-Pläne aktuell noch unter dem Einfluss der Pandemie. Eure Tour zusammen mit BEHEMOTH, ARCH ENEMY und CARCASS wurde gerade wieder verschoben. Wie sehen also Deine Gedanken zum Thema Touren zur Zeit aus?
Einerseits denke ich mir manchmal: „Scheiß auf alles.“ Aber andererseits gebe ich natürlich nicht einfach auf. Wir haben aktuell für November eine Nordamerika-Tour geplant. Wenn es irgendwie möglich sein wird, dann ziehen wir sie durch. Wir kommen dann zwischen März und April 2022 zurück nach Europa, danach folgt eine weitere große Tour in den Staaten. Im Herbst geht es dann wieder zurück nach Europa, auf die Tour mit BEHEMOTH. Wenn Covid es zulässt, werden wir nächstes Jahr mindestens 100 Tage auf Tour sein, hoffentlich noch mehr. Außerdem werden wir ein weiteres Album herausbringen, hoffentlich zum Ende nächsten Jahres. Das ist zumindest der Plan.
Ich möchte 2022 richtig durchstarten, Promo für das aktuelle Album machen, Promo für das nächste Album machen und dann 2023 auf all den großen Festivals spielen. Da werden wir auf dem absoluten Gipfel unserer Leistungsfähigkeit sein. Und danach geht es dann nur noch bergab. Das ist der Plan. (lacht)
Vielen Dank für Deine Zeit und das coole Gespräch, Gabriel.
Hat wirklich Spaß gemacht mit Dir zu quatschen, Mirko.
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Stile | Gothic Metal, Gothic Rock, Heavy Metal |
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