Unhallowed
"Zwei uninspirierte Riffs für fünf Minuten im Kreis zu spielen und das am Ende abzumischen als wäre es '89 in einem Keller in Oslo entstanden, ist für uns nicht automatisch Black Metal."
Interview
Die Neunziger sind im Black Metal für den Großteil der Szene das Maß aller Dings und am Einfluss dieser Pionierepoche auf die folgenden Generationen wird sich auf immerdar wenig ändern. In jüngerer Zeit erfreut sich dabei die melodische und früher von Labels wie zum Beispiel No Fashion stark geförderte Stilrichtung schwedischer Machart einer nachwachsenden Popularität. Mit UNHALLOWED schickt sich nun eine Band aus deutschen Landen an, diesem Stil die Ehre zu erweisen. Bei allen Bandmitgliedern dürfte es sich um prominente und verdingte Szene-Veteranen handeln – mehr werden wir allerdings vermutlich nie erfahren. Denn UNHALLOWED beschlossen, ihre Identitäten und musikalischen Lebensläufe vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Egal, denn in diesem Fall kann man wirklich mal eine totgehörte Floskel bemühen: Die Musik spricht immerhin für sich. Und die ist alles andere als von schlechten Eltern.
Grüßt euch, Leute von UNHALLOWED. Ihr seid in dieser Form noch recht unbekannt und bringt gerade euer Debüt “Awaken The Black Flame” heraus. Wie lautet eure Mission?
Wir verstehen uns als Anhänger der alten Ideale im Black Metal, die Ende der Neunziger Jahre verloren gegangen sind. Distanziert von moderner Idiotie, die den wahren Geist der Musik verfälscht. Unser Ziel ist es dementsprechend, das Feuer vergangener Zeiten wieder zu entfachen und weiterzutragen.
Der Bandname lässt natürlich sofort Assoziationen zu DISSECTION wach werden. Ist das ein bewusster Verweis auf die Legende?
Der Status, den DISSECTION innerhalb der Szene genießen, ist unbestreitbar. UNHALLOWED nehmen direkten Bezug auf den Inhalt des gleichnamigen Songs. Das Schwert zu jenen zu tragen, die unsere Werte und die des Black Metals mit Füßen treten.
Der Sound von UNHALLOWED scheint generell stark in der skandinavischen Tradition zu stehen. Ich höre neben puristischen Black-Metal-Einflüssen melodische Bands wie VINTERLAND, MÖRK GRYNING, UNANIMATED, NAGLFAR und GATES OF ISHTAR heraus. Versteht ihr euch als Tribut an diese Szene und Epoche oder würde das euren Anspruch an Eigenständigkeit und Originalität schmälern?
Natürlich müssen wir den Bands der Neunziger Jahre Tribut zollen. Ohne sie würde unsere Musik so nicht existieren.
Unser Ziel ist es aber nicht, aus fehlgeleiteter Nostalgie bereits geschaffene Tatsachen zu wiederholen, sondern im Geiste dieser Bands, aber mit unserer eigenen Stimme zu sprechen. Es ist falsch, sich auf den Errungenschaften anderer Bands auszuruhen und ohne eine eigene Identität Musik zu schaffen. Das Ziel muss immer sein, als eigenständige Einheit innerhalb unserer Überzeugungen und Inspirationen zu existieren.
Woher speist sich eure Black-Metal-Sozialisation generell? UNHALLOWED hören sich irgendwie wie eine Band an, deren Leute schon während ihrer frühen Jugend Black Metal gehört haben und jetzt als erfahrene, gereiftere und etwas ältere Musiker ganz ungezwungen ihre Lieblingsmusik spielen wollen.
Black Metal als solches hat auf uns alle eine magnetische Anziehungskraft und hat unser Weltbild und unser Selbstverständnis fundamental geprägt. Von frühen Berührungspunkten mit Bands wie GEHENNA, GORGOROTH und DAWN bis zum Erleben von Live-Konzerten mit allem, was für uns zum Black Metal gehört: Atmosphäre, Überzeugung, Ernsthaftigkeit; die Präsentation der Musik im Rahmen von Stage-Shows und die Authentizität der Musiker abseits der Bühne – das Gefühl, dass diese Menschen wirklich leben, was sie in ihrer Kunst ausdrücken. All diese Dinge haben uns zutiefst beeindruckt und uns zu den Menschen gemacht, die wir heute sind.
UNHALLOWED ist die Summe aller unserer verschiedenen Einflüsse und Erfahrungen. Wir stehen an einem Punkt, an dem wir im Rahmen dieser Band, unsere Vorstellung von Black Metal kompromisslos durchsetzen können. Wir haben alle über Jahre Erfahrungen gesammelt, die jetzt vereint werden, um die uns bestmögliche Musik zu schreiben – mit dem Ziel, unseren Stil immer weiter zu erforschen.
Die Produktion ist recht differenziert, bietet dennoch genügend Raum für Atmosphäre. Auch dieser Umstand erinnert an die Hochphase der Neunziger und die besseren Arbeiten von Dan Swanö und Peter Tägtgren. Warum habt ihr euch sozusagen gegen die “Philosophie des Rumpelns” entschieden?
Die “Philosophie des Rumpelns” gibt es zweimal. Zum einen viele frühe Black-Metal-Veröffentlichungen, am prominentesten aus Norwegen und Finnland, die teils aufgrund der Umstände ihrer Entstehung so klingen, wie sie klingen. Zum anderen gibt es modernen Black Metal, der im Geist der “Alten Schule” willentlich und absichtlich so schlecht produziert wird, wie es den Verantwortlichen nur möglich ist. Viele moderne Bands nutzen diese Philosophie, um schlampig gespielte Spuren zu kaschieren. Besonders in Deutschland hat sich die Idee breitgemacht, dass Black Metal primitiv und rumpelig klingen muss – es scheint fast, als wären viele Musiker in der Szene besser bedient, Punkrock zu spielen. Zwei uninspirierte Riffs für fünf Minuten im Kreis zu spielen und das am Ende abzumischen als wäre es ’89 in einem Keller in Oslo entstanden, ist für uns nicht automatisch Black Metal. So wichtig Tradition auch ist, so falsch ist es, sie zu missbrauchen, um eigene Unzulänglichkeiten zu verdecken. Gerade wenn dann das Argument angeführt wird, Black Metal MÜSSE so klingen – und alles, was davon abweicht, sei kein wahrer Black Metal.
Deswegen haben wir uns schon früh im Kreativprozess dafür entschieden, die Produktion in die Hände von Left Hand Sounds in Poznań zu geben. Black Metal definiert sich nicht durch Rumpeln – Black Metal definiert sich durch Musikalität und Ideologie. Dan Swanö und Tore Stjerna [aka. Necromorbus – Anm. d. Red.] im Besonderen haben Alben produziert, die trotz ihrer nicht von der Hand zu weisenden Atmosphäre und Vielschichtigkeit nichts an der Bösartigkeit einbüßen, die dem Black Metal innewohnt. Gerade “Slaughtersun – Crown Of The Triarchy“ von DAWN (Peter Tägtgren) und “In Hora Mortis” von ZARATHUSTRA (Tore Stjerna) haben uns als Referenzen für unsere Idealvorstellung gedient.
Ihr besteht auf Anonymität. Diese will ich auch gar nicht aufbrechen. Grundsätzlich möchte ich euch aber fragen, welche Vorzüge ihr darin seht.
Unser Interesse gilt in erster Linie UNHALLOWED und den Botschaften, die wir durch unsere Musik kommunizieren können. Mit dem Tragen von Corpsepaint und einem Darstellen auf der Bühne, wie es zum Black Metal gehört, entfernt man schon einen guten Teil der Person, die dahintersteht. Unsere Anonymität ermöglicht es uns, diese Trennung noch radikaler zu gestalten. Wir sind der Musik untergeordnet – nicht die Musik uns.
Bedeutet das auch, dass Live-Auftritte von euch völlig ausgeschlossen sind?
Unser primäres Ziel ist es, Musik zu schreiben. Alles darüber hinaus wird sich zeigen.
Die “schwarze” Flamme ist eine Metapher aus verschiedenen gnostischen und luziferischen Traditionen und steht häufig für eine Form der Erkenntnis abseits vorgeprägter, konventioneller Wege oder für gewissermaßen verbotenes, geheimes Wissen. Fühlt ihr euch einer gnostischen Tradition oder Schule zugehörig? Wie ist eure Haltung zu Strömungen wie dem MLO bzw. dem Temple Of The Black Light?
Wir als Personen sind keiner übergeordneten Organisation zugehörig. Es gibt viele Überschneidungen zwischen unserer Weltanschauung und der des MLO/Temple Of The Black Light, aber genauso viele Punkte, in denen die Meinungen auseinandergehen.
Es liegt nicht in unserem Interesse, Menschen zu überzeugen. Die, die unsere Ideale teilen können, sind uns Verbündete. Für die, die ihnen entgegenstehen, haben wir nur Verachtung übrig.
Mit Folter Records seid ihr bei einem der traditionsreichsten und renommiertesten Labels für oldschooligen Black Metal untergekommen. Mit welchen anderen Bands auf dem Label fühlt ihr euch besonders wohl?
Die Zusammenarbeit mit Folter Records war von Anfang an sehr positiv. Das Label ist für uns der perfekte Mitstreiter, um “Awaken The Black Flame” zu veröffentlichen und um uns weiterhin zu entwickeln.
Es ist für uns eine Ehre, auf einem Roster mit Veteranen wie ISVIND und DARKMOON WARRIOR zu stehen – sowie mit den alt eingestandenen ELITE.
Was folgt als nächstes bei UNHALLOWED?
Wir arbeiten bereits an neuer Musik. Wann und in welcher Form ein zweiter Release folgt, wird sich zeigen.
Zuletzt: Welche Underground-Alben sind euch (als Band kollektiv oder als Einzelpersonen) in den letzten Monaten untergekommen, die ihr an dieser Stelle unbedingt empfehlen möchtet?
Zum einen “Necrogenesis” (2019) von NORDJEVEL, ZARATHUSTRA’s “In Hora Mortis” (2006), “Dommedagskvad” (2017) von WHOREDOM RIFE sowie “Pilgrim” (2021) von THRON.
[Die Review zu “Awaken The Black Flame” erscheint am 07.04.2023. VÖ des Albums ist am 14.04.2023]