Unholy Fire Records
"Vinyl ist ein Muss"

Interview

Im Jahr 2023 ein Undergroundlabel zu kaufen, wirkt wie vollkommener Wahnsinn, hat die Plattenindustrie doch an allen Ecken und Enden immer mehr zu kämpfen. Dirk Lellwitz und Tobias Grewe haben trotzdem genau das getan. Beide bringen jede Menge Erfahrung im Musikbusiness mit. Sei es als Shopbetreiber, Festival- oder Konzertveranstalter. Mit der Übernahme von Unholy Fire Records wagen sie sich in neue Gefilde. Lellwitz gibt Antwort zu den Hintergründen des Labelkaufs und den musikalischen Zukunftsplänen des Duos.

„Du startest eben nicht bei null.“

Hey Dirk, ps-metal.de, Metal4Meinerzhagen und jetzt noch Unholy Fire Records. Wann schläfst du eigentlich?

Ha, gute Frage! Mein Körper meint tatsächlich seit einigen Jahren, mich mit sechs Stunden Schlaf abspeisen zu können. Ich sehe das zwar anders, aber bisher konnten wir unsere beiden Positionen nicht auf einen Nenner bringen. Vielleicht ist es mir deshalb auch wichtig, die restlichen 18 Stunden mit etwas Gutem zu verbringen: Metal. Alle drei Dinge sind natürlich zeitaufwändig! Der Shop ist dabei meine Einnahmequelle, das Festival mein Hobby und Ehrenamt, das ich allerdings nicht allein auf die Beine stelle, und Unholy jetzt das aktuelle Projekt, von dem noch keiner genau weiß, wohin da die Reise geht. Aber nichts davon wäre ohne den Shop möglich oder überhaupt überlegenswert gewesen.

Woher kam denn der Wunsch von dir und deinem Kollegen, Tobias Grewe, eine Plattenfirma zu führen?

Die Initiative dazu ging ganz klar von Tobi aus, der Anfang ‘23 fragte, ob ich nicht Bock hätte ein Label zu gründen. Ich war da aber strikt gegen, wollte mir eigentlich nicht noch eine Baustelle ans Bein binden. Naja, lange hat der Entschluss nicht gehalten.

Und warum habt ihr du ein bestehendes Label übernommen, anstatt ein komplett neues zu gründen?

Gegründet hätte ich wohl keins, das Übernehmen war am Ende auch eher Zufall: Ich war im Urlaub und habe gelesen, dass Mike, der Vorbesitzer von Unholy Fire Records, das Label aufgeben und seinen Warenbestand verkaufen will. Ich hab mich dann ans Handy gehangen und Tobi angeschrieben, ob er immer noch Lust da drauf hätte. Plötzlich war er etwas zögerlich, aber am Ende haben wir uns den Tritt gegeben und haben das Label und den Shop gekauft. Mike selber habe ich vor Jahren auf dem Metal Inferno in Paderborn kennengelernt. Wir sind musikalisch recht weit auseinander, haben glaube ich auch sonst nicht viele Gemeinsamkeiten, hatten aber immer eine Menge Spaß zusammen. Irgendwie haben wir uns großartig verstanden und es tat mir tatsächlich auch leid, dass er „sein Kind“ aufgeben musste. Denke schon, dass es mir wichtig war, dass für ihn am Leben zu erhalten. Außerdem kannst du natürlich auch schon auf einen gewissen Bekanntheitsgrad und Kundenstamm zurückgreifen. Du startest eben nicht bei null.

Weniger Grind bei Unholy Fire Records

Euer Label-Shop läuft über ps-metal.de. War es von Anfang an klar, dass ihr das so handhaben würdet oder habt ihr darüber nachgedacht, diese beiden Betätigungsfelder ein bisschen klarer voneinander zu trennen?

Eine Trennung wäre aus meiner Sicht komplett sinnfrei! Erstmal haben beide Felder das Zeug dazu, sich gegenseitig zu pushen. Kauft jemand was über ps-metal.de, nimmt er vielleicht noch eine Unholy-Fire-CD mit. Andersherum das gleiche. Zum anderen sind es aber auch rein praktische Dinge! Wenn du zwei Shops betreiben willst, bedeutet das auch doppelte Arbeit. Keiner von uns ist IT-Experte: Tobi hat Ahnung von der Technik, aber Software ist ein anderes Thema. Gibt es Probleme, muss ich bei ps-metal jemanden dafür bezahlen, das zu managen. Es wäre absoluter Quatsch, das doppelt zu tun.

Welche Art von Musik können Fans in Zukunft bei Unholy Fire Records erwarten?

Unholy Fire war bisher ja eher ein Hafen für viele Black-Thrash Bands. Es ging aber auch schon mal Richtung Grind, Thrash oder auch doomigere Bands. Mike hat mit EVILIZERS aber auch schon mal im Heavy Bereich geräubert. Die Black-, vor allem aber die Grindschiene werden wir wohl nicht mehr bedienen, wobei gerade im Black Metal aktuell viel Spannendes passiert. Ich persönlich würde auch gerne was in Richtung 1914 oder OLD RUINS machen. Also Bands, die auf Atmosphäre setzen. Ob ich aber Tobi dazu krieg, wird die Zeit zeigen. Er wird da eher Richtung Death Metal tendieren. Kann ich aber auch gut mit leben. Letztendlich gibt uns das Erbe von Unholy Fire Records aber vor, dass wir nicht irgendwo in den Power Metal abdriften, unabhängig davon was wir privat vielleicht hören. Unholy Fire wird definitiv härtere Bands auf der Liste haben. Ich denke, es wird viel in Richtung Thrash, vielleicht auch Death Metal gehen.

Was steht an Formaten an? Werdet ihr Vinyl und Tape bedienen oder euch eher auf CDs konzentrieren?

Vinyl ist ein Muss. Da hab ich mittlerweile auch Tobi überzeugt, der eigentlich ein Kind der CD ist. In dem Jahr, als ich meine erste Metal LP gekauft habe, ist er geboren worden. Die musikalische Kultivierung lief also schon anders. Was wir beide nicht verstehen: Warum kauft man sich Tapes? Die Dinger sind scheiße, haben eine scheiß Qualität, haben scheiß Bandsalat und haben einen scheiß Sound. OK, wenn eine Band kommt und sagt, dass wollen wir, werden wir da wohl über unseren Schatten springen. Aber im Grunde war der Sinn einer Kassette in den 80ern, seine LPs für’s Auto und den Walkman tragbar zu machen. Als fertiges Objekt spielte es kaum eine Rolle. Das wird heute schon etwas verklärt, finde ich.

Gibt es denn schon erste konkrete Bands, mit denen ihr zukünftig zusammenarbeiten werdet, beziehungsweise könnt ihr dahingehend etwas verraten?

Tatsächlich war der ursprüngliche Plan, erstmal alles in Ruhe einzurichten und 2024 durchzustarten. Dann feiert das Label immerhin seinen zehnten Geburtstag. Wir haben in den Kauf des Shops ja auch erstmal ein paar Euros gesteckt, die wird zumindest zum Teil erstmal drin haben möchten, bevor sich das nächste finanzielle Loch auftut. Allerdings kamen nach ein paar Tagen schon die ersten Bewerbungen rein, sodass wir aktuell durchaus mit dem Gedanken spielen, schneller mit allem aus dem Quark zu kommen. Konkret haben wir noch keine Band für ein Album festgemacht. Wir hatten aber ein sehr, sehr gutes Gespräch mit einer Thrash-Combo. Am Ende sind wir noch nicht ganz zusammengekommen. Es werden aber in ein paar Monaten weitere Gespräche mit ihnen geführt und ich hoffe wirklich, dass wir uns da einig werden! Je öfter ich deren aktuelles Album höre, desto mehr angefixt bin ich! Ich hätte wirklich Bock, mit denen zusammen zu arbeiten. Wir werden sehen. Durch Zufall rede ich auch gerade mit Bekannten, die sich eventuell ein neues Label suchen. Vielleicht suchen müssen. Das wäre stilistisch etwas außerhalb der bisherigen Unholy-Fire-Politik, qualitativ aber absolut erste Wahl! Aber da müssen wir wirklich noch schauen, das steht da alles ganz am Anfang.

Am Anfang standen IRON MAIDEN

Wenn du drei Wunschbands bei Unholy Fire unter Vertrag nehmen könntest, welche wären das?

IRON MAIDEN. Sie waren mein Einstieg in den Metal, so würde sich auch irgendwie ein Kreis schließen. Außerdem verkaufen die so gut, dass wir Kohle für alle Bands hätten, die wir unbedingt veröffentlichen wollen! MOTORJESUS. Gar nicht Unholy-Fire-Records-Musik. Aber ich verdanke der Band und Sänger Chris im Speziellen unglaublich viel und könnte mich mit einer pornösen Special Editon, fußbemalt und mundgeklöppelt, erkenntlich zeigen! ERADICATOR. Ich kenne die Jungs, seit sie noch von Papa auf die Konzerte gefahren wurden. Für mich klar eine der besten, neuen deutschen Thrash-Metal-Bands, auch wenn sie 2024 schon ihr 20jähriges Jubiläum feiern. Warum die nicht groß sind, kann man nur damit erklären, dass sie aus der gleichen Sauerländer Pampa kommen wie ich. Im Pott hätten sie schon einen ganz anderen Status, bin ich mir sicher. Tobias würde einen Deal mit ihnen sicher auch feiern: Er war der erste Sänger der Band!

Du bist mit deinem Shop auch des Öfteren auf Festivals und Konzerten vertreten. Wo kann man dich in nächster Zeit antreffen?

Tatsächlich habe ich für dieses Jahr nur noch zwei Termine: Das Ragers Elite in Hamm und das Dragonslayer in Attendorn. Seit längerem ist viel Bewegung im Veranstaltungsbereich, das eine stirbt, das andere wird geboren. Ich plane da gerade das nächste Jahr und hoffe, dass da noch einiges zukommt. Fest steht auf jeden Fall das Metal4Meinerzhagen als Hausfestival am 26.10.24 An den Bands arbeiten wir fleißig. Und wenn es nur halb so geil wird wie angedacht, besteht Anwesenheitspflicht!

25.10.2023

"Irgendeiner wartet immer."

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