Unleash The Archers
"Die Menschheit hat Angst vor dem, was sie nicht versteht."

Interview

Lass uns kurz über die recht harschen Reaktionen reden, die ihr auf euer mit Hilfe von künstlicher Intelligenz animiertes Video zu „Green & Glass“ bekommen habt (wir berichteten). Persönlich fand ich die Idee löblich, KI als Werkzeug zu benutzen, während ihr dabei trotzdem den ursprünglichen Künstler unterstützt. KI wird ja nicht sobald verschwinden und sowohl Musiker als auch andere Künstler werden einen Weg finden müssen, damit umzugehen. Auch wenn es in eurem Fall nicht so geklappt hat wie beabsichtigt, denkst du, dass es möglich ist, KI auf eine für alle Beteiligten faire Art zu benutzen?

Nach derzeitigem Stand habe ich keine Ahnung. Es liegt in der Verantwortung der Unternehmen, die diese Programme entwickeln, die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Wenn diese Programme z. B. eine Anfrage an Künstler stellen würden, ihr Portfolio rüberzuschicken und man könnte dann entsprechend des Bedarfs eine bestimmte Summe zahlen, dann könnte es funktionieren.

Aber es ist eben viel einfacher, das Internet zu durchsuchen, denn es ist ja schon alles online vorhanden. Wenn wir bei den AGBs von Social-Media-Plattformen auf „akzeptieren“ klicken, wissen wir meist nicht, worauf genau wir uns einlassen und so ähnlich war es hier, wir sind also ein wenig selbst schuld. Die Entwickler von Stable Diffusion hätten etwas transparenter bezüglich des genutzten Prozesses sein können. Aber das ist nicht passiert und wer will so was nach dieser Reaktion jetzt schon noch versuchen? Aber wir wollten diese Technik auch nie für jeden Song des Albums nutzen, wir haben einfach nach einer Möglichkeit gesucht, die Geschichte zu erzählen.

Wir versuchen in unseren Videos immer, neue Dinge auszuprobieren und spannende neue Ideen umzusetzen. Wir wollten nicht schon wieder in einem Schloss oder in einer Lagerhalle stehen und unsere Instrumente spielen. Wir wollten etwas Neues machen und da gab es eben diese coole neue KI-Technologie, die auch irgendwie mit dem Thema des Albums zusammenviel. Außerdem lieben wir es, in unseren Videos zu sein und Charaktere zu spielen. Wir sind vielleicht keine tollen Schauspieler, aber es macht Spaß. Diese Technologie gab uns die Möglichkeit dazu.

Wir hielten es für toll und wir haben geschauspielert wie immer; die Androiden, die Charaktere, das waren alles wir. Ich habe Phantoma und den Schurken gespielt und dieses Programm hat die Werke von Bo Bradshaw genommen, die wir extra lizenziert hatten, um das Ganze in einer Art und Weise mit Leben zu füllen, wie wir das mit Live-Kinematografie nie hätten machen können. Das war unser einziges Ziel, aber wir haben nicht geahnt, wie sehr die Leute künstliche Intelligenz hassen. Und ich meine wirklich HASSEN.

Als ich erstmals von euren Plänen las, dachte ich: „Eine coole Idee, hoffentlich sind die Leute nett zu ihnen.“

Nein, waren sie nicht. Die Sache ist aber, KI ist bereits überall. Es ist zu spät; wenn man sie so sehr hasst, muss man irgendwo raus in den Wald ziehen und sein Essen jagen. Es gibt kaum einen Lebensbereich, in den sie nicht schon irgendwie integriert ist. In der Tech-Welt ist KI schon seit Langem ein Thema, aber niemand hat darüber gesprochen und nun sprechen alle darüber.

Meine Mutter war letztens auf einer Finanzkonferenz, denn sie geht bald in Rente und wollte herausfinden, wie sie am besten investieren soll. Und auf dem ersten Platz war KI. Jeder, der irgendwie Geld hat, investiert in künstliche Intelligenz, das sind die Aktien mit dem größten Wachstum. Und ich dachte nur: „Wow, wir sind echt am Arsch!“

Die Geschichte des Albums handelt von einer KI mit einem eigenen Bewusstsein in einer postapokalyptischen Zukunft, die erst versucht der Menschheit zu helfen. Sie wird desillusioniert und so wenden sich die Dinge zum Schlechten. Wie passt diese Erzählung in die aktuellen Diskussionen um künstliche Intelligenz? War das auch eine Inspirationsquelle für dich?

Nein, es dreht sich nicht um aktuelle Ereignisse, denn ich habe die Story ja bereits 2021 während der Pandemie geschrieben. Wir hatten nichts zu tun, also haben wir mit den Arbeiten am neuen Album begonnen. Ich schreibe die Story Song für Song, ein bisschen wie Kapitel. Kapitel 1, Track 1, das passiert grade in der Geschichte. Das soll der Hörer empfinden, so soll sich der Song anhören und anfühlen.

Hauptsächlich geht es um ein Thema, das wir schon seit Jahren immer wieder in der Populärkultur sehen. Um die Einstellung, die die Menschheit schon immer bezüglich Androiden hatte. Nämlich, dass sie Werkzeuge und nicht menschlich sind, keine Emotionen und Gefühle haben. Wir erschaffen sie, wir programmieren sie und sie müssen tun was wir ihnen befehlen.

Der Gedanke, dass sie möglicherweise ein Bewusstsein entwickeln, ist schon länger ein beliebtes Science-Fiction-Thema und „Phantoma“ ist eben meine Version davon, was passieren könnte. Im Grunde dasselbe wie bei allen andren: „Hau ab, du bist nicht real, geh ins Hinterzimmer, damit wir dein Gedächtnis löschen können!“

Und ich denke, dass es stimmt. Die Menschheit hat Angst vor dem, was sie nicht versteht. Wir mögen den Status Quo. Und wenn wir mit der Entwicklung von KI weiter solche Fortschritte machen, wie wir das heute schon erleben, dann ist kaum abzusehen, wozu sie irgendwann vielleicht eigenständig fähig ist. Im Grunde ist „Phantoma“ die Geschichte von jemandem, der anders ist als die Menschheit und unbedingt ein Teil davon sein will, aber langsam realisiert, dass die Menschheit das nicht will.

Eure Geschichten haben sich generell weg von Fantasy und hin zu Science-Fiction bewegt. Welche Werke haben dich besonders inspiriert?

Ich liebe die Bücher von Alastair Reynolds, insbesondere seine Revelation-Space-Serie mit Technologie, von der er glaubt, dass es sie tatsächlich irgendwann geben könnte. Ich glaube er ist Astrophysiker und kennt sich daher mit der Wissenschaft hinter seinen Ideen gut aus. Und er ist der festen Überzeugung, dass man nicht über Dinge schreiben sollte, die unmöglich passieren können.

Er schreibt über Menschen, die sich mit immer mehr kybernetischen Implantaten aufrüsten. Es gibt eine Figur, bei der das soweit fortgeschritten ist, dass sie größtenteils kybernetisch ist. Der Rest der Welt schaut natürlich auf sie herab, weil die Leute meinen, dass sie nicht mehr menschlich ist. Sie widerspricht aber.

Ich möchte jetzt auch nicht zu viel verraten, aber irgendwann in der Story erlangt ein Raumschiff ein Bewusstsein und ich fand die Idee super cool. Phantoma ist im Grunde ja auch ein Computerprogramm, das ein großes Lagerhaus steuert.

Ich mochte auch immer die Art und Weise, wie Androiden in der Alien-Reihe dargestellt wurden, insbesondere in Prometheus. Und dann ist da natürlich noch Data aus Star Trek, der sich in einem ständigen Kampf mit sich selbst befindet, weil er ein Computerprogramm ist, aber auch Gefühle und Emotionen empfindet. Das sind meine größten Inspirationsquellen.

Galerie mit 17 Bildern: Unleash The Archers - Rockharz Open Air 2024

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07.05.2024

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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