Unearth
Interview mit Sänger Trevor Phipps
Interview
Mit „Darkness In The Light“ haben UNEARTH nicht nur ihr wahrscheinlich bestes Album veröffentlicht, sondern ein wegweisendes Vorzeige-Album, das zahlreiche Metalcore-Kollegen, die schon lange irgendwo im undurchschaubaren Dickicht von konstruiertem Standard-Geschrubbe verloren scheinen, in ihre Schranken verweist.
Sänger Trevor Phipps, ist vorsichtig optimistisch, dass das neue Album auch langfristig gesehen das Zeug zum Klassiker hat: „Immer, wenn ich ein neues Album aufgenommen habe, fühlte es sich zunächst wie das Beste an, in der Regel zeigt die Zeit, welche Scheibe die stärkste ist. Dass „Darkess In The Light“ das beste Album unserer Karriere sei, ist aber bereits die Meinung von vielen Kritikern und Fans auf der ganzen Welt. Ich denke also, dass wir sehr zuversichtlich sein können. Jetzt wird es darauf ankommen, die Songs live zu präsentieren und auf die Reaktion der Leute gespannt zu sein.“
Textlich gibt der Sänger diesmal persönliche Einblicke. Die politische, protestierende Seite von UNEARTH ist immer noch vorhanden, wenngleich auch nicht mehr so präsent wie auf den Vorgängern: „Einige Songs befassen sich immer noch mit der politischen Situation in der Welt und vor allem damit, wie sehr ich diese Strukturen ablehne, aber die eindeutige Mehrheit des Albums beschäftigt sich mit persönlichen Gegebenheiten, um den ewigen Kampf, die Dunkelheit zu überwinden und ein glücklicher Mensch zu werden. Ohne diese Herausforderungen wäre das Leben langweilig, aber wenn man sich das alles zu sehr zu Herzen nimmt, kann es einen auch ruinieren“.
„Last Wish“ gewährt Einblicke in die Gefühlswelt von Trevor, der sich vor nicht allzu langer Zeit mit der Tatsache auseinandersetzen musste, dass der ehemalige Bassist Chris Rover Rybicki lebenserhaltende Maßnahmen über sich ergehen lassen musste, bevor er letztlich verstarb. „Ein solcher Zustand ist schwierig, sowohl für die Person, die es betrifft, als auch für die Familie und Freunde, die sich um sie kümmern müssen. Die Medizin kann uns manchmal nicht zurückbringen, und da ist es vielleicht das Beste für alle, wenn man diese Welt verlässt. Darum geht es in „Last Wish“. Für mich ist es eine größere Herausforderung, solche Texte zu schreiben, als über politische oder Texte über aktuelle Ereignisse. Ich hoffe, dass dass unsere Hörer vielleicht manche Dinge nachvollziehen können, denn letztlich ist es auch eine Art Therapie, wenn man die Möglichkeit hat, sich auf diese Weise auszudrücken. Man muss seine Seele einfach irgendwie von dem Scheiß befreien, denn nur so kann man ein glücklicheres Leben führen.“
Auch mit seiner eigenen Gesangsleistung ist Trevor zufriedener als zuletzt: „Mein Gesang auf „The March“ war gerade gut genug, um das Album zu veröffentlichen, aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich die Songs live besser singe. Diesmal wollte ich die rohe Energie einfangen, ebenso die Emotionen, die hinter den Texten stehen. Ich bin diesmal viel mehr emotional und auch physisch in den gesamten Songwriting-Prozess involviert gewesen, als je zuvor. Ich war am Ende der Produktion sehr erschöpft, aber dem Album kommt die Mühe ganz sicher zu Gute.“
Über den Einsatz der Clean-Vocals von Ken gab es ein paar Diskussionen: „Die Clean-Vocals hatten wir zum ersten Mal 2002 auf unserer EP „Endless“. Damals hab ich das noch gemacht, aber ich habe bald festgestellt, dass Ken das vor Allem live viel besser kann, deshalb haben wir ihn die melodischen Parts singen lassen, als wir den Song für „The Oncoming Storm“ neu aufnahmen. Auf dem Album hatten wir drei Songs mit cleanem Gesang, haben uns anschließend aber dazu entschlossen, das sein zu lassen, weil das einfach jede Band gemacht hat und offenbar jede als die neuen KILLSWITCH ENGAGE gelten wollte. Man kann sagen, dass wir uns sieben Jahre lang gegen cleanen Gesang gewehrt haben, einfach weil das in der Metal-Welt so überpräsent war. Diesmal wollten wir das Element wieder einführen, um den Songs mehr Tiefe zu verleihen, aber es gab einige heftige Debatten darüber, wie oft und wie viel Clean-Gesang richtig und notwendig ist. Ich finde, wir haben einen guten Kompromiss gefunden: Die Melodien sind sparsam eingesetzt und an den richtigen Stellen, und wir sind immer noch keine der Bands, die das jetzt in jedem Song macht.“
An den richtigen Stellen eingesetzt sind auch die Soli der beiden Gitarristen Buz McGrath und Ken Susi, die ihrem ohnehin schon vollkommen einzigartigen und herausragenden Spiel noch eine sehr passende Facette hinzufügen: „Für die beiden ist das sicher eine natürliche Entwicklung. Die beiden haben eine grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweise, wenn es um Soli geht. Ich glaube, das sind einfach ihre Stimmen, die durch die Gitarren sprechen. Man kann ihre Persönlichkeiten noch viel mehr anhand der Soli heraushören, als durch die Riffs und Leads. Ich mag das neue Element sehr, und bisher sieht es so aus, als ob die Fans das ähnlich sehen.“
KSE-Drummer Justin Foley hat für „Darkness In The Light“ die Felle auf meisterhafte Art verdroschen, da seine Stammband vor Oktober keine Konzerte spielt, bietet es sich an, ihn auch für die UNEARTH-Live-Shows zu engagieren. Trevor bestätigt: „Justin wird sowohl die Mayhem Festival-Tour in den USA mit uns spielen, wie auch die Hell On Earth-Tour in Europa im August/September.“
Produzent Adam D., Gitarrist und Sänger genannter Megaseller, ist bereits eine Art sechstes Bandmitglied. „Wir arbeiten seit einem knappen Jahrzehnt mit ihm zusammen. Er kennt unsere Persönlichkeiten, unsere Stärken und unseren Sound in- und auswendig und stachelt uns immer zu Höchstleistungen an. Wir schreiben zwar die Songstrukturen und arrangieren auch das Meiste selbst, seine Meinung ist aber stets willkommen und wird nicht selten berücksichtigt. Er ist definitiv der richtige Produzent für uns.“
Wie groß der Hardcore-Anteil seiner durch und durch nach Metal klingenden Band wirklich ist, darauf möchte sich der groß gewachsene Sänger jedoch nicht festlegen: „Hardcore und Punk sind für viele Metal-Bands ein großer Einfluss gewesen, vor Allem, was ihre politische Einstellung und ihre raue Energie angeht, so dass sie Grenzen da einfach mehr und mehr verwischen. Ich habe mir angewöhnt, Schubladen zu ignorieren und allen Bands eine Chance zu geben, sobald mir ihr Sound und ihre Message zusagen. Genres können das Potenzial einer Band immens limitieren, vor Allem aber können sie dafür sorgen, das Fans verschiedene Arten von Musik weniger gut genießen können. Und das kann ja nicht Sinn der Sache sein.“
Eine Aussage, die man als offenherziger Rock- und Metalfan nur unterschreiben kann.
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